Brennstoffzelle:
Universal-Kraftwerk der Zukunft
Von Christian Herbst, Hamburg
Brennstoffzellen revolutionieren den Energiemix – wenn es die passende Wasserstoff-Infrastruktur gibt.
Sie sind echte Alleskönner: Brennstoffzellen liefern den Saft für Handys und Taschencomputer, versorgen Haushalte mit Wärme und Strom und lassen Autos fahren. Ihre Ökobilanz treibt Forschern und Umweltpolitikern den Glanz in die Augen, denn das einzige Abfallprodukt ist Wasser. Ein solches Null-Emissionskraftwerk funktioniert jedoch nur unter einer Bedingung: Wasserstoff, der Sprit der Brennstoffzelle, muss mit erneuerbaren Energien dem Stoff entrissen werden, der in schier unerschöpflichem Ausmaß vorhanden ist: Wasser.
Eine umweltfreundliche Infrastruktur zur Produktion von Wasserstoff ist derzeit jedoch nicht in Sicht. Dazu müsste es weltweit ausreichend Anlagen geben, die zum Beispiel Sonnen- und Windenergie in Strom umwandeln. Dieser würde dann mit Hilfe der so genannten Elektrolyse Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegen. Bis eine geeignete Wasserstoffwirtschaft in Gang kommt, rechnen Experten noch mit einigen Jahrzehnten. "Einen großflächigen Einsatz von Wasserstoff wird es erst nach dem Jahr 2040 geben", sagt Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie.
Aus der Raumfahrt sind Brennstoffzellen schon längst nicht mehr wegzudenken. Und auch auf der Erde könnten sie schon bald eine ordentliche Karriere hinlegen - selbst bevor eine umfassende Wasserstoffwirtschaft besteht. Denn für eine Markteinführung dieser Technologie könnte sich der Umweg über andere Energieträger wie Erdgas und Methanol lohnen. Besonders Erdgas könne helfen, Brennstoffzellen massenhaft einzuführen, ist Energieexperte Fischedick überzeugt.
Neuer Saft für Millionen Handys
Die größten Stückzahlen sind bei Minizellen für Handys und tragbare Computer zu erwarten. Der Bedarf ist riesig: Mehr als sechs Milliarden tragbare elektronische Geräte wird es Mitte dieses Jahrzehnts weltweit geben, schätzt die Fraunhofer-Gesellschaft. Bliebe es bei der Energieversorgung mit Batterien und Akkus, wäre mit einem weiteren Anstieg der Schadstoffbelastung zu rechnen. Brennstoffzellen weisen hier bessere Werte auf, und ihnen geht nicht so schnell die Puste aus wie herkömmlichen Batterien und Akkus. Schon heute sind Forschungszellen, wie sie zum Beispiel das Freiburger Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme fertigt, so kompakt wie moderne Akkus. "Das wird schon in den nächsten Jahren ein wichtiger Markt", schätzt Fischedick.
Gemessen am gesamten Energiebedarf werden diese Kleinst-Zellen allerdings nur einen geringen Beitrag zur künftigen Energieversorgung leisten. Eine sehr viel größere Rolle können Brennstoffzellen spielen, die für einzelne Gebäude Wärme und Strom liefern. "In fünf bis zehn Jahren haben wir auf diesem Gebiet eine zuverlässige Serienproduktion", sagt Rainer Sternkopf, Brennstoffzellen-Experte beim Umweltbundesamt (UBA). Anlagen, die in den Kellern von Ein- oder Mehrfamilienhäusern laufen, könnten miteinander vernetzt werden und auf diese Weise zu einem "virtuellen Kraftwerk" verschmelzen. "Eine geniale Idee", schwärmt Sternkopf.
Der Traum aller Klimapolitiker
Die große Chance der Brennstoffzelle ist, dass sie allein wegen ihres Funktionsprinzips Kraft (also Strom) mit Wärme koppelt - wie es sich die Klimapolitiker wünschen. Ohne jede Flamme, erhitzt sich das Innere der Zelle, während die Reaktion abläuft, die Strom erzeugt.
Mehrere Firmen entwickeln zurzeit Anlagen, die Wasserstoff aus Erdgas gewinnen. "Später sind auch andere Brennstoffe wie Klärgas und Methanol denkbar", sagt Rainer Sternkopf. Die Stromausbeute kann sich im Vergleich zu gängigen Blockheizkraftwerken sehen lassen: Sowohl moderne Gasturbinen als auch Brennstoffzellen können Wirkungsgrade von mehr als 50 Prozent erzielen. "Das Potenzial bei der Zelle ist aber längst noch nicht ausgereizt", glaubt Sternkopf.
Größtes Handicap für die Wasserstoff-Technologie sind derzeit noch die Investitionskosten. Bei einer Gasturbine fallen rund 1000 DM für eine installierte Leistung von einem Kilowatt an - damit lässt sich eine Herdplatte betreiben. Bei der Brennstoffzelle wird eine Leistung von einem Kilowatt nach Angaben von Sternkopf mindestens mit dem Fünffachen zu Buche schlagen.
Am meisten von sich reden macht die Brennstoffzelle als alternativer Antrieb für Autos. 60 Firmen arbeiten weltweit an Fahrzeugen, die an Bord mit einer Brennstoffzelle Strom erzeugen und deren Elektromotor damit angetrieben wird. DaimlerChrysler zum Beispiel will im nächsten Jahr die ersten Stadtbusse mit Brennstoffzellen ausliefern. 2004 soll die A-Klasse folgen.
Benzinmotore auf Jahrzehnte noch erste Wahl
Gleichzeitig sind Brennstoffzellen-Autos umstritten. Der technologische Vorsprung von Verbrennungsmotoren ist so groß, dass die Vorteile der Wasserstofftechnik über viele Jahre nicht zur Geltung kommen. Das Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags empfiehlt daher, Verbrennungsmotoren weiter zu optimieren. Auch die Energieexperten im Umweltbundesamt setzen auf Anstrengungen, den Benzinverbrauch weiter zu senken.
Ihre Vorzüge unbestritten ausspielen könnte die Brennstoffzelle auch im Auto ohnehin erst dann, wenn umweltfreundlich erzeugter Wasserstoff massenhaft zur Verfügung stünde. Für den Einsatz auf der Straße müssten gewaltige Kapazitäten geschaffen werden. Ob das gelingt, ist heute schwer abzusehen.
Die Bemühungen der Automobilhersteller könnten sich dennoch lohnen: Sie entwickeln eine Technologie zur Marktreife, die auf anderen Gebieten unverzichtbar wird. Das dient dem Image. Und kommt eines Tages tatsächlich die Wasserstoffwirtschaft, haben sich auch die Autokonzerne auf diesen Tag gut vorbereitet.