FOKUS 1 -
München/Frankfurt, 17. Dez (Reuters) - Die Stimmung in der
deutschen Wirtschaft hat sich im November wie erwartet etwas
aufgehellt, aber trotz des gestiegenen Ifo-Indexes ist eine
Wende nach Einschätzung des Münchener Instituts noch nicht
erreicht. Der an den Finanzmärkten viel beachtete
Ifo-Geschäftsklimaindex für Westdeutschland sei auf 84,9 von
84,7 Punkten im Oktober gestiegen, teilte Ifo am Montag in
München mit. Das war der erste Anstieg seit Juli 2001.
Ifo-Volkswirt Gernot Nerb zufolge ist es aber noch zu früh, um
von einer Wende zu sprechen. Analysten sagten, der Anstieg hätte
deutlicher ausfallen können. Von Reuters befragte Volkswirte
hatten im Schnitt die Zunahme auf 84,9 Punkte prognostiziert.
Nerb sieht ebenso wie die Analysten Spielraum für eine weitere
Leitzinssenkung in der Euro-Zone.
Der Ifo-Anstieg verlieh dem deutschen Aktienmarkt Auftrieb.
Der Dax stieg zeitweise um rund zwei Prozent auf 5009 Punkte.
Der Euro stabilisierte sich weiter und erreichte mit mehr als
90,60 US-Cents den höchsten Stand seit einem Monat.
Wie aus einem Reuters bereits seit Freitag vorliegenden
Zwischenbericht des Internationalen Währungsfonds (IWF)
hervorgeht, wird der IWF am Dienstag seine Wachstumsprognosen
für Deutschland reduzieren, und zwar auf 0,5 Prozent in diesem
Jahr und 0,7 Prozent für 2002. Die Deutsche Bundesbank erwartet
für 2002 ein nur geringes Wachstum. 2000 war das deutsche
Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch um 3,0 Prozent gewachsen.
Der leichte Index-Anstieg signalisiert nach Einschätzung von
Ifo-Volkswirt Nerb noch keine konjunkturelle Wende, es gebe aber
Hoffnung auf eine baldige Erholung. "Der Anstieg der Erwartungen
ist ein erster Anhaltspunkt, dass sich der Abschwung zumindest
verlangsamt", sagte Nerb im Reuters-Interview. Es sei allerdings
zu früh, um mit Sicherheit von einer Wende zu sprechen. "Erst
ein Anstieg in drei aufeinander folgenden Monaten ist ein
sicheres Zeichen für eine Erholung." Die Europäische Zentralbank
(EZB) habe Spielraum für eine Leitzinssenkung. "Dies ist eine
Konstellation, die man in der Nähe von einem unteren Wendepunkt
erwartet: die Erwartungen verbessern sich, während sich die
gegenwärtige Lage weiter verschlechtert", sagte Nerb. Trotz des
zaghaften Anstiegs und des sehr niedrigen Niveaus sprach Nerb
von "einem vorsichtigen Licht am Ende des Tunnels."
"Das Plus ist ein technischer Reflex und signalisiert noch
keine konjunkturelle Wende in Deutschland", sagte Jörg Krämer
von Invesco Asset Management. Ähnlich niedrigen Index-Niveaus
seien in der Vergangenheit stets Rezessionen gefolgt. Die EZB
werde ihre Wachstumserwartungen weiter nach unten revidieren,
weswegen er am 3. Januar eine Leitzinssenkung um 50 Basispunkte
auf dann 2,75 Prozent im Schlüsselzins erwartet.
Volker Nitsch von der Bankgesellschaft Berlin sprach dagegen
zurückhaltend von einer erkennbaren Trendwende. "Angesichts der
deutlich verbesserten Rahmenbedingungen hätte der Anstieg beim
Geschäftsklima ... deutlicher ausfallen können. Die Daten lassen
eine Trendwende erkennen, auch wenn die Lage noch als sehr
schlecht eingeschätzt wird". Die Verbesserung der
Geschäftserwartungen deute auf einen besseren Ausblick hin. "Aus
meiner Sicht könnten wir im ersten Quartal 2002 schon wieder
leicht positive Wachstumsraten in Deutschland sehen."
Der IWF wird wie aus einem Reuters bereits seit Freitag
vorliegenden Zwischenbericht hervorgeht, am Dienstag in seinem
noch unveröffentlichten Länderbericht die Wachstumsprognosen für
Deutschland für 2001 und 2002 senken. Für 2002 erwartet der IWF
plus 0,7 Prozent. Im November war der Fonds noch von eine
Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr von 0,8 Prozent in
Deutschland ausgegangen. Für 2001 senkte der IWF seine
Wachstumserwartung für Deutschland auf 0,5 von 0,7 Prozent.
Auch nach Einschätzung der Bundesbank wird die deutsche
Wirtschaft 2002 nur wenig wachsen. Eine Erholung werde aber
einsetzen, hatte Bundesbankpräsident Ernst Welteke am Donnerstag
gesagt. Nach Worten von Bundesbank-Chefvolkswirt Hermann
Remsperger kann nicht von einer Rezession gesprochen werden. Die
Bilanz hatte Welteke für 2001 als "ernüchternd und
unbefriedigend" bezeichnet. Remsperger zufolge werden das vierte
Quartal 2001 und das erste Vierteljahr 2002 ungünstig ausfallen.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) war von Juli bis September um 0,1
Prozent zum Vorquartal geschrumpft. Nach einer verbreiteten
Definition betrachten Volkswirte zwei Quartale hintereinander
mit negativem BIP-Wachstum als Rezession.
Der Index der Geschäftsbeurteilungen in Westdeutschland fiel
den Angaben zufolge auf 79,1 von 79,9 Punkten im Oktober. Der
Index Geschäftserwartungen für die alten Bundesländer stieg auf
90,9 von 89,6 Punkten im Vormonat. In Ostdeutschland kletterte
der Geschäftsklimaindex auf 97,3 von revidiert 96,5 Punkten.