Neue Bosse braucht das Land

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Nassie:

Neue Bosse braucht das Land

 
27.02.03 21:13
Neue Bosse braucht die Bank

Gesucht: Unternehmer für das nächste deutsche Wirtschaftswunder

Von Uwe Jean Heuser

Jetzt stehen die Chefs der Deutschland AG da wie Kaiser ohne Kleider. Ausgerechnet jene Männer versagen, die unanfechtbar im Zentrum des Banken- und Industriegeflechts zu herrschen schienen. Die Justiz befasst sich mit den beiden Spitzen der Deutschen Bank. Aufsichtsratschef Rolf Breuer ist in erster Instanz zu Schadenersatz verurteilt worden, weil er – noch als Vorstandssprecher – im Fernsehen geschäftsschädigend über die KirchGruppe geplappert hatte. Nachfolger Josef Ackermann klagen Staatsanwälte an, weil er den scheidenden Managern des aufgekauften Mannesmann-Konzerns widerrechtlich mehr als 100 Millionen Euro zuerkannt haben soll.

Gerade offenbarte die HypoVereinsbank mehr als 800 Millionen Euro Jahresverlust; die „Bank der Regionen“ entpuppt sich als Bank der Fiktionen. Der Gernegroß Commerzbank zahlt die Rechnung dafür, dass er überall im Geldgeschäft mitmischen wollte. Und der scheidende Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle mag heute die Einverleibung der Dresdner Bank bitter bereuen. Nun muss die Münchner Versicherung schaffen, was sie nicht gelernt hat: eine Bank sanieren.

„Bad bank“ – eine schlechte Idee

Eine ganze Generation deutscher Finanzmanager hat die richtigen Trends zu spät erkannt und die falschen dann nur verstärkt. Erst als Amerikaner und Briten in den neunziger Jahren die lukrativsten Geschäfte abgeschlossen hatten, stiegen die Deutschen groß ins Investmentbanking ein. Als die besten Ideen für Unternehmensgründungen finanziert waren, lief ihre Kredit- und Beteiligungsmaschine erst richtig heiß. Und heute? Gründer und Beinahegründer geben auf, weil die Privatbanken ihnen jeden Kleinkredit verwehren. Jetzt, in der flauen Konjunktur, robben sich deren Bosse an den Staat heran. Mancher bringt gar die Idee einer bad bank ins Spiel, in die kriselnde Banken ihre faulen Kredite auslagern dürfen – das wäre eine einzige Bankrotterklärung des Finanzwesens.

Weil die Chefs der Deutschland AG ihr Geschäft zur Hochzeit der Industriegesellschaft gelernt haben, können sie heute unmöglich die Vorhut des Wandels bilden. Folglich braucht das Land neue Unternehmer. Die deutsche love affair mit den Gründern war besonders kurz, heftig – und enttäuschend. Hiesige Investoren und Kleinaktionäre begeisterten sich spät für die New Economy mit ihren wenigen erfolgreichen Firmen und vielen bunten Luftballons. Nun mögen sie nichts mehr hören von Business-Plänen und Start-ups. Die Trotzreaktion ist so verständlich wie verheerend, weil sich junge Firmen kein Kapital mehr an der Börse verschaffen können.

Im Boom dominierte das Ziel, unabhängig von unternehmerischen Leistungen den leichten Euro zu verdienen. Nicht bloß Spekulanten, sondern auch Risikofinanziers waren auf schnellen Gewinn durch Wiederverkauf oder Börsengang aus. Und selbst mancher Firmengründer, der spät auf den Zug aufsprang, dachte so. Wenn aber diese Mentalität den Kapitalismus beherrscht, verschwimmt der Unterschied zwischen Unternehmern und Zockern. Genau darunter leiden die Jungunternehmer von heute.

Schade, denn gerade jetzt könnten sie reüssieren. In der Ernüchterungsphase nach der großen Börsenparty entstehen viele Erfolgsfirmen. Geldgeber suchen die Objekte wieder sorgsam aus und erwarten nicht, dass sich ihre Investition umgehend rentiert. Gründer achten auf die Kosten und wagen sich nur mit seriösen Geschäftsideen vor. Damit sie aber überhaupt zum Zuge kommen, brauchen sie eine Chance. Und die bekommen sie heute kaum noch zwischen Rhein und Oder.

Schöpfer und Zerstörer

Wolfgang Clement beklagt, Deutschland fehlten im europäischen Vergleich rund eine halbe Million Selbstständige. Es sollte dem Wirtschaftsmi-nister zu denken geben, dass die EU-Schlusslichter Griechenland und Portugal die Tabelle anführen, während Holländer und Dänen ganz unten rangieren. Unter „selbstständig“ firmieren eben auch Eisbudenbesitzer und entlassene Lastwagenfahrer, die nie jemanden einstellen werden. Gesucht sind aber Unternehmer – Geschäftsleute, die selbstbestimmt handeln und das Risiko nicht fürchten, die von ihrer Idee besessen sind und sie durchsetzen. Gesucht sind, frei nach dem österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter, Schöpfer und Zerstörer zugleich.

Weil sie neue Produkte oder Produktionsmethoden durchsetzen, bringen sie Unruhe und Unordnung in die Volkswirtschaft – und wurden deshalb in Deutschland meistens eingeengt. Alfred Marshall, Ende des 19. Jahrhunderts der britische Starökonom, notierte, dass Deutschland zwar seine Industrie vorbildlich führe. Aber „die Energie, Originalität und der Mut, die in England und Amerika die besten Geschäftsleute ausmachen“, entwickelten sich nur langsam. Dagegen habe das deutsche Volk eine „ausgeprägte Neigung zum Gehorsam“. Selbst im Wirtschaftswunder achtete das Establishment auf Ordnung. Unternehmer wie der Autobauer Borgward oder der Radiohersteller Grundig, die mit ihren Innovationen die Preise purzeln ließen, blieben in der Deutschland AG unbeliebt. Heute genießen gescheiterte Unternehmer bestenfalls Mitleid, aber keine Achtung; nur selten bekommen sie eine zweite Chance.

Gut, dass Rot-Grün mehr Mittelständler als bisher von buchhalterischen Vorschriften entbinden und Kleinstfirmen das (Über-)Leben erleichtern will, indem diese die Hälfte ihrer Kosten pauschal von der Steuer abschreiben dürfen. Gut, dass die Bürokratie (wieder mal) gestutzt werden soll. Wuchernde Vorschriften gibt es genug – angefangen vom Meisterbrief, ohne den sich ein Handwerker nicht selbstständig machen darf, über den Zwang für Firmen, Dutzende von Statistiken zu führen, bis zu monatelangen Genehmigungsverfahren für Fabrikhallen. Zehn Prozent weniger Gesetze und Verordnungen würden keine Anarchie auslösen.

Lobbys, Zünfte und Gebräuche

Auch der Kündigungsschutz behindert Wachstumsfirmen. Wenn ein Unternehmer in schlechten Zeiten gar nicht oder nur nach Sozialpunkten entlassen darf, stellt er in guten Zeiten lieber eine Maschine hin als einen Arbeiter ein – besonders dann, wenn er sonst die willkürlich gesetzte Grenze von fünf Angestellten überschreitet, oberhalb der verschärfte Vorschriften gelten. Nur eine Einzelfrage? Ja, aber zu Recht wettet Clement sein Amt darauf. Wenn er diesen Streit gegen die Protestfraktion aus SPD und Gewerkschaften nicht gewinnt, ist auch die kleine Reform verloren.

Allerdings könnte ein bisschen Deregulierung – und mehr wird es nicht werden – nur der Anfang für eine neue Unternehmerkultur sein. Immer noch lassen die meisten Hochschulen unternehmerische Studenten allein – oder impfen ihnen gar ein, bloß nicht zu scheitern. Laut dem international vergleichenden Global Entrepreneurship Monitor ist der mangelnde Gründergeist im Bildungswesen das größte deutsche Defizit. Das durch und durch reglementierte Land mit seinen 4,8 Millionen Staatsdienern raubt Nachwuchsunternehmern Lust und Mut. Wer sich trotzdem traut, bekommt es später mit den Lobbys, Zünften und Gebräuchen der Deutschland AG zu tun.

Unter den Entmutigten und Entmündigten könnte ein Werner von Siemens oder Gottlieb Daimler sein. Wir werden es nie erfahren.

DarkKnight:

Neue Loser braucht das Land

 
27.02.03 21:18
Die alte Garde ist enttarnt, durchleuchtet, ausgelutscht, abgefunden.

Und die 2. Reihe ist nicht besser als ihre Chefs: sie haben nur die Rezepte übernommen, die sie von ihnen übernommen haben.

Aber das paßt ja: der Schuldige sitzt imer woanders, niemals im eigenen Kopf.

Fröhliche Urständ für neue Katastrophen: let's get fucked.
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