Nach drei Monaten blinder Rallye an der Wall Street gibt es diese Woche endlich Fakten. Die führenden US-Unternehmen geben ihre Quartalszahlen bekannt. Die Anleger gehen vorsichtshalber in Deckung.
New York - Intel, Microsoft, Sun, Compaq, Nortel Networks, Yahoo!, Ebay, General Motors, Ford, General Electric, Citigroup - das sind nur einige der Unternehmen, die diese Woche ihre Hosen runter lassen. Von der Bekanntgabe der Quartalszahlen erhofft sich die Wall Street Aufschluss über den Zustand der US-Wirtschaft. Die große Frage lautet: Werden die Zahlen die Kursrallye der vergangenen Monate rechtfertigen?
In der Hoffnung auf eine schnelle wirtschaftliche Erholung hatten die Investoren seit dem 21. September die Kurse wild nach oben getrieben, den Dow Jones um 15 Prozent, den Nasdaq-Composite sogar um 35 Prozent. Doch Hoffnung allein reicht auf die Dauer nicht - das scheinen die Anleger gerade zu merken. Der Dow Jones hat vergangene Woche bereits 2,6 Prozent verloren, ist wieder unter die 10.000-Punkte-Marke gefallen. "Die Anleger sind in Abwartestellung", sagt Alan Ackerman, Chef-Stratege bei der Investmentbank Fahnestock. "Sie bleiben jetzt erstmal auf ihrem Cash sitzen. Die neue Devise heißt: Keep cool."
Vorsicht ist angesagt, denn die Kurse sind den Gewinnen weit voraus. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis vieler Aktien ist bereits wieder auf dem irrationalen Niveau vom März 2000. Das lässt die Anleger innehalten. Und die Zwischenberichte der Unternehmen werden die Unsicherheit noch verstärken. Denn die Gewinne sind unverändert schwach. Zwar werden die meisten Unternehmen wie üblich die Erwartungen der Analysten übertreffen - doch das ist angesichts stark gesenkter Prognosen kein Kunststück. Frühestens im nächsten Quartal sei mit einer deutlichen Verbesserung zu rechnen, sagt Ackerman.
Langfristig geht es nur seitwärts
Damit ist die vermeintliche Klarheit, die Euphorie über den schnellen Aufschwung, dahin. Statt des erwarteten Wirtschaftswunders scheint der Aufschwung allenfalls lauwarm zu werden, die Rallyestimmung ist verpufft. Der Dow Jones könnte sich auf absehbare Zeit bei der 10.000-Punkte-Marke einpendeln, sagen Beobachter. Die wieder erstarkten Bären sorgen für verstärkte Kursschwankungen, langfristig geht es nur seitwärts. "Es gibt einen Krieg zwischen denen, die glauben, dass das Kursniveau zu hoch ist, und denen, die sagen, dass der Wirtschaftsaufschwung dieses Niveau rechtfertigt", sagt Ackerman.
Alan Greenspan hat am Freitag mit seiner Rede in San Francisco die neue Melancholie noch verstärkt. Zwar fand der US-Notenbankchef auch Positives in seinen Daten: "Indikationen einer Stabilisierung tauchen in größerer Häufigkeit auf", sagte er im reinsten Greenspan-Sprech. Die Signale seien von "sehr negativ" auf "gemischt" umgesprungen. Doch zugleich warnte er vor "signifikanten" kurzfristigen Risiken. Dazu zählte er die Gewinnsituation und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen.
Diese Warnung wird sich in den Märkten widerspiegeln. "Greenspan setzt den Ton für diese Woche", sagt Ackerman. Auch die Ankündigung von neuen Entlassungen bei Ford wird noch nachwirken. "Massenentlassungen könnten die Stimmung der Verbraucher im ersten Quartal trüben", warnt David Wyss, Chef-Volkswirt der Rating-Agentur Standard and Poors. Es gibt also weiterhin genug "Downside risk", wie es im Jargon heißt.
Die Bullen und die Statistik
Die Bullen haben jedoch einen starken Verbündeten: die Statistik. Derzufolge kann es in diesem Jahr nur aufwärts gehen. Wieso? Weil alle drei großen Indizes, der Dow Jones, der S&P 500 und der Nasdaq-Composite, in den ersten fünf Handelstagen des Jahres gestiegen sind. In der Vergangenheit war das ein relativ verlässliches Zeichen für ein gutes Jahr, berichtet die "New York Times". Seit Gründung der Nasdaq 1972 zum Beispiel gab es 16 Jahre, in denen alle drei Indizes in den ersten fünf Tagen gestiegen sind. In zehn Fällen legten alle drei Indizes bis Jahresende zu, in weiteren vier Fällen mindestens einer. Das einzige Jahr, in dem die Regel nicht funktionierte, war 1973, das Jahr der Ölkrise.
Nun lässt sich einwenden, dass die Märkte meistens nach oben tendieren und dass der Indikator daher nicht besonders aussagekräftig ist. Der Einwand ist korrekt, doch es scheint trotzdem eine Verbindung zwischen dem Ergebnis in den ersten fünf Tagen und dem Gesamtjahr zu geben: Der Dow Jones zum Beispiel hat 44 der vergangenen 60 Jahre positiv abgeschlossen. Das ist eine 73-prozentige Wahrscheinlichkeit. In den Jahren, in denen er die ersten fünf Tage zugelegt hat, betrug die Wahrscheinlichkeit jedoch 82 Prozent. Das sind allerdings immer noch keine 100 Prozent, und die New Economy hat schon andere vermeintliche Regeln außer Kraft gesetzt.
Gruß
Happy End
spiegel.de
New York - Intel, Microsoft, Sun, Compaq, Nortel Networks, Yahoo!, Ebay, General Motors, Ford, General Electric, Citigroup - das sind nur einige der Unternehmen, die diese Woche ihre Hosen runter lassen. Von der Bekanntgabe der Quartalszahlen erhofft sich die Wall Street Aufschluss über den Zustand der US-Wirtschaft. Die große Frage lautet: Werden die Zahlen die Kursrallye der vergangenen Monate rechtfertigen?
In der Hoffnung auf eine schnelle wirtschaftliche Erholung hatten die Investoren seit dem 21. September die Kurse wild nach oben getrieben, den Dow Jones um 15 Prozent, den Nasdaq-Composite sogar um 35 Prozent. Doch Hoffnung allein reicht auf die Dauer nicht - das scheinen die Anleger gerade zu merken. Der Dow Jones hat vergangene Woche bereits 2,6 Prozent verloren, ist wieder unter die 10.000-Punkte-Marke gefallen. "Die Anleger sind in Abwartestellung", sagt Alan Ackerman, Chef-Stratege bei der Investmentbank Fahnestock. "Sie bleiben jetzt erstmal auf ihrem Cash sitzen. Die neue Devise heißt: Keep cool."
Vorsicht ist angesagt, denn die Kurse sind den Gewinnen weit voraus. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis vieler Aktien ist bereits wieder auf dem irrationalen Niveau vom März 2000. Das lässt die Anleger innehalten. Und die Zwischenberichte der Unternehmen werden die Unsicherheit noch verstärken. Denn die Gewinne sind unverändert schwach. Zwar werden die meisten Unternehmen wie üblich die Erwartungen der Analysten übertreffen - doch das ist angesichts stark gesenkter Prognosen kein Kunststück. Frühestens im nächsten Quartal sei mit einer deutlichen Verbesserung zu rechnen, sagt Ackerman.
Langfristig geht es nur seitwärts
Damit ist die vermeintliche Klarheit, die Euphorie über den schnellen Aufschwung, dahin. Statt des erwarteten Wirtschaftswunders scheint der Aufschwung allenfalls lauwarm zu werden, die Rallyestimmung ist verpufft. Der Dow Jones könnte sich auf absehbare Zeit bei der 10.000-Punkte-Marke einpendeln, sagen Beobachter. Die wieder erstarkten Bären sorgen für verstärkte Kursschwankungen, langfristig geht es nur seitwärts. "Es gibt einen Krieg zwischen denen, die glauben, dass das Kursniveau zu hoch ist, und denen, die sagen, dass der Wirtschaftsaufschwung dieses Niveau rechtfertigt", sagt Ackerman.
Alan Greenspan hat am Freitag mit seiner Rede in San Francisco die neue Melancholie noch verstärkt. Zwar fand der US-Notenbankchef auch Positives in seinen Daten: "Indikationen einer Stabilisierung tauchen in größerer Häufigkeit auf", sagte er im reinsten Greenspan-Sprech. Die Signale seien von "sehr negativ" auf "gemischt" umgesprungen. Doch zugleich warnte er vor "signifikanten" kurzfristigen Risiken. Dazu zählte er die Gewinnsituation und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen.
Diese Warnung wird sich in den Märkten widerspiegeln. "Greenspan setzt den Ton für diese Woche", sagt Ackerman. Auch die Ankündigung von neuen Entlassungen bei Ford wird noch nachwirken. "Massenentlassungen könnten die Stimmung der Verbraucher im ersten Quartal trüben", warnt David Wyss, Chef-Volkswirt der Rating-Agentur Standard and Poors. Es gibt also weiterhin genug "Downside risk", wie es im Jargon heißt.
Die Bullen und die Statistik
Die Bullen haben jedoch einen starken Verbündeten: die Statistik. Derzufolge kann es in diesem Jahr nur aufwärts gehen. Wieso? Weil alle drei großen Indizes, der Dow Jones, der S&P 500 und der Nasdaq-Composite, in den ersten fünf Handelstagen des Jahres gestiegen sind. In der Vergangenheit war das ein relativ verlässliches Zeichen für ein gutes Jahr, berichtet die "New York Times". Seit Gründung der Nasdaq 1972 zum Beispiel gab es 16 Jahre, in denen alle drei Indizes in den ersten fünf Tagen gestiegen sind. In zehn Fällen legten alle drei Indizes bis Jahresende zu, in weiteren vier Fällen mindestens einer. Das einzige Jahr, in dem die Regel nicht funktionierte, war 1973, das Jahr der Ölkrise.
Nun lässt sich einwenden, dass die Märkte meistens nach oben tendieren und dass der Indikator daher nicht besonders aussagekräftig ist. Der Einwand ist korrekt, doch es scheint trotzdem eine Verbindung zwischen dem Ergebnis in den ersten fünf Tagen und dem Gesamtjahr zu geben: Der Dow Jones zum Beispiel hat 44 der vergangenen 60 Jahre positiv abgeschlossen. Das ist eine 73-prozentige Wahrscheinlichkeit. In den Jahren, in denen er die ersten fünf Tage zugelegt hat, betrug die Wahrscheinlichkeit jedoch 82 Prozent. Das sind allerdings immer noch keine 100 Prozent, und die New Economy hat schon andere vermeintliche Regeln außer Kraft gesetzt.
Gruß
Happy End
spiegel.de