Staatsanleihen locken mit Rekord-Renditen
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Von Daniel Eckert und Holger Zschäpitz 5. November 2008, 08:33 Uhr
Viele Staaten wie Ungarn stehen mit dem Rücken zur Wand: Sie benötigen dringend Geld – und setzen auf Anleihen. Anleger können sich dabei über gewaltige Renditeaufschläge freuen, müssen aber auch ein gewisses Risiko eingehen. Analysten errechnen regelmäßig, wie hoch dieses ist.
Nicht nur im Kino sorgt Bond aktuell für Spannung, sondern auch an den Märkten. Hier ist nicht der Doppelnull-Agent im Dienste Ihrer Majestät unterwegs. Vielmehr ziehen Anleihen das Interesse vieler Investoren auf sich, und diese werden im Börsenjargon Bonds genannt. Eine Gemeinsamkeit haben beide Bonds indes: Hier wie dort steht das Schicksal der Welt, wie wir sie kennen, auf dem Spiel.
So wetten Investoren an den Anleihemärkten derzeit auf den Ruin ganzer Staaten. Selbst innerhalb der Länder der Euro-Zone geht es knallhart zur Sache.
Jüngst gab es ein Blutbad bei den Obligationen Italiens und Griechenlands. Die Risikoaufschläge gegenüber den als sicher eingestuften Standardanleihen explodieren. Im Fall von Italien schossen die Renditeaufschläge gegenüber Bundesanleihen in den vergangenen Tagen auf über 100 Basispunkte in die Höhe. Während hiesige Staatstitel mit zehnjähriger Laufzeit gestern bei 3,80 Prozent notierten, warfen italienische Papiere 4,85 Prozent ab. Noch gravierender stellt sich die Situation für Griechenland dar. Diese rentierten mit 5,32 Prozent ganze 152 Basispunkte höher als Bundesanleihen. Das waren die höchsten Aufschläge seit Einführung des Euro im Jahr 1999 beziehungsweise seit dem Beitritt Griechenlands zur Währungsunion im Jahr 2002.
"Wenn es den Euro nicht gäbe, wären einige Länder der EU in der jetzigen Situation in ernste Schwierigkeiten geraten", erklärt Matthieu Louanges von Pimco Europe den Ernst der Lage. "Die höchste Liquidität und Sicherheit gibt es in Europa bei deutschen Staatsanleihen. Deshalb sind die Kurse bei diesen Bonds in der Krise besonders angezogen und die Renditen entsprechend stark gesunken. Andere Länderanleihen litten hingegen unter der allgemeinen Flucht aus dem Risiko."
Ablesen lässt sich die Risikoselektion auch an den Prämien für Kreditausfallversicherungen, mit denen sich Investoren gegen einen Bankrott schützen können. Diese haben sich seit Ende September für die beiden Mittelmeerländer nahezu verdreifacht. Die Versicherung für 100 Euro Staatsschulden Griechenlands kosten derzeit 1,30 Euro, etwas weniger, nämlich 1,10 Euro, werden für Italien fällig. Damit preist der Markt einen Zahlungsausfall von rund acht Prozent ein.
Zwei Faktoren sind für die Risikoselektion verantwortlich. Zum einen hat die staatliche Ausgabenbereitschaft eine historische Dimension erreicht. Noch nie zuvor in Friedenszeiten sind Regierungen wegen der Kreditkrise derartige finanzielle Verpflichtungen eingegangen. Zum andern sind die Staaten unterschiedlich anfällig für die Turbulenzen.
"Staatsverschuldung wird wieder zum Thema", sagt Alex Patelis von Merrill Lynch. "Die Risiken verlagern sich von der Privatwirtschaft auf die öffentliche Hand." Manche beschwören bereits die Gefahr einer Staatsbubble herauf. Aufgeblähte öffentliche Haushalte können auf längere Sicht ebenso zum Risiko werden wie andere Spekulationsblasen.
Für Investoren bietet die aktuelle Situation Chancen. Denn die Märkte reagieren nie rational. Oft sind die Risikoaufschläge übertrieben hoch. Sprich: Sie spiegeln nicht die wahren Gefahren. Viele Experten sehen ein neues Zeitalter heraufziehen. Ähnlich wie in den Siebzigerjahren könnten Investoren mit Anleihen nun sehr viel Geld machen. Vor 40 Jahren verdienten sich viele Wagemutige mit Bonds eine goldene Nase.
Allerdings kommt es nicht nur auf das richtige Timing, sondern auch die richtige Auswahl an. Dies gilt auch für Staatsanleihen. Hier müssen sich Anleger die Finanzen jedes einzelnen Landes anschauen. Als Kennziffern nennen Experten die Schuldenquote gemessen an der Wirtschaftsleistung. Dabei ist nicht nur ein Blick auf die Staatsschulden, sondern auch auf die der privaten Haushalte aufschlussreich, bestimmen diese doch den zukünftigen Spielraum für Konsum. Gesamtwirtschaftlich zählt die Leistungsbilanz. Importiert ein Land mehr, als es ausführt, muss dafür ausländisches Kapital angelockt werden. Auch die Höhe der Währungsreserven spielt eine Rolle, bilden diese doch einen Puffer.
Gemessen an diesen Kriterien haben die Analysten von Merrill Lynch eine Risikoliste der Staaten veröffentlicht. Ganz oben finden sich hierauf Australien, die Schweiz, Korea, Rumänien, Ungarn, Schweden, Bulgarien, Irland, die Niederlande, Portugal und Griechenland wieder. Das geringste Risiko sehen die Experten bei Nigeria, Mexiko, den Philippinen, Kolumbien, Ägypten, Peru und China.