Frankfurt/Main - Auf den ersten Blick dürften die Quartalszahlen der Deutschen Bank heute hervorragend ausfallen. Im Schnitt rechnen die Analysten mit einem Vorsteuerergebnis von rund 1,3 Mrd. Euro - gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg von knapp 40 Prozent. Doch das satte Gewinnplus hat einen Haken: Es beruht zum größten Teil auf Beteiligungsverkäufen. Bereits in der vergangenen Woche hatte das Kreditinstitut bekannt gegeben, im ersten Quartal Aktien der Versicherungskonzerne Allianz und Münchner Rück im Wert von zusammen über einer Milliarde Euro verkauft zu haben. Der Anteil der Bank an der Münchner Rück sank von 7,2 auf 5,1 Prozent, die Beteiligung an der Allianz von vier auf 3,34 Prozent.
"Ohne diese Erträge dürfte der operative Gewinn nahe Null sein", schreibt die BHF-Bank in einem Marktkommentar. Operativ habe die Bank im ersten Quartal vermutlich nur ein Ergebnis von rund 200 Mio. Euro erwirtschaftet, sagt auch Konrad Becker von Merck Finck. "Im Vergleich zum Vorsteuerverlust von 1,1 Mrd. Euro im vierten Quartal 2001 ist dieser Wert aber auch nicht so schlecht."
Der Abbau der Wertpapier-Beteiligungen hat allerdings Konsequenzen für die Zukunft. Laut einem internen Bericht weist das Kreditinstitut statt der einst 15 Mrd. Euro nur noch rund 4,1 Mrd. Euro stille Reserven aus. "Um ihr Ziel einer Eigenkapitalrendite von 15 Prozent zu erreichen, müsste die Bank 3,6 Mrd. Euro nach Steuern im Jahr einnehmen", rechnet ein Frankfurter Analyst vor. "Sich diesem Wert wie in den vergangenen Jahren über den Verkauf von Wertpapierbeteiligungen zu nähern, dürfte angesichts der geschrumpften stillen Reserven künftig schwer fallen." Konsequenter als bisher müsse die Deutsche Bank daher die Kosten senken und die Erträge gerade im Privatkundengeschäft steigern. Der Hausputz, den sich der designierte Vorstandschef Josef Ackermann vorgenommen hat, stößt deshalb bei Marktbeobachtern auf Zustimmung. Heute will das Institut zur geplanten Integration der Deutschen Bank 24 in das Mutterhaus Stellung nehmen.
"Das Geschäft mit den Privatkunden und die Vermögensverwaltung sind zuletzt hinter den Erwartungen zurück geblieben", sagt ein Analyst. "Im Vergleich mit europäischen Wettbewerbern hat die Bank Nachholbedarf." Die Rückführung der Privatkundentochter sei vor allem unter Kostenaspekten sinnvoll, weil dadurch teure Doppelstrukturen abgebaut würden. Zudem berge die bessere Verzahnung mit den mittelständischen Firmenkunden Chancen. Schließlich seien die 12 Millionen Privatkunden nicht nur ein wichtiger Vertriebskanal für Anlageprodukte, sondern zudem bei Geschäften mit potenziellen Firmenkunden ein Marketingargument.
Ziel der Deutschen Bank dürfte nach Ansicht der Experten vor allem sein, die niedrige Bewertung am Kapitalmarkt schnell zu steigern. Mit einem Kurs/Buchwert-Verhältnis von 1,09 und einer Marktkapitalisierung von knapp 44 Mrd. Euro ist das Institut im Vergleich mit europäischen Wettbewerbern niedrig bewertet. Für Anleger sehen die Analysten darin eine Chance: "Das Risiko nach unten ist begrenzt", sagt Becker, der die Aktie als "Outperformer" einstuft. Ähnlich urteilen die Analysten von Sal. Oppenheim, die dem Wert eine überdurchschnittliche Performance zutrauen. Für die Zukunft des Instituts dürfte die Steigerung der Marktkapitalisierung in den kommenden Jahren zudem zum "Dreh- und Angelpunkt" werden, sagt Becker. "Vor zwei Jahren wollte die Bank in Europa zukaufen und durfte nicht. Mittlerweile ist die Marktkapitalisierung so niedrig, dass das Institut aufpassen muss, nicht selbst zum Übernahmeobjekt zu werden."
Jan v. Nelle