Auszeit für immer

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vega2000:

Auszeit für immer

 
09.01.02 18:12

Ocean’s Eleven“
Steven Soderberghs Film „Ocean’s Eleven“ und der Traum von der vollkommenen Coolness


Auszeit für immer 533371

Der einzige Spaß in der Stadt: Danny Ocean dreht in Las Vegas, das so stilvoll wohl nicht mal existiert hat, als es noch nicht die Schmuddelversion von Disneyworld war, ein Riesending.
 
Nirgendwo hört man jetzt mehr „Walking in a Winter Wonderland“, die Saison dafür ist schon wieder vorbei. Nur im Hinterkopf säuselt einem Dean Martin manchmal noch herum, bis eine diffuse Sehnsucht sich einstellt und es sich anfühlt, als sei einem gerade wirklich ein märchenhaftes Wunderland abhanden gekommen und nicht nur die Lämpchendekoration auf Straßen voller Schneematsch. Das ist Heimweh nach einem Ort, an dem man nie gewesen ist. Und ganz genau so fühlt sich Steven Soderberghs neuer Film „Ocean’s Eleven“ an.
     
» Are you in or are you out? «
       
 
Soderbergh hat sich Lewis Milestones Rat-Pack-Gangsterfilm – deutsch: „Frankie und seine Spießgesellen“ – von 1960 vorgenommen. Es geht nach Las Vegas, das so stilvoll wohl nicht mal existiert hat, als es noch nicht die Schmuddelversion von Disneyworld war. Es geht um ein Riesending, drei Casinos will Danny Ocean auf einmal ausräumen – with a little help from his friends. Ocean (George Clooney) ist so ein Typ, der im Smoking aus dem Knast torkelt, als sei er dort nur zu Gast gewesen und brächte nichts mit außer einem Kater. Sein liebster Saufkumpan ist Rusty (Brad Pitt), der eindeutig immer die coolsten Outfits trägt und meistens gerade etwas isst, eine durch und durch sinnliche Figur.

Also trommeln die beiden einen Trupp von Gangstern zusammen, bis sie „Ocean’s Eleven“ beisammen haben, und dieses Anheuern ist eine Sequenz in wunderbarer Gangsterfilm-Manier – statt des Nasenstübers im „Clou“ fragt Clooney: Are you in or are you out? Natürlich sind alle drin, Elliott Gould als großartige Persiflage eines 70er-Jahre-Gangsters inklusive Brusthaar, Goldschmuck und seidenem Morgenrock, Matt Damon als Nachwuchs-Taschendieb, Don Cheadle als genialer Techniker. Es formiert sich der bestgekleidete Kindergarten der Welt: Die Elf, sie sind eine Meute von Jungs, die zum Spielen eigentlich zu groß sind, bis auf Carl Reiner vielleicht, der mit fast achtzig schon wieder alt genug ist, um verspielt zu sein. Und dann gibt es da noch die Frau, um die es eigentlich geht, Dannys Ex-Gattin Tess (Julia Roberts) – und die ist leider schon erwachsen: Sie hat ihn verlassen, weil ihr das Rat-Pack- Leben auf die Nerven ging.

„Als wir anfingen, wollten wir das Spiel spielen, als gäbe es nichts zu verlieren“, sagt Danny, „aber ich habe etwas verloren.“ Es geht also nicht um die Beute aus dem Tresorraum, sondern um Benedict (Andy Garcia), weil dem schleimigen Obergangster nicht nur alle drei Casinos gehören, sondern vor allem, vorübergehend, die Liebe von Tess. Ocean und die anderen müssen also nicht nur herausfinden, wie man trotz Kameraüberwachung mit 150 geklauten Millionen Dollar unbehelligt aus einem Casino hinausläuft; sie wollen auch noch die Frau des Besitzers mitnehmen. Roberts und Clooney als Paar, das ist der einzige Sprung in dieser schönen Oberfläche, weil sie zusammen immer ein bisschen mehr nach gemeinsamem Fernsehabend aussehen als nach einer heißen Liebesnacht. Aber es geht ja auch viel eher um das Spiel, mit dem die Jungs ihrem Anführer Danny helfen, sie zurückzubekommen als um das Ergebnis: Wie Jungs eben so sind.      
 
» „Ocean’s Eleven“ ist nur bedingt ein Remake des Films mit Frank Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis jr., Peter Lawford und Angie Dickinson. ««
                 
 
Steven Soderberghs ganze Kunstfertigkeit ist in diesem Film zu sehen, die Fähigkeit, Gefühle in Bilder zu fassen, jede Kleinigkeit in ein großes, bewegtes Gemälde einzufügen – er stellt sie hier nur in den Dienst einer anderen Sache. In „Out of Sight“ erzählen auch der Schnitt und die Chronologie immer von der Suche nach der davongelaufenen Zeit; „The Limey“ setzt sich zusammen aus den Bildern schmerzlicher Erinnerungen, die an einem Mann im Flugzeug vorüberziehen – und alles läuft immer auf einen Augenblick von unendlicher Traurigkeit zu. Wenn in „Out of Sight“ George Clooney Jennifer Lopez bittet, ihn zu erschießen, weil es für ein neues Leben zu spät ist; wenn Terence Stamp in „The Limey“ die Hände von Peter Fondas Hals nimmt, weil er begreift, dass er sich am Tod seiner Tochter ein Leben lang schuldig fühlen wird – da ist immer diese große Trostlosigkeit, dieses Erkennen, dass jede Wendung des Schicksals unumkehrbar ist.

In „Ocean’s Eleven“ ist der große Plan, die Idee, um die sich alles dreht, das Spiel – und zum Wesen des Spiels gehört, dass es keine Folgen hat, die das Restleben verändern; sonst wär’s ja bitterer Ernst. Das ist es, was an „Ocean’s Eleven“ so anders ist, und auf wundersame Weise ist Soderbergh dabei mehr er selbst, als er es bei den Filmen gewesen ist, die ihn in den letzten zwei Jahren zu einem Regie-Star gemacht haben, „Erin Brockovich“ und „Traffic“. Soderbergh hat sich eine Leichtigkeit erlaubt, keine völlige Unbeschwertheit, sondern den Traum davon, man könne dem Schicksal eins auswischen, einen Verlust wieder rückgängig machen.

In „Out of Sight“ ist die Auszeit, um die Clooney bittet, um eine Nacht mit Jennifer Lopez zu verbringen, im Morgengrauen vorüber – in „Ocean’s Eleven“ hört sie nicht mehr auf. Danny Ocean will ein Kind bleiben dürfen und dafür geliebt werden, weil er beweisen kann, dass nüchterne Erwachsene nicht liebenswerter sind. Und auch das gehört vielleicht zu Soderberghs warmem Blick auf seine Figuren und die Menschen an sich.

„Ocean’s Eleven“ ist nur bedingt ein Remake des Films mit Frank Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis jr., Peter Lawford und Angie Dickinson. Es geht bei Soderbergh schon irgendwie ums Rat Pack, oder eher: um die Vorstellung davon, um die Legenden von Coolness und Sorglosigkeit, eine Weltanschauung, in der sich das Leben um einen guten Drink dreht und die perfekte Art, ein Whiskyglas in der Hand zu halten. Sinatra, Martin – im Grunde bleiben sie emotionale schwarze Löcher; nicht mal sie selbst können das Leben so gelassen als einen Ablauf von Rausch und Katerstimmung genommen haben, wie sie es uns gerne vorgemacht haben. Das Rat Pack ist eine wundervolle Projektion, und so ist auch Soderberghs „Ocean’s Eleven“: Stell dir vor, wie es wäre, wenn man alles abschütteln könnte, einfach nur Spaß haben in einem Wunderland, wo die Liebe ein Spiel ist, in dem man Revanche verlangen kann.

OCEAN’S ELEVEN, USA 2001 – Regie und Kamera: Steven Soderbergh. Drehbuch: Ted Griffin. Schnitt: Stephen Mirrione. Musik: David Holmes. Mit: George Clooney, Brad Pitt, Julia Roberts, Matt Damon, Andy Garcia, Elliott Gould, Carl Reiner. Warner, 116 Min.
       

Quelle: Süddeutsche Zeitung
der boardaufp.:

Tolle Übersetzung! :-) o.T.

 
09.01.02 18:16
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