Siemens-Aktie legt nach dem Verkauf deutlich zu
München wird Handy-Zentrale von Benq
Siemens steigt aus dem defizitären Handy-Geschäft aus und nimmt für die Übertragung an den taiwanischen Hersteller Benq eine Ergebnisbelastung in Millionenhöhe in Kauf.
HB MÜNCHEN. Benq werde im Laufe des vierten Quartals des Geschäftsjahres 2004/05 (zum 30. September) die Siemens-Sparte übernehmen, teilte der Münchener Konzern am Dienstag mit. „Mit dieser Partnerschaft haben wir eine nachhaltige Perspektive für unser Mobiltelefongeschäft gefunden“, sagte Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Das taiwanische Unternehmen - eine Ausgliederung des Computerkonzerns Acer - übernimmt die weltweit mehr als 6000 Mitarbeiter der Sparte einschließlich des Werks in Kamp-Lintfort und kann die Marke Siemens für fünf Jahre nutzen. Insgesamt entstehe aus der Transaktion für Siemens eine Ergebnisbelastung von rund 350 Mill. Euro vor Steuern. An der Börse legte die Siemens-Aktie zu Handelsbeginn um knapp zwei Prozent auf 62,37 Euro zu und führte damit die Gewinnerliste an.
Kleinfeld sagte, Benq und Siemens ergänzten sich technologisch und geographisch hervorragend. Ein wichtiger Faktor für die Entscheidung sei die Weiterführung des Werkes in Kamp-Lintfort am Niederrhein gewesen, wo der Konzern erst im vergangenen Jahr den Mitarbeitern erhebliche Einsparungen abgerungen und im Gegenzug eine Bestandsgarantie für das Werk gegeben hatte. „Wir haben damit für unsere Mitarbeiter, wie im Ergänzungstarifvertrag zugesagt, eine gute Zukunftsperspektive geschaffen“, sagte Kleinfeld. In Kamp-Lintfort sind mehr als 4000 Menschen beschäftigt.
Benq ergänzte, durch die Übernahme komme das Unternehmen dem Ziel erheblich näher, zu den größten Anbietern im Markt aufzuschließen. „Die starke Siemens-Marke unterstützt diese Expansionsstrategie“, hieß es. Durch die Übernahme will Benq nun mit einem Absatz von mehr als 50 Millionen Handys zur Nummer vier der Branche werden, der Umsatz soll sich mit mehr als zehn Milliarden Dollar mehr als verdoppeln. Die Gewinnzone im Mobiltelefongeschäft soll 2006 Gewinnzone erreicht werden.
Bislang hatte sich das taiwanische Unternehmen, das zudem Geräte wie Flachbildschirme, Laptops oder CD-ROM-Laufwerke herstellt, den Absatz von zehn Millionen Mobiltelefonen vorgenommen. Rund ein Drittel seiner Fertigung vertreibt BenQ bisher unter eigenem Namen, der Rest sind Telefone für andere Hersteller wie Branchenführer Nokia. Im Rahmen der Vereinbarung beteiligt sich Siemens an Benq für etwa 50 Millionen Euro mit einem Anteil von etwa 2,5 Prozent.
Hauptsitz des Mobiltelefongeschäfts wird nach den Angaben München sein. Die Hauptversammlung von Benq und die Kartellbehörden müssten dem Vorhaben noch zustimmen. Ein Siemens-Sprecher ergänzte, die Mitarbeiter der Sparte würden von Benq zu jetzigen Konditionen übernommen. Der Bereich für Schnurlostelefone für das Festnetz sei von der jetzigen Vereinbarung nicht betroffen.
Mit der Trennung vom Handy-Geschäft kommt der seit Anfang des Jahres amtierende Siemens-Chef Kleinfeld bei dem Ziel, alle renditeschwachen Bereiche des Konzerns binnen zwei Jahren auf Kurs zu bringen, einen wesentlichen Schritt weiter. Siemens suchte monatelang nach einem Partner für den Handy-Bereich, der dem Konzern allein im abgelaufenen Quartal einen Verlust von 138 Millionen Euro eingebracht hatte. Durch den Preiskampf am Markt und interne Probleme wie etwa einer schweren Softwarepanne bei neuen Modellen im vergangenen Jahr hatte Siemens im Handy-Markt zuletzt deutlich an Boden verloren und lag im ersten Quartal auf Rang fünf der weltgrößten Handy-Hersteller nur noch marginal vor Konkurrent Sony Ericsson.
Analysten begrüßten den Schritt des Münchener Konzerns. „Grundsätzlich ist das positiv zu bewerten“, sagte Thomas Hofmann von der Landesbank Rheinland-Pfalz. Die rein finanziellen Konditionen seien nicht optimal. Aber dadurch, dass der Hauptsitz des Geschäfts in München bleibe, habe Siemens Ärger mit Gewerkschaften und der Politik vermieden. Merck-Finck-Analyst Theo Kitz erklärte, auch wenn die Vereinbarung auf kurze Sicht finanzielle Lasten bedeute, gehe er auf längere Sicht von einem positiven Effekt bei den Ergebnissen von Siemens aus.
Die Arbeitnehmervertreter im Siemens-Aufsichtsrat beobachten den Verkauf der Handysparte an den taiwanesischen Benq- Konzern mit Sorge. „Ich sehe das sehr kritisch“, sagte Huber am Dienstag. „Siemens katapultiert sich aus dem Handymarkt heraus.“ Noch im vergangenen Jahr habe der Konzern betont, wie wichtig es sei, in dem Wachstumsmarkt als Komplettanbieter vertreten zu sein. Nun gebe es einen radikalen Wechsel in der Geschäftspolitik. Die Arbeitnehmer stünden vor einer ungewissen Zukunft. Die Siemens- Handysparte beschäftigt gut 6000 Mitarbeiter, mehr als die Hälfte davon in Deutschland.
Zwar steige BenQ als Übernehmer in alle vertraglichen Pflichten ein, sagte Huber. Der Fortbestand des Werks in Kamp-Lintfort sei damit vorerst gesichert. Wie es danach weiter gehe, müsse aber abgewartet werden. „Ich hätte es lieber gesehen, wenn die Handysparte bei Siemens geblieben wäre.“ Die IG Metall wolle versuchen, in den Detailverhandlungen weitere Garantien für die Arbeitnehmer durchzusetzen. „Es ist ja noch etwas Zeit.“
Huber sieht aber in dem Geschäft auch Chancen. BenQ sei ein aufstrebender Anbieter, der Bedarf an Produktionskapazitäten habe. „Das spricht für die Standorte in Europa.“ Zudem sei zu hoffen, dass BenQ mit dem Endkonsumentengeschäft besser zurecht komme als Siemens.
HANDELSBLATT, Dienstag, 07. Juni 2005, 09:43 Uhr