Energierohstoffe werden knapp und teuer - das gilt nicht nur für Öl. Wachsende Wirtschaften wie China brauchen zudem immer mehr Energie. Das bringt auch die Atomkraft ins Gespräch. Trotz ihrer Nachteile.
Im Kontrollraum
In Europa entsteht derzeit in Finnland ein neues Atomkraftwerk, in Frankreich ist es ebenfalls geplant. Auch in Rumänien und Russland sind neue Reaktorblöcke im Bau. Doch auch in wirtschaftlichen Schwellenstaaten wie Indien oder China werden Atomanlagen zur zivilen Nutzung gebaut. Ende 2004 waren weltweit 22 Atomanlagen in neun Ländern im Bau.
Kann Atomkraft das Problem der knapper und teurer werdenden Energierohstoffe wie Öl oder Gas lösen? Mit dieser Frage beschäftigt sich auch die zweitägige Konferenz der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) in Paris (21./22.3.2005). Derzeit werden maximal sieben Prozent des weltweiten Energieverbrauchs durch Atomenergie abgedeckt. Kritischere Berechnungen gehen sogar nur von 2,3 Prozent aus. Das in Kraft treten des Kyoto-Protokolls gegen den Treibhauseffekt habe jedoch die langfristigen Perspektiven der Atomkraft erheblich verbessert, sagte IAEA-Generaldirektor Mohammed el Baradei in Paris. Atomstrom wird praktisch ohne Freisetzung von Treibhausgasen gewonnen.
"In zwei bis drei Jahrzehnten ist Schluss"
Es gibt jedoch unterschiedliche Einschätzungen darüber, wie lange genug Uran vorhanden ist, um Atomenergie herzustellen. "In zwei bis drei Jahrzehnten ist Schluss damit", sagt etwa Henrik Paulitz von der Anti-Atom-Organisation "Ärzte gegen den Atomkrieg", IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War). Er koordiniert in der deutschen Sektion von IPPNW den Arbeitsbereich Atomenergie. "Da Uran genauso ein knapper Rohstoff ist, wie Öl oder Gas, sollte man sich damit gar nicht mehr beschäftigen, sondern gleich auf erneuerbare Energien wie Wind, Sonne oder Wasser setzen."
"Mindestens 85 Jahre"
Die europäische Atomenergiewirtschaft geht hingegen von deutlich mehr Zeit aus: "Bei der Annahme heutiger Förderkosten und der derzeitigen Reservesituation hat Uran eine Reichweite von mindestens 85 Jahren", sagt Christopher Weßelmann, Chefredakteur bei VGB PowerTech. Der Verband vertritt Energieerzeuger aus ganz Europa und aller Engergieträger, also nicht nur Betreiber von Atomanlagen, sondern auch solche von Kohle-, Gas- oder Wasserkraftwerken.
Wohin mit dem Atommüll?
Doch die Uran-Vorräte sind nicht alleine entscheidend dafür, wie man Atomenergie bewertet. Kritiker weisen auf die Risiken und Gefahren von Atomenergie hin. Dies betrifft nicht nur den Betrieb von Reaktoren - die Katastrophe von Tschernobyl ist dabei die schlimmste, aber nicht die einzige -, sondern auch die Atomabfälle. Für das hoch radioaktive Material gibt es bislang keine sichere Entsorgung. "Wir betreiben vielleicht 150 Jahre lang Atomkraftanlagen insgesamt, hinterlassen aber Atommüll, der die Welt noch mehrere 10.000 Jahre hochgradig belastet", warnt IPPNW-Mann Paulitz. Hinzu kommt die Gefahr, das zivil genutzte Atomanlagen auch für die Herstellung von Nuklearwaffen genutzt werden. Als Beispiel gilt hier Nordkorea.
Kernkraft: Kostengünstig und CO2-reduziert
Es gibt aber auch Gründe für die Nutzung von Atomenergie. Das neue Kraftwerk in Finnland soll unter anderem deshalb mit Uran betrieben werden, weil ein Kohlekraftwerk den Kohlendioxidausstoß des Landes erhöht hätte, so dass es die Vorgaben des Kyoto-Protokolls zur Reduzierung von CO2 vermutlich nicht eingehalten hätte. Durch die Atomanlage ist das Land außerdem weniger von Gaslieferanten wie Russland abhängig. Für die französische Regierung war die Unabhängigkeit einer der Hauptgründe für die Atomenergie. Schwellenländer wie China oder Indien können mit neuen Atomanlagen ihren ständig steigenden Bedarf an Energie schnell und - im Vergleich zum Öleinkauf - wirtschaftlich decken.
Kontrolle der IAEA - mit Einschränkungen
Die zivile Nutzung von Atomenergie ist im Atomwaffensperrvertrag (NPT) geregelt. Er sieht vor, dass Länder, die auf den Besitz von Atomwaffen verzichten, stattdessen bei der Erzeugung von Kernenergie unterstützt werden. Näheres regeln Ausführungsgesetze, deren Einhaltung von der IAEA überprüft werden. Sie kann Atomanlagen kontrollieren, so wie sie es im Falle des Iran vorhat. Dabei gilt der Einfluss der IAEA allerdings nur für Länder, die den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben haben.
Klaudia Prevezanos
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