Gemessen am Außenwert scheint es mit Europa endlich bergauf zu gehen. Wer freilich glaubt, Struktur- und Wachstumsdefizite könnten nun von der Themenliste gestrichen werden, der irrt. Der Schein trügt. Der Euro gewinnt gegenüber dem Dollar nicht an Stärke, weil sich die Konjunktur- und Beschäftigungssaussichten in der Währungsunion plötzlich überzeugend verbessert hätten. Der Euro scheint überlegen, weil der Dollar schwächer wird und die Investoren verunsichert sind. Die Amerikaner leben von der Hand in den Mund . Ein Aufschwung kann also nur ein Aufschwung auf Pump bedeuten. Und die Neuverschuldung steigt. Das heißt: Die Euro-Anleger wählen lediglich das kleinere Übel.
Hinzu kommt, dass die Pleite der New Economy und die permanente Talfahrt der Weltbörsen ihre Spuren hinterlassen haben. Sicherheit statt Risiko, heißt heute die Devise. Das erklärt, warum Aktien, vor allem von US-Firmen, momentan eher „out“, Anleihen, vor allem aus dem Euro-Raum, dagegen zurzeit „in“ sind. Allzu große Freude angesichts dessen ist schon aus zwei Gründen nicht angebracht: Erstens sinken mit steigendem Euro-Kurs die Erfolgschancen der europäischen Exporteure, was für Konjunktur und Arbeitsmarkt schlecht ist. Und zweitens offenbart der Rückzug aus dem Dollar ein riskantes Problembewusstsein. Schwindet das Vertrauen in die führende Volkswirtschaft dauerhaft, färbt das am Ende auf alle ab. Denn noch hat kein anderer Wirtschaftsraum die Rolle der Konjunkturlokomotive übernommen. www.tagesspiegel.de/archiv/22.06.2002/101364.asp