Aktien
Obwohl der Markt sich weiter von seiner schwachen Seite zeigt, veränderte sich das sentix-Stimmungsbild nur marginal. Kurzfristig überwiegt die Skepsis, wobei die Institutionellen ihren Pessimismus zu Gunsten eines neutralen Votings reduziert haben (= Zunahme der kurzfristigen Unsicherheit). Die Privaten dagegen sind weitgehend unverändert bearish. Auf mittlere Sicht dagegen überwiegt der Optimismus. Bei den Privaten nur knapp, bei den Institutionellen umso deutlicher.
Die "Weigerung" der Institutionellen, ihren mittelfristigen Optimismus aufzugeben, dürfte weniger darin liegen, einen hohen Investitionsgrad zu rechtfertigen (selektive Wahrnehmung; siehe auch Sonderanalyse der Woche zu Investitionsgraden), sondern mehr in der Tatsache, dass der Markt nach konservativen Maßstäben einfach preiswert geworden ist. Implizite Risikoprämien von mehr als 5%, Dividendenrenditen, die beim doppelten des Geldmarktsatzes (Europa) liegen und Kurs-Buchwert-Verhältnisse von 1-1,5 (Europa) haben nichts mehr mit der Euphorie von 2000 gemein.
Dieses Abstimmungsverhalten hat seine Ursache aber auch in der augenblicklichen Lage: kurzfristig starren alle gebannt auf den Irak und die dortigen Entwicklungen, schweift der Blick weiter in die Zukunft (und sechs Monate sind nach Ansicht der sentix-Voter genug, um im "Nach-Irak-Prognosehorizont" zu liegen), wird die Welt positiver gesehen. Dies dürfte unmittelbar mit der Erwartung eines "per saldo" guten Ausgangs der Krise zusammenhängen.
Die weitere Kapitalmarktentwicklung hängt m.E. nach von zwei Faktoren ab:
(1) gibt es eine böse Überraschung im Irak-Konflikt und
(2) führt die "Vorkriegs-Unsicherheit" zu neuen Tiefs in den Indizes, die dann weitere, möglicherweise sogar panikartige Verkäufe nach sich ziehen.
Zu (1) Böse Überraschungen:
Was verstehe ich unter einer bösen Überraschung? Unter dem Blickwinkel der Behavioral Finance interessieren nur weithin unerwartete Ereignisse. Ein Kriegsausbruch, eine kurze und heftige Auseinandersetzung, brennende Ölfelder und selbst ein möglicherweise zwei bis dreimonatiger Krieg mit Zusammenbruch der irakischen Ölversorgung (aktuelle Förderung ca. 3% der weltweiten Tagesförderung) fallen nach meiner Beobachtung NICHT darunter.
Dies ist erwartet, zumindest im Rahmen "vernünftiger" Wahrscheinlichkeiten (siehe auch heutige animusX-Analyse). Eine Ausweitung des Konfliktes auf andere Staaten erscheint - mit Ausnahme vereinzelter Selbstmordattentate wie sie in Israel leider an der Tagesordnung sind - wenig wahrscheinlich: Saddam hat keine Unterstützung.
Bleiben aus meiner Sicht zwei Quellen des Unheils:
a) terroristische Anschläge in Europa und den USA, die den Krieg direkt vor unsere Haustür tragen und
b) der Einsatz von "schmutzigen" Bomben (biologische oder chemische Kampfstoffe) durch Saddam.
Zu a) ist zu sagen, dass dies sehr wohl passieren kann, obwohl die Geheimdienste weltweit alarmiert sind und die Aufmerksamkeit heute viel höher ist als noch vor dem 11. September. Anschläge mit hoher zerstörender Kraft erfordern eine gewisse Vorbereitung und es bleibt zu hoffen, dass die notwendigen "Aufbauarbeiten" der Terroristen genug Spuren legen, damit diese Anschläge verhindert werden können.
Zu Punkt b) stellt sich mir die Frage, wann Saddam diese Waffen einsetzen würde. Zu Beginn des Konfliktes? Dann wäre er als Lügner entlarvt und die Amerikaner hätten alle Rechtfertigung hart und unerbittlich gegen Saddam vorzugehen. Alternativ könnte Saddam zu dieser Maßnahme greifen, wenn er mit dem Rücken zur Wand stünde und in einem letzten Akt die Welt und sich in den Abgrund reißen könnte.
Die Geschichte lehrt leider, dass Despoten - insbesondere diejenigen, die sich einem höheren Auftrag verpflichtet fühlen - zu solchen Schritten fähig sind. Dies würde aber bedeuten, dass die US-Streitkräfte schon nahe an Saddam herangerückt sind. Kann Saddam dann überhaupt noch solche Waffen kontrollieren und besitzt er dann noch die Befehlsgewalt?
Es sollte nämlich nicht übersehen werden, dass im erweiterten Führungskreis von Saddams Regime sehr wahrscheinlich einige Mitglieder seines Stabes für die Zeit nach Saddam planen. Diejenigen, die solche Waffen einsetzen, haben garantiert KEINE Zukunft.
Unter Würdigung der Ängste und Befürchtungen, die der Irakkonflikt berechtigterweise verursacht, sollte aber auch bedacht werden, dass es positive Überraschungen in diesem Konflikt geben kann. Und die sind m.E. nach nicht unwahrscheinlicher, wie die bösen:
(1) Saddam geht ins Exil und
(2) der Krieg wird geführt, aber der anschließende Wiederaufbau wird über irakisches Öl finanziert, was zu deutlich sinkenden Ölpreisen führt.
Ok, Punkt (1) ist wenig wahrscheinlich. Es passt weder zu einem "Gotteskrieger" noch zu einem Despoten vom Schlage eines Saddam. Aber vielleicht ist er ja doch feige oder ihm entgleitet seine Macht im Zuge des nahenden Ende seines Regimes. Aber da er im Exil keine Perspektive auf die Verwirklichung seines großen Ziels - der Vernichtung Israels - hat, ist wohl eher damit zu rechnen, dass er gewaltsam vom Präsidentenstuhl entfernt werden muss.
(2) ist dagegen meiner Meinung nach eine realistische Perspektive. Selbst wenn die irakischen Ölfelder weitgehend zerstört werden. Denn erstens können diese Ölfelder in überschaubarer Zeit wieder aufgebaut werden (siehe Kuwait im letzten Golfkrieg) und zweitens könnte das irakische Öl auf Termin verkauft werden. Diese würde zwar dem Spotpreis nicht helfen, aber die Terminkurse würden stark fallen und die inverse Zeitprämie dürfte ein Entlastungssignal in die Wirtschaft senden, welches die negativen Folgen hoher Spotpreise kompensiert. Zudem besteht ja auch die Option, kurzfristige Lieferengpässe durch die Freigabe strategischer Ölreserven zu überbrücken.
Zu (2) Panikreaktionen auf neue Index-Lows:
Das aktuelle Abwärtsmomentum des Marktes lässt es nicht unwahrscheinlich erscheinen, dass die Indizes auf neue Tiefstände abrutschen. Dies würde zweifellos die Anleger weiter verunsichern. Die mittelfristige Perspektive wäre in Frage zu stellen.
Besonders "betroffen" sind in diesem Fall die Institutionellen, die sich ja vorgenommen haben (und zum Teil bereits umgesetzt haben), sich VOR Lösung der Krise zu positionieren. Eine Verkaufswelle derjenigen, die bereits "über der Benchmark" investiert sind, ist in diesem Fall wahrscheinlich.
Dies betrifft ca. 8% der im sentix befragten Institutionellen. Umgekehrt, wenn die Lows halten, sind fast 80% der Institutionellen unterinvestiert - fast 10% geben an, aktuell Short zu sein (siehe auch Sonderanalyse der Woche).
Bei den Privaten verhält es sich prinzipiell genauso, nur mit dem Unterschied, dass die aktuellen Investitionsgrade tiefer liegen als im Oktober 2002. Das Potential für eine Verkaufswelle ist damit geringer als im Oktober 2002 und wesentlich niedriger als im Mai letzten Jahres!
Fazit:
Der intakte kurzfristige Abwärtstrend und das ungebrochenen Momentum können zu neuen Verlaufstiefs in den Indizes führen. Eine Nachhaltigkeit kann aber aus dem Sentimentdaten nicht gewonnen werden. Zu tief sind die Investitionsgrade, zu hoch werden die Gefahren bewertet.
Das Überraschungsmoment liegt unverändert auf der Upside, auch wenn der Markt weiter versucht, auch den letzten Optimisten aus seiner Position zu drängen.
Zum Wesen des Tradings gehört es, Stopps konsequent umzusetzen, so dass auch der strategische Investor nicht umhin kommt, sich bei neuen Lows ausstoppen zu lassen. Aber nur, um flexibel genug zu sein, bei einem "False break" sofort wieder nach oben dabei zu sein. Denn auch diese Krise findet ein Ende.
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Der Rentenkommentar kann spärlich ausfallen: die Renten werden auch weiterhin spiegelbildlich zu den Aktien tendieren. Erste technische Ermüdungserscheinungen lassen hier keine Motivation für Longs mehr entstehen.
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Bleibt in der Konsolidierung.