"Verratet uns nicht!" Das hatte die "Gazzetta dello Sport" in riesigen Lettern am Dienstag von der italienischen Nationalelf gefordert.
Nach dem sensationellen 1:2 (1:1, 1:0) der Azzurri gegen Südkorea durch ein Golden Goal von Ahn Jung-Hwan sprach man in Italien von einem ganz anderen Verrat.
"So einen Referee habe ich noch nie gesehen", wetterte Delegationsleiter Raffaele Ranucci. "Korea ist ein mächtiges Land. Es war klar, dass sie etwas unternehmen würden. Man hat uns das Viertelfinale gestohlen."
Auch Trainer Giovanni Trapattoni war fassungslos: "So etwas habe ich in meiner ganzen Karriere noch nicht erlebt. Seit Beginn des Turniers haben sich die Fehler gegen uns gehäuft. Selbst die Fifa-Delegierten haben mir Recht gegeben. Aber bei solch einem Gegenwind kann man nichts machen."
Zwei dubiose Entscheidungen
Grund des italienischen Zorns war Schiedsrichter Byron Moreno. Der Ecuadorianer zeigte Francesco Totti eine dubiose Gelb-Rote Karte (103.) und annullierte einen regulären Treffer von Damiano Tommasi (110.).
"Man hat uns vier reguläre Treffer in vier Spielen aberkannt. Das ist doch lächerlich", meinte Alessandro Nesta. Und Totti hatte bereits alles vorhergesehen: "Ich wusste, dass der Schiedsrichter voreingenommen war. Bei dem Platzverweis wollte er zuerst Elfmeter pfeifen. Doch nach ein paar Schritten erinnerte sich Moreno, dass ich schon Gelb hatte und hat mich vom Platz gestellt."
Azzurri vermuten Komplott
Zunächst schien eigentlich alles für die Azzurri zu laufen. Denn nach dem vierten Turniertreffer von Christian Vieri (18.) dominierten sie die Koreaner bis zum entscheidenden Abwehrfehler von Christian Panucci zwei Minuten vor dem Ende, der Seol das glückliche 1:1 ermöglichte. Und ausgerechnet der "Italiener" Ahn vom AC Perugia schickte ein ganzes Land per Kopf ins Delirium (116.) und Italien in blinden Zorn.
Von einem "Komplott" (Francesco Toldo) zu sprechen, scheint übertrieben. Doch selbst ranghohe Politiker übten heftige Kritik. "Das ist eine Schande", meinte Ex-Staatspräsident Francesco Cossiga. "Auf Fifa-Ebene zählen wir eben nichts. Die Verantwortlichen des Verbandes müssen zuerst Aufklärung und Garantien fordern, bevor wir wieder an einem internationalen Turnier teilnehmen."
Trauriger Abschied von Maldini
Die sind für Kapitän Paolo Maldini sowieso vorbei. Nach seinem letzten Länderspiel meinte er: "Das war ein Skandal. Schade, dass meine Karriere in der Nationalelf so enden muss."
Wütende Proteste auch auf den Piazze in Italien. "Tod dem Schiedsrichter" sangen die Tifosi. In Rom bewarfen Fans feiernde Südkoreaner mit Wasserflaschen und schrieen: "Diebe, Diebe, ihr habt das Spiel gekauft!"
Hiddink als "Halbgott"
Die Koreaner ließ das kalt. Nach dem historischen Viertelfinale brach im Land eine unvorstellbare Euphorie aus. "Es ist wie ein Traum", jubelte der Torschütze zum 1:1, Seol. "Das entscheidende Tor habe ich gar nicht realisiert. Erst als meine Mitspieler wild umherhüpften habe ich kapiert, was passiert ist. Ich hatte mal einen Traum, dass ich ein wunderschönes Tor schießen würde. Dieses Tor habe ich heute geschossen."
Trainer Guus Hiddink hat in Südkorea bereits jetzt den Status eines Halb-Gottes. Und der Niederländer widmete den Sieg seiner Wahlheimat: "NatürIich freue mich für das koreanische Volk. Was diese Spieler in den letzten Monaten gelernt haben, ist unglaublich. Am Ende haben wir gegen eine der weltbesten Mannschaft dominiert und verdient gewonnen."
Trapattoni weint im Herzen
Während Millionen in der Nacht Südkoreas auf den Straßen tanzten, hupten, hüpften und sangen, leckten sich die Tifosi im Abendgrauen Italiens die Wunden.
"Das ist der negativste Moment meiner Karriere. Ich vergieße keine Tränen, aber weine in meinem Herzen." Die Zukunft des "Maestros" ist noch ungewiss...