...Sturmflut bedroht Osten
Jahrhundertflut, Orkan, gigantische Wellen: Der Sturm hat die Wasserstände an der niedersächsischen Nordseeküste auf Rekordhöhen getrieben. In Hamburg stand der Fischmarkt unter Wasser. Nun zittern die Menschen an der Ostsee - denn dort wird am Abend eine Sturmflut erwartet.
Hamburg - Die Wasserstände an der gesamten deutschen Ostseeküste können auf zu 1,30 Meter über den normalen Höchststand steigen, hieß es in einer Mitteilung des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrografie. Für die Küste Mecklenburg-Vorpommerns gab das Amt eine Sturmflutwarnung heraus.
Das Sturmtief "Britta" hat in der Nacht und am Mittwoch in Norddeutschland hohe Schäden angerichtet und der niedersächsischen Küste eine der schwersten Sturmfluten seit hundert Jahren beschert. In Küstenorten wurden die Häfen teilweise überflutet, wie Polizei und Behörden mitteilten. Die Orkanböen mit Spitzengeschwindigkeiten von rund 145 Stundenkilometern knickten im ganzen Norden Bäume um und deckten Dächer ab. Vor Borkum gerieten zwei Schiffe in Seenot. Durch den Sturm wurde zudem eine Ölplattform vor der norwegischen Küste aus der Verankerung gerissen, die dann mit 75 Menschen an Bord führerlos übers Meer trieb.
Die Deiche an der Nordseeküste hielten der Sturmflut stand, wie der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) mitteilte. Auf Borkum wurde mit 2,70 Metern über dem Mittlerem Tidehochwasser die Pegelmarke der Katastrophen-Sturmflut von 1962 erreicht. In Bensersiel gab es mit 2,91 Meter den dritthöchsten Wasserstand seit 1906. Im Bereich der Emsmündung registrierte der NLWKN mit bis zu 3,90 Metern sogar die höchsten jemals gemessenen Wasserstände. Um das stromaufwärts liegende Hinterland bis Papenburg vor der eindringenden Tide zu schützen, wurde das Emssperrwerk geschlossen.
In Hamburg verlief die Sturmflut hingegen glimpflicher als befürchtet. Der Wasserstand im Hafen fiel mit 2,57 Metern über dem mittleren Hochwasser nicht so dramatisch aus wie erwartet. Allerdings mussten Teile des Hafens für den Autoverkehr gesperrt werden, weil Straßen unter Wasser standen. Vor allem rund um den historischen Fischmarkt im Stadtteil Altona sowie im Freihafen und in der HafenCity standen Straßen und Plätze bis zu einem Meter unter Wasser. Die für den Katastrophenschutz zuständige Innenbehörde ließ vorsorglich Fluttore und Schieber schließen, wie Behördensprecher Reinhard Fallak sagte. Am Mittag konnten die Tore wieder geöffnet werden.
Ein 80 Meter langes Containerschiff hatte sich bereits am frühen Morgen durch die starken Böen aus seiner Verankerung gerissen und kollidierte mit einem Anleger. Dabei entstand leichter Sachschaden.
Ölplattform riss sich los
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg berichtet von bis zu 17 Meter hohen Wellen vor der Küste Ostfrieslands, meldete die Nachrichtenagentur dpa. Vor Borkum gerieten bei bis zu zehn Meter hohen Wellen zwei Schiffe in Seenot. Das 76 Meter lange Frachtschiff "Cementina" wurde manövrierunfähig, als die Ruderanlage 20 Seemeilen vor der Insel ausfiel. Die sieben Besatzungsmitglieder wurden mit Hubschraubern in Sicherheit gebracht. Auf dem Weg zu dem umhertreibenden Frachter kenterte zudem ein niederländischer Seenotkreuzer. Die vier Besatzungsmitglieder konnten unverletzt aus dem Wasser gerettet werden.
Die Ölplattform "Bredford Dolphin" riss sich 185 Kilometer vor Norwegens Küste los, nachdem ein Schlepper, der sie durch das Meer zog, liegenblieb, wie ein Sprecher der norwegischen Rettungskräfte berichtete. Die Situation sei aber "unter Kontrolle". Niemand sei verletzt worden.
Teils schwere Sturmschäden registrierten die Behörden in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Ein Hamburger wurde durch einen herabfallenden Ast leicht verletzt. Besonders heftig wütete "Britta" im ostfriesischen Landkreis Aurich. Dort wurden nach Polizeiangaben bis zum Morgen 140 Einsätze gemeldet. Hundert Helfer von Feuerwehr und Polizei waren im Dauereinsatz. Mehrere Häuser wurden durch herabfallende Bäume und Äste beschädigt. Der Fährverkehr zu mehreren Nordseeinseln wurde eingeschränkt. Im Landkreis Friesland fiel die Schule aus.
"Britta" verlagerte sich heute zunächst an die Ostseeküste und soll dann in Richtung Baltikum weiterziehen, wie eine Sprecherin des Deutschen Wetterdienstes in Hamburg sagte. Nach und nach werde das Tief dann von einem Hoch über dem Atlantik verdrängt, so dass die Winde nachlassen. Die Meteorologen prophezeiten deutschlandweit Nachtfrost und am Donnerstag nur noch Temperaturen von zwei bis sieben Grad.