Nach turbulenten Monaten und einem Schuldenberg von über fünf Milliarden Euro kann der Münchner Agrar- und Baustoffkonzern BayWa (BayWa Aktie) wieder etwas durchatmen. Ein von der Unternehmensberatung Roland Berger erstelltes Sanierungsgutachten ließ den Aktienkurs des Unternehmens am Dienstag um bis zu 18,5 Prozent steigen. Das Gutachten skizziert einen möglichen Weg zur Stabilisierung und langfristigen Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns – allerdings unter klaren Bedingungen. Der Restrukturierungsprozess wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen und ist an einschneidende operative und strukturelle Maßnahmen geknüpft.
Vor allem der Verkauf von Unternehmensteilen steht im Fokus der Sanierungspläne. Der Vorstandsvorsitzende Marcus Pöllinger hat bereits angekündigt, dass sich BayWa von nicht-strategischen Geschäftsbereichen trennen muss. Besonders die Mehrheitsbeteiligung an der Tochtergesellschaft BayWa r.e., die sich auf Erneuerbare Energien spezialisiert hat, steht zum Verkauf. Hier hat der bisherige Minderheitseigentümer Energy Infrastructure Partners (EIP) aus der Schweiz sein Interesse signalisiert.
Das Geschäft mit Solar- und Windenergie hat zwar in den letzten Jahren starkes Wachstum verzeichnet, jedoch auch die Schuldenlast der BayWa deutlich erhöht. Die Projektfinanzierung hat viel Kapital gebunden, und die Möglichkeit, diese Projekte lukrativ weiterzuverkaufen, hat sich aufgrund der schwachen Marktlage erheblich verschlechtert. Laut Berichten will BayWa den Handel mit Solarmodulen aber weiterhin im Portfolio behalten, während das Kapitalintensive Projektgeschäft veräußert werden könnte.
Der Anstieg der Zinsen hat BayWa in eine schwere Liquiditätskrise geführt. Die Schulden des Unternehmens bestehen zu einem großen Teil aus variabel verzinsten Krediten, was BayWa besonders anfällig für die jüngste Zinswende macht. Im Sommer 2023 verschärfte sich die Lage so sehr, dass der Konzern ein Sanierungsgutachten in Auftrag gab. Dieses ist Voraussetzung dafür, dass BayWa weiterhin Zugang zu dringend benötigtem Kapital erhält.
Ein kurzfristiges Finanzierungspaket in Höhe von 550 Millionen Euro, das durch Gläubigerbanken und Hauptaktionäre zur Verfügung gestellt wurde, hat die Liquidität des Unternehmens vorerst gesichert. Die Kredite laufen allerdings Ende September aus und können maximal um drei Monate verlängert werden. Daher drängt die Zeit, um eine tragfähige und langfristige Lösung zu finden. Der Entwurf des Sanierungsgutachtens bildet die Grundlage für die laufenden Verhandlungen mit den Finanzpartnern. BayWa teilte mit, dass die Gespräche „konstruktiv“ verlaufen und der Vorstand optimistisch sei, dass eine Einigung erzielt wird.
Die Empfehlungen des Sanierungsgutachtens sind klar: Ohne einen umfassenden Umbau des Unternehmens wird BayWa keine Zukunft haben. Die Unternehmensberatung Roland Berger sieht eine mehrjährige Restrukturierung als unvermeidlich. Dies bedeutet neben umfangreichen Einsparungen auch den Verkauf einzelner Geschäftsbereiche, um die Verschuldung zu reduzieren und das Unternehmen wieder wettbewerbsfähig zu machen.
Pöllinger hatte bereits auf der Hauptversammlung im Juni 2023 einen sozialverträglichen Stellenabbau angekündigt. Welche konkreten Bereiche betroffen sein werden, ließ das Unternehmen bislang offen. Fest steht jedoch, dass der Konzern, der stark im genossenschaftlichen Agrarhandel verwurzelt ist, auf einen harten Sparkurs zusteuert, um seine finanzielle Stabilität wiederherzustellen.
Die Verhandlungen mit den Gläubigerbanken verlaufen unter hohem Druck. Zwar wurde BayWa mit dem kurzfristigen Finanzierungspaket von 550 Millionen Euro vorübergehend stabilisiert, doch die langfristige Finanzierung steht weiterhin in Frage. Besonders kritisch wird die Rückzahlung eines Konsortialkredits in Höhe von zwei Milliarden Euro, der im September 2025 ausläuft. Ohne klare Perspektiven und eine gesicherte Finanzierung wird BayWa es schwer haben, das Vertrauen der Banken und Investoren zurückzugewinnen.
Der Weg zur Sanierung des Unternehmens wird lang und mühsam. Die schwache Weltwirtschaft belastet zusätzlich alle Geschäftsbereiche des Unternehmens. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat BayWa den erfahrenen Sanierungsexperten Michael Baur als Generalbevollmächtigten eingesetzt. Er soll den Restrukturierungsprozess koordinieren und sicherstellen, dass die Sanierungsschritte effektiv umgesetzt werden.
Während die vorläufigen Ergebnisse des Sanierungsgutachtens bei den Anlegern für Erleichterung gesorgt haben, bleibt die Lage angespannt. Die nächsten Monate werden zeigen, ob BayWa den schwierigen Spagat zwischen Schuldenabbau, Unternehmensverkäufen und operativer Stabilisierung meistern kann. Der Vorstand ist zuversichtlich, doch die Risiken bleiben hoch.
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