3 Jahre Baisse; "Vertrauen verbrannt"

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3 Jahre Baisse; "Vertrauen verbrannt"

 
02.03.03 14:31
Vertrauen verbrannt
Freitag jährt sich der Beginn der längsten Baisse aller Zeiten zum dritten Mal. Zwölf Billionen Dollar wurden vernichtet - und Besserung ist nicht in Sicht
von Frank Stocker
 
Wenige deutsche Wörter haben Eingang in die englische Sprache gefunden. Angst ist eines. Und Angst ist derzeit das neue Lieblingswort der Finanzgemeinde dies- und jenseits des Atlantiks. Von der „angst of a world on the brink", der Angst vor einer Welt am Rande des Abgrunds, spricht gar Stephen Roach, Chefökonom bei der amerikanischen Investmentbank Morgan Stanley.
Ein drohender Krieg, steigende Ölpreise und dann auch noch ein neuer Bilanzskandal bei Ahold treiben die Aktienindices immer weiter in die Tiefe. Der Dax ist in der vergangenen Woche zwischenzeitlich auf das Niveau von Mitte der neunziger Jahre abgestürzt - der versöhnliche Wochenabschluss war da nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Seit dem Höchststand bei 8136 Punkten, der sich am kommenden Freitag zum dritten Mal jährt, hat das deutsche Aktienbarometer damit 70 Prozent seines damaligen Wertes verloren. Weltweit haben sich seither über zwölf Billionen Dollar an Vermögen in Luft aufgelöst. Schlimmster Kapitalvernichter im Dax seit damals war die Deutsche Telekom. Ein Minus von rund 90 Prozent müssen die Aktionäre seit dem historischen Höchststand bei 103,56 Euro verbuchen. Die Commerzbank bringt ein Minus von 85 Prozent auf die Waage. MLP, erst seit Juni 2001 unter den Top 30 der deutschen Aktien, schaffte sogar 96 Prozent.

Begleitet wurde der unendliche Kurssturz von den immer gleichen Floskeln der Analysten. Bei einem Dax-Stand von 6000 Punkten sahen sie den Boden erreicht, bei 5000 Zählern stellten sie eine massive Unterbewertung fest, 4000 sollte Ausgangspunkt für eine baldige Wende sein und bei 3000 Punkten waren Aktien mal wieder günstig. Inzwischen rauscht der Index 2000 Punkten entgegen. Die Stimmung ist so schlecht, dass Börsenpsychologe Joachim Goldberg auch jetzt noch keine Trendwende erkennen kann.
Die Angst vor dem Irak-Krieg ist dabei nur die Oberfläche. Die Ursache der Börsenkrise ist tief greifender und wird auch nach einem möglichen schnellen Ende des Konflikts nicht verschwinden.
Aktien sind nach wie vor nicht billig. „Wir stellen derzeit zwar eine Unterbewertung fest", sagt Achim Stranz, Chief Investment Officer bei Axa Investment Managers. Allerdings mache sie nur rund zehn Prozent aus - viel weniger als manche angesichts der exorbitanten Verluste der vergangenen Jahre glauben. „Außerdem könnte etwas, das vor drei Jahren 50 Prozent überbewertet war, durchaus auch 15 oder 20 Prozent unterbewertet sein", so Stranz. Sprich: Es kann durchaus noch weiter bergab gehen mit den Kursen.
Auch Andrew Garthwaite von Credit Suisse First Boston sieht keine fundamentalen Fakten, die für steigende Aktienpreise sprechen. Er verweist auf „Tobin's q". Diese Zahl ist nach James Tobin, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, benannt. Sie bezeichnet den Börsenwert eines Unternehmens im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert des Anlagevermögens. „Der Aktienpreis muss unter dem Wiederbeschaffungswert liegen", nennt Garthwaite als Ziel. Erst dann ist der Markt unterbewertet. Doch mit Blick auf den marktbreiten amerikanischen S & P 500-Index stellt er fest: „Das ist nur marginal der Fall." Q liegt derzeit bei rund 0,9. In den siebziger Jahren und Anfang der achtziger Jahre lag es sogar lange bei Werten zwischen 0,3 und 0,5. Nach dieser Messgröße kann es also mit amerikanischen Aktien noch lange bergab gehen. Und der Dax kann sich davon sicher nicht abkoppeln, selbst wenn die Bewertungen
hier etwas günstiger sind.
Und dann ist da noch die lahmende Wirtschaft in Europa und den USA. Stephen Roach hat gerade seine Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft drastisch gekürzt, „eine der stärksten Rücknahmen, die wir je gemacht haben", stellt er beunruhigt fest. Die amerikanische Wirtschaft werde zwar noch leicht wachsen. In den meisten anderen Regionen der industrialisierten Welt erwartet er jedoch „rezessionsähnliche Bedingungen".
Der einzige Hoffnungsschimmer am Konjunkturhimmel ist China. Doch auch dessen rasante Expansion ist für den Westen zunehmend eine Belastung. Der explodierende Bedarf des Reichs der Mitte an Öl, Eisen und Kupfer lässt die Rohstoffpreise immer weitersteigen - unabhängig vom Irak-Konflikt. 25 Prozent des weltweiten Rohstoffbedarfs kommt heute schon aus China. Tendenz steigend. Hiesige Unternehmen können die steigenden Preise jedoch nicht durch geringe Lohnkosten ausgleichen, wie es die chinesischen Produzenten tun. Der Druck auf die Gewinnmargen wird hier zu Lande auch in den nächsten Jahren anhalten.
Für die herbeigesehnte „Wende am Aktienmarkt" spricht also auch langfristig herzlich wenig. Allerdings: Es gibt auch eine optimistische Variante für den weiteren Ausblick. Der Irak-Krieg könnte schnell zu einem Ende kommen. Die Aktienmärkte könnten dann zu einer Rally ansetzen. Das Vertrauen könnte wieder wachsen, plötzlich könnten die Daten wieder positiver erscheinen. Der Ölpreis könnte drastisch fallen. Weitere Steuerkürzungen könnten den Antrieb vergrößern.
Auch Stephen Roach will solche Szenarien nicht ganz ausschließen. Aufwärtschancen und Abwärtsrisiken stehen sich seiner Meinung nach jedoch eins zu drei gegenüber. „Aber sollten sich die Umstände ändern und eine neue Welle der globalen Genesung beginnen, wird mein 'mea culpa' laut und klar sein", kündigt er an.

Mitarbeit: Michael Höfling und Ulrich Machold


Die größten Geldvernichter im Dax seit März 2000

Commerzbank: - 85,47 %
Erst kaufte sich die Aktionärsgruppe Cobra bei Deutschlands viertgrößter Bank ein. Dann brodelte die Gerüchteküche um Fusion oder Übernahme. Doch das Zusammengehen mit der Dresdner Bank platzte im Sommer 2000. Von da an ging es bergab - in den Bilanzen und auf den Kurszetteln. Als dann im Herbst 2002 Gerüchte über Liquiditätsprobleme aufkamen, sackte die Aktie vollends ab. Nun scheint eine Übernahme durch die ebenso fußlahme HypoVereinsbank als letzte Rettung.

Deutsche Telekom: - 88,97 %
T-Aktionäre seien getröstet: Ihr Geld ist nicht weg, es hat jetzt nur ein anderer. In diesem Fall Hans Eichel. Und der wird es auch nicht mehr herausrücken, glauben Rechtsexperten. Dabei hatte alles so schön begonnen: überall das rosafarbene „T", Manfred Krug als Liebling eines Volkes von Aktionären. Auf 103 Euro kletterte das Papier. Wer Monate später auch noch die dritte Tranche zu vermeintlich günstigen 66,50 Euro zeichnete, ist heute selbst gezeichnet. Und das „T" steht für Totalverlust.

MLP: - 93,17 %
Es war die Traumstory. Eine neue Gelddruckmaschine, und dann auch noch mit drei Buchstaben und einem „P" am Ende. So wie SAP. Das musste doch ein gutes Omen sein. War es auch: Von 1991 bis 2001 legte die Aktie 10.730 Prozent zu. Dann die Krönung: Aufnahme in den Dax. Der Abstieg beginnt mit Betrugsvorwürfen, die ein Anlegermagazin quasi als Serie veröffentlichte. Streitpunkt: Die Buchführung, die Analysten wohlwollend als „kreativ" bezeichnen. Jetzt ermittelt der Staatsanwalt.

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Quelle: www.wams.de

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