Fluggesellschaften verlangen vollkommen neuen Langstrecken-Jet
Airbus hinkt hinter Boeing her
Der Flugzeugbauer Airbus wird das Programm für seinen neuen Langstrecken-Jet A350 nicht vor Ende September offiziell starten. Das teilte das Unternehmen gestern in einer Pressemeldung mit. Die Fachwelt hatte den Programmstart schon nächste Woche bei der Luftfahrtmesse in Paris erwartet.
bac/ebe/mwb FRANKFURT. Branchenexperten werten die zögerliche Haltung von Airbus als Hinweis darauf, dass Airlines mit dem aktuellen A350-Design nicht einverstanden sind. "Der Markt fordert von Airbus ein komplett neues Flugzeug und keine Weiterentwicklung der A330 - das ist offensichtlich", sagte ein Berater aus der Branche. Dazu sah sich Airbus jedoch bisher nicht in der Lage, da die Ingenieure mit der Entwicklung des weltgrößten Passagierflugzeugs A380 sowie des Militärtransporters A400M beansprucht waren. Gefordert wird von den Airlines insbesondere ein geringeres Gewicht, was eine vollständige Überarbeitung des Rumpfes nötig machen würde. "Der Programmstart im September bedeutet keine Verschiebung", sagte dagegen ein Sprecher des Airbus-Mutterkonzerns EADS. Er räumte aber ein, dass es noch wichtige Dinge zu klären gebe.
Die A350 gilt als Antwort auf den neuen Hoffnungsträger von Boeing, den B787 "Dreamliner". Im Duell A350 mit 787 geht es um die Vorherrschaft im schnellen Direktverkehr, dem die Amerikaner größere Bedeutung beimessen als dem Transport über große Flughafen-Drehkreuze; in diesem Segment hat Airbus mit dem Riesenvogel A380 die Nase vorn.
Im Gegensatz zum A350ist die B787 komplett neu entwickelt. Entsprechend stößt der Jet des US-Rivalen für 200 bis 300 Passagiere bei den Airlines auf große Resonanz. Für den "Dreamliner", der 2008 und damit zwei Jahre früher als die A350 ausgeliefert werden soll, liegen 266 feste Bestellungen und Kaufabsichten vor. Für die A350 gibt es außer einer unverbindlichen Bestellung über zehn Maschinen von Air Europa bisher nur Absichtserklärungen von Emirates, US Airways und Qatar Airways. Laut BAe-Systems, dem britischen Partner der Airbus-Mutter EADS, sollen allerdings insgesamt 100 Bestellungen vorliegen. Offiziell ist das nicht.
Offensichtlich ist man sich bei Airbus noch nicht einig, wie das Flugzeug konzipiert wird. Bislang geht der Konzern von Entwicklungskosten von vier Mrd. Euro aus. Das ist - verglichen mit den Kosten für den Großraumjet A380 von bis zu 12 Mrd. Euro - wenig und nur dadurch zu erklären, dass die A350 auf Basis des bestehenden Erfolgsmodells A330 aufgebaut werden soll. Ein völlig neu konzipiertes Modell käme deutlich teurer.
Experten vermuten, dass große und wichtige Kunden von Airbus ein neu konzipiertes Flugzeug fordern. Damit wären aber deutlich höhere Kosten verbunden. Die Entscheidung scheint zu weitreichend, als dass sie ohne Führungsspitze getroffen werden kann. Noch immer steht die Ernennung von Airbus-Chef Noël Forgeard und Verteidigungschef Tom Enders an die EADS-Spitze aus, weil sich deutsche und französische Anteilseigner nicht auf die Kompetenzverteilung einigen können.
Fortschritte scheint es dagegen bei der Partnersuche für den Kampf um den wichtigsten Rüstungsauftrag in den USA zu geben. EADS und der US-Rüstungshersteller Northrop Grumman wollen sich gemeinsam um den Auftrag über die Lieferung von Tankflugzeugen bemühen. Die Allianz gegen den Branchenriesen Boeing stehe grundsätzlich, bestätigten Unternehmenskreise. Darüber hinaus will EADS am 22. Juni den US-Standort für die Produktion von Tankflugzeugen bekannt geben, sagte Guy Hicks von EADS North America.
Von ursprünglich 32 Bundesstaaten seien noch South Carolina, Alabama, Florida und Mississippi im Rennen. Sollte der europäische Konzern den Zuschlag bekommen, würden in dem Werk zwischen rund 600 und 1000 Jobs geschaffen, erklärten Unternehmensvertreter. Auf jeden Fall solle ein Entwicklungszentrum mit etwa 150 Arbeitsplätzen entstehen.
Für EADS wäre der Auftrag ein strategischer Meilenstein, um auf dem lukrativen Markt der US-Rüstungsindustrie Fuß zu fassen. Mit dem Job-Argument versucht die Firma seit Monaten, die Skeptiker im US-Kongress zu überzeugen. Zudem will EADS durch das Bündnis mit Northrop Grumman seine Position am US-Markt entscheidend verbessern. "Mit einem amerikanischen Partner hat unser Marketing eine viel stärkere Position", sagte ein Unternehmensvertreter.
Im Mai musste der deutsch-französische Konzern jedoch einen Rückschlag einstecken: Das US-Repräsentantenhaus hatte einen Gesetzentwurf verabschiedet, wonach Pentagon-Aufträge nicht an Unter-nehmen vergeben werden sollen, die sich in einem Handelskonflikt mit amerikanischen Betrieben befinden. EADS liegt derzeit mit Boeing wegen einer WTO-Klage über Milliarden-Subventionen im Clinch.
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 09. Juni 2005, 09:38 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Airbus hinkt hinter Boeing her
Der Flugzeugbauer Airbus wird das Programm für seinen neuen Langstrecken-Jet A350 nicht vor Ende September offiziell starten. Das teilte das Unternehmen gestern in einer Pressemeldung mit. Die Fachwelt hatte den Programmstart schon nächste Woche bei der Luftfahrtmesse in Paris erwartet.
bac/ebe/mwb FRANKFURT. Branchenexperten werten die zögerliche Haltung von Airbus als Hinweis darauf, dass Airlines mit dem aktuellen A350-Design nicht einverstanden sind. "Der Markt fordert von Airbus ein komplett neues Flugzeug und keine Weiterentwicklung der A330 - das ist offensichtlich", sagte ein Berater aus der Branche. Dazu sah sich Airbus jedoch bisher nicht in der Lage, da die Ingenieure mit der Entwicklung des weltgrößten Passagierflugzeugs A380 sowie des Militärtransporters A400M beansprucht waren. Gefordert wird von den Airlines insbesondere ein geringeres Gewicht, was eine vollständige Überarbeitung des Rumpfes nötig machen würde. "Der Programmstart im September bedeutet keine Verschiebung", sagte dagegen ein Sprecher des Airbus-Mutterkonzerns EADS. Er räumte aber ein, dass es noch wichtige Dinge zu klären gebe.
Die A350 gilt als Antwort auf den neuen Hoffnungsträger von Boeing, den B787 "Dreamliner". Im Duell A350 mit 787 geht es um die Vorherrschaft im schnellen Direktverkehr, dem die Amerikaner größere Bedeutung beimessen als dem Transport über große Flughafen-Drehkreuze; in diesem Segment hat Airbus mit dem Riesenvogel A380 die Nase vorn.
Im Gegensatz zum A350ist die B787 komplett neu entwickelt. Entsprechend stößt der Jet des US-Rivalen für 200 bis 300 Passagiere bei den Airlines auf große Resonanz. Für den "Dreamliner", der 2008 und damit zwei Jahre früher als die A350 ausgeliefert werden soll, liegen 266 feste Bestellungen und Kaufabsichten vor. Für die A350 gibt es außer einer unverbindlichen Bestellung über zehn Maschinen von Air Europa bisher nur Absichtserklärungen von Emirates, US Airways und Qatar Airways. Laut BAe-Systems, dem britischen Partner der Airbus-Mutter EADS, sollen allerdings insgesamt 100 Bestellungen vorliegen. Offiziell ist das nicht.
Offensichtlich ist man sich bei Airbus noch nicht einig, wie das Flugzeug konzipiert wird. Bislang geht der Konzern von Entwicklungskosten von vier Mrd. Euro aus. Das ist - verglichen mit den Kosten für den Großraumjet A380 von bis zu 12 Mrd. Euro - wenig und nur dadurch zu erklären, dass die A350 auf Basis des bestehenden Erfolgsmodells A330 aufgebaut werden soll. Ein völlig neu konzipiertes Modell käme deutlich teurer.
Experten vermuten, dass große und wichtige Kunden von Airbus ein neu konzipiertes Flugzeug fordern. Damit wären aber deutlich höhere Kosten verbunden. Die Entscheidung scheint zu weitreichend, als dass sie ohne Führungsspitze getroffen werden kann. Noch immer steht die Ernennung von Airbus-Chef Noël Forgeard und Verteidigungschef Tom Enders an die EADS-Spitze aus, weil sich deutsche und französische Anteilseigner nicht auf die Kompetenzverteilung einigen können.
Fortschritte scheint es dagegen bei der Partnersuche für den Kampf um den wichtigsten Rüstungsauftrag in den USA zu geben. EADS und der US-Rüstungshersteller Northrop Grumman wollen sich gemeinsam um den Auftrag über die Lieferung von Tankflugzeugen bemühen. Die Allianz gegen den Branchenriesen Boeing stehe grundsätzlich, bestätigten Unternehmenskreise. Darüber hinaus will EADS am 22. Juni den US-Standort für die Produktion von Tankflugzeugen bekannt geben, sagte Guy Hicks von EADS North America.
Von ursprünglich 32 Bundesstaaten seien noch South Carolina, Alabama, Florida und Mississippi im Rennen. Sollte der europäische Konzern den Zuschlag bekommen, würden in dem Werk zwischen rund 600 und 1000 Jobs geschaffen, erklärten Unternehmensvertreter. Auf jeden Fall solle ein Entwicklungszentrum mit etwa 150 Arbeitsplätzen entstehen.
Für EADS wäre der Auftrag ein strategischer Meilenstein, um auf dem lukrativen Markt der US-Rüstungsindustrie Fuß zu fassen. Mit dem Job-Argument versucht die Firma seit Monaten, die Skeptiker im US-Kongress zu überzeugen. Zudem will EADS durch das Bündnis mit Northrop Grumman seine Position am US-Markt entscheidend verbessern. "Mit einem amerikanischen Partner hat unser Marketing eine viel stärkere Position", sagte ein Unternehmensvertreter.
Im Mai musste der deutsch-französische Konzern jedoch einen Rückschlag einstecken: Das US-Repräsentantenhaus hatte einen Gesetzentwurf verabschiedet, wonach Pentagon-Aufträge nicht an Unter-nehmen vergeben werden sollen, die sich in einem Handelskonflikt mit amerikanischen Betrieben befinden. EADS liegt derzeit mit Boeing wegen einer WTO-Klage über Milliarden-Subventionen im Clinch.
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 09. Juni 2005, 09:38 Uhr
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Der Einsame Samariter