von Jochen Steffens
Heute ist in den USA Labor Day, Tag der Arbeit, an dem die großen US-Börsen geschlossen haben, weshalb nicht viel passiert. Gleichzeitig weist der Labor Day auf das Ende der umsatzschwachen Sommermonate an den Börsen hin. Das hat damit zu tun, dass er traditionell mit dem Ende der Urlaubszeit in den USA verbunden ist. So müssen die Schüler wieder zu Schule, für die touristischen Hochburgen bedeutet dieser Tag das Ende der Hochsaison – es ist sozusagen so, als würde die USA aus ihrer „Sommer-Urlaubs-Trägheit“ erwachen.
Seltsamerweise folgt mit dem September einer der schwächsten Monate im Jahresmittel, man kann also nicht davon reden, dass sich die Anleger nach dem Urlaub gestärkt wieder neuen wagemutigen Finanzspekulationen hingeben. Dann folgt auch noch der Oktober, welcher als Crashmonat gefürchtet ist. Dabei haben wir in diesem Jahr den ersten stärkeren Einbruch bereits im März erlebt, gefolgt von dem aktuellen Einbruch. Sind das nur Vorboten/Vorbeben eines Oktobercrahs oder war es das nun und alles steigt lustig weiter an?
Bernanke reagiert gelassen
Bernanke hat am Freitag eigentlich genau das getan, was er tun sollte. Er hat gesagt, dass die Fed grundsätzlich bereit sei, wenn nötig mit zusätzlichen Maßnahmen Liquidität zur Verfügung zu stellen. Die Fed werde die Situation genau beobachten und entsprechend reagieren.
Der Markt interpretierte diese Aussage, als ein Zeichen, dass die Fed notfalls die Zinsen senken wird, wobei diese Aussage meiner Einschätzung nach nicht beinhaltet, dass sie es bald tun wird. Wahrscheinlich sieht die Fed es ähnlich, wie ich es hier beschrieben hatte: Wenn nun die Märkte nicht weiter stark fallen, es nicht zu (weiteren) kritischen Schieflagen bei den großen Banken kommt, besteht nicht die Notwendigkeit einer Zinssenkung...
Bernanke wies daraufhin, dass die US-Wirtschaft im letzten Quartal zwar gewachsen sei, dass die nun folgenden Konjunkturzahlen aufgrund der aktuellen Krise im Subprime und Kreditmarkt weniger nützlich seien als sonst. Zudem betonter er noch, dass es grundsätzlich nicht die Aufgabe der US-Notenbank sei, Hypothekenbesitzer und Investoren vor den Folgen falscher Entscheidungen zu bewahren!
Damit ist eigentlich schon alles gesagt, was zu sagen ist. Zunächst einmal kann man den aktuellen Konjunkturdaten, die rückwirkende Entwicklungen beschreiben, nicht mehr trauen, da niemand weiß, wie sich die Kreditmarktkrise auf die US-Wirtschaft auswirken wird. Der Seitenhieb auf die Spekulanten und die Hypothekenschuldner ist nur gerechtfertig, schließlich hatte die Fed in diesem Jahr bereits mehrfach vor dieser Krise gewarnt.
Das Ende der Ära des leichten Geldes?
Doch das ist nicht alles. Ben Bernanke verabschiedet sich mit diesen Worten auch von der Politik Alan Greenspans. Es hat schließlich mit diesem Seitenhieb deutlich gemacht, dass er nicht mehr ohne weiteres bereit sei, jedes Mal die Zinsen zu senken, wenn irgendetwas schief läuft. Ich denke, das ist ein klares Signal. Es stimmt, die Märkte verlassen sich mittlerweile zu sehr auf diese Politik des leichten Geldes. Das sieht man daran, dass sie aktuell bereits mit Zinssenkungen um 75 Basispunkte rechnen. „Krise? Egal! Notfalls senkt die Fed die Zinsen und alles wird gut.“
Das Problem dabei ist, immer wenn der Markt etwas als „Regelmäßigkeit“ erkannt hat, werden sehr viele darauf spekulieren. Wenn zu viele auf das Gleiche spekulieren, wird es nicht mehr funktionieren! Und man sieht an den Reaktionen des Marktes, dass sich mittlerweile zu viele auf diese Politik des leichten Geldes verlassen. Insofern ist das, was Ben Bernanke macht genau richtig. Es kann aber sein, das der Markt das erst noch lernen wird, vielleicht nach der nächsten Zinssitzung?
Senkt er, oder senkt er nicht?
Sie wissen, ich bin entgegen der allgemeinen Marktmeinung bei weitem noch nicht überzeugt davon, dass es bei der nächsten Zinssitzung zu einer Zinssenkung kommt. Und nach der Rede von Ben Bernanke sind jetzt auch noch anderen Kommentatoren erste Zweifel gekommen.
Mir gefällt die Gefahr einer weiteren Inflation der Energie und Nahrungsmittelpreise nicht. Auch wenn die letzten Zahlen keine weitere Steigerung des prozentuellen Anstiegs der Inflation anzeigen, so steigen die Preise doch immer weiter. Ich fürchte, dass gerade der mittlerweile doch sehr nachhaltige Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise die Geldbeutel der Amerikaner zu sehr belastet und aus diesem Grund zu einer Konsumfalle werden könnte.
Ein schwacher Dollar ist gefährlich
Senkt Ben Bernanke jetzt die Zinsen, wird das den Dollar schwächen mit der Folge, dass die Rohstoffe für die US-Bürger und Unternehmen immer teurer werden. Es wird einen Punkt geben, an dem genau das die Konsumlaune der US-Verbraucher abwürgen wird (darauf weist auch das deutlich sinkende Verbrauchervertrauen der US-Bürger hin).
Wenn aufgrund der hohen Energie und Nahrungsmittelpreise immer weniger konsumiert wird, haben die Unternehmen keine Chance, die gestiegenen Herstellungskosten auf den Verbraucher umzuwälzen. Es könnte folgend zu einer Deflation der Konsumgüterpreise des mittleren und langfristigen Bedarfs kommen, bei gleichzeitiger Inflation der Energie und Nahrungsmittelpreise. Eine Entwicklung, die wir schon seit geraumer Zeit beobachten (übrigens auch gerade in letzter Zeit verstärkt in Deutschland).
Gefahr für den Arbeitsmarkt
Die Unternehmen werden dieser Entwicklung dann lediglich durch Kostenreduzierungen entgegenwirken können, sprich, es werden wieder mehr Menschen entlassen. Das wiederum wirkt sich verschärfend auf den sowieso geschwächten Konsum aus. Die Spirale dreht sich weiter. Der Binnenkonsum, in den USA immer noch der wichtigste Wirtschaftsmotor, wird in Folge seine Wachstumsraten nicht mehr beibehalten können.
Bernanke muss aufpassen
Das bedeutet, Ben Bernanke muss eigentlich alles tun, um den Dollar einigermaßen stabil zu halten. Ansonsten würde er über eine Verteuerung der Kosten des täglichen Bedarfs eine Konsumzurückhaltung bewirken, die im Bereich des mittel- und langfristigen Bedarfs zu einer Ausweitung der Deflation führt. Eine solche wird auf der einen Seite die Gewinne der Unternehmen und auf der anderen Seite den Arbeitsmarkt belasten. Auch aus diesem Grund denke ich nicht, dass die Fed die Zinsen zu stark senken wird/kann. Ich sorge mich nur, dass der Markt das zu „plötzlich“ begreifen und in Folge zu stark reagieren könnte.
Wobei, mir wäre ein weiterer Abwärtsmove nur recht, da erst dann der Markt wirklich bereinigt wäre. Nur verlassen würde ich mich nicht drauf.
Wissen Sie, je länger ich Ben Bernanke beobachte, desto mehr gewinne ich den Eindruck, dass er seinen Job wirklich verdammt gut macht (bisher), zumal ich so langsam begriffen habe, wie er tickt.
Viele Grüße
Ihr
Jochen Steffens