Hi Leute,
es ist mir ein Bedürfnis, auch meinen Senf zu "Biotech-Firmen" dazuzugeben (nach den ganzen Postings zu diesem Thema):
Das Problem, das ich bei den ganzen kleinen Firmen im Biotech-Sektor sehe ist, daß alle sich viele mit Versprechungen weit aus dem Fenster gelehnt haben:
1. Es wird nie (!) das Allheilmittel gegen Krebs geben und auch nie (!) das eine Medikament, das die Menschheit z.B. von der Geissel AIDS befreit. Das ist kein Pessimismus, sondern die Einsicht, die ich in vielen Jahren Arbeit in dieser Wissenschft gewonnen habe. Der menschliche Stoffwechsel ist zu kompliziert (insbesondere bei so komplexen Krankheitsbildern wie Krebs und AIDS), als daß sich Viren oder Onkogene so leicht mit einem Medikament überlisten ließen.
2. Ein nicht zu unterschätzendes Problem der Zukunft wird sein, dass die diagnostischen den therapeutischen Möglichkeiten weit vorauseilen werden, man wird Menschen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit prophezeien, dass sie an einer bestimmten Krankheit leiden werden, aber man kann ihnen nicht helfen.
3. Bei der bald abgeschlossenen Sequenzierung des menschlichen Genoms von "Entschlüsselung" zu sprechen ist Blödsinn: die Arbeit beginnt ab diesem Zeitpunkt erst! Auch bei den Erwartungen hieraus bin ich eher pessimistisch: man wird eine Menge neue Erkenntnisse über den menschlichen Stoffwechsel gewinnen (zweifelsohne!) aber daraus Strategien für neue Medikamente abzuleiten ist eine Syssiphus-Arbeit sondergleichen. Ich sehe das Humane Genomprojekt als ein weiteres Werkzeug neben (!) anderen, etablierten Methoden, neue Pharmawirkstoffe zu finden. Die Tendenz aktuell in der Industrie geht ja auch eigentlich wieder weg von der gezielten Suche nach z.B. maßgeschneiderten Inhibitoren für bestimmte Enzyme (bei der HIV1-Protease ist das ja immerhin gelungen). Man geht stattdessen wieder den guten alten Versuch-und-Irrtum Weg: Firmen testen einfach alle abertausend Substanzen (darunter viele Naturstoffe!), die sie in ihren Gefrierschränken haben, ob sie auf irgendeinen Enzymtest einen Effekt haben; falls ja, sucht man in diesem Umfeld weiter. Die Natur hatte eben ein paar 1000 Jährchen mehr Zeit, Wirkstoffe nach dem trial and error Prinzip zu optimieren.
4. Speziell zu der Firma Morphosys: flatus hat sich zu dem Thema IgM Antikörper schon eingehend geäußert. Natürlich können IgM Antikörper eine wirksame Waffe gegen Krankheiten sein. Aber wir haben damit ja nur eine Art Passivimpfung gegen die Infektion, die nur sehr kurze Zeit anhält. Also wird eine wirksame Therapie mit IgM vermutlich eine sehr teure Angelegenheit! Wer soll/kann das bezahlen? Vielleicht täusche ich mich in der Bewertung dieser Technologie, aber das Risiko halte ich trotzdem für enorm! Hat Morphosys noch mehr zu bieten?
5. Hiob hatte in seinem heutigen posting zum selben Thema recht: Mit Hoffnungen auf neuartige Medizin waren Menschen schon immer leicht zu locken: Wie oft wurde schon von "dem" Durchbruch in der Tumorbehandlung gesprochen??
In der Tat gibt es z.B. in der somatischen Gentherapie noch keinen einzigen Fall, wo diese Behandlungsmethode zum Erfolg geführt hätte! Man möchte es halt gerne glauben, Emotionen spielen eine Rolle.
Was kann man daraus lernen? Ich denke, das Risiko, auf eine kleine Biotech-Firma (die sich nur auf eine nur sehr vage Erfolgshoffnung stützt) zu setzen, ist noch höher als bei so mancher IT Firma! Dem möglichen Erfolg stehen viele Unwägbarkeiten gegenüber: Wirksamkeit im Menschen muss sich beweisen (nach vielleicht erfolgversprechenden Experimenten im Tiermodell), Nebenwirkungen können sich einstellen (s. Viagra-Pfizer) und schließlich muss die Firma die enormen Entwicklungskosten wieder hereinbekommen (eine mögliche Therapie muss auch finanzierbar sein!).
Um dennoch von diesem Wachstumsmarkt zu profitieren, verfolge ich folgende Strategie:
1. Risiko streuen, nicht alles auf eine Firma setzen: BB Biotech z.B. ist an vielen aussichtsreichen Firmen beteiligt, stürzt aber nicht ins Bodenlose, wenn ein Hoffnungsmedikament verpufft.
2. Eher in die Zulieferer investieren, die solche Forschung erst möglich machen: Cybio für Massenscreening im Micromaßstab, Qiagen mit DNA-Tools.
Ähnlich ist das ja auch im IT-Bereich: Wer Chancen wahrnehmen möchte, sich aber scheut, Aktien von hochdefizitären Unternehmen, die vielleicht im Jahr 2005 in die Gewinnzone kommen, zu kaufen, sollte auch hier in die Zulieferindustrie investieren: z.B. Cisco für die Netze, z.B. Jumptech/Kontron für embedded Computer, z.B. Fantastic für die Software zur Datenübertragung.
Mit dieser Strategie bin ich bisher gut gefahren!
Eure Meinungen zu diesem Thema würden mich sehr interessieren!
Grüße von dr. feinfinger
es ist mir ein Bedürfnis, auch meinen Senf zu "Biotech-Firmen" dazuzugeben (nach den ganzen Postings zu diesem Thema):
Das Problem, das ich bei den ganzen kleinen Firmen im Biotech-Sektor sehe ist, daß alle sich viele mit Versprechungen weit aus dem Fenster gelehnt haben:
1. Es wird nie (!) das Allheilmittel gegen Krebs geben und auch nie (!) das eine Medikament, das die Menschheit z.B. von der Geissel AIDS befreit. Das ist kein Pessimismus, sondern die Einsicht, die ich in vielen Jahren Arbeit in dieser Wissenschft gewonnen habe. Der menschliche Stoffwechsel ist zu kompliziert (insbesondere bei so komplexen Krankheitsbildern wie Krebs und AIDS), als daß sich Viren oder Onkogene so leicht mit einem Medikament überlisten ließen.
2. Ein nicht zu unterschätzendes Problem der Zukunft wird sein, dass die diagnostischen den therapeutischen Möglichkeiten weit vorauseilen werden, man wird Menschen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit prophezeien, dass sie an einer bestimmten Krankheit leiden werden, aber man kann ihnen nicht helfen.
3. Bei der bald abgeschlossenen Sequenzierung des menschlichen Genoms von "Entschlüsselung" zu sprechen ist Blödsinn: die Arbeit beginnt ab diesem Zeitpunkt erst! Auch bei den Erwartungen hieraus bin ich eher pessimistisch: man wird eine Menge neue Erkenntnisse über den menschlichen Stoffwechsel gewinnen (zweifelsohne!) aber daraus Strategien für neue Medikamente abzuleiten ist eine Syssiphus-Arbeit sondergleichen. Ich sehe das Humane Genomprojekt als ein weiteres Werkzeug neben (!) anderen, etablierten Methoden, neue Pharmawirkstoffe zu finden. Die Tendenz aktuell in der Industrie geht ja auch eigentlich wieder weg von der gezielten Suche nach z.B. maßgeschneiderten Inhibitoren für bestimmte Enzyme (bei der HIV1-Protease ist das ja immerhin gelungen). Man geht stattdessen wieder den guten alten Versuch-und-Irrtum Weg: Firmen testen einfach alle abertausend Substanzen (darunter viele Naturstoffe!), die sie in ihren Gefrierschränken haben, ob sie auf irgendeinen Enzymtest einen Effekt haben; falls ja, sucht man in diesem Umfeld weiter. Die Natur hatte eben ein paar 1000 Jährchen mehr Zeit, Wirkstoffe nach dem trial and error Prinzip zu optimieren.
4. Speziell zu der Firma Morphosys: flatus hat sich zu dem Thema IgM Antikörper schon eingehend geäußert. Natürlich können IgM Antikörper eine wirksame Waffe gegen Krankheiten sein. Aber wir haben damit ja nur eine Art Passivimpfung gegen die Infektion, die nur sehr kurze Zeit anhält. Also wird eine wirksame Therapie mit IgM vermutlich eine sehr teure Angelegenheit! Wer soll/kann das bezahlen? Vielleicht täusche ich mich in der Bewertung dieser Technologie, aber das Risiko halte ich trotzdem für enorm! Hat Morphosys noch mehr zu bieten?
5. Hiob hatte in seinem heutigen posting zum selben Thema recht: Mit Hoffnungen auf neuartige Medizin waren Menschen schon immer leicht zu locken: Wie oft wurde schon von "dem" Durchbruch in der Tumorbehandlung gesprochen??
In der Tat gibt es z.B. in der somatischen Gentherapie noch keinen einzigen Fall, wo diese Behandlungsmethode zum Erfolg geführt hätte! Man möchte es halt gerne glauben, Emotionen spielen eine Rolle.
Was kann man daraus lernen? Ich denke, das Risiko, auf eine kleine Biotech-Firma (die sich nur auf eine nur sehr vage Erfolgshoffnung stützt) zu setzen, ist noch höher als bei so mancher IT Firma! Dem möglichen Erfolg stehen viele Unwägbarkeiten gegenüber: Wirksamkeit im Menschen muss sich beweisen (nach vielleicht erfolgversprechenden Experimenten im Tiermodell), Nebenwirkungen können sich einstellen (s. Viagra-Pfizer) und schließlich muss die Firma die enormen Entwicklungskosten wieder hereinbekommen (eine mögliche Therapie muss auch finanzierbar sein!).
Um dennoch von diesem Wachstumsmarkt zu profitieren, verfolge ich folgende Strategie:
1. Risiko streuen, nicht alles auf eine Firma setzen: BB Biotech z.B. ist an vielen aussichtsreichen Firmen beteiligt, stürzt aber nicht ins Bodenlose, wenn ein Hoffnungsmedikament verpufft.
2. Eher in die Zulieferer investieren, die solche Forschung erst möglich machen: Cybio für Massenscreening im Micromaßstab, Qiagen mit DNA-Tools.
Ähnlich ist das ja auch im IT-Bereich: Wer Chancen wahrnehmen möchte, sich aber scheut, Aktien von hochdefizitären Unternehmen, die vielleicht im Jahr 2005 in die Gewinnzone kommen, zu kaufen, sollte auch hier in die Zulieferindustrie investieren: z.B. Cisco für die Netze, z.B. Jumptech/Kontron für embedded Computer, z.B. Fantastic für die Software zur Datenübertragung.
Mit dieser Strategie bin ich bisher gut gefahren!
Eure Meinungen zu diesem Thema würden mich sehr interessieren!
Grüße von dr. feinfinger