Das Tante-Emma-Konzept

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Das Tante-Emma-Konzept

 
30.03.02 21:04
Von Langenfeld aus rollt die Kaufhauskette "Strauss Innovation" die Republik auf. Mit einem kuriosen Sortiment

Der Mann mit dem grau melierten Haar und dem dunkelblauen Zweiteiler hat Tempo drauf. Im Sauseschritt fegt er durch die Gänge des sonnendurchfluteten 80er-Jahre-Baus. In seinem Büro fängt ihn eine Frau im beigefarbenen Ensemble ab. "Der Schuhputzer fürs Jubiläum", platzt sie heraus, "wir können ihn bekommen. Soll ich zusagen?" Die Antwort kommt prompt: "Ja, mach das." Wieder eine Entscheidung gefällt, der Mann am schwarzen Schreibtisch ist zufrieden. Sein Name: Peter L. Geringhoff, Geschäftsführer der Langenfelder Kaufhauskette Strauss Innovation. Derzeit hält den 62-Jährigen das 100-jährige Firmenjubiläum auf Trab, das im Oktober ansteht. Eine der Aktionen: Schuhputzer, die vor den Filialen kostenlos ihre Dienste anbieten - eine von Geringhoffs Ideen.

Davon hat der in Iserlohn aufgewachsene Unternehmer jede Menge auf Lager, wie ein Blick ins Sortiment beweist: Picknick-Plaids mit Tragegurt, Herren-Blazeranzüge aus reiner Schurwolle, rollbare Strandkörbe, griechische Olivenpaste. Kuriose Mischung? "Nein, das ist unser Konzept", erklärt Geringhoff. Und seine Augen blitzen, stahlblau, passend zum Firmenschriftzug. "Wir sind ein moderner Tante-Emma-Laden." Mit diesem Konzept rollt der Geschäftsmann die Republik auf.

Die Expansion läuft auf Hochtouren. Allein in Nordrhein-Westfalen zählt die Kette 59 Läden - von Aachen bis Wattenscheid. Weitere Eröffnungen in Wuppertal und Grevenbroich sind geplant, im Juni macht ein Flagship Store in der Düsseldorfer Altstadt auf. Das NRW-Modell hat auch anderswo Erfolg. Allein in Berlin betreiben die Langenfelder 16 Filialen, es gibt Läden in Stuttgart, Dresden, Cottbus. Stores in Hamburg, Lüneburg und Frankfurt werden in diesem Jahr fertig.

Der NRW-Exportschlager hat gute Chancen, wie Branchenkenner meinen. "Fielmann und Ikea haben es vorgemacht", sagt Theo Soeken von der Kölner Unternehmensberatung BBE, die auf das Consulting von Handelsbetrieben spezialisiert ist. "Solange Wettbewerber die eigenwillige Sortimentskonzeption von Strauss nicht erfolgreich kopieren, bestehen gute Chancen für die landesweite Expansion."

Et hätt noch immer jot jejange, zumindest bisher. Der Gruppenumsatz legte von 1997 an pro Jahr zweistellig zu - auf 250 Millionen Euro in 2001. Noch rasanter schnellte die Zahl der Filialen in die Höhe - von 14 im Jahr 1989 auf derzeit 80. Mittlerweile arbeiten knapp 2000 Beschäftigte bei Strauss, weitere Neueinstellungen stehen an.

Der rheinische Gemischtwarenladen sucht seinesgleichen. Hauptwettbewerber? Fehlanzeige. Strauss konkurriert an allen Ecken mit anderen Firmen. Handtücher, Unterwäsche und Kosmetikartikel? Gibt es auch bei Tchibo. Preiswerte Kleidung? Bei C&A oder H&M. Günstige Möbel? Bei Ikea. "Wir liegen zwischen Aldi und Armani", sagt Geringhoff. Er selber hält als bestes Beispiel her. Zum Oberhemd und Krawatte von Strauss trägt er ein Jackett von Prada. Dazu handgenähte Budapester Schuhe "von uns", lobt er, "für nur 140 Euro."

Schnäppchen jagen ist en vogue. Allerdings verzichten die Smart-Shopper nicht auf Qualität. "Den Nerv dieser Kunden trifft Strauss genau", urteilt BBE-Experte Soeken. Besonders anziehend finden Frauen den Laden. Etwa 70 Prozent der Kunden sind weiblich - die meisten ab 30 Jahre und ab Konfektionsgröße 40. Geringhoffs Definition der Strauss-Klientel klingt so: "Die Kunden sind Menschen wie du und ich." Freilich kann es nichts schaden, dass auch Prominente darunter sind: Alfred Biolek habe einmal alle verfügbaren grauen Handtücher in einer Kölner Filiale aufgekauft.

Gutes zum guten Preis - die Firmenphilosophie stammt aus den Anfängen, als die Eheleute Heinrich und Maria Strauss 1902 einen Laden für Kurz-, Weiß- und Wollwaren in Düsseldorf gründeten. 1961 stieg Geringhoff ein - und arbeitete sich schnell nach oben. Heute hält seine Familie die Hälfte der Anteile, die andere Hälfte liegt bei der Kölner Finanzgruppe Alldata.

Von 1997 an treibt Geringhoff als geschäftsführender Gesellschafter die Firma voran. Der geborene Emdener baut das Filialnetz aus und putzt die bestehenden Läden heraus. Sein Ziel: "Unsere Läden müssen wie eine Zeitung aufgebaut sein. An den Überschriften erkennen die Kunden gleich, ob sie sich für die Artikel interessieren oder weitergucken wollen." Der Laden als Erlebniswelt.

Der Firmenchef hat eine Nase für Trends - und sorgt so für Bestseller. Noch heute schwärmt er vom Tagesumsatz von 205.000 Euro allein für Socken, die in der Türkei auf alten sächsischen Maschinen gekettelt wurden. Um solche Verkaufsschlager feiern zu können, ist Geringhoff ständig auf der Suche nach Neuerungen.

Weitere Aktivitäten sind übrigens denkbar. Geringhoff kann sich Strauss-Läden auf Flughäfen oder in Zügen vorstellen, erste Gespräche laufen bereits. Doch dafür ist er nicht mehr allein zuständig. Drei seiner vier Kinder übernehmen so langsam das Ruder. Der Senior kennt das Motto der Thirtysomethings: "Vatter, du kannst uns alles sagen, du hast immer gute Ideen", zitiert er im westfälischen Dialekt. "Aber sach et uns, wir machen dat dann schon."
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