Ex-Verfassungsrichter: Wowereit brach Grundgesetz
Heftige Kritik von Roman Herzog, Ernst Benda und Hans Hugo Klein an Entscheidung. Justizministerin Däubler-Gmelin (SPD) widerspricht
Berlin jk. - Roman Herzog, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sagte der "Welt": "Ich habe mir den Vorgang im Bundesrat genau angesehen. Ich glaube nicht, dass das Gesetz auf grundgesetzmäßige Weise zu Stande gekommen ist... Der Bundesratspräsident kann hier nicht das Verfassungsrecht der Länder auslegen. Er hat zu akzeptieren, ob das Land einheitlich abstimmt, oder nicht. Und Brandenburg hat nicht einheitlich abgestimmt."
Prof. Ernst Benda, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts: "Der Artikel 51 des Grundgesetzes ist in dieser Frage ganz eindeutig. Daraus ergibt sich für mich logisch das Ergebnis, dass die Stimmen von Brandenburg nicht hätten gewertet werden dürfen."
Hans Hugo Klein, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht: "Das Gesetz ist nach meinem Dafürhalten nicht durch. Es ist nicht ordnungsgemäß zu Stande gekommen, weil nach dem Grundgesetz die Stimmen eines Landes nur einheitlich abgegeben werden können und das ist ganz offensichtlich nicht geschehen."
Prof. Ingo von Münch, Staatsrechtler und 1987-1991 als Zweiter Bürgermeister Hamburgs Mitglied des Bundesrates: "Geschehen ist ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut unserer Verfassung können die Stimmen der Länder im Bundesrat nur einheitlich abgegeben werden. Dies ist nicht erfolgt. Unter Verfassungsjuristen ist umstritten, ob in einem solchen Fall die Stimmabgabe des betreffenden Landes ungültig ist. Die weitaus überwiegende Mehrheit der Verfassungskommentatoren bejaht dies unter Hinweis auf den Text des Grundgesetzes; eine Minderheit verneint dies und will dem Ministerpräsidenten die Entscheidung übertragen. Angesichts dieser Sachlage war es vom Bundesratspräsidenten mindestens leichtfertig - man könnte auch sagen: abenteuerlich - die uneinheitliche Stimmabgabe Brandenburgs als einheitlich zu bewerten."
Prof. Rupert Scholz, Staatsrechtler: "Wowereit hat sich als amtierender Bundesratspräsident einer Verletzung der Verfassung schuldig gemacht. Auf sein Befragen antwortete Brandenburgs Arbeitsminister Ziel (SPD) mit ja, anschließend Innenminister Schönbohm (CDU) mit Nein. Jetzt beruft sich Ministerpräsident Stolpe (SPD) mit seinem späteren Nein auf seine Richtlinienkompetenz. Wenn sich Stolpe auf diese Argumentation einlässt, so ist auch diese nicht stichhaltig. Schönbohm als Stellvertretender Ministerpräsident übte im Augenblick der Befragung die Richtlinienkompetenz nach Artikel 91 der brandenburgischen Landesverfassung aus. Wowereit hätte Brandenburgs Votum als Nein werten müssen."
Prof. Herta Däubler-Gmelin, SPD-Bundesjustizministerin und Rechtsanwältin: "Ich sehe die Stimmabgabe des Landes Brandenburg zum Zuwanderungsgesetz durch den Ministerpräsidenten des Landes als mit ,Ja' erfolgt an."
welt.de/daten/2002/03/24/0324de322341.htx
Heftige Kritik von Roman Herzog, Ernst Benda und Hans Hugo Klein an Entscheidung. Justizministerin Däubler-Gmelin (SPD) widerspricht
Berlin jk. - Roman Herzog, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sagte der "Welt": "Ich habe mir den Vorgang im Bundesrat genau angesehen. Ich glaube nicht, dass das Gesetz auf grundgesetzmäßige Weise zu Stande gekommen ist... Der Bundesratspräsident kann hier nicht das Verfassungsrecht der Länder auslegen. Er hat zu akzeptieren, ob das Land einheitlich abstimmt, oder nicht. Und Brandenburg hat nicht einheitlich abgestimmt."
Prof. Ernst Benda, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts: "Der Artikel 51 des Grundgesetzes ist in dieser Frage ganz eindeutig. Daraus ergibt sich für mich logisch das Ergebnis, dass die Stimmen von Brandenburg nicht hätten gewertet werden dürfen."
Hans Hugo Klein, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht: "Das Gesetz ist nach meinem Dafürhalten nicht durch. Es ist nicht ordnungsgemäß zu Stande gekommen, weil nach dem Grundgesetz die Stimmen eines Landes nur einheitlich abgegeben werden können und das ist ganz offensichtlich nicht geschehen."
Prof. Ingo von Münch, Staatsrechtler und 1987-1991 als Zweiter Bürgermeister Hamburgs Mitglied des Bundesrates: "Geschehen ist ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut unserer Verfassung können die Stimmen der Länder im Bundesrat nur einheitlich abgegeben werden. Dies ist nicht erfolgt. Unter Verfassungsjuristen ist umstritten, ob in einem solchen Fall die Stimmabgabe des betreffenden Landes ungültig ist. Die weitaus überwiegende Mehrheit der Verfassungskommentatoren bejaht dies unter Hinweis auf den Text des Grundgesetzes; eine Minderheit verneint dies und will dem Ministerpräsidenten die Entscheidung übertragen. Angesichts dieser Sachlage war es vom Bundesratspräsidenten mindestens leichtfertig - man könnte auch sagen: abenteuerlich - die uneinheitliche Stimmabgabe Brandenburgs als einheitlich zu bewerten."
Prof. Rupert Scholz, Staatsrechtler: "Wowereit hat sich als amtierender Bundesratspräsident einer Verletzung der Verfassung schuldig gemacht. Auf sein Befragen antwortete Brandenburgs Arbeitsminister Ziel (SPD) mit ja, anschließend Innenminister Schönbohm (CDU) mit Nein. Jetzt beruft sich Ministerpräsident Stolpe (SPD) mit seinem späteren Nein auf seine Richtlinienkompetenz. Wenn sich Stolpe auf diese Argumentation einlässt, so ist auch diese nicht stichhaltig. Schönbohm als Stellvertretender Ministerpräsident übte im Augenblick der Befragung die Richtlinienkompetenz nach Artikel 91 der brandenburgischen Landesverfassung aus. Wowereit hätte Brandenburgs Votum als Nein werten müssen."
Prof. Herta Däubler-Gmelin, SPD-Bundesjustizministerin und Rechtsanwältin: "Ich sehe die Stimmabgabe des Landes Brandenburg zum Zuwanderungsgesetz durch den Ministerpräsidenten des Landes als mit ,Ja' erfolgt an."
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