Deutsche Börsen legen Grundstein für ein kräftiges Comeback
Der Börsianer das unbekannte Wesen. Mit einigem Erstaunen blickt die Investorengemeinde auf die Bewegungen von Dax & Co. Die Konjunktur-Prognosen werden täglich trüber, die Vergeltungsschläge der USA haben noch immer nicht begonnen und die Unsicherheit - so heißt es - ist unverändert hoch. Obendrein hat auch noch gerade der ominöse Crash-Monat Oktober begonnen. Und was macht der deutsche Aktienmarkt ? Er steigt und steigt.
Seit dem Tiefpunkt vor zwei Wochen hat der Dax bis Donnerstag Abend - allen Unkenrufen zum Trotz - mehr als 1000 Punkte gut gemacht. Das entspricht einem prozentualen Anstieg von weit mehr als 25%. Beim schon beinahe totgesagten Neuen Markt sieht die Zwei-Wochen-Bilanz noch besser aus und daran ändern auch die am Freitag einsetzenden Gewinnmitnahmen wenig. Der Profi staunt und der Laie wundert sich.
Aber wo bleibt die Korrektur?
So ganz überraschend kommt die Erholung aber nicht. Insbesondere dann nicht, wenn man an die Gültigkeit manch alter Börsenregel glaubt. Eine davon besagt, dass eine Hausse nur in der Verzweiflung geboren wird. Und diese haben die Märkte im Anschluss an die traurigen Ereignisse in den USA durchaus zu spüren bekommen. Aber es gibt noch weitere Indikatoren, die für eine Trendwende an den Börsen sprechen. Etwa dass - anders als in den vergangenen Monaten - derzeit niemand das Wort "Einstiegskurse" in den Mund nimmt: Banken raten zur Zurückhaltung, Börsenkommentatoren mahnen zur Vorsicht und die Anbieter von Finanzprodukten für die Privatkundschaft setzen auf Anlagevehikel mit Kapitalgarantie.
Derweil sitzen die Institutionellen schon seit der Zeit vor dem 11. September auf großen Cash-Beständen, die ja eigentlich in den Markt fließen sollen und alle Welt wartet nach dem Anstieg der letzten Tage auf die Korrektur. Allein, sie will nicht kommen. Man wagt es kaum auszusprechen, aber das Fazit all dessen lautet: Eine Rallye ist eine Rallye ist eine Rallye.
Autohersteller preschen vor
Zu den großen Gewinnern der vergangenen Börsenwoche gehörten die Autobauer BMW und DaimlerChrysler, die beide um weit mehr als 10% zulegen konnten. Dabei könnte der Hintergrund der Kurssteigerung kaum unterschiedlicher sein. Während BMW von glänzenden Absatzzahlen in den USA beflügelt wurde, lockt bei DaimlerChrysler wohl vor allem der dramatische Kursverfall des deutschen Vorzeigeunternehmens die Anleger.
Positive Analystenkommentare finden sich indes für beide. Während sich die Credit Suisse First Boston, Sal. Oppenheim und die SEB für DaimlerChrysler stark machen, setzen die Deutsche Bank und Goldman Sachs auf den bayrischen Kontrahenten. Als weitere Favoriten im deutschen Auto-Sektor benennen die beiden letztgenannten im übrigen Porsche, unseren Liebling der vergangenen Woche.
Kursziele lassen Börse kalt
Ein sattes Kursplus verzeichneten aber auch die Technologie-Werte im Dax, wobei SAP die Gewinnerliste anführte. Dicht gefolgt von Siemens und Epcos. Aber auch der dritte Vertreter der S-Familie, Infineon, konnte sich trotz anhaltender Negativ-Kommentare von Analystenseite deutlich erholen.
Zu Wochenbeginn hatte sich mit UBS Warburg erneut eine große Investmentbank sehr skeptisch zu dem Halbleiter-Wert geäußert und ein Kursziel von traurigen € 10 ermittelt. Die Börse scherte das wenig und statt sich dem prognostizieren Tiefststand zu nähern, zog die Aktie um rund 10% an.
Liebling der Woche
Deutliche Zugewinne verbuchte auch das Berliner Pharma-Unternehmen Schering, das von den Börsianern rasch als großer Gewinner des Milliarden-Deals um Aventis Crop Science ausgemacht wurde. Das bislang von Aventis und Schering geführte Agro-Chemie-Unternehmen geht für € 5,35 Mrd. an Bayer, die auch für die Schulden von CropScience (€ 1,9 Mrd.) aufkommen.
Für die Berliner, die mit 24% an CropScience beteiligt waren, bedeutet dies einen warmen Geldregen von € 1,5 Mrd., deutlich mehr als Experten erwartet hatten. Entsprechend positiv war die Reaktion der Analysten, die reihenweise Kaufempfehlungen aussprachen. Hervorzuheben ist dabei, dass sich die Zuversicht nicht ausschließlich auf diesen Einmal-Effekt stützt, sondern durch andere Faktoren untermauert wird. So konstatieren die Strategen, dass die Produktpalette von Schering wenig konjunkturabhängig sei und dass der Verkaufserfolg der neuen Anti-Baby-Pille Yasmin weit besser ausfalle, als bislang von den Anlegern berücksichtigt. Alles in allem ausreichende Argumente, um Schering zum Liebling der Woche zu küren.
Biotech ist wieder im Trend
Überhaupt durchläuft der Health-Care-Bereich derzeit eine Renaissance und auch die am Neuen Markt gelisteten Biotech-Werte standen in der Anlegergunst ganz oben. So verzeichneten einzelne Vertreter wie Morphosys, Medigene oder Lion Bioscience Tagesgewinne von bis zu 48%. Und die Chancen, dass dieser Trend anhält sind ausnehmend günstig.
Diese Einschätzung basiert nicht zuletzt darauf, dass in den kommenden Wochen eine Reihe von Fach-Messen und Biotech-Konferenzen abgehalten werden, die das Interesse der Investoren wieder stärker auf das Potenzial der Branche aufmerksam machen werden. Und dies vor dem Hintergrund eines inzwischen historisch niedrigen Bewertungsniveaus, wie Goldman Sachs hervorhebt.
Rote Karten für Penny-Stocks
Das andere große Thema am Neuen Markt war der Startschuss für das überarbeitete Regelwerk, mit dem nun das Groß-Reinemachen an der Wachstumsbörse beginnt. Insolventen Unternehmen und Penny-Stocks droht jetzt der Zwangsausschluss. Die ersten roten Karten nach Inkrafttreten der Delisting-Regularien wurden auch prompt verteilt.
Schon Anfang November heißt es für Kabel New Media und Management Data Abschied nehmen. Und nach jetzigem Stand der Dinge werden noch eine ganze Reihe von Gesellschaften folgen. Hierzu gehören wohl auch Prodacta und Popnet. Bei Prodacta soll das Insolvenzverfahren Anfang November eröffnet werden und auch für Popnet besteht wenig Hoffnung. Das sehen offenbar auch die beiden Betreuerbanken Sal. Oppenheim und die Commerzbank so, die sich beide von der Hamburger Internetagentur verabschiedet haben.