von Philipp Gerbert, The McKenna Group
Innerhalb weniger Tage gaben drei führende US-Unternehmen der „New Economy“ auf. Doch die ersten Finanziers sehen bereits darüber hinweg und wetten schon wieder auf die Wende.
In nur einer Woche gaben drei führende Unternehmen der „New Economy“ auf: The Industry Standard, die nach übereinstimmernder Meinung intelligenteste Zeitschrift der „Internet Wirtschaft“, stellte die Publikation ein. Excite@Home, vielbesuchtes Portal und Marktführer bei Breitbandanschlüssen, steht vor dem Bankrott. Und Engage, bisher ein wichtiger Spieler bei der Bedienung mit Internetwerbung, versucht, als Schatten seiner selbst zu einem kleinen – auf Profitabilität hoffenden - Technologieunternehmen zu mutieren.
Es fällt schwer, aus diesen Ereignissen etwas konstruktives zu lernen. In diesen „Boom und Bust“ Zeiten gilt die wenig hilfreiche alte Weisheit: „You are damned if you do and you are damned if you don’t“. Doch die ersten Finanziers sehen bereits darüber hinweg und wetten schon wieder auf die Wende.
Ende des eines Chronisten
Ihn werden wir am meisten vermissen. Schon sein eigenes Ende stellt das Problem: Wer ist berufen, den Tod des Chronisten zu kommentieren?
"The Industry Standard" war nicht irgendeine Publikation der New Economy. Die Ambition seines Gründers, John Batelle, für die „Internet Economy“ das zu werden, was Dow Jones für die Instrustriegesellschaft geworden war, mag heute überzogen erscheinen – aber vor nur einem Jahr schien er durchaus auf dem Weg dorthin.
Der Industry Standard im Jahr 2000 hatte eine verbreitete Auflage von 240 000 Exemplaren (auch wenn 80 000 umsonst waren), Werbeeinnahmen von 140 Mill.US-$, war profitabel - was im dritten Jahr einer Publikation eine Seltenheit ist - und hatte sehr erfahrenen Journalisten. Neben dem Magazin waren vor allem die stets hoffnungslos überlaufenen – und ebenfalls hochprofitablen – internationalen Konferenzen bekannt. Und der lokalen Wirtschaft in der San Francisco Bay Area wurde noch ein besonderes Bonbon geboten: Die sagenumwobenen monatlichen „Roof-Top-Parties“, welche die heißeste Informations- und Kontaktquelle des Valley waren. Der Industry Standard war einfach eine Klasse für sich.
Und nun ist das alles Geschichte. Das Ende des Internet-Booms und die allgemeine Wirtschaftsschwäche der USA ließen das Anzeigevolumen in den ersten 6 Monaten dieses Jahres um 75 % sinken. Verbunden mit den üblichen finanziellen Nachwehen der Expansion (allein 60 Millionen $ in Mietverpflichtungen – die obligatorischen Zehnjahres-Verträge im einst teuren San Francisco fordern ihren Tribut) zwang dies den „Standard“ zur Aufgabe. Andere, weniger renommierte Zeitschriften wurden aufgekauft: Business 2.0 von AOL-Time Warner und Fast Company von Gruner+Jahr – aber für den Standard fand die Muttergesellschaft International Data Group offenbar nicht mehr schnell genug einen Interessenten. Die noch verbleibenden 175 Mitarbeiter wurden – ohne Kündigungsfrist, Abfindung, Krankenversicherung oder ähnliches – letzte Woche entlassen. Nur eine Restkern von 20 Leuten betreibt noch die Web Seite.
Der Industry Standard war Journalismus der höchsten Qualität – aber das nutzte ihm offenbar wenig.
Excite@Home vor der Zahlungsunfähigkeit
Nur wenige Tage später, am 20. August, erschütterte eine andere Nachricht das Valley: Die Wirtschaftsprüfer Ernst&Young machten eine für diesen Berufszweig außergewöhnliche Ankündigung: Ihr Klient Excite@Home sei als Unternehmen wohl nicht überlebensfähig.
Wie sich nachträglich herausstelle, war Ernst&Young einige Tage zuvor bereits von Excite@Home durch PriceWaterhouseCoopers ersetzt worden, aber das tat dem Inhalt der Nachricht keinen Abbruch mehr. Brisant an der Meldung war unter anderem, dass es eine selbsterfüllende Prophezeiung war: Der Aktienkurs brach zusammen und ist inzwischen weit unter der Mindestgrenze für eine Nasdaq-Aktie. Sollte Excite@Home allerdings von der US-Technologiebörse ausgestossen werden, was inzwischen nur noch eine Zeitfrage ist, werden umgehend 100 Mill. $ an „Convertible“-Anleihen fällig, was unmittelbar den Bankrott auslösen dürfte.
Nun ist Excite@Home nicht irgendein Unternehmen. At Home ist mit 3,7 Millionen Breitbandanschlüssen für das Internet klarer Martkführer in diesem Gebiet. Und alle Analysten stimmen überein, dass dem Breitbandanschluss die Zukunft gehört. Bisher hat Excite@Home auch zu mehr als 50 % der us-amerikanischen Kabelanschlüsse exklusiven Zugang, das heisst nur At Home kann diesen Haushalten Internetanschluss anbieten. Und AT&T kontrolliert das Unternehmen durch eine Mehrheit bei den Stimmrechten (wenn auch nur 23 % bei den Anteilen). AT&T will zudem seine Kabelsparte verkaufen – ein Angebot von schlappen 37 Mrd. $ von Comcast hat AT&T gerade als „unzureichend“ zurückgewiesen. Der Service von Excite@Home ist ein wesentlicher Baustein in diesem Milliardenpoker. Kein Wunder, dass sich AT&T und andere an At Home gebundene Kabelbetreiber, wie Cox und Comcast, inzwischen mit Versicherungen überschlagen, der Service von Excite@Home werde auf jeden Fall störungsfrei weitergeführt werden.
Trotz der potenten Eltern wird Excite@Home in heutiger Form nicht überleben. Zu gravierend sind die Verluste beim Excite-Portal nach dem Zusammenbruch des Werbemarktes und auch das Breitbandgeschäft – Zukunf hin, Zukunft her – ist in der Gegenwart ebenfalls höchst unprofitabel.
Werbemittler Engage schrumpft bis zur Unkenntlichkeit
Da war es schon fast eine Erleichterung, dass der dritte Schock von der Ostküste kam. Der nach Doubleclick (etwas gleichauf mit zusammen mit 24/7) führende Vermittler für Internet-Werbung, das vom einst mächtigen Inkubator CMGI beherrschte Unternehmen Engage, trennt sich erneut von mehr als 1000 Mitarbeitern und von allen Kerngeschäftsfeldern außer der Technologie. Konkurrent 24/7 wird auch nicht mehr lange durchhalten. Die Werbung im Internet, nicht nur von Dot.coms, ist in diesem Jahr um mehr als die Hälfte zurückgegangen – Tendenz: weiterhin negativ. Auch hier hilft es wenig, dass alle Marktteilnehmer überzeugt sind, dass das Internet ein zentrales Marketingmedium der Zukunft sein wird: Hier und jetzt gibt es kein Geld dafür und niemand will solche Unternehmen derzeit finanzieren.
Und was lernen wir daraus?
Das Unheimliche an obigen Zusammenbrüchen ist, dass all diese Unternehmen in Geschäftsfeldern führend sind, welche als wichtig und mittelfristig sehr aussichtsreich angesehen werden. Alle drei zieht der derzeitige Zusammenbruch des Werbemarkts in die Tiefe, welcher auch vor Marktführern nicht halt macht. Es ist jedoch nicht wirklich klar, was für Fehler die Gesellschaften gemacht haben: Sicher sind sie zu schnell gewachsen, was auch mit operativen Fehlern einhergeht – aber die Alternative während des Booms war, geschluckt zu werden und das gleiche Schicksal ohne eigene Kontrolle zu erleiden. Dies geschah mit Unternehmen, welche bereits 1999 die Bremse zogen, was zwar rational war, aber vom irrational boomenden Markt ebenso schwer bestraft wurde.
Vielleicht ist es am Ende des Tages eben eine Frage des kleinen Quentchen Glücks. Und dieses fordern die ersten schon wieder heraus: Hier im Silicon Valley hat sich inzwischen ein aktiver sekundärer Markt für das Aufkaufen von Risikokapital-Portfolien gebildet – allerdings zu bis zu 80 % Abschlag. Denn wenn die Wende kommt, wollen einige doch wieder ganz vorne mit dabei sein.
Innerhalb weniger Tage gaben drei führende US-Unternehmen der „New Economy“ auf. Doch die ersten Finanziers sehen bereits darüber hinweg und wetten schon wieder auf die Wende.
In nur einer Woche gaben drei führende Unternehmen der „New Economy“ auf: The Industry Standard, die nach übereinstimmernder Meinung intelligenteste Zeitschrift der „Internet Wirtschaft“, stellte die Publikation ein. Excite@Home, vielbesuchtes Portal und Marktführer bei Breitbandanschlüssen, steht vor dem Bankrott. Und Engage, bisher ein wichtiger Spieler bei der Bedienung mit Internetwerbung, versucht, als Schatten seiner selbst zu einem kleinen – auf Profitabilität hoffenden - Technologieunternehmen zu mutieren.
Es fällt schwer, aus diesen Ereignissen etwas konstruktives zu lernen. In diesen „Boom und Bust“ Zeiten gilt die wenig hilfreiche alte Weisheit: „You are damned if you do and you are damned if you don’t“. Doch die ersten Finanziers sehen bereits darüber hinweg und wetten schon wieder auf die Wende.
Ende des eines Chronisten
Ihn werden wir am meisten vermissen. Schon sein eigenes Ende stellt das Problem: Wer ist berufen, den Tod des Chronisten zu kommentieren?
"The Industry Standard" war nicht irgendeine Publikation der New Economy. Die Ambition seines Gründers, John Batelle, für die „Internet Economy“ das zu werden, was Dow Jones für die Instrustriegesellschaft geworden war, mag heute überzogen erscheinen – aber vor nur einem Jahr schien er durchaus auf dem Weg dorthin.
Der Industry Standard im Jahr 2000 hatte eine verbreitete Auflage von 240 000 Exemplaren (auch wenn 80 000 umsonst waren), Werbeeinnahmen von 140 Mill.US-$, war profitabel - was im dritten Jahr einer Publikation eine Seltenheit ist - und hatte sehr erfahrenen Journalisten. Neben dem Magazin waren vor allem die stets hoffnungslos überlaufenen – und ebenfalls hochprofitablen – internationalen Konferenzen bekannt. Und der lokalen Wirtschaft in der San Francisco Bay Area wurde noch ein besonderes Bonbon geboten: Die sagenumwobenen monatlichen „Roof-Top-Parties“, welche die heißeste Informations- und Kontaktquelle des Valley waren. Der Industry Standard war einfach eine Klasse für sich.
Und nun ist das alles Geschichte. Das Ende des Internet-Booms und die allgemeine Wirtschaftsschwäche der USA ließen das Anzeigevolumen in den ersten 6 Monaten dieses Jahres um 75 % sinken. Verbunden mit den üblichen finanziellen Nachwehen der Expansion (allein 60 Millionen $ in Mietverpflichtungen – die obligatorischen Zehnjahres-Verträge im einst teuren San Francisco fordern ihren Tribut) zwang dies den „Standard“ zur Aufgabe. Andere, weniger renommierte Zeitschriften wurden aufgekauft: Business 2.0 von AOL-Time Warner und Fast Company von Gruner+Jahr – aber für den Standard fand die Muttergesellschaft International Data Group offenbar nicht mehr schnell genug einen Interessenten. Die noch verbleibenden 175 Mitarbeiter wurden – ohne Kündigungsfrist, Abfindung, Krankenversicherung oder ähnliches – letzte Woche entlassen. Nur eine Restkern von 20 Leuten betreibt noch die Web Seite.
Der Industry Standard war Journalismus der höchsten Qualität – aber das nutzte ihm offenbar wenig.
Excite@Home vor der Zahlungsunfähigkeit
Nur wenige Tage später, am 20. August, erschütterte eine andere Nachricht das Valley: Die Wirtschaftsprüfer Ernst&Young machten eine für diesen Berufszweig außergewöhnliche Ankündigung: Ihr Klient Excite@Home sei als Unternehmen wohl nicht überlebensfähig.
Wie sich nachträglich herausstelle, war Ernst&Young einige Tage zuvor bereits von Excite@Home durch PriceWaterhouseCoopers ersetzt worden, aber das tat dem Inhalt der Nachricht keinen Abbruch mehr. Brisant an der Meldung war unter anderem, dass es eine selbsterfüllende Prophezeiung war: Der Aktienkurs brach zusammen und ist inzwischen weit unter der Mindestgrenze für eine Nasdaq-Aktie. Sollte Excite@Home allerdings von der US-Technologiebörse ausgestossen werden, was inzwischen nur noch eine Zeitfrage ist, werden umgehend 100 Mill. $ an „Convertible“-Anleihen fällig, was unmittelbar den Bankrott auslösen dürfte.
Nun ist Excite@Home nicht irgendein Unternehmen. At Home ist mit 3,7 Millionen Breitbandanschlüssen für das Internet klarer Martkführer in diesem Gebiet. Und alle Analysten stimmen überein, dass dem Breitbandanschluss die Zukunft gehört. Bisher hat Excite@Home auch zu mehr als 50 % der us-amerikanischen Kabelanschlüsse exklusiven Zugang, das heisst nur At Home kann diesen Haushalten Internetanschluss anbieten. Und AT&T kontrolliert das Unternehmen durch eine Mehrheit bei den Stimmrechten (wenn auch nur 23 % bei den Anteilen). AT&T will zudem seine Kabelsparte verkaufen – ein Angebot von schlappen 37 Mrd. $ von Comcast hat AT&T gerade als „unzureichend“ zurückgewiesen. Der Service von Excite@Home ist ein wesentlicher Baustein in diesem Milliardenpoker. Kein Wunder, dass sich AT&T und andere an At Home gebundene Kabelbetreiber, wie Cox und Comcast, inzwischen mit Versicherungen überschlagen, der Service von Excite@Home werde auf jeden Fall störungsfrei weitergeführt werden.
Trotz der potenten Eltern wird Excite@Home in heutiger Form nicht überleben. Zu gravierend sind die Verluste beim Excite-Portal nach dem Zusammenbruch des Werbemarktes und auch das Breitbandgeschäft – Zukunf hin, Zukunft her – ist in der Gegenwart ebenfalls höchst unprofitabel.
Werbemittler Engage schrumpft bis zur Unkenntlichkeit
Da war es schon fast eine Erleichterung, dass der dritte Schock von der Ostküste kam. Der nach Doubleclick (etwas gleichauf mit zusammen mit 24/7) führende Vermittler für Internet-Werbung, das vom einst mächtigen Inkubator CMGI beherrschte Unternehmen Engage, trennt sich erneut von mehr als 1000 Mitarbeitern und von allen Kerngeschäftsfeldern außer der Technologie. Konkurrent 24/7 wird auch nicht mehr lange durchhalten. Die Werbung im Internet, nicht nur von Dot.coms, ist in diesem Jahr um mehr als die Hälfte zurückgegangen – Tendenz: weiterhin negativ. Auch hier hilft es wenig, dass alle Marktteilnehmer überzeugt sind, dass das Internet ein zentrales Marketingmedium der Zukunft sein wird: Hier und jetzt gibt es kein Geld dafür und niemand will solche Unternehmen derzeit finanzieren.
Und was lernen wir daraus?
Das Unheimliche an obigen Zusammenbrüchen ist, dass all diese Unternehmen in Geschäftsfeldern führend sind, welche als wichtig und mittelfristig sehr aussichtsreich angesehen werden. Alle drei zieht der derzeitige Zusammenbruch des Werbemarkts in die Tiefe, welcher auch vor Marktführern nicht halt macht. Es ist jedoch nicht wirklich klar, was für Fehler die Gesellschaften gemacht haben: Sicher sind sie zu schnell gewachsen, was auch mit operativen Fehlern einhergeht – aber die Alternative während des Booms war, geschluckt zu werden und das gleiche Schicksal ohne eigene Kontrolle zu erleiden. Dies geschah mit Unternehmen, welche bereits 1999 die Bremse zogen, was zwar rational war, aber vom irrational boomenden Markt ebenso schwer bestraft wurde.
Vielleicht ist es am Ende des Tages eben eine Frage des kleinen Quentchen Glücks. Und dieses fordern die ersten schon wieder heraus: Hier im Silicon Valley hat sich inzwischen ein aktiver sekundärer Markt für das Aufkaufen von Risikokapital-Portfolien gebildet – allerdings zu bis zu 80 % Abschlag. Denn wenn die Wende kommt, wollen einige doch wieder ganz vorne mit dabei sein.