Was ist Geld? Das weiß doch jedes Kind. Ein Blick ins Portemonnaie, auf den Bankauszug oder die Gehaltsabrechnung reicht. Doch so einfach ist die Sache nicht. Seit es Ökonomen gibt, gibt es keine umstrittenere Frage. Bis heute ist das Rätsel Geld ungelöst. Die ZEIT hat sechs Wissenschaftler unterschiedlicher Theorieschulen befragt. Dabei mussten drei Fragen beantwortet werden:
1. Was ist Geld? Tauschmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Recheneinheit – das ist das, was jeder Student der Volkswirtschaft im ersten Semester lernt. Aber was hat die Menschen eigentlich überhaupt dazu gebracht, wertvolle Güter gegen bunt bedrucktes Papier einzutauschen? Die Mehrzahl der Ökonomen weicht dieser Frage aus. Geld ist da oder wird von der Zentralbank ausgegeben. Basta. Andere dagegen glauben, Geld entstehe erst durch Verschuldung und Belastung von Eigentum. Wieder andere sehen darin ein Gut, das der Wettbewerbsprozess selbst hervorgebracht habe.
2. Ist Geld neutral? Das war die dominierende Frage der Wirtschaftswissenschaften im 20. Jahrhundert. Für die klassischen Ökonomen im vorangegangenen Jahrhundert stand noch unverrückbar fest, Geld an sich übe keinerlei Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen der Menschen aus. Es sei nur ein Schleier, der das Wesentliche verdecke, nämlich die Produktion von Gütern und deren Tausch auf Märkten. Es wurde deshalb als neutral bezeichnet. Ende des 19. Jahrhunderts allerdings säte der schwedische Wirtschaftswissenschaftler Knut Wicksell Zweifel an dieser Theorie. Er war einer der Ersten, die einen Zusammenhang zwischen der Höhe der Geldzinsen und dem Verlauf der Konjunktur nachwiesen. Es dauerte allerdings noch vier Jahrzehnte, bis John Maynard Keynes mit seiner General Theory im Jahr 1936 die Mehrzahl der Ökonomen davon überzeugte, dass es nicht wirklich eine Trennung zwischen Realwirtschaft und Geld gibt. Die Neutralität galt nicht mehr. Bis Milton Friedman 1956 die monetaristische Konterrevolution einleitete: Er behauptete, Geld übe allenfalls kurzfristig Einfluss auf die Realwirtschaft aus, langfristig gelte jedoch weiterhin die Neutralität.
3. Was bestimmt den Zins? Sei es im Kreditgeschäft, beim Sparen oder beim Diskontieren: Überall taucht er auf, der Zins. Aber wer oder was bestimmt ihn? Die Notenbanken mit ihrer Zinspolitik, die Sparer mit ihrem Angebot an Kapital oder die Menschen mit ihrer Vorliebe für Bargeld, zumal in unsicheren Zeiten?
Für die klassischen Ökonomen war der entscheidende Zins immer ein Knappheitspreis, der Kapitalangebot und Kapitalnachfrage ins Gleichgewicht bringt. Nach dieser Theorie könnten Notenbanken nichts ausrichten. Diese Sicht wird von den Keynesianer verworfen: Danach hängt die Investitionsbereitschaft der Unternehmen von den erwarteten Erträgen ab, und hier spielt der Geldzins eine ganz entscheidende Rolle.
Uwe Richter/Robert v. Heusinger
Spiel mit den Zinsen
Von Peter Bofinger*
1. Die beste aller Definitionen von Geld findet man bei Kurt Tucholsky in seinem berühmten Kurzen Abriss der Nationalökonomie:
„Nationalökonomie ist, wenn die Leute sich wundern, warum sie kein Geld haben. Das hat mehrere Gründe, die feinsten sind die wissenschaftlichen Gründe, doch können solche durch Notverordnungen aufgehoben werden. Über die ältere Nationalökonomie kann man ja nur lachen und dürfen wir selbe daher mit Stillschweigen übergehen. Sie regierte von 715 vor Christo bis zum Jahre 1 nach Marx. Seitdem ist die Frage völlig gelöst: die Leute haben zwar immer noch kein Geld, wissen aber wenigstens, warum. Die Grundlage aller Nationalökonomie ist das sog. ‚Geld‘. Geld ist weder ein Zahlungsmittel noch ein Tauschmittel, auch ist es keine Fiktion, vor allem aber ist es kein Geld. Für Geld kann man Waren kaufen, weil es Geld ist, und es ist Geld, weil man dafür Waren kaufen kann. Doch ist diese Theorie inzwischen fallen gelassen worden. Woher das Geld kommt, ist unbekannt. Es ist eben da, bzw. nicht da – meist nicht da.“
2. Was geschieht, fragte sich Milton Friedman, der Vater des Monetarismus, wenn man mit Hubschraubern Geld über das Land verteilt, sodass sich die Geldmenge in kurzer Zeit verdoppelt? Die Antwort liegt auf der Hand: Das zusätzliche Geld wird zwar schnell ausgegeben, und das Preisniveau verdoppelt sich, doch Produktion und Beschäftigung erhöhen sich dadurch nicht. Also ist klar bewiesen: Geld ist neutral.
Nun kommt es aber in der Realität selten dazu, dass die Notenbanken Geld aus der Luft unter das Volk bringen. Anders als von Friedman und von vielen seiner Anhänger angenommen, steuern die meisten Zentralbanken die Wirtschaft nicht über die Geldmenge, sondern über die Zinsen, zu denen sich die Banken bei ihnen verschulden können. Hier zeigt die Erfahrung, dass die Geldpolitik keinesfalls neutral in Bezug auf die Realwirtschaft ist. Die enorme Dynamik der amerikanischen Wirtschaft in den neunziger Jahren ist darauf zurückzuführen, dass Alan Greenspan die Notenbankzinsen sehr niedrig gehalten hatte. Umgekehrt hat die wirtschaftliche Dynamik in Europa in der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts massiv unter der Hochzinspolitik der Bundesbank gelitten.
3. Die kurzfristigen Zinsen können sehr gut durch die Instrumente der Notenbanken gesteuert werden. Sie wirken vor allem über die Bilanzen von Banken und Unternehmen. Zur Natur des Bankgeschäftes gehört es, dass die von den Geldhäusern vergebenen Kredite eine längere Laufzeit aufweisen als die Einlagen der Sparer. Indem Greenspan die kurzfristigen Zinsen kräftig gesenkt hat, konnte er so die Ertragslage der amerikanischen Banken verbessern. Bei den Unternehmen ergibt sich der Einfluss der kurzfristigen Zinsen aus der Tatsache, dass sie in der Regel eine hohe Fremdkapitalquote aufweisen. In Deutschland etwa machen die Verbindlichkeiten im Schnitt gut 80 Prozent, das Eigenkapital dagegen weniger als 20 Prozent der Bilanz aus. Da ein großer Teil der Verbindlichkeiten kurzfristiger Natur ist, hat auch hier ein Rückgang der kurzfristigen Zinsen einen positiven Einfluss auf die Ertragslage. Die längerfristigen Zinsen lassen sich geldpolitisch nicht so gut steuern, da sie stark von den Inflationserwartungen beeinflusst werden. Sie sind vor allem für längerfristige Investitionsentscheidungen von Bedeutung.
*Peter Bofinger lehrt an der Universität Würzburg. Er vertritt den standard-keynesianischen Ansatz
Nur ein Tauschgeschäft
Von Manfred J. M. Neumann*
1. Geld ist das dominierende Tauschmedium des modernen Wirtschaftens und damit eine bedeutende Grundlage des Wohlstands. Seine Erfindung hat es den Menschen ermöglicht, sich von den Fesseln des Naturaltauschs zu befreien. Mit der Verständigung auf ein allgemeines Tauschmittel wurden die Transaktionskosten des Tausches, vor allem die hohen Suchkosten, enorm gesenkt. Ohne Geld gäbe es nicht die differenzierte Arbeitsteilung, das System der Finanzmärkte, die elegante Verteilung der Risiken des Wirtschaftens.
Die Produktivität des Geldes ist eng verknüpft mit dem Informationsgehalt der Preise. Wenn ein einzelner Geldpreis steigt, signalisiert das den Anbietern des betreffenden Gutes eine Verknappung, sprich: eine höhere Nachfrage der Verbraucher oder ein geringeres Angebot durch das Ausscheiden von Wettbewerbern. Darauf werden die Hersteller im Gewinninteresse reagieren und ihre Produktion ausweiten. Diese Informationsfunktion des Preissystems leidet, wenn Preisveränderungen nicht allein von Veränderungen der relativen Knappheiten der jeweiligen Güter verursacht werden, sondern zusätzlich von der Expansion der Geldmenge. Letztere wirkt auf sämtliche Preise ein und wird Inflation genannt. Inflation führt zu Fehleinschätzungen der Knappheitslagen und folglich zu Fehlinvestitionen bei Anbietern und Fehldispositionen bei Nachfragern. Deshalb muss die Geldpolitik auf das Ziel der Preisstabilität ausgerichtet werden und transparent sein.
2. Das Faszinierende und zugleich Gefährliche ist, dass Geld nicht neutral ist. Es ist also kein harmloser Schleier, der über der Realwirtschaft liegt, aber sie nicht verändert. In der Geldtheorie wird zwar ein Zustand klassischer Neutralität des Geldes definiert. Das dient dem Theoretiker als ein analytischer Bezugspunkt, aber er käme nicht auf die Idee, ein solcher Zustand könnte existieren. Schon die Emission neuen Geldes ist nicht neutral, weil der private Sektor dem Staat im Austausch Aktiva abtreten muss. Da die Kosten der Geldproduktion nur einen Bruchteil des Nennwertes betragen, ist das Drucken von Geld sehr lukrativ. Das hat Regierungen überall auf der Welt immer wieder dazu verführt, ihr Monopol der Geldschöpfung zu missbrauchen, um ihrer ewigen Finanzierungsnöte Herr zu werden. So kam und kommt es zu Inflationen, die den Staat ent- und die Bürger belasten.
3. Anfangs ging es immer um Zinssenkung. Tatsächlich kann die Zentralbank durch eine Verringerung ihres Refinanzierungssatzes erreichen, dass auch die Zinssätze an den Bankkreditmärkten nachgeben. Aber diese Form fehlender Neutralität des Geldes ist flüchtiger Natur. Wenn die Politik billigen Geldes anhält, kommt es bald zu steigenden Inflationserwartungen. Sie treiben die Zinssätze für längerfristige Kredite wieder hinauf. Am Ende liegen die Zinsen sogar höher als am Anfang. Das für die Investitionstätigkeit wichtige reale Zinsniveau lässt sich nicht von der Geldpolitik, sondern nur vom Sparverhalten dauerhaft beeinflussen.
*Manfred J. M. Neumann lehrt an der Universität Bonn. Er vertritt den Monetarismus
Wettbewerb über alles
Von Roland Vaubel*
Die Free-Banking-Schule fordert freien Marktzutritt zur Geldproduktion. Nicht nur die staatliche Notenbank, sondern auch private Unternehmen sollen Zahlungsmittel einschließlich Banknoten und Münzen anbieten dürfen – ohne gesetzliche Mindestreserveverpflichtungen. Der Staat soll sein gesetzliches Geldbasismonopol aufgeben.
Das bedeutet natürlich nicht, dass in einem Land tatsächlich mehrere Währungen umlaufen müssen. Darüber entscheiden die Bürger durch die Wahl ihres Zahlungsmittels. Aber schon die Möglichkeit, dass eine inflationierende Staatswährung von privaten Parallelwährungen verdrängt werden könnte, begrenzt den Spielraum der staatlichen Notenbank. Was zählt, ist also nicht unbedingt der tatsächliche, sondern vor allem der potenzielle Wettbewerb.
Wettbewerb kann übrigens auch von ausländischen Staatswährungen ausgehen. Das verringert ebenso die Inflationsneigung. Wenn dieser Wettbewerb heilsam ist, weshalb soll dann nicht Gleiches für den Wettbewerb mit privaten Emittenten gelten?
Laufen in einem Land tatsächlich eine oder mehrere Parallelwährungen um, fallen zusätzliche Informations- und Umtauschkosten an. Das ist ein Nachteil, und deshalb haben es neue Währungen schwer. Aber Geld ist nicht nur Zahlungsmittel, sondern auch Wertmaßstab und Wertaufbewahrungsmittel. Für einen Wertmaßstab und für unverzinsliche Wertaufbewahrungsmittel wie Banknoten und Münzen ist es wichtig, dass der Geldwert stabil ist. Deshalb kann es trotz allem attraktiv sein, eine neue Parallelwährung zu verwenden. Die optimale Zahl und Ausdehnung der Währungsräume kann nur durch die freie Entscheidung jedes einzelnen Geldnachfragers gefunden werden.
In der Währungsgeschichte hat es private Parallelwährungen – insbesondere Banknoten – vor allem in Zeiten der Hyperinflation gegeben – auch in der Weimarer Inflation von 1922/23. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden die Banknoten in den meisten Ländern von privaten Banken ausgegeben – oft ohne staatliche Reservevorschriften. Fast immer verpflichteten sich die Emissionsbanken, den Wert ihrer Banknoten an bestimmte Güter – in der Regel Edelmetalle – zu binden und sie auf Wunsch in diese umzutauschen. Besonders gut funktionierte das in Schottland.
Der Free-Banking-Ansatz ist grundsätzlich mit anderen geldpolitischen Schulen – zum Beispiel einer monetaristischen Geldmengensteuerung oder einer keynesianischen Konjunkturpolitik – vereinbar. Entscheidend ist, dass der Staat auf sein gesetzliches Geldbasismonopol verzichtet. Je mehr die staatliche Notenbank allerdings dem Wettbewerb ausgesetzt ist, desto stärker kann die Nachfrage nach dem Staatsgeld schwanken. Eine einfache Regel für das Wachstum der Zentralbankgeldmenge verspricht bei effektivem Währungswettbewerb keinen Erfolg, und die Möglichkeiten einer keynesianischen Feinsteuerung sind dann noch geringer und unsicherer. Was der Staat und seine Zentralbank verlieren, gewinnt jedoch der Bürger: Er hat mehr Wahlfreiheit und daher stabileres Geld.
*Roland Vaubel lehrt in Mannheim. Er ist Anhänger der Free-Banking-Schule
Spekulation frisst Glück
von Rudolf Hickel*
1. Abgesehen von der Funktion als Recheneinheit und Zahlungsmittel, ist Geld vor allem ein Vermögenswert – ein irrational bewegter Vermögenswert. Seine besondere Eigenschaft: Er weist die höchstmögliche Liquidität auf. Wie bei anderen Vermögenstiteln bestimmt der Vergleich des Nutzens mit den Kosten die Geldhaltung. Die wichtigsten Kosten der Liquidität sind die entgangenen Erträge aus alternativen Anlagen (Opportunitätskosten). Die erwarteten Renditen anderer Anlageformen wie festverzinslicher Anleihen oder Aktien beeinflussen maßgeblich die Geldhaltung. Da Erwartungen jedoch unsicher sind, muss jeder Mensch spekulieren. Deshalb spricht der britische Ökonom John Maynard Keynes zu Recht von der Spekulationskasse. Sie ist der Seismograf für die ungewisse und daher erspekulierte Zukunft. Heute prägen Pessimismus und Zukunftsängste die Geldhaltung. Selbst die große Vielfalt an ausgefeilten Finanzprodukten kann nicht verhindern, dass die Geldmenge unter den Matratzen zunimmt.
2. Zu behaupten, Geld wirke neutral in Bezug auf die Realwirtschaft, ist absurd. Ja, schon die Unterscheidung zwischen der realen und monetären Sphäre ist fiktiv. Die Höhe der Spekulationskasse wird einerseits maßgeblich durch die erwarteten Renditen auf den Finanz- und Investitionsmärkten bestimmt. Monetäre Entscheidungen sind also Ausdruck von Veränderungen auf den instabilen Finanz- und Gütermärkten. Andererseits führt die Anhäufung von Liquidität zumindest kurzfristig zum Entzug an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage und dadurch zur Unterauslastung der Produktionskapazitäten. Diese analytische Trennung zwischen der Realwirtschaft und ihren Märkten, die die Versorgung optimal regeln, sowie des Geldes muss überwunden werden. Der alte Fuchs Alan Greenspan, der Notenbankpräsident der amerikanischen Federal Reserve, hat das schon lange begriffen. Er plädierte erneut Ende August beim jährlichen Notenbank-Treffen im kanadischen Jackson Hole für ein Höchstmaß an Flexibilität und sprach sich damit klar gegen jede regelgebundene Geldpolitik aus – ein weiterer Schlag gegen den Monetarismus. Die Notenbank müsse ganz pragmatisch die geldpolitischen Alternativen abwägen. Was fehlt, ist eine Theorie, die die wachsende Instabilität des Kapitalismus erklärt.
3. Es gibt zwei bedeutsame Preise für die moderne Makroökonomie, mit denen sich die Wissenschaft schwer tut: der Wechselkurs und der Kapitalmarktzins. Beide Preise sind wegen des Einflusses sich ständig verändernder Erwartungen der Marktteilnehmer nicht kalkulierbar. Das zeigt die Entwicklung und geldpolitische Einflussnahme auf die kurzfristigen Zinssätze. So tut sich die Europäische Zentralbank (EZB) – wie jede andere Notenbank übrigens auch – schwer, über die Veränderung des Preises für die Besorgung von Liquidität durch die Geschäftsbanken selbst noch Einfluss auf die kurzfristigen Zinssätze zu nehmen. Hier hat auch die Globalisierung der Finanzmärkte ihre Spuren hinterlassen. Sie nämlich erlaubt es erst den Banken, sich im Ausland zu verschulden. Abgesehen von diesen Grundproblemen, lässt sich heute die Veränderung der Kapitalmarktzinsen am besten mit der erwarteten Inflationsrate erklären.
*Rudolf Hickel lehrt an der Universität Bremen. Er vertritt den postkeynesianischen Ansatz
Am Anfang war das Eigentum
Von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger*
Geld entsteht durch Belastung von Eigentumstiteln, das heißt von Vermögen, und ist deshalb nur gegen Zins zu haben. An der Geldschaffung durch die Notenbank wird das anschaulich. Sie gibt als Gläubiger in einem kurzfristigen Kreditkontrakt Banknoten an Geschäftsbanken. Für den Kredit müssen die Banken neben der Tilgung auch Zins zahlen und Sicherheiten stellen. Die Banknoten tragen keinen Zins, können aber nur in einem zinstragenden Kredit entstehen.
Der Zins ist ein monetärer und kein Güterzins. Er resultiert nicht aus dem Verzicht auf Konsum. Durch Sparen ist zwar Zins erzielbar, es erklärt ihn aber nicht. Der Zins entsteht bei der Geldschaffung und nicht bei seiner Weiterverleihung. Die Notenbank verlangt ihn, weil sie bei der Kreditvergabe immer das Risiko trägt, selbst bei besten Sicherheiten der Geschäftsbanken Kredite abschreiben zu müssen. Für die Rückholung der dann nicht zurückgezahlten Banknoten muss die Notenbank Eigenkapital einsetzen. Jede Geldschaffung bedeutet also eine Belastung ihres Vermögens. Diese Fähigkeit drückt sich in der Eigentumsprämie aus. Bei der Belastung geht sie verloren. Es ist dieser Verlust, der für seinen Ausgleich den Zins hervorbringt.
Die Pfänder der Geschäftsbanken bedeuten ebenfalls eine Blockierung von Vermögen. Auch die Geschäftsbanken verlieren somit ihre Eigentumsprämie. Sie gewinnen im Gegenzug die Liquiditätsprämie der ihnen kreditierten Banknoten. Diese Prämie des Geldes resultiert aus der Fähigkeit, Verpflichtungen endgültig bezahlen zu können. Nur das über Vermögensbelastung und deshalb gegen Zins geschaffene Geld führt zum Wirtschaften. Dieses ist ein Geschäftemachen durch permamentes Eingehen und Erfüllen von Gläubiger-Schuldner-Kontrakten. Jede Nichterfüllung der Kontrakte bedeutet den Verlust von Vermögen durch Vollstreckung. Die bedeutendsten Kontrakte neben dem Kreditkontrakt der Notenbank sind Kreditkontrakte zwischen Geschäftsbanken und Produzenten und daraus folgende Kaufkontrakte zwischen Produzenten und Konsumenten.
Um die Kontrakte erfüllen zu können, braucht man die von der Zentralbank geschaffenen Noten. Das bedeutet nicht, dass jeder zum Bezahlen Banknoten in der Hand haben muss. Schecks oder Kreditkarten werden aber nur als Zahlungsmittel akzeptiert, weil mit ihnen immer Forderungen auf Banknoten übertragen werden.
Nur solange Notenbank, Geschäftsbanken und Produzenten das Risiko der Vermögensbelastung eingehen, kommt das zum Wirtschaften erst führende Geld in Umlauf. Das Geld und nicht das Sparen erzwingt Akkumulation und damit Wachstum der Produktion. Denn in immer gleichen Fristen muss neben der Tilgung ja der Zins zusätzlich erwirtschaftet werden. Für dieses Mehr wird technischer Fortschritt ersonnen. Da die Belastung von Vermögen immer die Gefahr seines Verlustes bedeutet, sind Geldschaffung und Prosperität keine Selbstläufer. Bei fehlender Bereitschaft, Eigentumstitel zu riskieren, unterbleibt Akkumulation, und eine Krise setzt ein. Eine Notenbank mit dem Monopol der Geldschaffung und daher der Fähigkeit, als Kreditgeber letzter Hand einzugreifen, kann dann zwar die Zinsen reduzieren, aber nicht die erforderlichen Pfänder bereitstellen. Geld ist also niemals neutrales Schmiermittel. Vielmehr ist es das mit Zins und gegen gute Sicherheiten geborene Geld, das dem Auf und Ab der Wirtschaft erst den Takt gibt.
Gunnar Heinsohn und Otto Steiger lehren an der Universität Bremen. Sie vertreten ihre eigene Theorie, die „Eigentumstheorie von Zins und Geld“
Zinsen sind die Pest
Von Bernard Lietaer*
1. Geld ist eine Übereinkunft in einer Gemeinschaft, etwas als Tauschmittel zu verwenden. Diese „Vereinbarung“ kann bewusst sein, sehr viel öfter aber ist sie unbewusst. Die „Gemeinschaft“ kann ein Land oder ein Kontinent (Euro) sein, es kann die Nachbarschaft (mit einer Tauschkreis-Währung) oder aber die ganze Welt sein (wie bei Bretton Woods, dem Festwechselkurssystem nach dem Zweiten Weltkrieg). Es können aber auch Teilnehmer gemeinnütziger Projekte (wie zum Beispiel Altersfürsorgeprojekte in Japan) oder Benutzer einer Fluglinie (geschäftliche Vielfliegereinheiten) sein.
2. Das herrschende Währungssystem ist nicht neutral. Dafür gibt es drei Gründe: Erstens, der Geldschöpfungsprozess verläuft prozyklisch. 95 Prozent des Geldes kommt durch Bankkredite in Umlauf. Und Banken folgen dem Herdentrieb. So werden sie in florierenden Wirtschaftsphasen zu übertrieben freudigen Kreditgebern, was zu einem Boom führt. Geht es dagegen mit der Wirtschaft bergab, werden dieselben Banken übermäßig restriktiv. Dann verschlimmert ihr Verhalten die schwierige wirtschaftliche Situation.
Zweitens ist Geld nicht neutral, weil es gesellschaftlichen Reichtum konzentriert. Das ist eine Nebenwirkung der Zinsen. Zinsen verlagern Mittel von armen Menschen, die sich Geld leihen, weil sie keines haben, hin zu den Reichen, die es besitzen. Und drittens beeinflusst Geld alle finanziellen Entscheidungen in Richtung auf ein kurzfristiges Denken. Wegen der Zinsen ist Geld in der Zukunft immer weniger wert als heute, auch bei einer absolut inflationssicheren Währung. Auf diese Weise unterstützt unser Geld den Hang zu kurzfristigen Entscheidungen. Fast alle Kathedralen wurden zu Zeiten gebaut, in denen es kein Zinssystem gab. Sie wurden für die Ewigkeit gebaut. Was wird von heutigen Bauten in 1000 Jahren übrig sein?
3. Zinsen spielen in unserem herkömmlichen Währungssystem eine entscheidende Rolle. Dabei sind Zinsen kein notwendiger Bestandteil von Geld. Schafft man sie ab, braucht man weder Banken noch Zentralbanken. In der Geschichte gab es viele Fälle von offiziellen Währungen ohne Zinsen. So waren Zinsen bei Juden, Christen und Muslimen jahrhundertelang verboten. Die katholische Kirche sah Zinsen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr als Wucher an. Und sogar heute noch arbeiten die meisten Komplementärwährungen – zum Beispiel Tauschhandelskredite und Vielfliegermeilen – ohne Zinsen und ihre schädlichen Nebeneffekte. Dies ist einer der Gründe, warum gut strukturierte zinsfreie Komplementärwährungen eine wichtige Rolle bei der Lösung sozialer Probleme in künftigen Gesellschaften spielen können.
*Bernard Lietaer lehrt an der Naropa University, Boulder, Colorado. Er vertritt die Freigeld-Schule
Gruß
Happy End
1. Was ist Geld? Tauschmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Recheneinheit – das ist das, was jeder Student der Volkswirtschaft im ersten Semester lernt. Aber was hat die Menschen eigentlich überhaupt dazu gebracht, wertvolle Güter gegen bunt bedrucktes Papier einzutauschen? Die Mehrzahl der Ökonomen weicht dieser Frage aus. Geld ist da oder wird von der Zentralbank ausgegeben. Basta. Andere dagegen glauben, Geld entstehe erst durch Verschuldung und Belastung von Eigentum. Wieder andere sehen darin ein Gut, das der Wettbewerbsprozess selbst hervorgebracht habe.
2. Ist Geld neutral? Das war die dominierende Frage der Wirtschaftswissenschaften im 20. Jahrhundert. Für die klassischen Ökonomen im vorangegangenen Jahrhundert stand noch unverrückbar fest, Geld an sich übe keinerlei Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen der Menschen aus. Es sei nur ein Schleier, der das Wesentliche verdecke, nämlich die Produktion von Gütern und deren Tausch auf Märkten. Es wurde deshalb als neutral bezeichnet. Ende des 19. Jahrhunderts allerdings säte der schwedische Wirtschaftswissenschaftler Knut Wicksell Zweifel an dieser Theorie. Er war einer der Ersten, die einen Zusammenhang zwischen der Höhe der Geldzinsen und dem Verlauf der Konjunktur nachwiesen. Es dauerte allerdings noch vier Jahrzehnte, bis John Maynard Keynes mit seiner General Theory im Jahr 1936 die Mehrzahl der Ökonomen davon überzeugte, dass es nicht wirklich eine Trennung zwischen Realwirtschaft und Geld gibt. Die Neutralität galt nicht mehr. Bis Milton Friedman 1956 die monetaristische Konterrevolution einleitete: Er behauptete, Geld übe allenfalls kurzfristig Einfluss auf die Realwirtschaft aus, langfristig gelte jedoch weiterhin die Neutralität.
3. Was bestimmt den Zins? Sei es im Kreditgeschäft, beim Sparen oder beim Diskontieren: Überall taucht er auf, der Zins. Aber wer oder was bestimmt ihn? Die Notenbanken mit ihrer Zinspolitik, die Sparer mit ihrem Angebot an Kapital oder die Menschen mit ihrer Vorliebe für Bargeld, zumal in unsicheren Zeiten?
Für die klassischen Ökonomen war der entscheidende Zins immer ein Knappheitspreis, der Kapitalangebot und Kapitalnachfrage ins Gleichgewicht bringt. Nach dieser Theorie könnten Notenbanken nichts ausrichten. Diese Sicht wird von den Keynesianer verworfen: Danach hängt die Investitionsbereitschaft der Unternehmen von den erwarteten Erträgen ab, und hier spielt der Geldzins eine ganz entscheidende Rolle.
Uwe Richter/Robert v. Heusinger
Spiel mit den Zinsen
Von Peter Bofinger*
1. Die beste aller Definitionen von Geld findet man bei Kurt Tucholsky in seinem berühmten Kurzen Abriss der Nationalökonomie:
„Nationalökonomie ist, wenn die Leute sich wundern, warum sie kein Geld haben. Das hat mehrere Gründe, die feinsten sind die wissenschaftlichen Gründe, doch können solche durch Notverordnungen aufgehoben werden. Über die ältere Nationalökonomie kann man ja nur lachen und dürfen wir selbe daher mit Stillschweigen übergehen. Sie regierte von 715 vor Christo bis zum Jahre 1 nach Marx. Seitdem ist die Frage völlig gelöst: die Leute haben zwar immer noch kein Geld, wissen aber wenigstens, warum. Die Grundlage aller Nationalökonomie ist das sog. ‚Geld‘. Geld ist weder ein Zahlungsmittel noch ein Tauschmittel, auch ist es keine Fiktion, vor allem aber ist es kein Geld. Für Geld kann man Waren kaufen, weil es Geld ist, und es ist Geld, weil man dafür Waren kaufen kann. Doch ist diese Theorie inzwischen fallen gelassen worden. Woher das Geld kommt, ist unbekannt. Es ist eben da, bzw. nicht da – meist nicht da.“
2. Was geschieht, fragte sich Milton Friedman, der Vater des Monetarismus, wenn man mit Hubschraubern Geld über das Land verteilt, sodass sich die Geldmenge in kurzer Zeit verdoppelt? Die Antwort liegt auf der Hand: Das zusätzliche Geld wird zwar schnell ausgegeben, und das Preisniveau verdoppelt sich, doch Produktion und Beschäftigung erhöhen sich dadurch nicht. Also ist klar bewiesen: Geld ist neutral.
Nun kommt es aber in der Realität selten dazu, dass die Notenbanken Geld aus der Luft unter das Volk bringen. Anders als von Friedman und von vielen seiner Anhänger angenommen, steuern die meisten Zentralbanken die Wirtschaft nicht über die Geldmenge, sondern über die Zinsen, zu denen sich die Banken bei ihnen verschulden können. Hier zeigt die Erfahrung, dass die Geldpolitik keinesfalls neutral in Bezug auf die Realwirtschaft ist. Die enorme Dynamik der amerikanischen Wirtschaft in den neunziger Jahren ist darauf zurückzuführen, dass Alan Greenspan die Notenbankzinsen sehr niedrig gehalten hatte. Umgekehrt hat die wirtschaftliche Dynamik in Europa in der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts massiv unter der Hochzinspolitik der Bundesbank gelitten.
3. Die kurzfristigen Zinsen können sehr gut durch die Instrumente der Notenbanken gesteuert werden. Sie wirken vor allem über die Bilanzen von Banken und Unternehmen. Zur Natur des Bankgeschäftes gehört es, dass die von den Geldhäusern vergebenen Kredite eine längere Laufzeit aufweisen als die Einlagen der Sparer. Indem Greenspan die kurzfristigen Zinsen kräftig gesenkt hat, konnte er so die Ertragslage der amerikanischen Banken verbessern. Bei den Unternehmen ergibt sich der Einfluss der kurzfristigen Zinsen aus der Tatsache, dass sie in der Regel eine hohe Fremdkapitalquote aufweisen. In Deutschland etwa machen die Verbindlichkeiten im Schnitt gut 80 Prozent, das Eigenkapital dagegen weniger als 20 Prozent der Bilanz aus. Da ein großer Teil der Verbindlichkeiten kurzfristiger Natur ist, hat auch hier ein Rückgang der kurzfristigen Zinsen einen positiven Einfluss auf die Ertragslage. Die längerfristigen Zinsen lassen sich geldpolitisch nicht so gut steuern, da sie stark von den Inflationserwartungen beeinflusst werden. Sie sind vor allem für längerfristige Investitionsentscheidungen von Bedeutung.
*Peter Bofinger lehrt an der Universität Würzburg. Er vertritt den standard-keynesianischen Ansatz
Nur ein Tauschgeschäft
Von Manfred J. M. Neumann*
1. Geld ist das dominierende Tauschmedium des modernen Wirtschaftens und damit eine bedeutende Grundlage des Wohlstands. Seine Erfindung hat es den Menschen ermöglicht, sich von den Fesseln des Naturaltauschs zu befreien. Mit der Verständigung auf ein allgemeines Tauschmittel wurden die Transaktionskosten des Tausches, vor allem die hohen Suchkosten, enorm gesenkt. Ohne Geld gäbe es nicht die differenzierte Arbeitsteilung, das System der Finanzmärkte, die elegante Verteilung der Risiken des Wirtschaftens.
Die Produktivität des Geldes ist eng verknüpft mit dem Informationsgehalt der Preise. Wenn ein einzelner Geldpreis steigt, signalisiert das den Anbietern des betreffenden Gutes eine Verknappung, sprich: eine höhere Nachfrage der Verbraucher oder ein geringeres Angebot durch das Ausscheiden von Wettbewerbern. Darauf werden die Hersteller im Gewinninteresse reagieren und ihre Produktion ausweiten. Diese Informationsfunktion des Preissystems leidet, wenn Preisveränderungen nicht allein von Veränderungen der relativen Knappheiten der jeweiligen Güter verursacht werden, sondern zusätzlich von der Expansion der Geldmenge. Letztere wirkt auf sämtliche Preise ein und wird Inflation genannt. Inflation führt zu Fehleinschätzungen der Knappheitslagen und folglich zu Fehlinvestitionen bei Anbietern und Fehldispositionen bei Nachfragern. Deshalb muss die Geldpolitik auf das Ziel der Preisstabilität ausgerichtet werden und transparent sein.
2. Das Faszinierende und zugleich Gefährliche ist, dass Geld nicht neutral ist. Es ist also kein harmloser Schleier, der über der Realwirtschaft liegt, aber sie nicht verändert. In der Geldtheorie wird zwar ein Zustand klassischer Neutralität des Geldes definiert. Das dient dem Theoretiker als ein analytischer Bezugspunkt, aber er käme nicht auf die Idee, ein solcher Zustand könnte existieren. Schon die Emission neuen Geldes ist nicht neutral, weil der private Sektor dem Staat im Austausch Aktiva abtreten muss. Da die Kosten der Geldproduktion nur einen Bruchteil des Nennwertes betragen, ist das Drucken von Geld sehr lukrativ. Das hat Regierungen überall auf der Welt immer wieder dazu verführt, ihr Monopol der Geldschöpfung zu missbrauchen, um ihrer ewigen Finanzierungsnöte Herr zu werden. So kam und kommt es zu Inflationen, die den Staat ent- und die Bürger belasten.
3. Anfangs ging es immer um Zinssenkung. Tatsächlich kann die Zentralbank durch eine Verringerung ihres Refinanzierungssatzes erreichen, dass auch die Zinssätze an den Bankkreditmärkten nachgeben. Aber diese Form fehlender Neutralität des Geldes ist flüchtiger Natur. Wenn die Politik billigen Geldes anhält, kommt es bald zu steigenden Inflationserwartungen. Sie treiben die Zinssätze für längerfristige Kredite wieder hinauf. Am Ende liegen die Zinsen sogar höher als am Anfang. Das für die Investitionstätigkeit wichtige reale Zinsniveau lässt sich nicht von der Geldpolitik, sondern nur vom Sparverhalten dauerhaft beeinflussen.
*Manfred J. M. Neumann lehrt an der Universität Bonn. Er vertritt den Monetarismus
Wettbewerb über alles
Von Roland Vaubel*
Die Free-Banking-Schule fordert freien Marktzutritt zur Geldproduktion. Nicht nur die staatliche Notenbank, sondern auch private Unternehmen sollen Zahlungsmittel einschließlich Banknoten und Münzen anbieten dürfen – ohne gesetzliche Mindestreserveverpflichtungen. Der Staat soll sein gesetzliches Geldbasismonopol aufgeben.
Das bedeutet natürlich nicht, dass in einem Land tatsächlich mehrere Währungen umlaufen müssen. Darüber entscheiden die Bürger durch die Wahl ihres Zahlungsmittels. Aber schon die Möglichkeit, dass eine inflationierende Staatswährung von privaten Parallelwährungen verdrängt werden könnte, begrenzt den Spielraum der staatlichen Notenbank. Was zählt, ist also nicht unbedingt der tatsächliche, sondern vor allem der potenzielle Wettbewerb.
Wettbewerb kann übrigens auch von ausländischen Staatswährungen ausgehen. Das verringert ebenso die Inflationsneigung. Wenn dieser Wettbewerb heilsam ist, weshalb soll dann nicht Gleiches für den Wettbewerb mit privaten Emittenten gelten?
Laufen in einem Land tatsächlich eine oder mehrere Parallelwährungen um, fallen zusätzliche Informations- und Umtauschkosten an. Das ist ein Nachteil, und deshalb haben es neue Währungen schwer. Aber Geld ist nicht nur Zahlungsmittel, sondern auch Wertmaßstab und Wertaufbewahrungsmittel. Für einen Wertmaßstab und für unverzinsliche Wertaufbewahrungsmittel wie Banknoten und Münzen ist es wichtig, dass der Geldwert stabil ist. Deshalb kann es trotz allem attraktiv sein, eine neue Parallelwährung zu verwenden. Die optimale Zahl und Ausdehnung der Währungsräume kann nur durch die freie Entscheidung jedes einzelnen Geldnachfragers gefunden werden.
In der Währungsgeschichte hat es private Parallelwährungen – insbesondere Banknoten – vor allem in Zeiten der Hyperinflation gegeben – auch in der Weimarer Inflation von 1922/23. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden die Banknoten in den meisten Ländern von privaten Banken ausgegeben – oft ohne staatliche Reservevorschriften. Fast immer verpflichteten sich die Emissionsbanken, den Wert ihrer Banknoten an bestimmte Güter – in der Regel Edelmetalle – zu binden und sie auf Wunsch in diese umzutauschen. Besonders gut funktionierte das in Schottland.
Der Free-Banking-Ansatz ist grundsätzlich mit anderen geldpolitischen Schulen – zum Beispiel einer monetaristischen Geldmengensteuerung oder einer keynesianischen Konjunkturpolitik – vereinbar. Entscheidend ist, dass der Staat auf sein gesetzliches Geldbasismonopol verzichtet. Je mehr die staatliche Notenbank allerdings dem Wettbewerb ausgesetzt ist, desto stärker kann die Nachfrage nach dem Staatsgeld schwanken. Eine einfache Regel für das Wachstum der Zentralbankgeldmenge verspricht bei effektivem Währungswettbewerb keinen Erfolg, und die Möglichkeiten einer keynesianischen Feinsteuerung sind dann noch geringer und unsicherer. Was der Staat und seine Zentralbank verlieren, gewinnt jedoch der Bürger: Er hat mehr Wahlfreiheit und daher stabileres Geld.
*Roland Vaubel lehrt in Mannheim. Er ist Anhänger der Free-Banking-Schule
Spekulation frisst Glück
von Rudolf Hickel*
1. Abgesehen von der Funktion als Recheneinheit und Zahlungsmittel, ist Geld vor allem ein Vermögenswert – ein irrational bewegter Vermögenswert. Seine besondere Eigenschaft: Er weist die höchstmögliche Liquidität auf. Wie bei anderen Vermögenstiteln bestimmt der Vergleich des Nutzens mit den Kosten die Geldhaltung. Die wichtigsten Kosten der Liquidität sind die entgangenen Erträge aus alternativen Anlagen (Opportunitätskosten). Die erwarteten Renditen anderer Anlageformen wie festverzinslicher Anleihen oder Aktien beeinflussen maßgeblich die Geldhaltung. Da Erwartungen jedoch unsicher sind, muss jeder Mensch spekulieren. Deshalb spricht der britische Ökonom John Maynard Keynes zu Recht von der Spekulationskasse. Sie ist der Seismograf für die ungewisse und daher erspekulierte Zukunft. Heute prägen Pessimismus und Zukunftsängste die Geldhaltung. Selbst die große Vielfalt an ausgefeilten Finanzprodukten kann nicht verhindern, dass die Geldmenge unter den Matratzen zunimmt.
2. Zu behaupten, Geld wirke neutral in Bezug auf die Realwirtschaft, ist absurd. Ja, schon die Unterscheidung zwischen der realen und monetären Sphäre ist fiktiv. Die Höhe der Spekulationskasse wird einerseits maßgeblich durch die erwarteten Renditen auf den Finanz- und Investitionsmärkten bestimmt. Monetäre Entscheidungen sind also Ausdruck von Veränderungen auf den instabilen Finanz- und Gütermärkten. Andererseits führt die Anhäufung von Liquidität zumindest kurzfristig zum Entzug an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage und dadurch zur Unterauslastung der Produktionskapazitäten. Diese analytische Trennung zwischen der Realwirtschaft und ihren Märkten, die die Versorgung optimal regeln, sowie des Geldes muss überwunden werden. Der alte Fuchs Alan Greenspan, der Notenbankpräsident der amerikanischen Federal Reserve, hat das schon lange begriffen. Er plädierte erneut Ende August beim jährlichen Notenbank-Treffen im kanadischen Jackson Hole für ein Höchstmaß an Flexibilität und sprach sich damit klar gegen jede regelgebundene Geldpolitik aus – ein weiterer Schlag gegen den Monetarismus. Die Notenbank müsse ganz pragmatisch die geldpolitischen Alternativen abwägen. Was fehlt, ist eine Theorie, die die wachsende Instabilität des Kapitalismus erklärt.
3. Es gibt zwei bedeutsame Preise für die moderne Makroökonomie, mit denen sich die Wissenschaft schwer tut: der Wechselkurs und der Kapitalmarktzins. Beide Preise sind wegen des Einflusses sich ständig verändernder Erwartungen der Marktteilnehmer nicht kalkulierbar. Das zeigt die Entwicklung und geldpolitische Einflussnahme auf die kurzfristigen Zinssätze. So tut sich die Europäische Zentralbank (EZB) – wie jede andere Notenbank übrigens auch – schwer, über die Veränderung des Preises für die Besorgung von Liquidität durch die Geschäftsbanken selbst noch Einfluss auf die kurzfristigen Zinssätze zu nehmen. Hier hat auch die Globalisierung der Finanzmärkte ihre Spuren hinterlassen. Sie nämlich erlaubt es erst den Banken, sich im Ausland zu verschulden. Abgesehen von diesen Grundproblemen, lässt sich heute die Veränderung der Kapitalmarktzinsen am besten mit der erwarteten Inflationsrate erklären.
*Rudolf Hickel lehrt an der Universität Bremen. Er vertritt den postkeynesianischen Ansatz
Am Anfang war das Eigentum
Von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger*
Geld entsteht durch Belastung von Eigentumstiteln, das heißt von Vermögen, und ist deshalb nur gegen Zins zu haben. An der Geldschaffung durch die Notenbank wird das anschaulich. Sie gibt als Gläubiger in einem kurzfristigen Kreditkontrakt Banknoten an Geschäftsbanken. Für den Kredit müssen die Banken neben der Tilgung auch Zins zahlen und Sicherheiten stellen. Die Banknoten tragen keinen Zins, können aber nur in einem zinstragenden Kredit entstehen.
Der Zins ist ein monetärer und kein Güterzins. Er resultiert nicht aus dem Verzicht auf Konsum. Durch Sparen ist zwar Zins erzielbar, es erklärt ihn aber nicht. Der Zins entsteht bei der Geldschaffung und nicht bei seiner Weiterverleihung. Die Notenbank verlangt ihn, weil sie bei der Kreditvergabe immer das Risiko trägt, selbst bei besten Sicherheiten der Geschäftsbanken Kredite abschreiben zu müssen. Für die Rückholung der dann nicht zurückgezahlten Banknoten muss die Notenbank Eigenkapital einsetzen. Jede Geldschaffung bedeutet also eine Belastung ihres Vermögens. Diese Fähigkeit drückt sich in der Eigentumsprämie aus. Bei der Belastung geht sie verloren. Es ist dieser Verlust, der für seinen Ausgleich den Zins hervorbringt.
Die Pfänder der Geschäftsbanken bedeuten ebenfalls eine Blockierung von Vermögen. Auch die Geschäftsbanken verlieren somit ihre Eigentumsprämie. Sie gewinnen im Gegenzug die Liquiditätsprämie der ihnen kreditierten Banknoten. Diese Prämie des Geldes resultiert aus der Fähigkeit, Verpflichtungen endgültig bezahlen zu können. Nur das über Vermögensbelastung und deshalb gegen Zins geschaffene Geld führt zum Wirtschaften. Dieses ist ein Geschäftemachen durch permamentes Eingehen und Erfüllen von Gläubiger-Schuldner-Kontrakten. Jede Nichterfüllung der Kontrakte bedeutet den Verlust von Vermögen durch Vollstreckung. Die bedeutendsten Kontrakte neben dem Kreditkontrakt der Notenbank sind Kreditkontrakte zwischen Geschäftsbanken und Produzenten und daraus folgende Kaufkontrakte zwischen Produzenten und Konsumenten.
Um die Kontrakte erfüllen zu können, braucht man die von der Zentralbank geschaffenen Noten. Das bedeutet nicht, dass jeder zum Bezahlen Banknoten in der Hand haben muss. Schecks oder Kreditkarten werden aber nur als Zahlungsmittel akzeptiert, weil mit ihnen immer Forderungen auf Banknoten übertragen werden.
Nur solange Notenbank, Geschäftsbanken und Produzenten das Risiko der Vermögensbelastung eingehen, kommt das zum Wirtschaften erst führende Geld in Umlauf. Das Geld und nicht das Sparen erzwingt Akkumulation und damit Wachstum der Produktion. Denn in immer gleichen Fristen muss neben der Tilgung ja der Zins zusätzlich erwirtschaftet werden. Für dieses Mehr wird technischer Fortschritt ersonnen. Da die Belastung von Vermögen immer die Gefahr seines Verlustes bedeutet, sind Geldschaffung und Prosperität keine Selbstläufer. Bei fehlender Bereitschaft, Eigentumstitel zu riskieren, unterbleibt Akkumulation, und eine Krise setzt ein. Eine Notenbank mit dem Monopol der Geldschaffung und daher der Fähigkeit, als Kreditgeber letzter Hand einzugreifen, kann dann zwar die Zinsen reduzieren, aber nicht die erforderlichen Pfänder bereitstellen. Geld ist also niemals neutrales Schmiermittel. Vielmehr ist es das mit Zins und gegen gute Sicherheiten geborene Geld, das dem Auf und Ab der Wirtschaft erst den Takt gibt.
Gunnar Heinsohn und Otto Steiger lehren an der Universität Bremen. Sie vertreten ihre eigene Theorie, die „Eigentumstheorie von Zins und Geld“
Zinsen sind die Pest
Von Bernard Lietaer*
1. Geld ist eine Übereinkunft in einer Gemeinschaft, etwas als Tauschmittel zu verwenden. Diese „Vereinbarung“ kann bewusst sein, sehr viel öfter aber ist sie unbewusst. Die „Gemeinschaft“ kann ein Land oder ein Kontinent (Euro) sein, es kann die Nachbarschaft (mit einer Tauschkreis-Währung) oder aber die ganze Welt sein (wie bei Bretton Woods, dem Festwechselkurssystem nach dem Zweiten Weltkrieg). Es können aber auch Teilnehmer gemeinnütziger Projekte (wie zum Beispiel Altersfürsorgeprojekte in Japan) oder Benutzer einer Fluglinie (geschäftliche Vielfliegereinheiten) sein.
2. Das herrschende Währungssystem ist nicht neutral. Dafür gibt es drei Gründe: Erstens, der Geldschöpfungsprozess verläuft prozyklisch. 95 Prozent des Geldes kommt durch Bankkredite in Umlauf. Und Banken folgen dem Herdentrieb. So werden sie in florierenden Wirtschaftsphasen zu übertrieben freudigen Kreditgebern, was zu einem Boom führt. Geht es dagegen mit der Wirtschaft bergab, werden dieselben Banken übermäßig restriktiv. Dann verschlimmert ihr Verhalten die schwierige wirtschaftliche Situation.
Zweitens ist Geld nicht neutral, weil es gesellschaftlichen Reichtum konzentriert. Das ist eine Nebenwirkung der Zinsen. Zinsen verlagern Mittel von armen Menschen, die sich Geld leihen, weil sie keines haben, hin zu den Reichen, die es besitzen. Und drittens beeinflusst Geld alle finanziellen Entscheidungen in Richtung auf ein kurzfristiges Denken. Wegen der Zinsen ist Geld in der Zukunft immer weniger wert als heute, auch bei einer absolut inflationssicheren Währung. Auf diese Weise unterstützt unser Geld den Hang zu kurzfristigen Entscheidungen. Fast alle Kathedralen wurden zu Zeiten gebaut, in denen es kein Zinssystem gab. Sie wurden für die Ewigkeit gebaut. Was wird von heutigen Bauten in 1000 Jahren übrig sein?
3. Zinsen spielen in unserem herkömmlichen Währungssystem eine entscheidende Rolle. Dabei sind Zinsen kein notwendiger Bestandteil von Geld. Schafft man sie ab, braucht man weder Banken noch Zentralbanken. In der Geschichte gab es viele Fälle von offiziellen Währungen ohne Zinsen. So waren Zinsen bei Juden, Christen und Muslimen jahrhundertelang verboten. Die katholische Kirche sah Zinsen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr als Wucher an. Und sogar heute noch arbeiten die meisten Komplementärwährungen – zum Beispiel Tauschhandelskredite und Vielfliegermeilen – ohne Zinsen und ihre schädlichen Nebeneffekte. Dies ist einer der Gründe, warum gut strukturierte zinsfreie Komplementärwährungen eine wichtige Rolle bei der Lösung sozialer Probleme in künftigen Gesellschaften spielen können.
*Bernard Lietaer lehrt an der Naropa University, Boulder, Colorado. Er vertritt die Freigeld-Schule
Gruß
Happy End