Die 30 größten Aktiengesellschaften strichen 35 000 Stellen in Deutschland
Weniger Jobs trotz hoher Gewinne
Die 30 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands haben ihre Gewinne im vergangenen Jahr auf zusammen 35,7 Milliarden Euro verdoppelt und dennoch im Inland knapp 35 000 Stellen gestrichen.
HB BERLIN. Das ergab eine Umfrage der Berliner Zeitung "Tagesspiegel" zum Ende der Bilanzsaison bei den Dax-Konzernen. 13 von 30 Unternehmen bauten 2004 Arbeitsplätze ab – vor allem in Deutschland. Weltweit schufen die Unternehmen dagegen gut 9600 Jobs. Enthalten sind in diesen Zahlen auch die Effekte von Unternehmensverkäufen, Akquisitionen und Abspaltungen. Profiteure des Gewinnsprungs sind die Aktionäre. An sie fließen so viel Dividenden wie zuletzt vor fünf Jahren.
Die Bilanz der Bilanzen löste bei Gewerkschaften und in der SPD Empörung aus. IG-Metall-Chef Jürgen Peters sagte dem Tagesspiegel, die Arbeitgeber müssten „ihre Zweckjammerei“ aufgeben und die Arbeitslosigkeit verringern. „Die Bilanzen sind der klare Gegenbeweis für die Märchenstunden der Arbeitgeber über die Nachteile des Standortes“, sagte Peters. Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, sagte dieser Zeitung: „Diese Rekordgewinne belegen eindeutig, wie leistungsfähig die deutsche Wirtschaft und ihre Beschäftigten sind.“ Dennoch werde lamentiert, Löhne und Steuern seien zu hoch und die Arbeitszeiten zu kurz. Die Gewinne würden allerdings hauptsächlich im Export erzielt. „Ein Beleg dafür, dass es um die Produktivität bestens bestellt ist“, sagte Bsirske. Das Problem sei die schwache Binnenkonjunktur. „Ich fordere die Unternehmen auf, Schluss zu machen mit neuen Erpressungsversuchen von Belegschaften und endlich von der Investitionsbremse herunterzugehen“, sagte DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer dem Tagesspiegel.
Auch der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Rainer Wend (SPD), bezeichnete es als eine „ungesunde Entwicklung“, dass viele Aktiengesellschaften wegen der zunehmend anonymen Eigentümerstruktur vor allem auf kurzfristige Gewinne schauten. „Es kann nicht sein, dass die Verantwortung der Unternehmen sich darauf reduziert, maximale Gewinne zu machen. Sie haben auch eine Verantwortung für ihre Belegschaften und für langfristige Investitionen“, sagte Wend.
SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler sagte, früher habe gegolten: „Die Gewinne von heute sind die Investitionen und Arbeitsplätze von morgen.“ Diese Anforderung gelte immer noch. Analysten erwarten, dass die Arbeitslosenzahl im März auf dem Rekordniveau von 5,2 Millionen verharrt. Die exakten Daten gibt die Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag nach Ostern bekannt. Die Bundesregierung erwartet eine deutliche Entspannung in der zweiten Jahreshälfte.
Weltweit beschäftigen die Dax-Firmen 3,55 Millionen Menschen – rund 0,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Allein Siemens erhöhte die Mitarbeiterzahl um 23 000 auf 430 000. Im Inland sieht die Job-Bilanz nicht so rosig aus. Insbesondere in der Finanzbranche wurden massiv Stellen gestrichen.
Die öffentliche Kritik am Missverhältnis von Gewinnen und Beschäftigung wird auch in der Finanzszene geteilt. „Deutsche Unternehmen laufen immer wieder Gefahr beim Personalabbau zu übersteuern. Diesen Eindruck haben wir auch mit Blick auf das vergangene Geschäftsjahr“, sagte Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dem Tagesspiegel. „Da wird häufig zu kurzfristig gedacht. Das kann sich in ein paar Monaten rächen, wenn den Unternehmen das Fachpersonal fehlt.“
Thomas Körfgen, Leiter des Aktienfondsmanagements von SEB Invest, sagte dieser Zeitung: „Beim Personalabbau ist teilweise übertrieben worden, vor allem bei den Banken.“ Hier sei oftmals an den falschen Stellen gespart worden. „Darunter leidet jetzt die Motivation der verbliebenen Mitarbeiter“, sagte Körfgen.
„Wir müssen aufpassen, dass wir einzelne Meldungen – wie etwa die vom Stellenabbau der Deutschen Bank – nicht zum Trend machen“, warnte hingegen Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen. Richtig sei aber, dass sich die an den Gewinnen ablesbaren Restrukturierungserfolge insgesamt noch nicht auf die Beschäftigung ausgewirkt hätten. Dies sei im Konjunkturzyklus aber nicht ungewöhnlich. „In den USA war das in einer Übergangsphase auch so.“ Inzwischen sei nach den steigenden Unternehmensgewinnen auch dort der Arbeitsmarkt angesprungen. „Die Sorge vor einem joblosen Aufschwung hat sich also nicht bestätigt“, sagte Traud.
„Wir brauchen jetzt Unternehmen, die investieren“, sagte Fondsmanager Körfgen. „Viele wissen teilweise gar nicht, was sie mit ihrem Geld anfangen sollen.“ Dies liege allerdings auch an den Rahmenbedingungen. Viele Unternehmen wüssten nicht, wo sie investieren sollen. „Viele wagen es aber auch nicht“, sagte Körfgen. Die Dividendenerhöhungen zeigten jedoch, „dass es den großen deutschen Unternehmen gar nicht so schlecht geht“.
Beschäftigungswirksam investieren werden die Unternehmen erst wieder, „wenn sie glauben, dass es sich auch langfristig lohnt“, sagte Gertrud Traud. Hier müssten in den kommenden Monaten die Weichen gestellt werden. „Wenn die Frühindikatoren wie der Auftragseingang und der Export nicht täuschen, dann können wir Mitte des Jahres eine Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt erwarten“, glaubt Traud.
Den Optimismus teilen indes nicht alle Experten. Der Grund: Die verhaltenen Prognosen der Dax-Unternehmen. „Nur wenige Konzerne haben wirklich überrascht“, sagte Volker Borghoff, Aktienstratege bei HSBC Trinkaus & Burkhardt. „Das heißt: Die Aussichten für 2005 sind nicht so gut wie erwartet.“ Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen müsse es auch im laufenden Jahr geben. Auch die Dividendenpolitik sei nicht nur positiv zu bewerten: „Die hohen Ausschüttungen zeugen von einer gewissen Fantasielosigkeit der Unternehmen.“
Nach den Vorstellungen der Aktionärsvertreter könnten die Aktiengesellschaften noch mehr für ihre Eigentümer tun: „Die Ausschüttungsquote lässt immer noch zu wünschen übrig“, sagte DSW-Hauptgeschäftsführer Hocker. „Wir wünschen uns mindestens 50 Prozent vom Jahresüberschuss. Im Schnitt werden auch dieses Jahr wohl nur 30 bis 35 Prozent an die Anteilseigner ausgeschüttet.“
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 24. März 2005, 08:22 Uhr
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Der Einsame Samariter
Weniger Jobs trotz hoher Gewinne
Die 30 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands haben ihre Gewinne im vergangenen Jahr auf zusammen 35,7 Milliarden Euro verdoppelt und dennoch im Inland knapp 35 000 Stellen gestrichen.
HB BERLIN. Das ergab eine Umfrage der Berliner Zeitung "Tagesspiegel" zum Ende der Bilanzsaison bei den Dax-Konzernen. 13 von 30 Unternehmen bauten 2004 Arbeitsplätze ab – vor allem in Deutschland. Weltweit schufen die Unternehmen dagegen gut 9600 Jobs. Enthalten sind in diesen Zahlen auch die Effekte von Unternehmensverkäufen, Akquisitionen und Abspaltungen. Profiteure des Gewinnsprungs sind die Aktionäre. An sie fließen so viel Dividenden wie zuletzt vor fünf Jahren.
Die Bilanz der Bilanzen löste bei Gewerkschaften und in der SPD Empörung aus. IG-Metall-Chef Jürgen Peters sagte dem Tagesspiegel, die Arbeitgeber müssten „ihre Zweckjammerei“ aufgeben und die Arbeitslosigkeit verringern. „Die Bilanzen sind der klare Gegenbeweis für die Märchenstunden der Arbeitgeber über die Nachteile des Standortes“, sagte Peters. Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, sagte dieser Zeitung: „Diese Rekordgewinne belegen eindeutig, wie leistungsfähig die deutsche Wirtschaft und ihre Beschäftigten sind.“ Dennoch werde lamentiert, Löhne und Steuern seien zu hoch und die Arbeitszeiten zu kurz. Die Gewinne würden allerdings hauptsächlich im Export erzielt. „Ein Beleg dafür, dass es um die Produktivität bestens bestellt ist“, sagte Bsirske. Das Problem sei die schwache Binnenkonjunktur. „Ich fordere die Unternehmen auf, Schluss zu machen mit neuen Erpressungsversuchen von Belegschaften und endlich von der Investitionsbremse herunterzugehen“, sagte DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer dem Tagesspiegel.
Auch der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Rainer Wend (SPD), bezeichnete es als eine „ungesunde Entwicklung“, dass viele Aktiengesellschaften wegen der zunehmend anonymen Eigentümerstruktur vor allem auf kurzfristige Gewinne schauten. „Es kann nicht sein, dass die Verantwortung der Unternehmen sich darauf reduziert, maximale Gewinne zu machen. Sie haben auch eine Verantwortung für ihre Belegschaften und für langfristige Investitionen“, sagte Wend.
SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler sagte, früher habe gegolten: „Die Gewinne von heute sind die Investitionen und Arbeitsplätze von morgen.“ Diese Anforderung gelte immer noch. Analysten erwarten, dass die Arbeitslosenzahl im März auf dem Rekordniveau von 5,2 Millionen verharrt. Die exakten Daten gibt die Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag nach Ostern bekannt. Die Bundesregierung erwartet eine deutliche Entspannung in der zweiten Jahreshälfte.
Weltweit beschäftigen die Dax-Firmen 3,55 Millionen Menschen – rund 0,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Allein Siemens erhöhte die Mitarbeiterzahl um 23 000 auf 430 000. Im Inland sieht die Job-Bilanz nicht so rosig aus. Insbesondere in der Finanzbranche wurden massiv Stellen gestrichen.
Die öffentliche Kritik am Missverhältnis von Gewinnen und Beschäftigung wird auch in der Finanzszene geteilt. „Deutsche Unternehmen laufen immer wieder Gefahr beim Personalabbau zu übersteuern. Diesen Eindruck haben wir auch mit Blick auf das vergangene Geschäftsjahr“, sagte Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dem Tagesspiegel. „Da wird häufig zu kurzfristig gedacht. Das kann sich in ein paar Monaten rächen, wenn den Unternehmen das Fachpersonal fehlt.“
Thomas Körfgen, Leiter des Aktienfondsmanagements von SEB Invest, sagte dieser Zeitung: „Beim Personalabbau ist teilweise übertrieben worden, vor allem bei den Banken.“ Hier sei oftmals an den falschen Stellen gespart worden. „Darunter leidet jetzt die Motivation der verbliebenen Mitarbeiter“, sagte Körfgen.
„Wir müssen aufpassen, dass wir einzelne Meldungen – wie etwa die vom Stellenabbau der Deutschen Bank – nicht zum Trend machen“, warnte hingegen Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen. Richtig sei aber, dass sich die an den Gewinnen ablesbaren Restrukturierungserfolge insgesamt noch nicht auf die Beschäftigung ausgewirkt hätten. Dies sei im Konjunkturzyklus aber nicht ungewöhnlich. „In den USA war das in einer Übergangsphase auch so.“ Inzwischen sei nach den steigenden Unternehmensgewinnen auch dort der Arbeitsmarkt angesprungen. „Die Sorge vor einem joblosen Aufschwung hat sich also nicht bestätigt“, sagte Traud.
„Wir brauchen jetzt Unternehmen, die investieren“, sagte Fondsmanager Körfgen. „Viele wissen teilweise gar nicht, was sie mit ihrem Geld anfangen sollen.“ Dies liege allerdings auch an den Rahmenbedingungen. Viele Unternehmen wüssten nicht, wo sie investieren sollen. „Viele wagen es aber auch nicht“, sagte Körfgen. Die Dividendenerhöhungen zeigten jedoch, „dass es den großen deutschen Unternehmen gar nicht so schlecht geht“.
Beschäftigungswirksam investieren werden die Unternehmen erst wieder, „wenn sie glauben, dass es sich auch langfristig lohnt“, sagte Gertrud Traud. Hier müssten in den kommenden Monaten die Weichen gestellt werden. „Wenn die Frühindikatoren wie der Auftragseingang und der Export nicht täuschen, dann können wir Mitte des Jahres eine Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt erwarten“, glaubt Traud.
Den Optimismus teilen indes nicht alle Experten. Der Grund: Die verhaltenen Prognosen der Dax-Unternehmen. „Nur wenige Konzerne haben wirklich überrascht“, sagte Volker Borghoff, Aktienstratege bei HSBC Trinkaus & Burkhardt. „Das heißt: Die Aussichten für 2005 sind nicht so gut wie erwartet.“ Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen müsse es auch im laufenden Jahr geben. Auch die Dividendenpolitik sei nicht nur positiv zu bewerten: „Die hohen Ausschüttungen zeugen von einer gewissen Fantasielosigkeit der Unternehmen.“
Nach den Vorstellungen der Aktionärsvertreter könnten die Aktiengesellschaften noch mehr für ihre Eigentümer tun: „Die Ausschüttungsquote lässt immer noch zu wünschen übrig“, sagte DSW-Hauptgeschäftsführer Hocker. „Wir wünschen uns mindestens 50 Prozent vom Jahresüberschuss. Im Schnitt werden auch dieses Jahr wohl nur 30 bis 35 Prozent an die Anteilseigner ausgeschüttet.“
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 24. März 2005, 08:22 Uhr
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Der Einsame Samariter
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