An der Börse herrscht Vorsicht
Die Septemberangst kommt
Die starken Kursgewinne im August und die beinahe traditionellen Verluste im September schüren bei Anlegern die Angst vor deutlich fallenden Kursen in den nächsten Wochen.
FRANKFURT. Viele Privatanleger haben sich bereits in den letzten Wochen aus Aktienfonds zurückgezogen. Einige Strategen der großen Banken, die noch vor kurzem zum Aktienkauf geraten haben, sind ebenfalls vorsichtiger geworden. „Wir haben unsere Aktienmarkteinschätzung kurzfristig von positiv auf seitwärts zurückgenommen“, sagt Andreas Wex, Leiter der Aktienmarktstrategie bei der Dresdner Bank.
Denn die Situation ist verzwickt. Einerseits sprechen Basisdaten wie die noch immer steigenden Unternehmensgewinne und erfreuliche Konjunkturdaten für Optimismus. Dominic White von ABN Amro hat beispielsweise gerade seine Einschätzung für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes im Euro-Raum in diesem Jahr von 2,2 auf 2,4 Prozent nach oben geschraubt.
Andererseits sind sich viele Investoren bewusst, dass die Unternehmensgewinne bereits Rekordstände erreicht haben und das Wachstum abflachen dürfte. Hinzu kommen Unsicherheiten über die weitere Zinsentwicklung in den USA, im Euro-Raum und in Großbritannien, die starken Schwankungen zuletzt am Ölmarkt sowie geopolitische Risiken wie beispielsweise der Iran-Konflikt.
Keine Rolle spielt nach Ansicht der meisten Experten hingegen das Thema Terror – auch wenn gerade erst eine Anschlagserie auf Flugzeuge in London vereitelt wurde und sich der 11. September 2001 in Kürze zum fünften Mal jährt. Dieses Thema sei latent am Markt vorhanden und habe, so makaber das klingen mag, nach einer Phase fallender Kurse meist zu einer schnellen Erholung geführt.
„Wir haben nicht den einen marktbestimmenden Indikator, aber nur einen Markt. Und der verhält sich nicht immer rational“, bringt Christian Hefti von der Schweizer Großbank UBS die aktuelle Stimmungslage auf den Punkt. Insofern sei es zumindest denkbar, dass es auch diesmal im September zu Abschlägen komme, weil die Kursverluste vom Mai und Juni fast wieder wettgemacht seien und sich Gewinnmitnahmen anbieten würden.
Außerdem stellt die Tatsache, dass der September gewöhnlich der schlechteste Börsenmonat im Gesamtjahr ist, die Anlegerpsyche auf die Probe. Von einer „self-fulfilling prophecy“, einer selbst erfüllenden Prophezeiung, ist die Rede. Sie lässt viele Investoren quasi automatisch vorsichtig werden. Auf der Gegenseite stützen sie sich darauf, dass es ab Oktober bis zum Jahresende gewöhnlich aufwärts geht, der September somit der ideale Monat zum Überdenken, Umschichten und Einsteigen ist.
Unterstützung erhalten die Anhänger dieser These vom Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A), das im Sommer erlahmt ist, nun aber wieder in Gang kommen soll. Bereits im ersten Halbjahr hat es für viel Bewegung an den Aktienmärkten gesorgt. Daniel Fermen von Société Générale spricht von einem „Domino-Effekt“, der derzeit in Windeseile von Branche zu Branche springt. Nachdem in der ersten Jahreshälfte Banken, Versicherer und Versorger im Blickpunkt standen, könnten nun Branchen in den Vordergrund rücken, die bislang noch nicht von der allgemeinen Fusionswelle erfasst wurden. Auch die Tatsache, dass in den großen Investmentbanken noch an mindestens zehn größeren Börsengängen für das laufende Jahr in Deutschland gearbeitet wird, sorgt für gute Stimmung für die Zeit nach dem September.
Der September dürfte allen Befürchtungen zum Trotz nicht allzu schlimm ausfallen, glaubt Dresdner-Stratege Andreas Wex: „Wir haben trotz der hohen Kursgewinne noch immer sehr viel Pessimismus am Markt. Solange der herrscht, passiert nicht allzu viel.“
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 1. September 2006, 22:30 Uhr
Euer
Einsamer Samariter
Die Septemberangst kommt
Die starken Kursgewinne im August und die beinahe traditionellen Verluste im September schüren bei Anlegern die Angst vor deutlich fallenden Kursen in den nächsten Wochen.
FRANKFURT. Viele Privatanleger haben sich bereits in den letzten Wochen aus Aktienfonds zurückgezogen. Einige Strategen der großen Banken, die noch vor kurzem zum Aktienkauf geraten haben, sind ebenfalls vorsichtiger geworden. „Wir haben unsere Aktienmarkteinschätzung kurzfristig von positiv auf seitwärts zurückgenommen“, sagt Andreas Wex, Leiter der Aktienmarktstrategie bei der Dresdner Bank.
Denn die Situation ist verzwickt. Einerseits sprechen Basisdaten wie die noch immer steigenden Unternehmensgewinne und erfreuliche Konjunkturdaten für Optimismus. Dominic White von ABN Amro hat beispielsweise gerade seine Einschätzung für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes im Euro-Raum in diesem Jahr von 2,2 auf 2,4 Prozent nach oben geschraubt.
Andererseits sind sich viele Investoren bewusst, dass die Unternehmensgewinne bereits Rekordstände erreicht haben und das Wachstum abflachen dürfte. Hinzu kommen Unsicherheiten über die weitere Zinsentwicklung in den USA, im Euro-Raum und in Großbritannien, die starken Schwankungen zuletzt am Ölmarkt sowie geopolitische Risiken wie beispielsweise der Iran-Konflikt.
Keine Rolle spielt nach Ansicht der meisten Experten hingegen das Thema Terror – auch wenn gerade erst eine Anschlagserie auf Flugzeuge in London vereitelt wurde und sich der 11. September 2001 in Kürze zum fünften Mal jährt. Dieses Thema sei latent am Markt vorhanden und habe, so makaber das klingen mag, nach einer Phase fallender Kurse meist zu einer schnellen Erholung geführt.
„Wir haben nicht den einen marktbestimmenden Indikator, aber nur einen Markt. Und der verhält sich nicht immer rational“, bringt Christian Hefti von der Schweizer Großbank UBS die aktuelle Stimmungslage auf den Punkt. Insofern sei es zumindest denkbar, dass es auch diesmal im September zu Abschlägen komme, weil die Kursverluste vom Mai und Juni fast wieder wettgemacht seien und sich Gewinnmitnahmen anbieten würden.
Außerdem stellt die Tatsache, dass der September gewöhnlich der schlechteste Börsenmonat im Gesamtjahr ist, die Anlegerpsyche auf die Probe. Von einer „self-fulfilling prophecy“, einer selbst erfüllenden Prophezeiung, ist die Rede. Sie lässt viele Investoren quasi automatisch vorsichtig werden. Auf der Gegenseite stützen sie sich darauf, dass es ab Oktober bis zum Jahresende gewöhnlich aufwärts geht, der September somit der ideale Monat zum Überdenken, Umschichten und Einsteigen ist.
Unterstützung erhalten die Anhänger dieser These vom Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A), das im Sommer erlahmt ist, nun aber wieder in Gang kommen soll. Bereits im ersten Halbjahr hat es für viel Bewegung an den Aktienmärkten gesorgt. Daniel Fermen von Société Générale spricht von einem „Domino-Effekt“, der derzeit in Windeseile von Branche zu Branche springt. Nachdem in der ersten Jahreshälfte Banken, Versicherer und Versorger im Blickpunkt standen, könnten nun Branchen in den Vordergrund rücken, die bislang noch nicht von der allgemeinen Fusionswelle erfasst wurden. Auch die Tatsache, dass in den großen Investmentbanken noch an mindestens zehn größeren Börsengängen für das laufende Jahr in Deutschland gearbeitet wird, sorgt für gute Stimmung für die Zeit nach dem September.
Der September dürfte allen Befürchtungen zum Trotz nicht allzu schlimm ausfallen, glaubt Dresdner-Stratege Andreas Wex: „Wir haben trotz der hohen Kursgewinne noch immer sehr viel Pessimismus am Markt. Solange der herrscht, passiert nicht allzu viel.“
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 1. September 2006, 22:30 Uhr
Euer
Einsamer Samariter