bedroht das Finanzsystem der Welt.
Ausgerechnet die Bank, die den Namen eines der berühmtesten Bankiers trägt, ist die grösste Gefahr für das Finanzsystem: J.P. Morgan Chase könnte unter einem Derivateberg zusammenbrechen.
John Pierpont Morgan genoss den legendären Ruf, dass er jede Situation durch die schiere Kraft seines Willens kontrollieren konnte. Als 1907 an der Wallstreet Panik ausbrach, weil einige Finanz-Kartenhäuser einstürzten, schritt der 70-jährige Bankier deshalb ein und brachte im Alleingang das Vertrauen zurück. Sein Typ könnte schon in den kommenden Wochen wieder gefragt sein, ausgerechnet wegen der Bank, die seinen Namen trägt:
Kurs 70 Prozent unter dem Höchst
Die Bank, das zweitgrösste Finanzhaus der Welt, musste letzte Woche die Anleger warnen. Der Gewinn werde im laufenden Quartal einbrechen, einerseits weil die Handelsgewinne gegenüber dem Vorjahr bereits um ein Milliarde Dollar eingebrochen seien, anderseits weil die notleidenden Kredite, vor allem an Telekom- und Kabelunternehmen, um eine Milliarde angestiegen seien. Der Aktienkurs stürzte deshalb ab. Er liegt derzeit, 70 Prozent unter dem Höchst, auf dem Stand von Ende 1995.
Das Schlimmste ist noch nicht vorbei
Noch schlimmer als der Vertrauensverlust der Anleger trifft die Bank aber die Zurückstufung durch die Rating-Agenturen. Standard & Poor´s nahm das Rating auf A-plus zurück. Und die zuständige Analystin sagte seither, sie glaube nicht, dass für J.P. Morgan Chase das Schlimmste schon vorbei sei: Nur wenn keine fundamentalen Probleme oder Überraschungen aufträten, lasse sich aber 2003 eine weitere Rückstufung vermeiden - und diese könnte eine Abwärtsspirale auslösen.
Probleme auch in Lateinamerika
Die Experten zweifeln denn auch, ob die sorglose Kreditvergabe an Telekom-Firmen das wahre Problem von J.P. Morgan Chase ist: Die seit zwei Jahren schwelende Misere wurde nicht erst in diesem Quartal akut. Die Bank kämpft mit Problemen, die noch weit schwerer wiegen. Sie steckt, als wichtigste Konstrukteurin von Derivate-Deals, mitten im Schlamassel von Enron: Inzwischen weigern sich Versicherungen, für die Schäden der Bank aufzukommen - der Fall kommt im Dezember vor Gericht. Und J.P. Morgan Chase gehört auch zu den grössten Gläubigern von Argentinien und Brasilien, das erneut in die Krise gerät. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb der Internationale Währungsfonds jetzt wieder hilft, obwohl US-Finanzminister Paul O´ Neill noch im Sommer meinte, die IMF-Milliarden landeten nur auf irgendwelchen Schweizer Konten.
Keine Bank, sondern ein Hedge Fund
Für Unbehagen sorgt aber vor allem das Derivate-Geschäft von J.P. Morgan Chase, das kaum noch jemand überblickt. «Das ist keine Bank, das ist ein Hedge Fund», sagt ein Fondsmanager. Gegenwärtig stehen gemäss dem Office of the Comptroller of the Currency insgesamt Derivate in einem Nominalwert von 51 Billionen (amerikanisch: trillions) Dollar aus, die Hälfte davon bei J.P. Morgan Chase.
Viele Geschäfte neben der Bilanz
Und das sind nur die offiziellen Volumen - wie der Fall Enron zeigte, laufen solche Geschäfte häufig unkontrolliert neben der Bilanz. Da der grosse Teil der Derivate nicht gehandelt wird, zeigen sich Verluste auch erst, wenn etwas schief geht. Gemäss Experten beträgt das Risiko bei Derivaten rund zwei Prozent des Nominalwertes, bei J.P. Morgan Chase also über 400 Milliarden Dollar. Die Börsenkapitalisierung der Bank beträgt noch knapp 38 Milliarden.
Gefahr, wenn der Goldpreis steigt
Am gefährdetsten sind die Gold-Derivate der Bank. Vor zwei Jahren mussten sich, wie Insider vermuten, die beiden grössten Goldhandels-Banken J.P. Morgan und Chase Manhattan überstürzt zusammenschliessen, weil sie sich mit Gold verspekuliert hatten. Und die fusionierte Bank hält immer noch einen grossen Teil der Derivate auf Gold, offiziell je nach Bewertung 45 bis 60 Milliarden Dollar. Dabei handelt es sich ausschliesslich um Leerverkäufe: Wenn die Bank das Gold, das sie zu tiefen Preisen bei Notenbanken ausgeliehen hat, zu höheren Preisen zurückgeben muss, bekommt sie ein Problem - und der Goldpreis könnte explodieren.
Schlimmer als der Fall von LTCM
Deshalb gilt J.P. Morgan Chase inzwischen als Zeitbombe. Wenn die Bank ins Wanken gerät, könnte sie noch schlimmere Beben auslösen als der Zusammenbruch von LTCM vor vier Jahren. Damals schritt Alan Greenspan ein und zwang die wichtigsten Banken, den Hedge Fund auszukaufen, um einen Kollaps des Finanzsystems zu verhindern. Bei J.P. Morgan Chase könnte wohl nicht einmal eine Autorität wie John Pierpont Morgan mehr helfen.
JPM J P Morgan Chase & Co (NYSE) 18,43 USD
Ausgerechnet die Bank, die den Namen eines der berühmtesten Bankiers trägt, ist die grösste Gefahr für das Finanzsystem: J.P. Morgan Chase könnte unter einem Derivateberg zusammenbrechen.
John Pierpont Morgan genoss den legendären Ruf, dass er jede Situation durch die schiere Kraft seines Willens kontrollieren konnte. Als 1907 an der Wallstreet Panik ausbrach, weil einige Finanz-Kartenhäuser einstürzten, schritt der 70-jährige Bankier deshalb ein und brachte im Alleingang das Vertrauen zurück. Sein Typ könnte schon in den kommenden Wochen wieder gefragt sein, ausgerechnet wegen der Bank, die seinen Namen trägt:
Kurs 70 Prozent unter dem Höchst
Die Bank, das zweitgrösste Finanzhaus der Welt, musste letzte Woche die Anleger warnen. Der Gewinn werde im laufenden Quartal einbrechen, einerseits weil die Handelsgewinne gegenüber dem Vorjahr bereits um ein Milliarde Dollar eingebrochen seien, anderseits weil die notleidenden Kredite, vor allem an Telekom- und Kabelunternehmen, um eine Milliarde angestiegen seien. Der Aktienkurs stürzte deshalb ab. Er liegt derzeit, 70 Prozent unter dem Höchst, auf dem Stand von Ende 1995.
Das Schlimmste ist noch nicht vorbei
Noch schlimmer als der Vertrauensverlust der Anleger trifft die Bank aber die Zurückstufung durch die Rating-Agenturen. Standard & Poor´s nahm das Rating auf A-plus zurück. Und die zuständige Analystin sagte seither, sie glaube nicht, dass für J.P. Morgan Chase das Schlimmste schon vorbei sei: Nur wenn keine fundamentalen Probleme oder Überraschungen aufträten, lasse sich aber 2003 eine weitere Rückstufung vermeiden - und diese könnte eine Abwärtsspirale auslösen.
Probleme auch in Lateinamerika
Die Experten zweifeln denn auch, ob die sorglose Kreditvergabe an Telekom-Firmen das wahre Problem von J.P. Morgan Chase ist: Die seit zwei Jahren schwelende Misere wurde nicht erst in diesem Quartal akut. Die Bank kämpft mit Problemen, die noch weit schwerer wiegen. Sie steckt, als wichtigste Konstrukteurin von Derivate-Deals, mitten im Schlamassel von Enron: Inzwischen weigern sich Versicherungen, für die Schäden der Bank aufzukommen - der Fall kommt im Dezember vor Gericht. Und J.P. Morgan Chase gehört auch zu den grössten Gläubigern von Argentinien und Brasilien, das erneut in die Krise gerät. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb der Internationale Währungsfonds jetzt wieder hilft, obwohl US-Finanzminister Paul O´ Neill noch im Sommer meinte, die IMF-Milliarden landeten nur auf irgendwelchen Schweizer Konten.
Keine Bank, sondern ein Hedge Fund
Für Unbehagen sorgt aber vor allem das Derivate-Geschäft von J.P. Morgan Chase, das kaum noch jemand überblickt. «Das ist keine Bank, das ist ein Hedge Fund», sagt ein Fondsmanager. Gegenwärtig stehen gemäss dem Office of the Comptroller of the Currency insgesamt Derivate in einem Nominalwert von 51 Billionen (amerikanisch: trillions) Dollar aus, die Hälfte davon bei J.P. Morgan Chase.
Viele Geschäfte neben der Bilanz
Und das sind nur die offiziellen Volumen - wie der Fall Enron zeigte, laufen solche Geschäfte häufig unkontrolliert neben der Bilanz. Da der grosse Teil der Derivate nicht gehandelt wird, zeigen sich Verluste auch erst, wenn etwas schief geht. Gemäss Experten beträgt das Risiko bei Derivaten rund zwei Prozent des Nominalwertes, bei J.P. Morgan Chase also über 400 Milliarden Dollar. Die Börsenkapitalisierung der Bank beträgt noch knapp 38 Milliarden.
Gefahr, wenn der Goldpreis steigt
Am gefährdetsten sind die Gold-Derivate der Bank. Vor zwei Jahren mussten sich, wie Insider vermuten, die beiden grössten Goldhandels-Banken J.P. Morgan und Chase Manhattan überstürzt zusammenschliessen, weil sie sich mit Gold verspekuliert hatten. Und die fusionierte Bank hält immer noch einen grossen Teil der Derivate auf Gold, offiziell je nach Bewertung 45 bis 60 Milliarden Dollar. Dabei handelt es sich ausschliesslich um Leerverkäufe: Wenn die Bank das Gold, das sie zu tiefen Preisen bei Notenbanken ausgeliehen hat, zu höheren Preisen zurückgeben muss, bekommt sie ein Problem - und der Goldpreis könnte explodieren.
Schlimmer als der Fall von LTCM
Deshalb gilt J.P. Morgan Chase inzwischen als Zeitbombe. Wenn die Bank ins Wanken gerät, könnte sie noch schlimmere Beben auslösen als der Zusammenbruch von LTCM vor vier Jahren. Damals schritt Alan Greenspan ein und zwang die wichtigsten Banken, den Hedge Fund auszukaufen, um einen Kollaps des Finanzsystems zu verhindern. Bei J.P. Morgan Chase könnte wohl nicht einmal eine Autorität wie John Pierpont Morgan mehr helfen.
JPM J P Morgan Chase & Co (NYSE) 18,43 USD