18. Februar 2003 Die Deutsche Börse hat das Jahr 2002 nach ihren vorläufigen Zahlen wieder einmal mit einem Rekordergebnis abgeschlossen und dabei auch die eigenen Wachstumsziele übertroffen - man ist es mittlerweile beinahe schon gewohnt. So stieg der Umsatz - allerdings teilweise übernahmebedingt - um 54 Prozent auf 1,17 Milliarden Euro, beim Ebit legte das Unternehmen um 26 Prozent zu auf 351,2 Millionen Euro und beim Gewinn je Aktie um knappe sieben Prozent auf 2,18 Euro.
Finanzvorstand Mathias Hlubek kommentierte die Zahlen wie folgt: "Das Jahr 2002 war für die Deutsche Börse sehr erfolgreich. Wir profitieren von unserem diversifizierten Geschäftsmodell, das durch die erfolgreiche Akquisition von Clearstream im Bereich der Wertpapierabwickung komplettiert wurde." Laut Hlubek will der Vorstand der Deutschen Börse vorschlagen, die Dividende pro Aktie um 22 Prozent auf 0,44 Euro zu erhöhen.
Die Aktie ist solide, aber kein Schnäppchen
Das sind Zahlen, wie man sie in einem konjunkturell sonst so trüben Umfeld eher suchen muss. Allerdings werden sie an der Börse nicht entsprechend honoriert. Dort lag der Kurs mit am Dienstag auf Schlusskursbasis mit 34,95 Euro satte 32 Prozent unter dem Hoch des vergangenen Jahres, legte allerdings nachbörslich um etwa drei Prozent zu. Die Kursverluste der vergangenen Wochen dürften einerseits mit den hohen Erwartungen des Marktes zusammenhängen und andererseits mit der Bewertung. Denn mit einem Gewinn von 2,18 Euro ergibt sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16,5. Das ist nicht übertrieben teuer, allerdings auch nicht sonderlich preiswert.
Dazu kommt das Umfeld, in dem das Unternehmen operiert. Einerseits ist es auf Grund der anhaltenden Volatilität der Finanzmärkte attraktiv, da das vor allem die Umsätze mit derivativen Produkten aufblühen lässt. Allerdings wäre sicherlich ein richtiger „Bullenmarkt“ wie in den 90er-Jahren noch lukrativer. Auf der anderen Seite wird das Geschäft mit Börsengeschäften immer härter.
Harte Konkurrenz ist absehbar
So stehen sich in Europa mit der Deutschen Börse und Euronext zwei große, innovative Börsenoperatoren gegenüber und machen sich bei ähnlicher strategischer Aufstellung immer mehr Konkurrenz. Einerseits in den Stammmärkten selbst, wo die Deutsche Börse beispielsweise bei Optionskontrakten auf niederländische Aktien hart um Marktanteile kämpft. Am Dienstag kündigte sie ein ähnlich aggressives Auftreten auch bei Kontrakten auf französische Werte an. Ab dem zehnten März sollen weitere 27 neue Optionen auf französische Aktien eingeführt und damit nahezu alle Aktien aus dem französischen Benchmark-Index CAC 40 abgedeckt werden. Auf Eurex entfiel bereits bis zu 50 Prozent des Handels mit AXA-Aktienoptionen und bis zu 45 Prozent auf L' Oreal-Optionen; Carrefour und Total Fina lagen zwischen 20 und 25 Prozent.
Gleichzeitig findet der Konkurrenzkampf aber auch bei der technischen Erschließung weiterer Börsenplätze seine Fortsetzung. Während die Deutsche Börse in Ungarn zum Zuge zu kommen scheint, wird es in Warschau einen Wettbewerb um das bessere Angebot geben. In den USA hat Euronext Liffe die Deutsche Börse als Systemanbieter beim CBoT verdrängt. Die reagierte mit der Ankündigung, eine eigene Börse zu gründen oder eine andere zu übernehmen.
Ertragsperspektive ist noch nicht ganz geklärt
Das bedeutet in jedem Fall weitere Investitionen und damit verbundene Ausgaben. Und das ist das, was auch den Aktienkurs der Deutschen Börse nicht abheben lassen dürfte. Erstens muss das Wachstum finanziert werden. Zweitens ist die längerfristige Gewinnentwicklung auf Grund der zunehmenden Wettbewerbsintensität etwas ungewiss.
Charttechnisch bewegt sich die Aktie mit Preisen um 34 Euro nahe an den Tiefkursen vom September des vergangenen Jahres. Hier besteht die Chance auf eine Bodenbildung. Der langfristige Abwärtstrend befindet sich etwa bei 36,50 Euro. Erst wenn er gebrochen werden sollte, dürften weitere Kursgewinne denkbar sein.