Hohe Gewinnzuwächse oft eine Bürde für die Börsen
03. August 2004 Die Berichtssaison über die Ergebnisentwicklung im zweiten Quartal neigt sich in Amerika schon wieder ihrem Ende zu. 80 Prozent der Firmen aus dem S&P 500 Index haben inzwischen berichtet und die bisherige Zwischenbilanz kann sich sehen lassen.
Während die Analysten bei Standard & Poor´s im Vorfeld der Berichtssaison davon ausgegangen waren, daß die Gewinne verglichen mit dem Vorjahreszeitraum im zweiten Quartal im Schnitt um 24 Prozent zulegen werden, zeichnet sich inzwischen ein Gewinnplus von 27 Prozent ab. Nach Angaben der auf die Interpretation von Quartalszahlen spezialisierten Analysten bei Thomson First Call beträgt das Gewinnwachstum auf Basis der bisher bekannten Zahlen 25,9 Prozent, nachdem dieser Wert eine Woche zuvor noch bei 24 Prozent lag.
Drittes Quartal mit Gewinnzuächsen von über 25 Prozent zeichnet sich ab
Damit läuft alles auf das dritte Quartal in Folge mit Gewinnzuwächsen von über 25 Prozent hinaus, was der besten Gewinnserie seit 1973 entsprechen würde. Schon jetzt steht aber fest, daß sich die Zahlen durch die Bank sehen lassen können. So haben bisher 69 Prozent der Unternehmen die Prognosen der Analysten geschlagen, 17 Prozent schnitten wie erwartet ab und 14 Prozent verfehlt die Erwartungen. In einem typischen Quartal betragen diese Relationen 58, 22 und 20 Prozent.
Die Vorhersagen werden dieses Mal bislang mit einer Rate von 4,3 Prozent übertroffen, was ebenfalls über der normalen Rate von drei Prozent liegt. Verschlechtert hat sich allerdings das Verhältnis von negativen zu positiven Ausblicken. Die Quote für das dritte Quartal beträgt derzeit 1,8, während sie für das zweite Quartal bei 1,1 lag und auch im ersten Quartal bei niedrigeren 1,5. Aber auch der jetzt wieder höhere Wert liegt noch immer unter dem langfristigen Durchschnitt, der bei 2,2 liegt.
Anleger rechnen mit abnehmenden Gewinnwachstumsraten
Die Analysten von Standard & Poor´s weisen zudem darauf hin, daß sich auch die Aussichten für das Gesamtjahr noch einmal verbessert haben. So winkt bei den S&P 500 Unternehmen nun im Schnitt ein Ergebnisplus von 22 Prozent. Bisher wurde hier mit plus 21 Prozent gerechnet. Und das ermutigende daran ist, daß die erfreulichen Quartalsausweise nicht nur auf Kosteneinsparungen beruhten, sondern daß im zweiten Quartal vermutlich auch die Umsätze um immerhin elf Prozent gestiegen sind.
Was hat dann die Anleger aber dazu bewogen, zuletzt mehr Aktien zu verkaufen als zu kaufen, fragt man sich bei Standard & Poor´s? Und als selbstgefundene Antwort verweist man darauf, daß die Börsianer offenbar davon ausgehen, daß das Beste „hinter uns liegt“. In der Tat rechnet man auch bei Standard & Poor´s nach der für 2004 erwarteten Gewinnwachstumsrate von 22 Prozent und dem im Vorjahr verbuchten Plus von 18,8 Prozent für das kommende Jahr nur noch mit einem daran gemessen geringeren Anstieg von zehn Prozent.
Das Tempo dürfte demnach bereits im dritten und vierten Quartal 2004 nachlassen. Hier rechnen die Analysten von Standard & Poor´s jedenfalls nur noch mit Zuwächsen bei den Gewinnen von im Schnitt 15 und 17 Prozent. Mit den Faktoren Ölpreis, Terrorismus, steigende Zinsen, abnehmendes Gewinnwachstum und den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen haben die Marktteilnehmer somit genügend Punkte, über die sie sich Sorgen machen können.
Zu hohes Gewinnwachstum oft negativ für die Aktienkurse
Bei Standard & Poor´s trauen die Analysten dem S&P 500 Index bis zum Jahresende trotzdem noch Kursgewinne zu. Zur Begründung verweisen sie auf die Annahme sich im weiteren Jahresverlauf beruhigender Ölpreise, soliden konjunkturellen Aussichten sowie eine aus ihrer Sicht moderaten Aktienbewertung. Außerdem hoffen sie darauf, daß sich mit der Zeit alle Sorgen, mit denen sich die Börsianer momentan herumschlagen müssen, weitgehend in Luft auflösen werden.
Vielleicht haben die Experten bei ihrem Optimismus aber eine auf den Daten von achtzig Börsenjahren basierende Studie des Aktienexperten Martin Zweig übersehen. Der hat nämlich herausgefunden, daß die Aktienmärkte ausgerechnet dann schlecht abschneiden, wenn die Unternehmensgewinne mit einer Rate von über 20 Prozent wachsen. Noch grotesker an dem dabei ermittelten Ergebnis ist, daß die Börsen speziell dann gut laufen, wenn die Gewinne um zehn bis 25 Prozent schrumpfen.
Nach Interpretation der Analysten bei Net Davis Research könnte dieser bemerkenswerte Zusammenhang eventuell damit erklärt werden, daß alle Anleger davon ausgehen, daß steigende Gewinne die Kurse antreiben werden und folglich schon vorab voll positioniert sind. Bei schlechten Gewinnaussichten verhalten sie sich dagegen abwartend und halten Kasse vor, die sie dann, wenn sich eine Besserung abzeichnet, wieder investieren. Ganz unbrauchbar scheint diese These umgemünzt auf die aktuelle Situation nicht zu sein.
Text: @JüB
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