Bild wird 50

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hjw2:

Bild wird 50

 
23.06.02 13:01
DIE ZEIT

Politik 26/2002

Bilder einer Republik


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Das Zentralorgan deutscher Befindlichkeit wird 50

von Josef Joffe

Es ist schon lange her, dass Bild, nun 50 Jahre alt, "Schlagzeilen wie Schlagstöcke" einsetzte, gar (angeblich) die "Rhetorik des Faschismus" pflegte. Es ist aber auch lange her, dass diese Republik regelmäßig den ideologischen Bürgerkrieg inszenierte - von der Wiederbewaffnung bis zum Nato-Beitritt, vom RAF-Terror bis zur Raketenschlacht. Der Jubilar ist Kind und getreuer Spiegel dieser Republik; das ist die Moral von der Geschicht. Wie sollte es anders sein, wenn täglich elf Millionen das Blatt lesen? Und lesen sollen.

Es ist auch schon lange her, dass Jürgen Habermas von den "Massenmedien als einer vermachteten Arena" raunte, welche die "Öffentlichkeit zugleich vorstrukturieren und beherrschen" würden. Derlei "Arena" hat im freien Deutschland wohl nie existiert; heute gibt es sie auf keinen Fall. Denn Öffentlichkeit und Politik haben sich so verändert wie der Jubilar, das deutscheste aller Blätter.

Goebbels hatte seinen Volksempfänger, Adenauer musste nur einen TV-Sender bedienen, um das Medium zur Message zu machen. Schröder muss auf allen 30 Kanälen tanzen, um sich und seine Botschaft "rüberzubringen". Wer kann noch die special interest-Magazine zählen, die eng gedrängt die Kioske tapezieren? Broadcasting hieß der Sendebetrieb einst auf Englisch, heute ist alles narrowcasting. Je kleiner das Grüppchen, desto größer die Werberendite.

.................."




"....Kein Wunder, dass sich auch das Verhalten der Politiker verändert hat. Einst wollten sie mit Programmen Stimmengewinne maximieren, heute wollen sie Stimmenverluste minimieren. Bloß keine Wählergruppe verärgern, und deshalb das Diffuse, das Kantenlose ihrer Werbung. Einst machte die Boulevardpresse Stimmungen, heute reitet sie auf ihnen. Genauso wie die Politiker, die von Welle zu Welle springen, ohne sich je einem Brecher entgegenzustemmen. Sie würden weggespült. Besser ein maulender, "politikverdrossener" Wähler als ein zorniger. Der Bürger will keine "Führer" mehr; er ist tatsächlich mündig geworden. Und Politik zum Parallelogramm der Kräfte. Das Rezept, wie man es schöner, besser und edler machen könnte, ohne die Demokratie zu coupieren, ist noch nicht erfunden...."



www.zeit.de/2002/26/Politik/200226_1._leiter.html


"..Das Rezept, wie man es schöner, besser und edler machen könnte, ohne die Demokratie zu coupieren, ist noch nicht erfunden...."

Das sehe ich in der Tat anders, entmachtet den Parteienfilz...!!
TD714788:

Dazu unbedingt das SZ-Magazin von Freitag lesen

 
23.06.02 13:29
Hallo,

leider ist der Artikel in der Online-Ausgabe nicht zu finden. Im SZ-Magazin vom Freitag äußern sich fünf Menschen zu ihren Erfahrungen mit der Bild.

Gudrun Staeb. Frühere Lebensgefährtin von Raimund Harmstorf. Er erhängte sich am 3. Mai 1998, einen Tag, nachdem Bild berichtet hatte: "Seewolf Raimund Harmstorf in der Psychatrie"

Maik Hauke. Im November 2000 schrieb Bild, im sächsischen Sebnitz sei ein kleiner Junge von Neonazis ermordet worden. Hauke war einer der vermeintlichen Täter. Er berichtet von den Erfahrungen im Knast, nachdem die Bild ihn zum Täter machte.

Ulla Jelpke. PDS-Bundestagsabgeordnete. Vom Stiefvater missbraucht und ein Baby. - "In Bild erzählt sie alles", hiess es 1991. Dabei wollte Ulla Jelpke gar nichts erzählen.

Jürgen Trittin. "Was machte Minister Trittin auf dieser Gewalt-Demo?", fragte Bild im Januar 2001. Dazu ein offensichtlich manipuliertes Foto, das aus einem Handschuh einen Bolzenschneider und aus einem Tau einen Schlagstock macht.

Günter Wallraff. Der 50. Geburtstag von Bild ist auch für ihn ein Jubiläum: Vor 25 Jahren schlich er sich als Hans Esser in die Bild-Redaktion Hannover ein. Er berichtet über angezapfte Telefone und Abschiedsbriefe von Leuten, die sich wegen der Bild das Leben nahmen.


Sehr interessante Lektüre.

Grüsse,
Tyler Durdan
wetty:

Bin weder BILD-Leser noch Befuerworter, aber

 
23.06.02 13:38

Tatsache ist: _Niemand_ nimmt sich wegen eines Zeitungsartikels das Leben.

Die Behauptung es sein so ist BILD-Niveau.



mfg
TD714788:

@wetty

 
23.06.02 13:42
Hallo,

natürlich wird nicht die Bild der einzige Auslöser sein, aber bei Personen, die ohnehin psychisch labil sind, kann der öffentliche Druck, den ein diffamierender Artikel in der Bild auslöst schon dazu führen, daß bisher unbestimmte Suizid-Gedanken sehr konkret werden.

Die Geschichte von Raimund Harmstorf ist nur ein "gutes" Beispiel dafür.

Diese Behauptung ist also keineswegs Bild-Niveau.

Grüsse,
Tyler Durdan
Happy End:

BILD-Zeitung lesen ist wie Bücher verbrennen.....

 
23.06.02 15:08
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