in Belgien ist wohl alles möglich
aus Spiegel.de
PROTOKOLL DES (POLITISCHEN) GRAUENS
Die Dutroux-Akten sind im Web
Von Frank Patalong
Marc Dutroux, Kinderschänder und -mörder, sieht einem weiteren Prozess entgegen. Die Anklage stützt sich auf 1300 Seiten Ermittlungsakten - und die kann man schon jetzt im Web kaufen: Grauen pur für nur noch 30 Euro? Nein, sagt der Aktendieb: Notwendige Aufklärung.
Das Monster: Die Verbrechen des Marc Dutroux erschütterten Belgien - und wirken nach
Jean Nicolas ist ein populärer Mann in Belgien - so berühmt wie berüchtigt. Vor drei Jahren leiteten Veröffentlichungen des auf Enthüllungen spezialisierten Journalisten das Ende der EU-Kommission um Jacques Santer ein. Das sind Dinge, die Nicolas Ruf als Profi, als ernst zu nehmender Journalist begründen. Doch es gibt auch eine andere Seite des Enthüllungsjournalisten Jean Nicolas: Keck verkündete Skandale und Enthüllungen, die er mitunter nicht hinreichend belegen kann.
Seit einigen Tagen handelt er über eine in Madagaskar registrierte Website mit einem 1300 Seiten starken Dossier, das die Basis für die Anklage im nächsten Prozess gegen Belgiens Staatsfeind Nummer eins bildet: Marc Dutroux.
Der ging 1996 in die Geschichte ein als Kinderschänder und Serienmörder der finstersten Sorte. Als Mann, der minderjährige Mädchen kidnappte, über Monate immer wieder vergewaltigte und vier von ihnen in einem Kellerloch elendig verrecken ließ. Doch der Fall Dutroux hatte auch noch eine andere Fassette, die das 1300-Seiten-Dokument des Grauens zu mehr machen als nur zur anrüchigen Horror-Handelsware.
Dutroux wurde angeblich über Jahre protegiert, pflegte Kontakte mit hochrangigen Polizeibeamten und angeblich sogar Politikern und im Adel. Die Verschwörungstheorien sprießen, die Geschichte der Fahndung nach ihm ist eine Geschichte der Pannen - wie das nicht enden wollende Hickhack um seine Verurteilung. Kurz nach seiner Verhaftung gelang es ihm gar, noch einmal aus der Haft zu entkommen: So viel Inkompetenz und anrüchige Verstrickung
Jean Nicolas: investigativer Journalist oder Sensationsmacher?
schockiert Belgien nun schon seit sechs Jahren und befeuert Gerüchte über Querverbindungen und Einflussnahmen auf höchster Ebene. Bis zum heutigen Tag ist Dutroux nur wegen einiger minder schwerer Vergehen verurteilt. Im Sommer soll ihm endlich der große Prozess gemacht werden.
All das macht die Sache politisch brisant und gesellschaftlich relevant, sagt Nicolas: Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf, die Ermittlungsakten zu sehen. Sie hätten nie zur Verschlusssache erklärt werden dürfen.
In Nicolas Hände gelangten sie, berichtet der "Guardian", durch einen "an den Ermittlungen beteiligten Fahnder". Der stahl sie und reichte sie an Nicolas weiter. Jetzt sind die "außerordentlichen und authentischen Dokumente" für nur 30 Euro für jedermann zu haben - noch.
Denn für Jacques Pignolet, Richter in Brüssel, ist die Veröffentlichung des Dossiers zu einem "Fall Nicolas" geworden: Der Journalist gefährde mit seinen Aktivitäten den nächsten Prozess gegen den Kindermörder. Auch Nicolas wird sich wohl vor Gericht wiederfinden - doch das ist eine Situation, die ihm nicht neu ist. Die Staatsanwaltschaft in Brüssel hat inzwischen Haftbefehl gegen ihn erlassen - vorausschauend gleich einen internationalen.
Im Sommer 2001 machte Nicolas Schlagzeilen mit einem Buch über die Dutroux-Affäre, in dem er unter anderem behauptete, Belgiens König Albert II. habe Anfang der Achtziger nicht nur (wenn auch indirekte) Kontakte zu Dutroux gehabt, sondern sogar an Sex-Partys teilgenommen. Den Beweis blieb er schuldig, die Behauptung fußte allein auf Aussagen bekannter Zeugen, die aus guten Gründen von der Staatsanwaltschaft nicht sehr ernst genommen wurden.
Ruppige Methoden eines Mannes, der lieber als investigativer denn als Enthüllungsjournalist gesehen werden möchte. Im gleichen Jahr outete Nicolas über ein Monatsmagazin die Namen einer ganzen Liste von vorbestraften Pädokriminellen. Das Magazin wurde auf richterliches Geheiß aus dem Handel genommen. Nicolas hat daraus gelernt: Bis seine Webseite in Madagaskar vom Netz genommen wird, ist das Dutroux-Dossier längst um die Welt. Für nur noch 30 Euro pro Kopie.
aus Spiegel.de
PROTOKOLL DES (POLITISCHEN) GRAUENS
Die Dutroux-Akten sind im Web
Von Frank Patalong
Marc Dutroux, Kinderschänder und -mörder, sieht einem weiteren Prozess entgegen. Die Anklage stützt sich auf 1300 Seiten Ermittlungsakten - und die kann man schon jetzt im Web kaufen: Grauen pur für nur noch 30 Euro? Nein, sagt der Aktendieb: Notwendige Aufklärung.
Das Monster: Die Verbrechen des Marc Dutroux erschütterten Belgien - und wirken nach
Jean Nicolas ist ein populärer Mann in Belgien - so berühmt wie berüchtigt. Vor drei Jahren leiteten Veröffentlichungen des auf Enthüllungen spezialisierten Journalisten das Ende der EU-Kommission um Jacques Santer ein. Das sind Dinge, die Nicolas Ruf als Profi, als ernst zu nehmender Journalist begründen. Doch es gibt auch eine andere Seite des Enthüllungsjournalisten Jean Nicolas: Keck verkündete Skandale und Enthüllungen, die er mitunter nicht hinreichend belegen kann.
Seit einigen Tagen handelt er über eine in Madagaskar registrierte Website mit einem 1300 Seiten starken Dossier, das die Basis für die Anklage im nächsten Prozess gegen Belgiens Staatsfeind Nummer eins bildet: Marc Dutroux.
Der ging 1996 in die Geschichte ein als Kinderschänder und Serienmörder der finstersten Sorte. Als Mann, der minderjährige Mädchen kidnappte, über Monate immer wieder vergewaltigte und vier von ihnen in einem Kellerloch elendig verrecken ließ. Doch der Fall Dutroux hatte auch noch eine andere Fassette, die das 1300-Seiten-Dokument des Grauens zu mehr machen als nur zur anrüchigen Horror-Handelsware.
Dutroux wurde angeblich über Jahre protegiert, pflegte Kontakte mit hochrangigen Polizeibeamten und angeblich sogar Politikern und im Adel. Die Verschwörungstheorien sprießen, die Geschichte der Fahndung nach ihm ist eine Geschichte der Pannen - wie das nicht enden wollende Hickhack um seine Verurteilung. Kurz nach seiner Verhaftung gelang es ihm gar, noch einmal aus der Haft zu entkommen: So viel Inkompetenz und anrüchige Verstrickung
Jean Nicolas: investigativer Journalist oder Sensationsmacher?
schockiert Belgien nun schon seit sechs Jahren und befeuert Gerüchte über Querverbindungen und Einflussnahmen auf höchster Ebene. Bis zum heutigen Tag ist Dutroux nur wegen einiger minder schwerer Vergehen verurteilt. Im Sommer soll ihm endlich der große Prozess gemacht werden.
All das macht die Sache politisch brisant und gesellschaftlich relevant, sagt Nicolas: Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf, die Ermittlungsakten zu sehen. Sie hätten nie zur Verschlusssache erklärt werden dürfen.
In Nicolas Hände gelangten sie, berichtet der "Guardian", durch einen "an den Ermittlungen beteiligten Fahnder". Der stahl sie und reichte sie an Nicolas weiter. Jetzt sind die "außerordentlichen und authentischen Dokumente" für nur 30 Euro für jedermann zu haben - noch.
Denn für Jacques Pignolet, Richter in Brüssel, ist die Veröffentlichung des Dossiers zu einem "Fall Nicolas" geworden: Der Journalist gefährde mit seinen Aktivitäten den nächsten Prozess gegen den Kindermörder. Auch Nicolas wird sich wohl vor Gericht wiederfinden - doch das ist eine Situation, die ihm nicht neu ist. Die Staatsanwaltschaft in Brüssel hat inzwischen Haftbefehl gegen ihn erlassen - vorausschauend gleich einen internationalen.
Im Sommer 2001 machte Nicolas Schlagzeilen mit einem Buch über die Dutroux-Affäre, in dem er unter anderem behauptete, Belgiens König Albert II. habe Anfang der Achtziger nicht nur (wenn auch indirekte) Kontakte zu Dutroux gehabt, sondern sogar an Sex-Partys teilgenommen. Den Beweis blieb er schuldig, die Behauptung fußte allein auf Aussagen bekannter Zeugen, die aus guten Gründen von der Staatsanwaltschaft nicht sehr ernst genommen wurden.
Ruppige Methoden eines Mannes, der lieber als investigativer denn als Enthüllungsjournalist gesehen werden möchte. Im gleichen Jahr outete Nicolas über ein Monatsmagazin die Namen einer ganzen Liste von vorbestraften Pädokriminellen. Das Magazin wurde auf richterliches Geheiß aus dem Handel genommen. Nicolas hat daraus gelernt: Bis seine Webseite in Madagaskar vom Netz genommen wird, ist das Dutroux-Dossier längst um die Welt. Für nur noch 30 Euro pro Kopie.