Weltpolizist ohne Nummernschild
Die USA schicken unregistrierte Spionagesatelliten ins All und brechen damit eine Uno-Konvention. Amateurforscher haben die Amerikaner überführt.
Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die konnte sich Jonathan McDowell nur schwer erklären. Häufig, wenn der Astronom vom renommierten Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics die Sterne beobachtete, sah er Dinge, die es eigentlich gar nicht gibt: unbekannte Flugobjekte, die hell und klar ihre Bahnen über den Nachthimmel ziehen, aber in keinem offiziellen Register auftauchen. McDowell begann zu recherchieren.
Die geheimnisvollen Objekte, so fand er heraus, sind Spionagesatelliten der USA. Eigentlich muss jeder Satellit bei einem Spezialregister der Uno angemeldet werden, das sieht eine Konvention von 1976 vor, genannt "Convention on the Registration of Objects Launched into Outer Space". 43 Staaten haben diese Konvention verabschiedet, auch die USA. Trotzdem fährt der Weltpolizist gern ohne Nummernschild Patrouille.
"Die meisten Informationen über geheime Militärsatelliten sind absichtlich falsch oder irreführend", ärgert sich Sternenforscher McDowell, "und das Problem nimmt zu." Derzeit kreisen über hundert falsch oder gar nicht angemeldete US-Satelliten am Himmel, mindestens acht davon zu Spionagezwecken. Früher wäre das einfach als eine Unhöflichkeit gegenüber anderen Staaten durchgegangen. "Aber seit Bush die Aufrüstung im All plant, kann diese Desinformation gefährlich werden", warnt McDowell. "Denn dadurch wird es schwieriger zu kontrollieren, ob und wie viele Waffensysteme im All installiert sind." Das internationale Misstrauen wächst.
Man komme der Konvention in vollem Umfang nach, behauptet das militärische Weltraumzentrum US Space Command in Colorado, das atombombensicher in einem Bunker tief unter dem Cheyenne Mountain versteckt liegt. Bei der Uno ist man anderer Meinung.
"Wir können nur hoffen, dass die fehlenden Informationen bald nachgereicht werden", sagt Petr Lála leicht resigniert. Der gebürtige Tscheche leitet in Wien die Uno-Abteilung "Office for Outer Space Affairs". Gerechtigkeitshalber erinnert Lála daran, dass viele Nationen schlampig mit ihren Satellitendaten umgehen, nicht nur die USA. Nachlässig seien auch Länder wie China, Deutschland oder Japan. Erstaunlicherweise halten sich die Russen vorbildlich an die Vereinbarung.
Die Konvention ist eine jener idealistischen Gutgemeintheiten ohne Biss. Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gibt es nicht; die Formulierungen sind butterweich. Die Anmeldung, so heißt es zum Beispiel, müsse "so früh wie möglich erfolgen" - also im Zweifelsfalle nie.
"Wenn das Beispiel der USA Schule macht, hält sich bald niemand mehr an die Konvention", klagt Charles Vick, Spezialist für Raumfahrtpolitik bei der Wissenschaftlervereinigung Federation of American Scientists. "Dann hätten wir das absolute Chaos im All."
Eigentlich müsste allen Beteiligten klar sein, wie wichtig die Anmeldung der Satelliten ist, spätestens seit jenem Januarvormittag im Jahre 1978: Um sieben vor zwölf Weltzeit zerbarst ein sowjetischer Satellit mit Atomreaktor an Bord unweit des Großen Sklavensees in Kanada. Dank korrekter Registrierung war der Schuldige sofort ausgemacht; die Sowjetunion zahlte Schadensersatz.
Die Geheimniskrämerei ist ohnehin weitgehend zwecklos. Denn leistungsfähige Spähsatelliten, die aus mehreren hundert Kilometer Höhe eine Handtasche erkennen können, wiegen häufig über zehn Tonnen, werden mit riesigen "Titan"- oder "Atlas"-Raketen emporgeschickt und sind mit bloßem Auge sichtbar. Fachleute erkennen zum Beispiel Radarsatelliten vom Typ "Lacrosse", die auch durch Wolken spähen, am rötlichen Schimmern der Thermobeschichtung. Drei dieser Späher umkreisen angeblich die Erde auf geheimen Bahnen.
Die wichtigste Unterstützung bei seinen Recherchen bekommt McDowell von Amateuren: Satellitenbeobachter aus aller Welt machen sich einen Spaß daraus, "Keps" zu berechnen, die Kepler-Bahnen von Satelliten. Im Internet tauscht die kleine Clique von rund hundert Begeisterten endlose Listen mit "Bahnelementen" aus.
Um die "Birds", wie sie die fast 9000 künstlichen Erdtrabanten liebevoll nennen, besser beobachten zu können, entwickeln sie komplizierte "Tracking"-Programme am Rechner. Diese erlauben es, für jeden Punkt der Erde vorherzusagen, wann und wo zivile und militärische Erdtrabanten zu sehen sind. Bewaffnet einzig mit diesen Daten sowie einem Fernglas und einer Stoppuhr, legen sich die Satellitenjäger nächtelang auf die Lauer und notieren penibel, wann welcher Satellit durch welches Sternbild jagt. Die Geheimhaltung stachelt dabei nur ihren Ehrgeiz an.
"Spionagesatelliten lassen sich nicht verstecken. Die gehören zu den hellsten Objekten am Nachthimmel", erklärt Chris Peat aus München, der "heavensabove.com" betreibt, eine Website, auf der sich Satellitenvorhersagen anzeigen lassen.
Wer Satelliten geheim zu halten versuche, der mache sich selbst etwas vor: "Denn was Hobby-Beobachter können", so Peat, "das können die Militärs im Irak, in Nordkorea oder China erst recht."
HILMAR SCHMUNDT
Die USA schicken unregistrierte Spionagesatelliten ins All und brechen damit eine Uno-Konvention. Amateurforscher haben die Amerikaner überführt.
Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die konnte sich Jonathan McDowell nur schwer erklären. Häufig, wenn der Astronom vom renommierten Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics die Sterne beobachtete, sah er Dinge, die es eigentlich gar nicht gibt: unbekannte Flugobjekte, die hell und klar ihre Bahnen über den Nachthimmel ziehen, aber in keinem offiziellen Register auftauchen. McDowell begann zu recherchieren.
Die geheimnisvollen Objekte, so fand er heraus, sind Spionagesatelliten der USA. Eigentlich muss jeder Satellit bei einem Spezialregister der Uno angemeldet werden, das sieht eine Konvention von 1976 vor, genannt "Convention on the Registration of Objects Launched into Outer Space". 43 Staaten haben diese Konvention verabschiedet, auch die USA. Trotzdem fährt der Weltpolizist gern ohne Nummernschild Patrouille.
"Die meisten Informationen über geheime Militärsatelliten sind absichtlich falsch oder irreführend", ärgert sich Sternenforscher McDowell, "und das Problem nimmt zu." Derzeit kreisen über hundert falsch oder gar nicht angemeldete US-Satelliten am Himmel, mindestens acht davon zu Spionagezwecken. Früher wäre das einfach als eine Unhöflichkeit gegenüber anderen Staaten durchgegangen. "Aber seit Bush die Aufrüstung im All plant, kann diese Desinformation gefährlich werden", warnt McDowell. "Denn dadurch wird es schwieriger zu kontrollieren, ob und wie viele Waffensysteme im All installiert sind." Das internationale Misstrauen wächst.
Man komme der Konvention in vollem Umfang nach, behauptet das militärische Weltraumzentrum US Space Command in Colorado, das atombombensicher in einem Bunker tief unter dem Cheyenne Mountain versteckt liegt. Bei der Uno ist man anderer Meinung.
"Wir können nur hoffen, dass die fehlenden Informationen bald nachgereicht werden", sagt Petr Lála leicht resigniert. Der gebürtige Tscheche leitet in Wien die Uno-Abteilung "Office for Outer Space Affairs". Gerechtigkeitshalber erinnert Lála daran, dass viele Nationen schlampig mit ihren Satellitendaten umgehen, nicht nur die USA. Nachlässig seien auch Länder wie China, Deutschland oder Japan. Erstaunlicherweise halten sich die Russen vorbildlich an die Vereinbarung.
Die Konvention ist eine jener idealistischen Gutgemeintheiten ohne Biss. Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gibt es nicht; die Formulierungen sind butterweich. Die Anmeldung, so heißt es zum Beispiel, müsse "so früh wie möglich erfolgen" - also im Zweifelsfalle nie.
"Wenn das Beispiel der USA Schule macht, hält sich bald niemand mehr an die Konvention", klagt Charles Vick, Spezialist für Raumfahrtpolitik bei der Wissenschaftlervereinigung Federation of American Scientists. "Dann hätten wir das absolute Chaos im All."
Eigentlich müsste allen Beteiligten klar sein, wie wichtig die Anmeldung der Satelliten ist, spätestens seit jenem Januarvormittag im Jahre 1978: Um sieben vor zwölf Weltzeit zerbarst ein sowjetischer Satellit mit Atomreaktor an Bord unweit des Großen Sklavensees in Kanada. Dank korrekter Registrierung war der Schuldige sofort ausgemacht; die Sowjetunion zahlte Schadensersatz.
Die Geheimniskrämerei ist ohnehin weitgehend zwecklos. Denn leistungsfähige Spähsatelliten, die aus mehreren hundert Kilometer Höhe eine Handtasche erkennen können, wiegen häufig über zehn Tonnen, werden mit riesigen "Titan"- oder "Atlas"-Raketen emporgeschickt und sind mit bloßem Auge sichtbar. Fachleute erkennen zum Beispiel Radarsatelliten vom Typ "Lacrosse", die auch durch Wolken spähen, am rötlichen Schimmern der Thermobeschichtung. Drei dieser Späher umkreisen angeblich die Erde auf geheimen Bahnen.
Die wichtigste Unterstützung bei seinen Recherchen bekommt McDowell von Amateuren: Satellitenbeobachter aus aller Welt machen sich einen Spaß daraus, "Keps" zu berechnen, die Kepler-Bahnen von Satelliten. Im Internet tauscht die kleine Clique von rund hundert Begeisterten endlose Listen mit "Bahnelementen" aus.
Um die "Birds", wie sie die fast 9000 künstlichen Erdtrabanten liebevoll nennen, besser beobachten zu können, entwickeln sie komplizierte "Tracking"-Programme am Rechner. Diese erlauben es, für jeden Punkt der Erde vorherzusagen, wann und wo zivile und militärische Erdtrabanten zu sehen sind. Bewaffnet einzig mit diesen Daten sowie einem Fernglas und einer Stoppuhr, legen sich die Satellitenjäger nächtelang auf die Lauer und notieren penibel, wann welcher Satellit durch welches Sternbild jagt. Die Geheimhaltung stachelt dabei nur ihren Ehrgeiz an.
"Spionagesatelliten lassen sich nicht verstecken. Die gehören zu den hellsten Objekten am Nachthimmel", erklärt Chris Peat aus München, der "heavensabove.com" betreibt, eine Website, auf der sich Satellitenvorhersagen anzeigen lassen.
Wer Satelliten geheim zu halten versuche, der mache sich selbst etwas vor: "Denn was Hobby-Beobachter können", so Peat, "das können die Militärs im Irak, in Nordkorea oder China erst recht."
HILMAR SCHMUNDT