Häme
Von Michael Hanfeld
Eine gewisse Naivität kann man den Kriegsberichterstattern an der Front und in der Etappe nicht absprechen. Zuerst sieht dieser Krieg wie eine wilde Wüstenrallye aus, und plötzlich stehen die Kameras still vor eigens zur Schau gestellten Leichen.
So hingerissen - zumindest bis zum Sonntag - der CNN-Reporter Walter Rodgers wirkte, der mit der 7. US-Kavallerie gen Bagdad unterwegs ist, so zähneknirschend die deutschen Korrespondenten sich aus dem amerikanischen Hauptquartier in Doha melden, wo sie offenbar nur ein Minimum an Information erhalten und wegen ihrer Nationalität angeblich auch als Informationsnehmer zweiter Klasse behandelt werden, so seltsam mutet der Ton an, in dem am Sonntag abend die ARD in ihrem "Brennpunkt" von dem Tag des Kriegs berichtete, den der amerikanische General Abizaid als einen schweren für die Koalition bezeichnet hat.
Gespielte Entrüstung
Im ZDF arbeitete der Washingtoner Korrespondent Eberhard Piltz beim Rapport der Meldungen des Tages den nicht nur graduellen Unterschied zwischen den Aufnahmen von irakischen Kriegsgefangenen im hiesigen und im amerikanischen Fernsehen und jenen von gefangengenommenen Amerikanern im irakischen Fernsehen und bei "Al Dschazira" gezeigten heraus: Die einen Bilder zeigten, auch aus der Distanz, ein Geschehen, die anderen hautnah Individuen, die offenbar unter Zwang ihren Namen und andere Angaben zu ihrer Person preisgeben. Piltz erinnerte im "heute journal" an ähnliche Aufnahmen von amerikanischen Soldaten aus dem ersten Golfkrieg und daran, daß diese Gefangenen nach ihrer Freilassung berichtet hatten, sie seien körperlich und seelisch gefoltert worden.
Keine Rede davon in der ARD. Hier werden die verängstigten Mienen der gefangenen GIs ohne Umschweife mit den Bildern nicht identifizierter irakischer Gefangener gleichgesetzt. Auch auf den Kameraschwenk, der zeigt, wie jemand die Leichen mutmaßlich amerikanischer Soldaten herumzerrt, wurde nicht verzichtet. Zur Abrundung gab es um so heftiger gespielte Entrüstung über das Gebaren der anderen - dasjenige des irakischen Fernsehen, das Soldaten zeigt, die in den Tigris ballern, wo sie abgestürzte amerikanischen Piloten vermuten (was man natürlich zu Dokumentationszwecken auch zeigen muß), und das der Amerikaner, die ebenjene Bilder der eigenen Gefangenen wohl lieber nicht zeigten.
Deplazierte Töne
Um so größer scheint der Stolz des ARD-Korrespondenten Christoph Maria Fröhder, der sich in den Nordirak durchgeschlagen hat und - ohne es belegen zu können - berichtet, daß die Bomben der Amerikaner hier wohl eher zivile Einrichtungen getroffen haben. Da meint man doch eine gewisse Erleichterung bei der ARD zu vernehmen, die erkennbar darunter leidet, daß sie, anders als ZDF und RTL, keinen eigenen Korrespondenten mehr in Bagdad hat.
Am vollständigsten deplaziert aber war der Ton, in dem über die wiederaufgeflammten Kämpfe in der Stadt Umm Kasr berichtet wurde. "Seltsam", hieß es da mokant. Sei nicht zuvor seitens der Amerikaner und Briten bereits die Einnahme der Stadt gemeldet worden? Das war nichts als die reine Häme und drittklassiger Journalismus sowieso und damit der denkbar falscheste Ton, in dem man über den Krieg berichten kann. Er zeigt, daß manche Journalisten mit ihrer Vorstellung vom Krieg dem, was geschieht, auf fatale Weise hinterherhinken.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.03.2003, Nr. 71 / Seite 38
Bildmaterial: FAZ.NET
Von Michael Hanfeld
Eine gewisse Naivität kann man den Kriegsberichterstattern an der Front und in der Etappe nicht absprechen. Zuerst sieht dieser Krieg wie eine wilde Wüstenrallye aus, und plötzlich stehen die Kameras still vor eigens zur Schau gestellten Leichen.
So hingerissen - zumindest bis zum Sonntag - der CNN-Reporter Walter Rodgers wirkte, der mit der 7. US-Kavallerie gen Bagdad unterwegs ist, so zähneknirschend die deutschen Korrespondenten sich aus dem amerikanischen Hauptquartier in Doha melden, wo sie offenbar nur ein Minimum an Information erhalten und wegen ihrer Nationalität angeblich auch als Informationsnehmer zweiter Klasse behandelt werden, so seltsam mutet der Ton an, in dem am Sonntag abend die ARD in ihrem "Brennpunkt" von dem Tag des Kriegs berichtete, den der amerikanische General Abizaid als einen schweren für die Koalition bezeichnet hat.
Gespielte Entrüstung
Im ZDF arbeitete der Washingtoner Korrespondent Eberhard Piltz beim Rapport der Meldungen des Tages den nicht nur graduellen Unterschied zwischen den Aufnahmen von irakischen Kriegsgefangenen im hiesigen und im amerikanischen Fernsehen und jenen von gefangengenommenen Amerikanern im irakischen Fernsehen und bei "Al Dschazira" gezeigten heraus: Die einen Bilder zeigten, auch aus der Distanz, ein Geschehen, die anderen hautnah Individuen, die offenbar unter Zwang ihren Namen und andere Angaben zu ihrer Person preisgeben. Piltz erinnerte im "heute journal" an ähnliche Aufnahmen von amerikanischen Soldaten aus dem ersten Golfkrieg und daran, daß diese Gefangenen nach ihrer Freilassung berichtet hatten, sie seien körperlich und seelisch gefoltert worden.
Keine Rede davon in der ARD. Hier werden die verängstigten Mienen der gefangenen GIs ohne Umschweife mit den Bildern nicht identifizierter irakischer Gefangener gleichgesetzt. Auch auf den Kameraschwenk, der zeigt, wie jemand die Leichen mutmaßlich amerikanischer Soldaten herumzerrt, wurde nicht verzichtet. Zur Abrundung gab es um so heftiger gespielte Entrüstung über das Gebaren der anderen - dasjenige des irakischen Fernsehen, das Soldaten zeigt, die in den Tigris ballern, wo sie abgestürzte amerikanischen Piloten vermuten (was man natürlich zu Dokumentationszwecken auch zeigen muß), und das der Amerikaner, die ebenjene Bilder der eigenen Gefangenen wohl lieber nicht zeigten.
Deplazierte Töne
Um so größer scheint der Stolz des ARD-Korrespondenten Christoph Maria Fröhder, der sich in den Nordirak durchgeschlagen hat und - ohne es belegen zu können - berichtet, daß die Bomben der Amerikaner hier wohl eher zivile Einrichtungen getroffen haben. Da meint man doch eine gewisse Erleichterung bei der ARD zu vernehmen, die erkennbar darunter leidet, daß sie, anders als ZDF und RTL, keinen eigenen Korrespondenten mehr in Bagdad hat.
Am vollständigsten deplaziert aber war der Ton, in dem über die wiederaufgeflammten Kämpfe in der Stadt Umm Kasr berichtet wurde. "Seltsam", hieß es da mokant. Sei nicht zuvor seitens der Amerikaner und Briten bereits die Einnahme der Stadt gemeldet worden? Das war nichts als die reine Häme und drittklassiger Journalismus sowieso und damit der denkbar falscheste Ton, in dem man über den Krieg berichten kann. Er zeigt, daß manche Journalisten mit ihrer Vorstellung vom Krieg dem, was geschieht, auf fatale Weise hinterherhinken.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.03.2003, Nr. 71 / Seite 38
Bildmaterial: FAZ.NET