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tinchen
MLP - Geplatze Träume
11.08.2002 10:19:00
Ärger um die Bilanz, Gewinnwarnung, schwaches Krisenmanagement: der Finanzdienstleister MLP in der Krise. Allianz und Co wittern die Chance auf eine Übernahme.
Nervös wie noch nie ist derzeit die Stimmung in der Zentrale des Heidelberger Finanzdienstleisters MLP. Vergangenen Mittwoch trommelten MLP-Gründer Manfred Lautenschläger und Unternehmens-Chef Bernhard Termühlen 300 Geschäftstellen-Leiter zusammen, um den Ernst der Lage zu besprechen. Spätestens seit der Gewinnwarnung vom 2. August sind die Zeiten vorbei, in denen Termühlen seine Mannschaft mit der Verheißung auf 30-prozentige Gewinn- und Umsatzsteigerungen bis 2010 jährlich auf eine gemeinsame Linie einschwören konnte. Im Gegenteil. Das Führungsduo muss befürchten, dass hoch qualifizierte Mitarbeiter kündigen.
"Die ersten haben bereits bei Konkurrenten wie Deutsche Bank und AXA angeklopft", sagt Frank Altmeyer von der Beratungsgesellschaft Kienbaum Consultants. Angeblich haben sogar schon frustrierte MLP-Geschäftsstellen-Leiter mit AWD gesprochen. Dieser umwirbt mit dem im Jahr 2000 gekauften Finanzdienstleister Horbach die gleiche Klientel. Dass die MLP-Vertreter wechseln wollen, ist kein Wunder. Denn viele Mitarbeiter haben sich mit MLP-Aktien offenbar schwer verzockt. Als Ausgleich für ihre im Branchenvergleich bis zu 30 Prozent geringere Provision wurden ihnen Aktien des eigenen Unternehmens angeboten. Solange die Kurse stiegen, funktionierte das für beide Seiten. Doch das ist vorbei.
Viele Berater haben die Papiere zu wesentlich höheren Kursen erworben und im Glauben an das Wachstumspotenzial ihres Unternehmens sogar zusätzliche Aktien auf Kredit gekauft. Jetzt rächt sich der Kauf auf Pump.
Nach dem Kursverfall sollen die Depot-Banken des Finanzdienstleiters, die hauseigene MLP-Bank und die Heidelberger BW-Bank, bereits erste Kredite gekündigt haben.
Um den Frust unter den Mitarbeitern in Grenzen zu halten, greifen Termühlen und Lautenschläger inzwischen in die eigene Tasche. Laut Unternehmenssprecher Michael Pfister haben beide zusammen vor kurzem 16 Millionen Euro an Bürgschaft für verschuldete Mitarbeiter hinterlegt. Gut möglich, dass die beiden nachlegen müssen. Die Bereitschaft dafür ist offenbar vorhanden. Auf der Versammlung am Mittwoch versprach MLP-Gründer Lautenschläger seinen Leuten: "Um sein Depot muss sich keiner Sorgen machen."
Frustrierte Mitarbeiter sind nicht das einzige Problem. Hinzu kommt, dass die Konkurrenz ihre Fühler nach MLP ausstreckt. Seit Wochen wird spekuliert, dass hinter dem Kursverfall von MLP auch eine konzertierte Aktion deutscher Banken stecken könnte, um die Heidelberger für eine Übernahme weich zu kochen. So soll Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle bereits bei Termühlen angeklopft haben. Verwundern würde das nicht. Das MLP-Geschäft passt zur Allianz: "Wie überzeugt die von dem Modell ist, zeigt der Aufbau einer eigenen Organisation nach MLP-Vorbild", so DZ-Bank-Analyst Thorsten Wenzel. Auch der Citibank wird Interesse nachgesagt.
Doch MLP-Gründer Lautenschläger, der 33 Prozent des Kapitals besitzt, sträubt sich gegen einen Verkauf. Er will durchhalten: Bislang habe er keine einzige MLP-Aktie verkauft, sagte er kürzlich. "Auch Herr Termühlen hat bisher nicht verkauft und hat auch nicht vor, dies zu tun", heißt es von MLP. Der Aktie taten die Gerüchte trotzdem gut: Der Kurs explodierte in den letzten Tagen geradezu.
Auf die Planungen aber haben die Turbulenzen keinen Einfluss. MLP hält an seinen Expansionsplänen fest. "Wir sehen keinen Anlass, unsere Planungen zu ändern", sagt Pfister gegenüber EURO. Noch 2002 wollen die Heidelberger 800 neue Berater einstellen. Weitere 300 Stellen werden in der Verwaltung geschaffen. Nach der aktuellen Planung dürfte der Konzern damit am Jahresende rund 5000 Mitarbeiter haben. Auch bei den Investitionen werde es keine Abstriche geben, so Pfister. Außerdem ist für den Herbst eine große Image-Kampagne geplant.
Viel Vertrauen könnte MLP schon jetzt zurückerobern, wenn die zum Jahresende angekündigte Ernennung eines neues Finanzvorstandes vorgezogen würde. Nach EURO-Informationen sollte diese Stelle ursprünglich intern besetzt werden. Als Kandidat galt Chef-Versicherungsmathematiker Bernd Neumann. Wegen der jüngsten Turbulenzen wird die Stelle jetzt extern besetzt. Der ebenfalls häufig genannte Hartmut Schüning, Ex-Finanzchef des Konkurrenten Tecis, hat dabei kaum noch Chancen: "Ihm fehlt das nötige Standing am Kapitalmarkt", heißt es von MLP. Wer auch immer neuer Finanzchef wird, leicht wird er es nicht haben: MLP-Boss Bernhard Termühlen ist für Kritik wenig zugänglich.
Trotz all der Unstimmigkeiten und Risiken: Das Geschäftsmodell der Heidelberger (siehe Kasten) halten selbst Analysten der DZ-Bank und HSBC, die das Papier nach der Gewinnwarnung und dem starken Kursverfall auf Verkauf gestellt haben, für das beste der Branche. Auch wenn bei der Präsentation der Halbjahreszahlen am Donnerstag der Gewinn vor Steuern bestenfalls den Vorjahreswert von 53,7 Millionen Euro erreichen wird. Schwerer wiegt jedoch der anhaltende Vertrauensverlust. Bestes Beispiel für den teilweise selbst verschuldeten Image-Schaden ist das nachträgliche Eingeständnis, künftige Provisionsanforderungen bereits 2000 und 2001 als Gewinn verbucht zu haben. "Das führt zwar nicht zu Zahlungsschwierigkeiten und ist auch betriebswirtschaftlich in Ordnung", urteilt DZ-Bank Analyst Wenzel. "Enttäuschend ist jedoch, dass MLP stets betont hat, dass es diese Ansprüche gibt, aber nie erwähnte, dass sie bereits verkauft wurden." Immerhin trug der Forderungsverkauf nach Berechnungen der DZ-Bank im vergangenen Jahr 57,6 Millionen Euro und damit gut 37 Prozent zum Ergebnis vor Steuern in Höhe von 150,7 Millionen Euro bei. "Das wäre relevant gewesen", ärgert sich Wenzel. Auch viele andere Analysten sind verunsichert. "Wir wissen nicht, in welchem Umfang MLP auch im laufenden Jahr bei der Berechnung des Gewinns den Verkauf künftiger Forderungen berücksichtigt hat", sagt Wenzel.
Klare Botschaft an Termühlen und Lautenschläger: Nicht nur die Mitarbeiter müssen neues Vertrauen in das Management bekommen, sondern auch die Investoren. Eine aufwendige Imagekampagne wird da allein kaum ausreichen.
von K. Schachinger und T. Schmidtutz / Euro am Sonntag
-red-