SPD und Gewerkschafter legen sich mit DaimlerChrysler an
Das Sparprogramm von DaimlerChrysler wird immer mehr zum Politikum. Während hinter verschlossenen Türen Betriebsrat und Konzernführung von DaimlerChrysler heftig um die Einzelheiten der Arbeitszeitpläne ringen, setzt es scharfe Kritik von SPD-Politikern und Gewerkschaftern am Kurs des Vorstands.
SPD-Vorstandsvize Vogt: Kompromissbereitschaft eingefordert
Stuttgart - SPD-Vorstandsvize Ute Vogt forderte die Konzernführung des Autoherstellers auf, auf die Arbeitnehmervertretung zuzugehen. Äußerungen von DaimlerChrysler-Vorstand Jürgen Hubbert, wonach Privilegien der süddeutschen Standorte eine baden-württembergische Krankheit seien, trügen nicht zur Beilegung des Konflikts bei. Auch SPD-Fraktionsvize Michael Müller attackierte die Konzernführung: Er sprach von einer Verrohung der Sitten und einem unglaublichen Verfall des Verständnisses von Unternehmertum in Deutschland.
Dagegen stellte sich FDP-Vize Rainer Brüderle auf die Seite des Unternehmens und warf den Gewerkschaften Blockadepolitik vor. Er forderte erneut gesetzliche Öffnungsklauseln in den Flächentarifverträgen. Nur so könne die Blockadepolitik der Gewerkschaften wirkungsvoll aufgebrochen werden. Zugleich kritisierte Brüderle SPD-Fraktionsvize Michael Müller für dessen Äußerungen zu den Sparplänen: "Wer bei einer eventuellen Produktionsverlagerung von Stuttgart nach Bremen den Untergang des Abendlandes beschwört, sollte einmal seine Gewerkschaftsbrille abnehmen."
Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach sich dagegen für eine Versachlichung der Diskussion aus. In einer Rede auf der Tagung des Verbandes der Automobilindustrie warnte er vor jeder Einseitigkeit in der Debatte. "Das bringt die Menschen auf die Bäume."
Von entscheidender Bedeutung sei dagegen eine Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit und nicht die Fixierung auf eine bestimmte Wochenstundenzahl. Die Tarifabschlüsse in der jüngsten Vergangenheit wiesen bereits in die richtige Richtung. Jedenfalls, so Schröder, werde ein großer Fehler gemacht, wenn die Diskussion ideologisch geführt werde.
Mercedes-Chef Hubbert: Großangriff auf die Fünf-Minuten-Pause
Im gleichen Sinne äußerte sich auch der Vizechef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Otmar Zwiebelhofer. In die Debatte müsse wieder Ruhe einkehren, sagte der Arbeitgeberfunktionär. In Deutschland gebe es zwar ein Kostenproblem. Das könne aber nicht nur durch die Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich gelöst werden. "Jeder Einzelfall muss beleuchtet werden." Generell zu fordern, in Deutschland müsse 50 Stunden in der Woche gearbeitet werden, bringe die Diskussion nicht weiter. Auf der anderen Seite müsse auch die IG Metall über ihren Schatten springen und Dogmen ablegen.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer kritisierte die vom Vorstand des Autokonzerns geplanten Kostensenkungsmaßnahmen als "kaum erträgliche Drohung und Bedrohung". Der Stuttgarter IG Metall-Chef Jörg Hofmann warf dem Management von DaimlerChrysler vor, die "sozialpartnerschaftliche Kultur des Unternehmens zu zerstören". Er sagte der "Berliner Zeitung", mit der Drohung der Produktionsverlagerung habe sich DaimlerChrysler vom Prinzip der einvernehmlichen Maßnahmen verabschiedet. "Was jetzt passiert, ist dramatisch." Er befürchte, dass es bei den Beratungen zwischen Betriebsrat und Leitung über das Sparprogramm nicht zu einem Ergebnis kommen wird.
Betriebsrat und Vorstand des Autokonzerns DaimlerChrysler haben am Dienstag ihre Verhandlungen über Kosteneinsparungen bei der Produktion der C-Klasse fortgesetzt. Mit einer raschen Einigung ist nach Einschätzung von Beobachtern jedoch nicht zu rechnen. Eine weitere Gesprächsrunde ist für den 20. und 21. Juli geplant.
Mercedes-Chef Jürgen Hubbert hatte am Montag den Druck auf die Belegschaft massiv erhöht. Wenn es bis zum Monatsende keine Einigung auf jährliche Kosteneinsparungen von 500 Millionen Euro gebe, werde die Fertigung der C-Klasse vom Stammwerk Sindelfingen nach Bremen oder Südafrika verlagert, kündigte Hubbert an. Dadurch stünden 6000 Arbeitsplätze in Baden-Württemberg auf dem Spiel.
Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm sagte der "Netzeitung", die Belegschaft sei betroffen und wütend über das harsche Vorgehen der Führung. Gleichzeitig betonte er, die Arbeitnehmer-Vertretung sei weiter gesprächsbereit. Er verwies auf das Angebot, das der Betriebsrat der Konzernführung vorgelegt habe. Dazu zählt die Streichung von Einmalzahlungen, was Einsparungen von rund 180 Millionen Euro beinhaltet.
Am Donnerstag wollen die DaimlerChrysler-Beschäftigten bundesweit gegen die geplanten Kostensenkungen demonstrieren. Nach Angaben des Gesamtbetriebsrats sind 160.000 Mitarbeiter aufgerufen, sich an den Protestaktionen zu beteiligen. Der Konzern selbst kann die erwarteten Auswirkungen noch nicht abschätzen. "Wir haben vom Betriebsrat noch keine Informationen über die Form der Proteste erhalten", sagte eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage in Stuttgart.
Quelle: Spiegel Online