Linde: Starke Geschäfte trotz Pandemie und Lieferengpässen – so bewerten Analysten die Aktie jetzt
(13.04.22, 13:46 onvista)
Der weltgrößte Gasekonzern Linde ist bislang gut durch die Corona-Pandemie und Lieferengpässe gekommen. Auch für das laufende Jahr rechnet das Linde-Management um den neuen Firmenchef Sanjiv Lamba mit einem Gewinnplus. Allerdings sind in der bisherigen Prognose mögliche Auswirkungen aus dem Ukraine-Konflikt nicht berücksichtigt. Die wichtigsten Punkte für den Konzern, was Experten sagen und wie es für die Aktie läuft.
- So ist die Lage des Unternehmens -
Linde ist seit der Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair 2018 der weltgrößte Anbieter von Industriegasen. Der Konkurrent des französischen Konzerns Air Liquide beliefert die Auto-, Öl-, Chemie- und Metallindustrie genauso wie Lebensmittelhersteller und Krankenhäuser. Den Löwenanteil der Umsätze und Gewinne erwirtschaftet Linde in der Region Amerika, rund 25 Prozent der Erlöse kommen aus Europa und rund 20 Prozent aus Asien.
Die Geschäfte des Industriegase-Konzerns Linde liefen bis zuletzt dank einer hohen Nachfrage aus der Gesundheits- und Elektronikindustrie rund. 2022 will der Konzern nach einem deutlichen Gewinnplus im vergangenen Jahr noch einmal mehr verdienen. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn je Aktie soll im laufenden Jahr auf 11,55 bis 11,85 US-Dollar zulegen, nach 10,69 Dollar ein Jahr zuvor. Zum Gewinnplus soll neben den Sparmaßnahmen auch ein dickes Auftragspolster beitragen. Allerdings gab das Linde-Management die Prognose noch vor dem Ukraine-Konflikt ab.
Wegen des Kriegs hat Linde in der Ukraine bereits das Neugeschäft in Russland gestoppt. Zudem will das Unternehmen sein Engagement in dem Land reduzieren, wie Linde jüngst mitteilte. So will sich der Konzern in Russland von Industrieanlagen trennen und bestimmte Kunden nicht mehr beliefern. Allerdings sollen lebenswichtige medizinische und andere sicherheitskritische Gase weiterhin ausgeliefert werden. Der Konzern werde bestehende und künftige internationale Sanktionen weiterhin in vollem Umfang einhalten, hieß es weiter.
Linde hatte noch im vergangenen Jahr von dem russischen Energiekonzern Gazprom zwei Großaufträge in Höhe von sechs Milliarden US-Dollar erhalten. Der Konzern bekam den Zuschlag für eine Gasverarbeitungsanlage und eine LNG-Flüssiggasanlage in einem großen Industriekomplex bei Ust-Luga. Zudem ist der Konzern aufgrund früherer Aufträge an einer Anlage im Rahmen des Pipelineprojekts „Power of Siberia“ mit mehreren Aufträgen beteiligt. Die Pipeline soll Erdgasfelder in Ostsibirien mit Nordostchina verbinden. Die Anlage sollte in fünf Bauphasen bis 2024 errichtet werden. Ob all diese Projekte zu Ende geführt werden, ist noch offen.
Das Unternehmen wird seit der Fusion mit Praxair nach US-Stil geführt: Linde schüttet jedes Quartal eine Dividende aus und bilanziert in Dollar. Zudem startete der Konzern Ende Februar ein neues Aktienrückkaufprogramm. Linde will bis Mitte 2024 eigene Papiere für bis zu zehn Milliarden Dollar erwerben. Desweiteren gehört der Linde-Chef zu den Dax-Chefs mit dem höchsten Gehalt.
Seit dem ersten März hat Linde mit Sanjiv Lamba einen neuen Vorstandschef. Lamba, der bereits vor der Fusion mit Praxair bei Linde im Vorstand saß, leitete zuvor das operative Geschäft des fusionierten Konzerns. Steve Angel wechselte in den Verwaltungsrat und löste dort Wolfgang Reitzle als Chefaufseher ab. Das Unternehmen wird demnächst die Zahlen für das erste Quartal 2022 vorlegen.
- So sehen die Analysten die Aktie -
Die Branchenexperten sind mit Blick auf die Linde-Aktie positiv gestimmt. Von den von der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX seit Februar erfassten zehn Experten empfehlen alle die Aktie zum Kauf. Kein Analyst rät zum Halten oder Verkauf.
Linde ist nach Ansicht von Analyst Markus Mayer von der Baader Bank im laufenden Jahr vor einer Inflation geschützt. Er begründet dies zum einen damit, dass Linde bei Großanlagen und Teilen des Massengeschäfts Vertragsklauseln im Falle von steigenden Energiepreise habe. Zum anderen verfüge das Unternehmen aufgrund der Marktkonsolidierung im Verpackungs- und Gesundheitsgeschäft sowie im übrigen Gasgeschäft über eine starke Preissetzungsmacht. Darüber hinaus sollte das Unternehmen von der Wiederaufnahme des Investitionszyklus in den Endkundenindustrien wie Chemie, Raffinerie, Investitionsgüter oder Energie profitieren. Dieses Wachstumspotenzial spiegele sich auch im Rekordauftragsbestand von mehr als 13 Milliarden US-Dollar wider.
Ein Teil des Anlagenbau-Auftragsbestandes stamme zwar aus russischen Projekten, räumte Mayer ein. Allerdings sehe er aufgrund der Vertragsstruktur der Vorauszahlungen kein Risiko von Wertminderungen. Zudem dürfte es zukünftig genügend Nachhaltigkeits- und Energieprojekte geben, die einen möglichen Verlust der russischen Projekte abfedern könnten. Der kürzlich angekündigte Aktienrückkaufprogramm werde den Aktienkurs von Linde zumindest stabilisieren.
Auch Analyst Geoff Haire von der schweizerischen Großbank UBS zeigte sich zuversichtlich für Linde. Bei dem Hersteller von industriell genutzten Gasen dürfte sich die große Nachfrage fortgesetzt haben, so der Experte. Eine wichtige Frage sei aus Sicht von Investoren, ob das Unternehmen steigende Preise an die Kunden weiterreichen könne. Zudem richteten sich die Blicke auf Russland, wo Linde vor allem im Anlagenbau einige große Verträge im Segment Flüssiggas habe. Aber auch die Aussichten für China im Hinblick auf das Wiederaufflammen von Covid und daraus resultierenden Schließungen stünden im Fokus.
Um den aktuellen Anstieg der Rohstoffpreise abzufangen, müssten nach Ansicht von Analyst Chetan Udeshi von der US-Bank JPMorgan die europäischen Chemieunternehmen ihre Preise im Schnitt um mehr als zehn Prozent erhöhen. Dies dürfte angesichts eines voraussichtlichen Nachfragerückgangs nicht vollständig gelingen. Wegen der kurzfristig unsicheren Aussichten sei für Anleger eine defensivere Positionierung angebracht. Chemiehändler sowie Industriegas- und Düngemittelhersteller dürften in diesem Umfeld vergleichsweise besser abschneiden.
- So läuft die Aktie -
Seit die Aktie Anfang des Jahres mit 309,35 Euro ein Rekordhoch erreicht hatte, hat sie wieder rund sieben Prozent eingebüßt. Zuletzt war ein Linde-Papier zu gut 288 Euro zu haben.
Im Zuge des Corona-Crashs hatte die Linde-Aktie bis Mitte März 2020 kräftig Federn gelassen. Innerhalb weniger Wochen knickte der Kurs um mehr als ein Drittel auf rund 130 Euro ein. Doch der Einbruch ist längst Geschichte. Nachdem sich vor allem die Industrieunternehmen schneller als erwartet von den Folgen der Pandemie erholt haben, legte der Linde-Kurs mit kleinen Rückschlägen kräftig zu und kletterte bis Anfang 2022 von einem Rekordhoch zum nächsten.
Die Anteile von Linde haben sich seit dem Abschluss der Fusion Ende Oktober 2018 fast verdoppelt. Sie knüpften mit ihrer Entwicklung bisher nahtlos an die Gewinne der Aktien von Linde AG an. Diese hatten seit dem Sommer 2016, als die beiden Unternehmen zum ersten Mal über einen Zusammenschluss gesprochen hatten, bis zur Fusion um fast 40 Prozent zugelegt.
Linde hat derzeit einen Börsenwert von rund 146 Milliarden Euro und ist damit mit Abstand der wertvollste Wert im Leitindex Dax . SAP lag zuletzt mit einer Marktkapitalisierung von 122 Milliarden Euro hinter dem Hersteller von Industriegasen. Der französische Konkurrent Air Liquide kommt derzeit auf einen Börsenwert von knapp 77 Milliarden Euro.
Mitte August 2016 – also vor den ersten Berichten über eine Fusion mit Praxair – kam Linde gerade mal auf etwas mehr als 25 Milliarden Euro Börsenwert und lag damit noch in der unteren Hälfte des deutschen Leitindex.