Behörden und Politiker unter schweren Beschuss
Bankskandal: Methoden wie bei Enron
Von OLAF JAHN, MATHEW D. ROSE
Die Buchungstricks bei den US-Konzernen Enron und Worldcom haben die Finanzmärkte erschüttert. Fünf Jahre zuvor sollen Bilanzprüfer in Berlin bei der dortigen Bankgesellschaft ebenfalls falsche Testate gegeben haben.
BERLIN. Die international operierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO hat offenbar jahrelang Bilanzen der Immobilientochter IBG der Bankgesellschaft Berlin wissentlich falsch testiert. Dem ARD-Magazin Kontraste und dem Handelsblatt liegt eine Sonderprüfung vor, aus der hervor geht, dass die BDO und die Unternehmensführung der IBG bereits 1997 über die unkalkulierbaren Risiken der Fondsgesellschaften informiert waren. Diese Risiken führten dazu, dass die Bankgesellschaft nur mit Milliarden-Hilfen des Landes Berlin vor der Pleite bewahrt werden konnte. Im Frühjahr musste das Land zudem eine Bürgschaft über 21 Mrd. Euro übernehmen.
Der renommierte Wirtschaftsprüfer Achim Walther hatte bereits vor fünf Jahren festgestellt, dass die Bank durch Mietgarantien allzu hohe Risiken eingegangen war. Nachdem Walther Alarm geschlagen hatte, verlor er seinen Prüfauftrag und seine Studie verschwand in der Schublade. Walther: „Man hatte den Wunsch, dass ich die kritischen Passagen in meinem Bericht verändern sollte. Ich habe gesagt, der Bericht bleibt so.“ Wären die Warnungen Walthers damals ernst genommen worden, hätte die dramatische Zuspitzung der Krise der Bankgesellschaft möglicherweise vermieden werden können.
Nach Einschätzung des Berliner Wirtschaftsrechtlers Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität hätte die BDO auf Grund der Kenntnis der Sonderprüfung die Jahresabschlüsse der Bankgesellschaft nicht uneingeschränkt testieren dürfen. „Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat auf der Grundlage des Walther-Berichts gewusst, dass sie etwas Falsches, etwas Unrichtiges genehmigt hat.“ Das hätte nicht passieren dürfen. Damit ist meiner Meinung nach der Straftatbestand des Bilanzbetrugs erfüllt,“ sagte Schwintowki. Für die Bankgesellschaft ergeben sich nach seiner Ansicht Schadensersatzansprüche gegen BDO in Milliardenhöhe. Der Skandal könnte den größten Haftungsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte auslösen.
Unabhängig von den Vorwürfen gegen die Wirtschaftsprüfer kritisieren Fachleute die Kontrollbehörde, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred, heute BAFin). Die Behörde habe es versäumt, die fatale Entwicklung der Immobiliengeschäfte zu stoppen, obwohl sie Kenntnis von den Vorgängen gehabt habe. Das BAFin wollte sich gestern unter Hinweis auf die Schweigepflicht nicht zu den Vorwürfen äußern. Auch BDO reagierte mit Schweigen.
Untätigkeit wird auch Berliner Politikern vorgeworfen, die zu Lasten der Stadt die Aufklärung der Missstände verhindert hätten. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und sein Vorgänger Eberhard Diepgen (CDU) haben zwar Hinweise auf die bilanzrechtlichen Manipulationen erhalten, reagierten aber erkennbar nicht.
Diepgen sagte auf Anfrage, er könne sich nicht mehr an den Vorgang erinnern. Wowereit erklärte, er habe den Vorgang an die Finanzverwaltung des Senats weitergegeben.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 22. August 2002, 20:47 Uhr
Bankskandal: Methoden wie bei Enron
Von OLAF JAHN, MATHEW D. ROSE
Die Buchungstricks bei den US-Konzernen Enron und Worldcom haben die Finanzmärkte erschüttert. Fünf Jahre zuvor sollen Bilanzprüfer in Berlin bei der dortigen Bankgesellschaft ebenfalls falsche Testate gegeben haben.
BERLIN. Die international operierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO hat offenbar jahrelang Bilanzen der Immobilientochter IBG der Bankgesellschaft Berlin wissentlich falsch testiert. Dem ARD-Magazin Kontraste und dem Handelsblatt liegt eine Sonderprüfung vor, aus der hervor geht, dass die BDO und die Unternehmensführung der IBG bereits 1997 über die unkalkulierbaren Risiken der Fondsgesellschaften informiert waren. Diese Risiken führten dazu, dass die Bankgesellschaft nur mit Milliarden-Hilfen des Landes Berlin vor der Pleite bewahrt werden konnte. Im Frühjahr musste das Land zudem eine Bürgschaft über 21 Mrd. Euro übernehmen.
Der renommierte Wirtschaftsprüfer Achim Walther hatte bereits vor fünf Jahren festgestellt, dass die Bank durch Mietgarantien allzu hohe Risiken eingegangen war. Nachdem Walther Alarm geschlagen hatte, verlor er seinen Prüfauftrag und seine Studie verschwand in der Schublade. Walther: „Man hatte den Wunsch, dass ich die kritischen Passagen in meinem Bericht verändern sollte. Ich habe gesagt, der Bericht bleibt so.“ Wären die Warnungen Walthers damals ernst genommen worden, hätte die dramatische Zuspitzung der Krise der Bankgesellschaft möglicherweise vermieden werden können.
Nach Einschätzung des Berliner Wirtschaftsrechtlers Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität hätte die BDO auf Grund der Kenntnis der Sonderprüfung die Jahresabschlüsse der Bankgesellschaft nicht uneingeschränkt testieren dürfen. „Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat auf der Grundlage des Walther-Berichts gewusst, dass sie etwas Falsches, etwas Unrichtiges genehmigt hat.“ Das hätte nicht passieren dürfen. Damit ist meiner Meinung nach der Straftatbestand des Bilanzbetrugs erfüllt,“ sagte Schwintowki. Für die Bankgesellschaft ergeben sich nach seiner Ansicht Schadensersatzansprüche gegen BDO in Milliardenhöhe. Der Skandal könnte den größten Haftungsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte auslösen.
Unabhängig von den Vorwürfen gegen die Wirtschaftsprüfer kritisieren Fachleute die Kontrollbehörde, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred, heute BAFin). Die Behörde habe es versäumt, die fatale Entwicklung der Immobiliengeschäfte zu stoppen, obwohl sie Kenntnis von den Vorgängen gehabt habe. Das BAFin wollte sich gestern unter Hinweis auf die Schweigepflicht nicht zu den Vorwürfen äußern. Auch BDO reagierte mit Schweigen.
Untätigkeit wird auch Berliner Politikern vorgeworfen, die zu Lasten der Stadt die Aufklärung der Missstände verhindert hätten. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und sein Vorgänger Eberhard Diepgen (CDU) haben zwar Hinweise auf die bilanzrechtlichen Manipulationen erhalten, reagierten aber erkennbar nicht.
Diepgen sagte auf Anfrage, er könne sich nicht mehr an den Vorgang erinnern. Wowereit erklärte, er habe den Vorgang an die Finanzverwaltung des Senats weitergegeben.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 22. August 2002, 20:47 Uhr