Durch Kursrückschläge an den Börsen haben viele Zertifikate zuletzt Federn lassen müssen. Gleichzeitig beschert die anhaltende Nervosität den Discount-Zertifikaten ein Comeback: Aufgrund gestiegener Volatilitäten sind für den Anleger nun größere Rabatte drin als noch vor wenigen Monaten. Ist die Zeit also reif für Schnäppchen? Und welche Zertifikate-Arten geraten durch die größere Schwankungsfreude unter Druck?
In den Augen vieler Anleger hätte es schön so weiter gehen können: Die Stimmung an den Finanzmärkten war zuletzt über Monate hinweg bestens. In Deutschland kletterte der Leitindex DAX seit 2003 relativ stetig von rund 2400 Punkten bis zum Sommer dieses Jahres auf einen Stand deutlich jenseits der 6000 Punktemarke. Die Exporte liefen dank boomender Weltwirtschaft, Gewinne stiegen, Inflationsängste waren kaum vorhanden. Doch Mitte Mai folgte die Ernüchterung: Nicht nur in Deutschland, sondern an fast allen wichtigen Aktienmärkten ging es rapide bergab. In nur vier Wochen verlor der DAX fast 900 Punkte – das reinigende Gewitter machte fast die gesamte bis dahin in 2006 angehäufte Ernte zunichte. Auslöser der Kurseinbrüche, von denen selbst boomende Börsen in Schwellenländern nicht verschont blieben, waren nach Expertenmeinung vor allem Sorgen um die Inflation in den USA und entsprechende Reaktionen der US-Notenbank.
Die Binsenweisheit, dass die Börse keine Einbahnstraße ist, haben in diesen Tagen nicht nur Aktionäre, sondern auch Besitzer von Derivaten und strukturierten Produkten leidvoll erfahren müssen. Ein besonders böses Erwachen gab es vor allem bei besonders riskanten Papieren. So genannte Hebelprodukte (Knock-Outs, Turbos oder Minifutures) verfallen in der Regel wertlos, wenn bestimme Barrieren erreicht werden – was bei einem Kursrutsch leicht passieren kann. Dieses Risiko ist der Preis dafür, dass der Besitzer bei günstigen Marktentwicklungen weit überdurchschnittlich profitiert.
Auch für klassische Anlageprodukte, die die Entwicklung eines Basiswertes nachzeichnen, gilt: Wenn der Basiswert an Wert verliert, sinkt auch der Preis entsprechender Zertifikate – sofern mit diesen nicht gerade auf solche Kurseinbrüche gesetzt wurde. Das betrifft Index- oder Trackerprodukte ebenso wie etwa Discount- oder Bonuszertifikate. Dabei kann der Kursverlust bedingt durch die Konstruktion einiger Papiere unter Umständen sogar größer ausfallen als beim Basiswert selbst.
Die jüngste Kurskorrektur an den Aktienmärkten findet ihren Niederschlag in gestiegenen Volatilitäten. Die Volatilität kennzeichnet, wie stark der Kurs etwa einer Aktie in einem bestimmten Zeitraum um den Mittelwert dieser Periode geschwankt hat. Sie ist damit ein Maß für das Risiko einer Anlage: Ist der Markt unsicher, geht dies mit hohen Volatilitäten einher. Lange Zeit war davon zuletzt auf dem deutschen Aktienmarkt nichts zu spüren. Nun aber haben die Volatilitäten angezogen: Der DAX-Volatilitätsindex VDAX, der die von Marktteilnehmern erwartete Schwankungsbreite für den DAX innerhalb der kommenden 45 Tage angibt, notiert mit 22,38 Punkten (Stand: 19.07.) verglichen mit dem Vorjahr knapp auf dem doppelten Punktestand.
Der Anstieg der Volatilitäten hat Folgen auf dem Zertifikatemarkt. Er rückt eine Zertifikate-Art ins Rampenlicht, die zuletzt Outperformern, Twin-Wins und anderen Konstruktionen eher die große Bühne überlassen musste: das Discount-Zertifikat. Völlig untergetaucht seien die Discount-Zertifkate zwar auch in der Vergangenheit nicht, sagt Ralph Stemper, Derivate-Experte der Commerzbank in Frankfurt. So habe es durchaus Zertifikate auf Einzelwerte nicht nur aus der zweite Reihe gegeben, die attraktive Konditionen vorweisen konnten. „Aber ohne Frage war die breite Masse der Discount-Zertifikate zuletzt nicht mehr so attraktiv, wie sie früher schon einmal gewesen sind.“ So kann der Anleger nun aufgrund der Konstruktion der Discount-Zertifikate wieder größere Preisnachlässe im Vergleich zum Direktinvestment realisieren als noch vor wenigen Wochen. „In einer solchen Marktphase machen Discount-Zertifikate verstärkt Sinn“, sagt auch Stefan Gresse, Derivate-Experte bei ABN Amro.
Entscheidend für die Höhe des Discounts ist der Preis, den der Emittent für eine Call-Option auf den Basiswert erzielen kann. Die Option stellt das Recht dar, diesen Basiswert später zu einem festgeschriebenen Preis zu kaufen. Wenn die Aktienkurse verstärkt zu Schwankungen neigen, dann ist den Marktteilnehmern ein vereinbarter, fixer Preis in der Zukunft deutlich mehr wert als in Zeiten, wo es kaum Kursausschläge gibt. Das verteuert die Option, verbilligt das Discount-Zertifikat, und macht darüber hinaus auch Outperformance-Zertifikate oder Garantieprodukte weniger attraktiv.
So hat ABN Amro aktuell zum Beispiel ein Discount-Zertifikat im Angebot (WKN: ABN6Z3), dessen Rückzahlung sich auf den türkischen Index DJ Turkey Titans 20 bezieht und das im Vergleich zum Basiswert knapp 48 Prozent Discount bietet, also nur rund halb so teuer ist wie ein entsprechendes Indexzertifikat. Auch auf den russischen RTX-Index oder den brasilianischen Bovespa-Index lassen sich hohe Rabatte finden (z.B. WKN: ABN6BH, ABN6EU). Andere Banken bieten derzeit ähnlich hohe Discounts.
Wie aber wählt man einen Discounter am Geschicktesten aus? „Discount-Zertifikate können unter dem Gesichtspunkt der Risikosenkung betrachtet werden“, sagt Gresse. Schließlich erleidet der Anleger erst dann einen Verlust, wenn der Basiswert unter den Preis fällt, zu dem er das Zertifikat gekauft hat. Doch auch die Renditeerwartung sollte bei der Auswahl eines Produktes eine Rolle spielen: Besitzer von Discount-Zertifikaten werden nur bis zu einer bestimmten Grenze (Cap) an einer positiven Entwicklung des Basiswertes beteiligt, so dass sich für jedes Zertifikat die maximale Rendite berechnen lässt. Nicht zuletzt sollten Anleger auch auf die Laufzeit achten. Werden die Zertifikate kürzer als 12 Monate gehalten, droht die Versteuerung möglicher Gewinne (Spekulationsfrist).
Nicht nur auf Indizes in Schwellenländern, deren junge Börsen von Haus aus als volatiler gelten, lassen sich mit Discount-Zertifikaten Rabatte realisieren. Die Tabellen auf Seite drei und vier zeigen eine Auswahl an Discount-Zertifikaten mit aktuell hoher Seitwärtsrendite auf internationale beziehungsweise deutsche Einzeltitel. Diese Kennzahl macht deutlich, welche Rendite mit dem Produkt zu erzielen ist, wenn der Kurs des Basiswertes bis zur Fälligkeit unverändert bleibt. Zeigen die Produkte in Punkto „Abstand vom Cap“ einen negativen Wert an, ist der Cap bereits überschritten – der Kurs des Basiswertes kann bei diesen Zertifikaten sogar um den ausgewiesenen Wert sinken, ohne dass die Rendite beeinträchtigt wäre. Es wurden nur Produkte betrachtet, die erst in 15 bis 24 Monaten fällig werden.
Wer mit weiter stark steigenden Volatilitäten rechnet, mag nun vielleicht darauf warten, dass sich Discount-Zertifikate noch weiter verbilligen. Der optimale Zeitpunkt für den Einstieg sei immer schwer vorherzusagen, räumt Derivate-Experte Gresse ein. Dennoch scheint aktuell die Zeit für Schnäppchen durchaus schon jetzt reif zu sein. Gresse: „Hoher Ölpreis, Unruhen im nahen Osten – derzeit sind bereits viele der denkbaren Inputfaktoren gegeben, die für Unsicherheit am Markt sorgen