Hier ein Beitrag aus der letzten Plusminus Sendung.
mfG: Speculator
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Konstruktionsfehler beim Nokia 8210
Hersteller verweigert Kunden wiederholt Garantie
[Autor: Sven Herold
Längst zum Stammtischgespräch geworden, das 8210 von Nokia. In einer Kneipe treffen wir fünf Freunde, die alle bei diesem Handy mindestens einen Displayschaden hatten. Chinesische Zeichen, Linien oder Totalausfall, so auch bei Torsten Hoffmann. Sein Gerät gab den Geist nach der einjährigen Garantiezeit auf. Für ein neues Display musste er über 50 Euro zahlen, aber nach kurzer Zeit war es gleich wieder defekt. Noch mehr Ärger hatte sein Freund Roger Schönberg mit dem 8210:
"Ich bin stinksauer auf Nokia. Ich habe mein Handy 7 - 9 Monate gehabt, das Display fing an zu spinnen, ich bin zum Nokia-Händler gegangen, das Ding wurde repariert. Nach zwei bis drei Wochen war das Display wieder kaputt, ich alles klar bin wieder zum Nokia-Händler gegangen und habe mich in die Reihe angestellt. Alles klar, das Display hat wieder funktioniert. Dann am Ende der Garantiezeit etwa nach drei Monaten war das Display wieder kaputt. Ich habe ein Austauschhandy bekommen. 6 - 7 Wochen später war das Display kaputt. Und jetzt muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, ich hab’s aufgegeben."
Das 8210 ist das Trend-Handy von Nokia. "It makes you feel special" heißt es auf der Internetseite von Nokia, und weiter: Das 8210 "steht für Image, Fashion und für Ihren ganz individuellen Stil. Ein schickes Accessoire, das sich Ihrem Outfit anpasst, und das voller technischer Raffinessen steckt." Vor allem für modebewusste Menschen, die Wert auf Spitzentechnologie legen, sei es gedacht, so der finnische Hersteller. Auch heute wird das Handy noch angeboten. Zur Einführung kostete es fast 500 €, zur Zeit immer noch über 300 €.
Dass die in der Kneipenrunde geäußerten Defekte wohl kein Einzelfall sind, bestätigen die Erfahrungen eines großen Händlers. Gegenüber Plusminus sagt er: "Von 10 verkauften 8210 Geräten kommen 7 vom Kunden wieder zurück aufgrund dieses Displayschadens."
Diese Ausfallquote beim 8210 nennt uns auch Torsten Bressmer. Er ist Vertriebsleiter der Firma Pro Systec, die in Deutschland einer der größten Versicherer für Handys ist. Insgesamt versichere sein Unternehmen Handys im siebenstelligen Bereich. Ein Großteil davon seien Nokia-Geräte. Den Löwenanteil halte davon das 8210, so Bressmer. Er bestätigt die Aussage unseres Händlers, 70% der Handys würden im Service wieder auftauchen, hauptsächliche Fehler seien Displayschäden:
"Die Kosten belaufen sich derzeitig auf einen fast sechsstelligen Bereich der sich zusammenstellt aus Reparatur, Versand, Porto oder eventuell sogar Totalersatz des Gerätes. Nokia an sich wurde von uns informiert, mit dem Hinweis, dass wir hier außerhalb von einem akzeptablen Bereich stehen. Leider konnten wir von Nokia weder einen Termin bekommen, noch ein Statement erhalten, um das weitere Vorgehen mit diesen Serien zu besprechen.", so Bressmer.
Wir wollen es genau wissen: Wieso treten bei einem so teuren Gerät so viele Fehler auf? Bei einem Großhändler kaufen wir 10 nagelneue Nokia Modelle 8210 und lassen sie untersuchen. Das macht für uns das Ingenieurbüro Weis.
Hans Konrad Weis ist von Gericht bestellter und vereidigter Gutachter. Ein Spezialist in Sachen Mobilfunk. Er und seine Mitarbeiter testen die Geräte. Schon bei normalem Gebrauch stellen sie Probleme mit dem Display fest. Nach der technischen Untersuchung zieht Gutachter Weis ein ernüchterndes Fazit:
"Von den zehn Geräten, die Sie geliefert haben waren vier in Ordnung. Zwei wiesen einen Displayschaden auf, drei hatten einen Ausfall nach mehrmaligem Gebrauch und eins war sofort defekt. Aus meiner Sicht dürfte es sich hier um einen Konstruktionsfehler handeln und ich bin erstaunt, dass solche Fehler einer renommierten Firma wie Nokia unterlaufen." So einen Fehler habe er in seiner 25-jährigen Laufbahn bisher nicht erlebt, so Weis weiter.
Grund für die Ausfälle sei eine zu dünne Oberschale des Handys. Es halte so einem normalen Gebrauch nicht stand. Aus vernünftigem Ansinnen ihres Unternehmens hätte Nokia das Gerät so nicht auf den Markt bringen dürfen, so die Einschätzung von unserem Gutachter. Nach seiner Ansicht hätte Nokia den konstruktiven Mangel auch nach Markteinführung korrigieren können, indem das Unternehmen eine stabilere Oberschale eingesetzt hätte.
Wer jetzt aber denkt, Nokia würde den Fehler immer auf Kulanz einfach so reparieren, der irrt. Beispiel Ilka Ziech: Auch die Abiturientin hatte das Displayproblem - noch in der Garantiezeit. Aber nichts mit Reparatur. Nokia lehnte ab, wegen eines angeblich von der 19-jährigen selbst verursachten Feuchtigkeitsschadens. Sie ist verärgert:
"Ich hab’s auf keinen Fall mit Feuchtigkeit in Verbindung gebracht. Das habe ich denen mehrmals gesagt und geschrieben. Und dann hat man mir geantwortet: Ja, es muss nicht unbedingt direkt mit Feuchtigkeit in Verbindung gebracht werden, sondern das kann einfach auch passieren, wenn man durch Temperaturunterschiede von draußen nach drinnen geht, dass dann ein Totalschaden durch Feuchtigkeit entstehen kann."
Keine Garantie von Nokia, diese Fälle kennt auch unser Händler. Vor allem wenn die Geräte mehrmals mit dem Displayschaden in Reparatur waren. Er sagt uns, dass es beim vierten, fünften Mal dann heiße, es sei ein Displayschaden, den man selbst verursacht habe oder es sei ein Wasserschaden. "Irgendeine andere Argumentation wird dann gefunden, dass das nicht mehr repariert wird."
Wir bringen das Handy von Ilka Ziech und drei weitere, die nicht repariert wurden, zu unserem Gutachter. Bei allen wurde die Garantie wegen angeblich selbst verursachter Feuchtigkeit abgelehnt. Bei seinen Untersuchungen findet Hans-Konrad Weis aber nur ein Gerät, das wirklich einen Wasserschaden aufweist. Zwei Geräte wiesen, so das Gutachten, zwar Feuchtigkeitsspuren auf, diese seien aber konstruktionsbedingt. Bei einem Gerät konnten keinerlei Spuren von angeblicher Feuchtigkeit nachgewiesen werden. Nach Einschätzung unseres Gutachters hätte also in drei Fällen eine Garantieleistung von Nokia erbracht werden müssen. Darunter auch das Handy von Ilka Ziech. Es hätte kostenfrei von Nokia repariert oder ersetzt werden müssen.
Den Werkstätten kann man keinen Vorwurf machen, denn die Anweisung kommt von der Konzern-Spitze. In einem internen Schreiben weist Nokia seine Servicecenter an, die Garantie schon bei den kleinsten Spuren von Feuchtigkeit abzulehnen. Dabei ist das 8210 gar nicht ausreichend gegen Kondensfeuchtigkeit verkapselt, so der Gutachter.
Mit unserem Gutachten und dem internen Nokia-Schreiben konfrontieren wir Christoph Kremer, einen renommierten Frankfurter Anwalt für Produkthaftung. Für ihn kommt der Tatbestand des Betruges in Betracht, denn Nokia täusche die Kunden darüber hinweg, was die wirkliche Ursache des Geräteausfalles sei. "Ich halte es für möglich, dass Betrug im besonders schweren Falle begangen wurde. Wer möglicherweise die Fäden gezogen und absichtlich den Betrugstatbestand verwirklicht hat, das vermag ich nicht zu sagen, das müssten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben.", so der Anwalt.
Auf Nachfrage von Plusminus hat Nokia am Abend eingeräumt in bestimmten Chargen mangelhafte Bauteile verwendet zu haben. Allerdings streitet Nokia einen generellen Konstruktionsfehlers des Modells 8210 ab, erklärt aber erstmals "Nokia sei an einer einvernehmlichen Lösung auffälliger Schadensfälle interessiert."
Bei Pro Systec wird das 8210 und drei andere Nokia-Serien, nämlich das 3310, 3330 und 8850 ab 1. Mai nicht mehr versichert. Außerdem will man Nokia auf Schadenersatz verklagen. Diese Möglichkeit haben auch geprellte Kunden wie Ilka Ziech. Der Rat von unserem Anwalt allerdings: Holen Sie sich rechtlichen Beistand. Sie können sich beispielsweise an eine Verbraucherzentrale in Ihrer Nähe wenden.
Service-Informationen:
Adressen der Verbraucherzentralen:
Internet: www.verbraucher.de/adressen/inhalt/kon_vza.html
www.hr-online.de/fs/plusminus/beitrag/020402handyaerger.html