Wirtschaft liegt nach Erdbeben am Boden Japan vor Staatsbankrott:
Droht eine neue Weltwirtschaftskrise?
Toyota, Nissan, Honda und Sony stellen Produktion ein
Staatsschulden bei 200 Prozent
Kurssturz an der Börse von Tokio. Produktionsstopp bei Auto-Giganten wie Toyota, Nissan, Suzuki und Honda. Auch bei Sony stehen die Bänder still.
Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt liegt am Boden. Das verheerende Erdbeben nimmt Japan die letzte Hoffnung auf einen Weg aus der Krise. Eine neue Rezession ist kaum mehr abzuwenden. Nun droht sogar der Staatsbankrott.
Kommt es zu einer neuen Weltwirtschaftskrise?
BILD.de erklärt: So heftig trifft das Beben die einst stolze Industrienation – und die Welt.
„Es handelt sich um den schwersten Schlag, den es in Japan geben kann – und er kommt zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt“, fasst der renommierte US-Ökonom Nouriel Roubini die Lage zusammen.
Schon im letzten Quartal des vergangenen Jahres kündigte sich an: Japan rutscht wieder in die Rezession.
Das Land ächzt unter einer immensen Last. Schon jetzt ist der Schuldenberg doppelt so hoch wie die Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres. Das Defizit liegt bei 7,7 Prozent. Zum Vergleich: In der EU liegt die Defizit-Grenze bei drei Prozent.
Die Gläubiger bangen: Wird Japan in der Lage sein, seine Schulden überhaupt noch zu bezahlen?
Schuldenabbau dürfte derzeit in Tokio kaum auf der Agenda stehen.
Koetsu Aizawa, Wirtschaftsprofessor an der Universität Saitama, rechnet damit, dass Dutzende Milliarden Euro für den Wiederaufbau gebraucht werden. Das dürfte die Verschuldung noch weiter in die Höhe treiben.
JAPAN KLAMMERT SICH AN EINEN STROHHALM
Um den Staatsbankrott abzuwenden, hat die japanische Zentralbank heute 157 Milliarden Euro in den Markt gepumpt. Man muss die Wirtschaft am Laufen halten – und der Preis dafür ist hoch.
Die japanische Wirtschaft verlor im vergangenen Jahr den Status als zweitgrößte Wirtschaftsmacht an China. Seit 20 Jahren macht das schwache Wachstum dem Land zu schaffen.
Es könne der Eindruck entstehen, dass das angeschlagene Japan von dem Beben den entscheidenden Schlag versetzt bekomme – den „Todesstoß“, sagt Aizawa.
INFRASTRUKTUR IST ZERSTÖRT
Die Industrie im Norden des Landes, wo vor allem die Autobranche stark ist, steht bis auf Weiteres still. Ein dichtes Netz aus Straßen und Häfen sorgte für eine effiziente Lieferkette. All das liegt jetzt in Trümmern. Die Stromversorgung ist teilweise zusammengebrochen.
„Selbst wenn wir etwas produzieren könnten, würden wir unsere Produkte nicht von hier fort bekommen“, sagt eine Sprecherin des Autobauers Honda. Auch die anderen großen Hersteller wie Toyota (zwölf Werke), Nissan (vier Werke) und Suzuki setzten ihre Produktion aus. Wann sie wieder anlaufen soll, ist unklar.
Allein Honda muss deshalb pro Tag auf die Herstellung von etwa 4000 Autos verzichten.
TOKIO ZITTERT
Besonders gefährlich wird es für die japanische Wirtschaft, wenn die radioaktive Wolke aus dem Atomkraftwerk Fukushima Tokio erreicht. Rund um die Hauptstadt schlägt das industrielle Herz des Landes.
Auch die labile Stromversorgung gibt Grund zu großer Sorge.
Die Atomstromproduktion in Japan wurde durch das Beben und den Tsunami in etwa halbiert.
Tokyo Electric Power Co (Tepco) rechnete mit Engpässen bei der Stromversorgung und wollte die Menschen auf Stromausfälle vorbereiten. Die japanische Regierung kündigte an, immer wieder stundenweise den Strom abzustellen. Für die noch intakte Industrie ein Desaster.
MÄRKTE BEBEN
Die europäischen Aktienmärkte sind – ebenso wie die Börse in Tokio –am ersten kompletten Handelstag nach dem verheerenden Erdbeben mit Verlusten gestartet.
Der EuroStoxx 50 verlor am Montag 0,78 Prozent auf 2861,30 Punkte. Für den Leitindex FTSE 100 in London ging es um 0,37 Prozent auf 5807,38 Punkte nach unten, der Cac 40 in Paris büßte 0,47 Prozent auf 3910,02 Punkte ein. Auch der Dax rutschte deutlich ins Minus. Große Verlierer: Energieversorger wie RWE und die Versicherer.
Dennoch gibt es Entwarnung für die globale Wirtschaft!
„Eine erneute globale Rezession befürchte ich nicht, auch nicht eine hiesige deutliche Konjunkturabschwächung“, sagte der Chef des Sachverständigenrats deutsche Wirtschaftsweise, Wolfgang Franz, dem „Handelsblatt“. Allerdings könne die Katastrophe einige deutsche Unternehmen temporär hart treffen, wenn sie stark in Japan engagiert seien.
Die Euro-Finanzminister sind heute in Brüssel zusammengekommen, um über die Konsequenzen der Katastrophe in Japan zu beraten, wie Teilnehmer berichteten. Auf der offiziellen Tagesordnung des regulären März-Treffens steht das Thema nicht.
„Wir beschäftigen uns mit den Fragen, wie das Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte haben wird“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). „Keiner weiß es im Augenblick.“
In zwei Wochen solle bei einem schon länger geplanten Treffen der Finanzminister der G20-Gruppe über Reaktionen gesprochen werden.
