Alles Lüge

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vega2000:

Alles Lüge

 
16.08.02 18:38
Wenn wir die Amerikaner lieben, dann nicht zuletzt um der Naivität willen, die sie gelegentlich an den Tag legen. Eben jetzt haben sie knapp tausend Top-Manager schwören lassen, dass es mit deren Firmenbilanzen seine Richtigkeit hat, was sich angesichts der vorausgegangenen Bilanzfälschungen zumindest komisch ausnimmt. Geradeso gut hätte man die Herrschaften nach Rom ausfliegen und zur Kirche Santa Maria in Cosmedin führen können. Dort lauert links in der Vorhalle eine Steinmaske mit offenem Mund, die Bocca della verità, von der die Sage geht, dass sie jedem, der lügend in sie hineinfasst, die Hand abbeißt. Für die Herren von Enron, Tyco, Worldcom oder Qwest wäre es sicher ein Hauptspaß gewesen, dem Schicksal derart pittoresk in den Rachen zu greifen und hernach auf eine Pizza bancarotta zu gehen.

Bei dem Tempo, mit dem wir amerikanische Sitten übernehmen, ist mit der baldigen Einführung des bundesdeutschen Bilanz-Eides zu rechnen, der später dahingehend erweitert wird, dass jeder von uns auf seiner Steuererklärung ein Kästchen „So wahr mir Gott helfe!“ ankreuzen muss. Ob der Eid dadurch zu neuen Ehren kommt oder verludert, wird sich zeigen. An Gewicht hat er ohnedies verloren im Lauf der Jahrtausende. Denken wir nur an den biblischen Jephte, der im Krieg gegen die Ammoniter schwor, er würde im Fall eines Sieges das erste Wesen opfern, das ihm aus der Tür seines Hauses entgegenkäme. Jephte schlug die Ammoniter aufs Haupt, doch daheim lief ihm leider seine einzige Tochter entgegen. Das heißt, „leider“ ist vielleicht der falsche Ausdruck, denn Vater und Kind waren sich einig in der Ansicht, dass so ein Eid jedenfalls zu halten sei. Man hat beinahe Hemmungen, in diesem doch sehr wuchtigen Kontext an den Brauch des Schwur-Ableitens zu erinnern: Man schwört mit erhobener rechter Hand, reckt aber gleichzeitig die drei Schwurfinger der Linken möglichst unbemerkt nach unten. Das ist weniger anrüchig, als man meinen könnte, weil der so Handelnde seinen Körper als Medium sieht, das die Kräfte des Himmels in die ja ebenfalls heilige Erde überleitet. Jephte hätte das ruhig machen können.

Was, wenn Amerikas Manager falsch geschworen haben sollten? In alten Zeiten hat sich bei Meineid nicht selten der Teufel persönlich eingemischt, wahrscheinlich mit Lizenz von oben. So etwa ist aus Siebenbürgen überliefert, dass einer seinen Nachbarn durch Falscheid um eine Ackerfurche betrog. Nachts darauf erhob sich ein Brausen, und man sah, wie Satan den Betrüger vor den Pflug spannte und mit ihm besagte Furche umpflügte. George W. Bush wird an solche Storys möglicherweise nicht glauben. Insofern wäre es besser, wenn er bei weiteren Bilanzfälschungen das Gottesurteil einführte und die Manager künftig über glühende Pflugscharen laufen ließe.

SZ

Alles Lüge 753350
DeathBull:

Nadelpuppen für Aktionäre müssen her

 
16.08.02 18:42
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