Was der Männerüberschuss in Asien bewirkt
Junge Männer in Gruppen, die nichts zu tun haben, die sich um niemanden kümmern müssen oder können – das bedeutet Ärger. Weshalb man sie oft ins Militär gezerrt hat, damit sie ihre Aggressivität unter Anleitung ausleben. Dann aber sollen sie nach Hause kommen und eine Frau heiraten und Kinder haben und sich einigermaßen ordentlich in die Gesellschaft einfügen. Was aber, wenn es gar nicht genug Frauen gibt für sie?
Wo Frauen wenig zählen wie in Indien, wo weiblicher Infantizid kulturell akzeptiert ist, wo eine staatliche Ein-Kind-Politik praktiziert wird wie in China und wo noch dazu neue Methoden wie die pränatale Diagnose und billige, gefahrlose Abtreibung die Selektion nach Geschlecht sehr einfach gemacht haben – da geht die Zahl der Frauen radikal zurück. Mehr als 100 Millionen „vermisster Frauen“ vor allem in Asien hat der Ökonom Amartya Sen schon vor mehr als zehn Jahren ausgemacht. Aber das ist nur die eine Seite. Die andere – das sind die „überschüssigen Männer“. Von denen wird es 2020 mehr als 30 Millionen in Indien geben, 30 bis 40 Millionen in China. Das sind konservative Schätzungen.
Das ist kein unbedeutender Haufen junger unterforderter Männer mehr, das ist eine bedrohliche Menge. Und was diese überschüssige Männermenge in Bezug auf nationale und internationale Konflikte ausrichten kann, wollte die Politikprofessorin Valerie Hudson herausfinden. In der jüngsten Ausgabe des Harvard-Journals International Security veröffentlichte sie recht bedrückende Ergebnisse.
Die Chinesen haben seit langem ein Wort für solche „überschüssigen“ Junggesellen. „Dürre Äste“ nennt man solche Männer, die nie im Leben die Chance erhalten werden, sich fortzupflanzen. Nach der Theorie des „kleinsten gemeinsamen Nenners“ wächst das Verhalten von Männern in Gruppen – vor allem junger, lediger Männer mit niedrigem sozialen Status – nicht über das Verhalten derjenigen hinaus, der sich am schlimmsten aufführt. In einer solchen „Jungesellensubkultur“ finden sich all jene zusammen, die keine Frau abbekommen; das sind, da Frauen „hinauf“ heiraten, vor allem die unterprivilegierten, arbeitslosen, nichtsesshaften unter den Männern.
Um ihre Männlichkeit zu beweisen, die ihnen durch ihr Ledigsein sozial aberkannt wird, werden sie sich zusammenrotten, bilden, dafür gibt es historische Vorläufer, kriminelle Banden, oder stellen sich als rebellische Banditen gegen die Obrigkeit. Vor allem Indien oder China mit der größten Anzahl zukünftiger Junggesellen, meint Valerie Hudson, müssen mit inneren Unruhen rechnen; solche Männer könnten gar zur „Kraft für eine politische Revolution“ werden.
Kurzfristige Strategien gegen „dürre Äste“ gibt es: ihre Anzahl verringern, sie zur Selbstvernichtung treiben oder sie exportieren. Da könnte China auf die Idee kommen, es sei besser, den Überschuss in die Selbstvernichtung oder zum Export zu treiben – etwa mit einem Militäreinsatz im Ausland, genannt Krieg. Der Trick hat in solchen Situationen immer funktioniert.