Endlich: Nach dem Rekordverlust hat die Telekom schwarze Zahlen vorgelegt. Das Unternehmen kann wieder aufrecht gehen. Nur die Aktie merkt davon nichts
von Thomas Heuzeroth
So zufrieden hat man ihn selten gesehen. Kai-Uwe Ricke genießt diesen Tag. Energisch schreitet er durch die Empfangshalle der Bonner Telekom-Zentrale, vorbei an Analysten, die sich zur Konferenz einfinden und ihm einen Gruß zuwerfen: "Hervorragende Zahlen, Herr Ricke. Glückwunsch." Ein echter Outperformer an diesem Tag. Na also, denkt er sich. Wer hatte bei seinem Amtsantritt im November "dritte Wahl" gerufen?
Der Telekom-Chef würde das natürlich nie sagen. Ricke stapelt lieber ein wenig tief. "Wir reden hier erst über das erste Quartal", wiederholt er sich, um auf den noch zurückzulegenden Weg zu deuten. "Wir sind noch nicht durch." Bitte nicht auf das Jahr hochrechnen. "Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland lässt sich nur schwer einschätzen."
Es passt zu Ricke, die Hoffnungen ein wenig zu dämpfen. Ist das Ruder herumgerissen? "Das erste Quartal beweist, dass wir den Turnaround eingeleitet haben." Das klingt schon anders. Trotzdem eine Überraschung: seit zwei Jahren der erste Gewinn. Der Schuldenberg ist seit Januar von mehr als 61 Milliarden Euro auf 56,3 Milliarden Euro geschrumpft. Ricke spricht nun von einer schwarzen Null für dieses Jahr.
Auf den ersten Blick ist die Telekom kaum wiederzuerkennen. Der Beinahe-Sanierungsfall hat sich herausgeputzt nach dem Rekord-Minus von fast 25 Milliarden Euro im vergangenen Jahr.
Ricke und sein Vorstandsmann für die Zahlen, Karl-Gerhard Eick, spielen beim Abbau der Verbindlichkeiten Schulden-Pingpong. "Sechs plus sechs" soll dabei am Ende des Jahres herauskommen. Jeweils sechs Milliarden Euro sollen durch Beteiligungsverkäufe und den freien Mittelzufluss eingespielt werden. Damit wären die Schulden auf rund 50 Milliarden reduziert. Eick kümmert sich um die Verkäufe, Ricke steuert den Cashflow bei.
Eick hat mit fast fünf Milliarden Euro sein Ergebnis fast erreicht. Und hat wieder etwas Luft: Die Telekom muss nicht mehr um und für jeden Preis verkaufen.
Jetzt ist Ricke mit seinen sechs Milliarden am Zug. Die frei verfügbaren Finanzmittel stiegen im ersten Quartal auf zwei Milliarden Euro. Auch damit hatten die Analysten nicht gerechnet. Ricke wird nach Meinung der Analysten auf seine sechs Milliarden kommen - und das "Sechs plus Sechs"-Pingpong mit einem Unentschieden enden lassen.
Der Chef hat die Telekom nicht komplett auf den Kopf gestellt. Die von Vorgänger Ron Sommer geprägte Vier-Säulen-Strategie (Festnetz, Mobilfunk, Online und Systemgeschäft) gehört auch zu seinem Kerngeschäft. Sonst ist nur wenig beim Alten geblieben. Die Konzernspitze wurde bereits kurz nach seinem Amtsantritt umgebaut, die Vorstände für Ausland und Strategie mussten ihren Hut nehmen. Jetzt sitzen die Säulenchefs im Vorstand. Rickes Ziel: klare Verantwortlichkeiten, direkter Informationsfluss, bessere Abstimmung. Die Bonner Zentrale schrumpft auf einen Bruchteil ihrer früheren Größe, das Marketing-Budget wird gekappt. Das Unternehmen wird zur Effizienz geprügelt. Jeder fünfte Arbeitsplatz der mehr als 250 000 Mitarbeiter soll bis 2005 verschwinden.
Rickes Erfolg hängt nun von den Töchtern ab. Der lockere Umgang im Vorstand - man duzt sich - täuscht schnell über den Druck auf die einzelnen Mitglieder hinweg. Wer am Ende nicht die Zahlen liefert, muss gute Gründe dafür nennen.
Rechtzeitig zur Hauptversammlung am Dienstag in Köln melden die Telekomsparten ihre Schönwetterzahlen. T-Mobile ist nach wie vor ein Wachstumstreiber des rosa Riesen. Insbesondere T-Mobile USA - ehemals Voicestream - macht als das wachstumsstärkste Mobilfunkunternehmen in den USA.eine unerwartet gute Figur. Doch der 40-jährige T-Mobile-Chef René Obermann hat seine Feuerprobe noch vor sich. Er muss UMTS zu einem Erfolg machen. Die Lizenz dafür steht noch immer mit mehr als sieben Milliarden Euro in den Büchern.
Sternstunde auch bei T-Online. Unternehmenschef Thomas Holtrop konnte jetzt erstmals einen - wenn auch nur dünnen - Gewinn von zwei Millionen Euro vor Steuern vorlegen. Europas größter Internet-Provider hat erneut bei Umsatz und Profitabilität zugelegt.
T-Systems hingegen ist das Sorgenkind der Telekom. Im vergangenen Jahr ist der Umsatz des IT-Dienstleisters sogar um fünf Prozent zurückgegangen.
Fortsetzung von Seite 25 Seitdem wurde immer wieder über einen Verkauf der Sparte spekuliert, die international zu schwach aufgestellt ist, um sich gegen Konkurrenten wie EDS oder IBM durchzusetzen.
Bleibt der Riese T-Com, der größte Umsatz- und Gewinnbringer der Telekom. Doch die Umsätze des Festnetzes wachsen nicht mehr. Die DSL-Breitband-Anschlüsse - inzwischen sind es 3,5 Millionen - verhindern Schlimmeres. Damit bleibt T-Com-Chef Josef Brauner nur der Tritt auf die Kostenbremse. Noch in diesem Jahr sollen bei der T-Com mindestens 15 000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Da betriebsbedingte Kündigungen vorerst nicht möglich sind, landen die Mitarbeiter in der hauseigenen Personal-Service-Agentur (PSA). Die Kosten werden nur umgebucht. Der Erfolg der PSA wird auch für Telekom-Chef Ricke zur großen Herausforderung. Von den knapp 5000 derzeitigen PSA-Mitarbeitern sind erst 200 an Unternehmen vermittelt worden, die nicht der Telekom gehören.
Rickes erste sechs Monate an der Telekom-Spitze reichten nicht aus, um das Vertrauen der Aktionäre zurückzugewinnen. Während sich der Aktienkurs der - ebenfalls hoch verschuldeten - France Télécom mit dem neuen Chef Thierry Breton fast verdoppelt hat, dümpelt das Telekom-Papier vor sich hin. Hans-Richard Schmitz von der sonst so streitbaren Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) nimmt den stagnierenden T-Kurs locker: "Ricke hat bislang einen guten Job gemacht."
Welt am Sonntag