ANLAGE-BETRUG / Aktionärsschützer warnen vor Tipps per Spam-Mail
Die Masche ist plump und gefährlich
Die Masche ist gleichermaßen plump wie gefährlich: Per Spam-Mail verschickte, vermeintlich heiße Anlagetipps, die einzig dazu dienen dass die Absender Kasse machen können. Aktionärsschützer warnen eindringlich: Hände weg. Die Finanzaufsicht ermittelt.
Kurs aktuell 5 Cent. Kursziel auf Wochensicht 34 Cent, in vier Wochen gar 2,60 EUR - mehr als das 50-fache. Wer nur 1000 EUR investiert, könnte einen satten Gewinn einfahren. Die Aktie der Popnet Internet AG ist ein ganz heißer Tipp. So wie AGIV Real Estate AG: Von 12 Cent in vier Wochen auf 2,30 EUR. Oder die Ceyoniq AG, die angeblich ähnliche glänzende Aussichten hat. Und das ehemalige Neue-Markt-Unternehmen Artstore. Seit Monaten landen massenweise Emails mit solch heißen Tipps für nur mit Cent-Beträgen bewertete "Penny-Stocks" in den Postfächern deutscher Anleger. Wer auf die Masche eingeht und kauft, ist meist der Dumme und verliert sein Geld. Die Absender geben sich seriös: Einmal die "Deutsche Chartanalyse und Bewertung", dann eine "Gesellschaft für Aktien-Analyse" oder der "Deutsche Anlage Report". Zu ermitteln sind die Absender nicht. Sie fahren eine einfache Masche: Sie kaufen die "Penny-Stocks", schicken dann die Spam-Mails raus. Offenbar springen einige Empfänger tatsächlich auf, kaufen das Papier, dessen Kurs auch kurzfristig steigt. Der Absender verkauft seine Aktien in diesem Moment und sichert sich mitunter mehrere tausend Euro Gewinn, während der angelockte Käufer leer ausgeht. Anlegerschützer warnen, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ermittelt. 600 Hinweise zu mehr als 30 Aktien sind bei der Bafin in den letzten Monaten eingegangen, sagt Sprecherin Anja Neukötter. Die Ermittlungen laufen, bislang ohne Ergebnis. Auch betroffene Unternehmen, die zum Teil in der Insolvenz stecken, hätten sich bereits gemeldet. Beim Deutschen Institut für Anlegerschutz (DIAS), bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK) und der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) häufen sich die Meldungen über die Masche, die aus den USA nach Deutschland herübergeschwappt ist, und auf die offenbar immer mehr Nachahmer aufspringen. "Man muss sich wundern, dass das funktioniert", sagt DIAS-Experte Volker Pietsch. Bis zu 15 Prozent der Deutschen seien für solche Tipps empfänglich, vermutet er, zumal in solch generell guten Börsenzeiten. "Man kann nur davor warnen", sagt Pietsch. Auch die Bafin rät davon ab, "solche Mitteilungen als Grundlage für Anlageentscheidungen" zu benutzen. Die Verbreitung der Spams sei nur dazu da, die Kurse der jeweiligen Wertpapiere ohne realistischen Hintergrund in manipulativer Weise nach oben zu treiben. "Wer sich auf solche Tipps einlässt, ist naiv und töricht", sagt auch SDK-Sprecherin Reinhild Keitel. DSW-Sprecher Jürgen Kurz wundert sich, dass die Masche greift, obwohl einige Absender in der Mail ausdrücklich einräumen, dass sie die Aktie selbst besitzen. Studien zeigen, dass die vermeintlich heißen Tipps in der Regel totale Flops sind. Im Schnitt stieg der Kurs der jeweiligen Aktie für höchstens drei Tage um rund 2 Prozent, bevor er wieder absackte, haben die beiden Informatiker Rainer Böhme und Thorsten Holz aus Dresden und Mannheim nachgewiesen. Diese Erkenntnisse schrecken Aktien-Spam-Mailer nicht ab. Selbst der Berliner Eisbär Knut gilt als Indiz für eine angeblich bevorstehende Kursexplosion - bei der schweizerischen Tier-Spezi AG.
ROLF OBERTREIS