Die Chancen auf einen besinnlichen Ausklang stehen schlecht. Auch die letzten Handelstage dürften keinen Umschwung bringen. Der Dax verlor in diesem Jahr gut 40 Prozent.Auch an den letzten Tagen des rabenschwarzen Börsenjahres 2002, das von einem Vertrauensschwund der Anleger und enttäuschenden Unternehmensergebnissen geprägt war, wird an den Finanzmärkten mit hoher Volatilität und kaum noch mit steigenden Kursen gerechnet. Zwar dürfte der Handel in dieser Woche erlahmen, da an den meisten europäischen Börsen nur an zwei Tagen (23. und 27. Dezember) und in London und den USA zusätzlich noch am zweiten Weihnachtstag gehandelt wird. Aber in diesem Umfeld können schon kleinere Orders große Kursbewegungen auslösen. Zudem hält der mögliche Irak-Krieg die Märkte mehr denn je in Atem.
Kampf um die 3000 Punkte
Die Experten der Bankgesellschaft Berlin rechnen zwar mit einer gewissen Entspannung nach dem dreifachen Verfallstermin bei Futures und Optionen, der in der vergangenen Woche für erhöhte Nervosität gesorgt hatte. Angesichts der schwierigen konjunkturellen und politischen Situation fällt es den Strategen aber schwer, "noch an einen freundlichen Jahresausklang zu glauben". Auch aus technischer Sicht sind die Vorzeichen beim Dax nicht positiv. "Die Indikatoren weisen durch die Reihe Verkaufssignale auf. Die Risiken dominieren klar", schreiben die Charttechniker von HSBC Trinkaus & Burkhardt. Sie fürchten daher, dass der Dax die Marke von 3000 zum Jahresende nicht behauptet.
Fundamental gibt es kaum Impulse. Die heutige Premiere der Deutschen Börse im Dax ist hierzulande schon das Highlight. Immerhin werden auch in dieser Woche neue Absatzzahlen der Handelsketten und einige US-Konjunkturdaten erwartet.
Doch selbst bei guten Daten – die Aussichten sind auch in New York schlecht. "Die Anleger denken mehr an Saddam Hussein als an den Weihnachtsmann," kommentiert Sam Stovall von Standard & Poor's, "das lässt nur wenig Spielraum für eine neue Rally." Der Irak-Faktor ziehe den Markt herunter, glaubt James Awad von Awad Asset Management: "Dieses Klima wird sich wohl bis ins neue Jahr fortsetzen."
In der vergangenen Woche verlor der Dax 1, 72 Prozent. Der Stoxx gewann dagegen 1,68 Prozent. Der Dow Jones-Index stieg um 0,94 Prozent und die Nasdaq um 0,73 Prozent. Vernichtend sieht dagegen die Jahresbilanz aus: In diesem Jahr verloren Dax und Nasdaq jeweils rund 40 Prozent . Der Stoxx gab fast 35 Prozent nach, der Dow Jones "nur" etwas mehr als 25 Prozent.
"Ein drittes schlechtes Jahr war unwahrscheinlich – statistsich gesehen"
"Wir waren sicherlich optimistischer", sagt Bernd Meyer, Stratege bei der Deutschen Bank. Ein drittes negatives Aktien-Jahr in Folge sei schon aus statistischer Sicht unwahrscheinlich gewesen. Die Deutsche Bank hatte auf eine moderate konjunkturelle Erholung gesetzt und daher ein Plus von 10 bis 15 Prozent bei den wichtigen europäischen Kursbarometern prognostiziert. Bei der Bankgesellschaft Berlin gesteht man ein, noch "bullisher" gewesen zu sein. "Wenn man mit einem Aufschwung rechnet, sind zehn Prozent ja nicht so viel", sagt Stratege Stefan Mitropoulus.
Dass der Dax heute laut Mitropoulus weit unter seinem fairen Wert liegt, führt der Stratege in erster Linie auf die Vertrauenskrise der Investoren zurück, die durch den Enron-Skandal 2001 ausgelöst wurde und mit der Worldcom-Pleite in diesem Jahr verschärft wurde. "So etwas kann der Markt nicht so einfach wegstecken."
Vertrauen war gestern
Bilanzbetrügereien veranlassten Aufsichtsbehörden und Börsen zu zahlreichen Initiativen. Die wichtigste: der Sarbanes-Oaxley-Act, der Manager zur Beeidung der Konzernbilanzen verpflichtete. Auch in Deutschland wurde reagiert. Mit der Auflösung des Neuen Marktes und der Einteilung der notierten Unternehmen in den Prime Standard, der hohe Transparenzanforderungen stellt, und dem weniger anspruchsvollen General Standard sollen Investoren zurückgewonnen werden.
Rückschläge für die Märkte gab es nicht nur durch Skandale und durch Kriegsgefahr, sondern auch von der Konjunkturfront. Die ausbleibende Belebung führt Deutsch-Banker Meyer in erster Linie auf schwache Unternehmens-Investitionen, beispielsweise im IT-Bereich, zurück. Der Konsum sei dagegen, zumindest in den USA, sehr stabil gewesen.
Aufgrund der enttäuschenden Konjunktur-Entwicklung konnten dann auch die Zykliker, von den meisten Strategen favorisiert, die Erwartungen nicht erfüllen. Andere Branchen erwischte es aber schlimmer. Die höchsten Verluste verbuchten Hightech-Aktien, deren Stoxx-Subindex um 55 Prozent fiel. Die durch die Aktien-Baisse gebeutelten und durch die deutsche Jahrhundert-Flut zusätzlich belasteten Versicherer kamen auf ein Minus von 50 Prozent .
Die Stunde der Aneihen
Anleihen haben sich dagegen im Jahresverlauf zu einer der erfolgreichsten Anlageformen entwickelt. Der MSCI Welt-Bondindex der zwanzig größten Volkswirtschaften hat 2002 um gut 17 Prozent zugelegt. Der Terminkontrakt auf zehnjährige Bundesanleihen (Bund Future) stieg am Donnerstag mit 112,85 Punkten auf den höchsten Stand in diesem Jahr.
Die Staatsanleihen in den USA und Europa profitierten dabei von ihrem Status als sicherer Hafen, von den schwachen Aktienmärkten, den trüben Konjunkturaussichten und von der Zinssenkungsfantasie. Die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank senkten ihre Leitzinsen in diesem Jahr um jeweils 50 Basispunkte auf 1,25 Prozent und 2,75 Prozent.
Zu den Überfliegern zählten die Staatsanleihen der osteuropäischen Schwellenländer. Die Märkte in Polen, Russland und der Türkei legten um jeweils mehr als 20 Prozent zu. In der Tschechischen Republik rentieren zehnjährige Staatspapiere mittlerweile sogar unter zehnjährigen Bundesanleihen, obwohl sie von den Ratingagenturen um vier Stufen schlechter bewertet werden.
Solides Plus bei Corporate Bonds
Trotz der auf Rekordniveau gestiegenen Ausfallraten konnten auch die Unternehmensanleihen Gewinne von durchschnittlich knapp zehn Prozent erzielen. Die konjunkturelle Unsicherheit und die Angst vor einer Zuspitzung des Irak-Konflikts sorgten allerdings für eine gestiegene Risikoaversion gegenüber Bonds mit schlechterer Bonitätseinschätzung. Insgesamt blieb das Emissionsvolumen am Eurokapitalmarkt in diesem Jahr deutlich hinter dem des Vorjahres zurück.
Auch für den Rest des Jahres dürfte die Tendenz am Anleihemarkt freundlich bleiben. Allerdings rechnen Händler mit sehr geringen Umsätzen, so dass wie bei den Aktien es zu relativ hohen Schwankungen kommen könnte.
Der Euro hat es 2002 endlich geschafft, das Vertrauen der Anleger zu gewinnen. Die europäische Gemeinschaftswährung hat dem Dollar den Status als Krisenwährung streitig gemacht und ist von ihrem Jahrestief im Januar (0,8565 $) in diesem Monat zeitweise über 1,03 $ gestiegen.
ftd.