PANORAMA Nr. 665 vom 09.03.2006
Das Wundermittel des FC Bayern – dubiose Geschäfte mit Nano-Technologie
Anmoderation Anja Reschke:
„Sie haben es wahrscheinlich mitbekommen – der FC Bayern hat gestern verloren:
1 : 4 gegen AC Mailand. Das ist mal ´ne Blamage. Ob die wiederum direkt mit unserer
folgenden Geschichte zusammenhängt, können wir auch nicht sagen. Aber auch da geht
es darum, dass der FC Bayern irgendwie blöd dasteht. Ein kleiner schrulliger Erfinder aus Nordrheinwestfalen nämlich hat zusammen mit einem gewieften Geschäftsmann aus
Hessen dem großen mächtigen Fußballverein ein Produkt namens Neosino angedreht. Eine
Art Zaubertrunk für Sportliche. Dessen Wirkung man ja gestern eindrücklich bewundern
konnte. Unser Hörfunkkollege Christian Baars von NDR Info hat zusammen mit Christoph
Mestmacher und Dietmar Schiffermüller eine herrliche Geschichte ausgegraben, bei der es
um viel Geld und viel Blamage geht.“
Eine Meistertruppe: FC Bayern München. Die deutsche Instanz in punkto Fußball, trotz
Champions League-Desaster gestern. Ein Qualitätsname eben. Auch in der Werbung. Der
FC Bayern macht sich stark für ein Wundermittel.
Neosino-Werbespot:
„Volle Konzentration. Hohes Tempo. Maximale Ausdauer. Körperliche Höchstleistungen
brauchen eine starke Unterstützung: Neosino. Die neue Dimension in der
Mineralstoffversorgung. Wirkt schnell und effektiv. Offizieller Lieferant des FC Bayern
München. Erhältlich in allen Apotheken.“
Als Zaubersaft wird das Produkt gefeiert. Nahrungsergänzung - ein Wundermittel für WMStars.
Extrem kleine Nanomineralien werden schnell ins Blut gebracht, bessere Erholung
inklusive. Und selbstverständlich erprobt bei Leistungssportlern. Das sind die
Wundermittel, die kleinen Kraftpakete. Ihr Geheimnis: Mineralien in Nanogröße - dem
millionsten Teil eines Millimeters. 3 bis10 Nanometer stehen auf der Packung, so nehme
der Körper das Produkt schnell auf. Ein Traum für geschlauchte Sportler.
Und das ist das wissenschaftliche Genie, das für Neosino in den unfassbar kleinen
Nanobereich vordringt: Gerd Thöne, hier in seinem Labor. Er will mit einer Mühle etwa
Silizium in winzig kleine Teilchen zerlegen können. Woran Wissenschaftler auf der ganzen
Welt mit großem Aufwand forschen, ist für ihn offenbar ganz simpel:
O-Ton Gerd Thöne Erfinder:
„Wenn Sie sich’s einfach vorstellen: wir nehmen einen Eimer, schütten in die Maschine
Wasser, und dann nehmen wir Sand, schütten den hintendrein in einem bestimmten
Verhältnis, und lassen die Maschine laufen.”
Die Wundermaschine darf niemand sehen. Betriebsgeheimnis. Thöne forscht seit Jahren
und greift schon mal zum Küchengerät. Und da sein Lieblingsstoff, Silizium, praktisch
überall vorkommt, ist sein Rohstofflager eher überraschend schlicht:
O-Ton Gerd Thöne Erfinder:
„Hier in der Nachbarschaft in der Nähe von Lemgo ist ein großes Quarzsandwerk, und die
mahlen ihren Quarzsand zu Quarzmehl, der hat also eine Größenordnung von 40 Mikron
ungefähr. Und von da aus gehen wir weiter.“
PANORAMA:
„Also Sie gehen in die Sandgrube?“
O-Ton Gerd Thöne Erfinder:
„Ja. Also, wenn Sie es richtig sagen, gehen wir in die Sandgrube, ja.“
PANORAMA:
„Und dann mahlen Sie es zu 3-10 Nanometer?“
O-Ton Gerd Thöne Erfinder:
„Ja.“
Frankfurter Börse, Anfang Januar. Erster Handelstag der Neosino-Aktie. Pflichttermin auch für Bayernstar Maakay. Das Unternehmen Neosino schrieb Geschichte. Aus 220.000 Euro
Umsatz im Jahr 2004 der Neosino-Gruppe wurde ein Unternehmen mit einem Börsenwert
von über 200 Millionen Euro. Das ist der Vorstandsvorsitzende des Erfolgsunternehmens:
Edmund Krix. Schon am neuen Markt hat er viel Geld gemacht. Jetzt ist er wieder da. Statt Computer die Magie der Nanotechnologie.
O-Ton Edmund Krix, Neosino-Vorstand:
„Das Entscheidende ist, dass wir eigentlich Materialien, die wir heute auf der Erde haben, in ihre einzelnen Atome im Prinzip zerlegen können und damit komplett neue
Eigenschaften erreichen.“
PANORAMA:
„Wie klein sind die Partikel?“
O-Ton Edmund Krix, Neosino-Vorstand:
„Die Partikel, die wir mahlen, sind zwischen drei und zehn Nanometer.“
Das Max-Planck-Institut in Potsdam-Golm: Hier forscht die Elite im Bereich der
Nanotechnologie. Professor Markus Antonietti hat für uns die Neosino-Produkte geprüft.
Findet er solche Mineralien, 3-10 Nanometer groß?
O-Ton Prof. Markus Antonietti, Max-Planck-Institut:
„Wir haben tatsächlich sehr sorgfältig mit einer Reihe von Verfahren nachgeschaut. Und
der experimentelle Befund ist eigentlich überwältigend. Das ist ganz und gar nicht wahr.
Die untersuchten Proben, es waren fünf verschiedene, sind aus mikrometergroßen
Objekten, also tausendmal so großen Objekten zusammengesetzt. Wir haben auch nicht in
einem Fall, wirklich einem, praktisch eine Gruppe von Teilchen gefunden, die so groß ist, wie auf der Packung angegeben. Das ist nicht enthalten.“
Wir konfrontieren den Erfinder mit dem Untersuchungsergebnis. Wo sind die
Nanoteilchen?
O-Ton Gerd Thöne, Erfinder:
„Wenn sie eine Ameise meinetwegen in der Höhle haben, dann kriegen Sie die nur ganz
schlecht zu fassen. Und das wird Planck passiert sein.”
PANORAMA:
„Was zeichnet Herrn Thöne aus?“
O-Ton Edmund Krix, Neosino-Vorstand:
„Dass er ein genialer Erfinder ist.“
Die Profis des FC Bayern schwören auf die genialen Thöne-Erfindungen. Pressekonferenz
der Neosino AG in München. Uli Hoeneß verkündet die Koalition mit den Nano-Herstellern.
Empfohlen wurden die Produkte von Mannschaftsarzt Müller-Wohlfahrt, hier rechts im Bild.
Sein Wort - für Hoeneß ein Gütesiegel. Das Produkt muss gut sein:
„Wir haben schon immer viele Angebote aus dem pharmazeutischen und medizinischen
Bereich bekommen. Bekanntlich wollen wir etwas Besonderes sein, deswegen passt dieses
Produkt so gut zum FC Bayern.“
Und so steht der FC Bayern Pate auch für den Breitensport. Ein lukrativer Markt.
Nanotechnik für Heerscharen von Hobbykickern und Joggern. Ein neues Wundermittel?
O-Ton Prof. Markus Antonietti, Max-Planck-Institut:
„Das perfide daran ist, dass mit Hoffnungen gearbeitet wird. Dass auch mit
Allgemeinwissen, Nano kommt ja jetzt in den Medien, gearbeitet wird. Und dass ganz
gezielt diese Welle ausgenutzt wird und auf ein Produkt projiziert wird, das damit
überhaupt nichts zu tun hat.“
Wir befragen den Hersteller zu den Untersuchungen des Max-Planck-Instituts. Wollen
wissen, welche Studien von Neosino die Nanogröße der Endprodukte belegen:
O-Ton Edmund Krix, Neosino-Vorstand:
„Wir wissen ja, wie die Maschinen eingestellt sind und machen da unsere Proben. Und
dann wissen wir, was rauskommt.“
PANORAMA:
„Und sie schaffen 3-10 Nanometer?“
O-Ton Gerd Thöne, Erfinder:
„Ja sicher. Und wenn es einen Sinn machte, hätte ich mich sogar schon in den
Femtometer-Bereich begeben. Aber das gibt keine definitiven Verbesserungen für
irgendwelchen Produkte.“
Willkommen in der Welt der zermahlenen Atomkerne. Das Marketing hat nicht nur Bayern
München überzeugt. Mit dem Deutschen Sportbund, der ebenfalls dieses Produkt als
unbedenklich empfiehlt, erreicht Neosino den Breitensport. Nur, dem DSB ist auch nach
unseren Recherchen, die Nano-Empfehlung mittlerweile unheimlich:
O-Ton Dr. Andreas Eichler DSB-Generalsekretär:
„Wir haben den Fehler gemacht, dass wir den Vereinen suggeriert haben, es sei ein
unbedenkliches Produkt, was wir mit unserem Segen als Dachorganisation nach draußen
geben. Dies war in seiner Eindeutigkeit falsch.“
PANORAMA:
„Was bedeutet das für die Neosino-Produkte?“
O-Ton Dr. Andreas Eichler DSB-Generalsekretär:
„Das bedeutet, dass wir die Neosino-Produkte nicht mehr in unserem Portfolio in der
Vermarktungs-Agentur haben werden.“
Der FC Bayern bleibt unbeeindruckt an der Seite von Neosino. Bundesliga, Champions
League und Länderspielstress – leider keine Zeit für ein PANORMA-Interview.
Bayern-Manger Ulli Hoeneß vertraut den Empfehlungen seines Experten, Mannschaftsarzt
Müller Wohlfahrt. Der empfiehlt den Profikickern: Schlucken.
Das Max-Planck Institut kennt allerdings ein preiswerteres Mittel als Nahrungsergänzung
speziell für Fußballer:
O-Ton Prof. Markus Antonietti, Max-Planck-Institut:
„Gerade im Bereich des Fußballs ist es offensichtlich. Sie könnten auf einen ganz normalen Bolzplatz gehen, und der Staub, den Sie dort aufwirbeln und aufnehmen würden, hätte die gleiche Wirkung wie die Dinge, die in diesen Kapseln enthalten sind. Die Leute schlucken sozusagen Bolzplatz in Kapseln.“
Bericht: Christian Baars, Christoph Mestmacher, Dietmar Schiffermüller
www.ndrtv.de/panorama/data/das_wundermittel_des_fc_bayern.pdf