Wie ist eigentlich das Haus erfunden worden? Wahrscheinlich so wie das Rad, nämlich „irgendwie“ – das Dunkel der Vor- und Frühgeschichte ist in solchen Fragen undurchdringlich. Kindern würde man die Sache folgendermaßen erklären. Eines schönen Tages in der Altsteinzeit (es kann auch in der Mittel- oder Jungsteinzeit gewesen sein) trat einer aus der Höhle, sagte mit einem seltsamen Flackern in den Augen „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr“ und schickte sich an, einen Plan in den Boden zu ritzen. Die von seiner Sippe glotzten zunächst, dann brummelte einer „Genau“, ein anderer „Schaffe, schaffe, Häusle baue“, ein dritter „Nie wieder unbehaust“, und ehe man sich’s versah, war ein Neubaugebiet ausgewiesen, auf dem man auch schon den Vertreter der Bausparkasse Neandertal AG herumlaufen sah. In den überregionalen Blättern aber stand zu lesen, dass die Steinzeit ja nun wohl definitiv vorbei sei.
Letzteres war ein gewaltiger Irrtum, jedenfalls in bautechnischer Hinsicht. Woraus immer die ersten Häuser bestanden haben mochten, aus Lehm, aus Blättern, aus geflochtenen Zweigen, aus getrocknetem Kuhmist, aus Fellen, aus den Schädeln der Sippe von nebenan: Die eigentliche Steinzeit begann erst mit der Fortentwicklung des gemein- wie auch eigennützigen Wohnungsbaus. Denken wir nur an die Pyramiden. Was für ein Rausch an geschichteten Steinen! Ein kalt kalkulierter Rausch freilich und im Wortsinn auch kein echter Beitrag zum Wohnungsbau, sondern eher ein Holzweg – doch wir greifen vor mit diesem kleinen Scherz. Allem Anschein nach hatte der Mensch das Urbedürfnis, sich nach Verlassen der Höhlen weiterhin mit deren steinernem Ambiente zu umgeben, nur eben in verfeinerter Form, also ohne Bären als Mitbewohner und ohne dass Wasser aus den Wänden sickerte. Er hat dafür bezahlen müssen, beispielsweise mit hellhörigen Wänden, und wenn er aus einer atavistischen Laune heraus ein Lagerfeuer anbrennt, bekommt er eine Abmahnung.
Die Holzbauweise war über all dem nie untergegangen. Viele geben dem warmen Baustoff Holz ohnedies den Vorzug vor dem Stein, und ein Holzhaushersteller kleidete diesen Rang in den Slogan „Die ,Steinzeit‘ ist vorbei“. Das führte zu einem Streit mit dem Interessenverband der bayerischen Ziegelindustrie, der den Werbespruch als herabsetzend für die Steinbauweise einschätzte. Der Bundesgerichtshof Karlsruhe konnte von einer Diskriminierung nichts erkennen und verwies zudem auf den „durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher“, der den Sprachwitz des Slogans zu würdigen wisse. Danke, BGH! Wir Verbraucher erinnern uns nun auch eines Slogans der Betonindustrie, wonach es drauf ankomme, was man draus macht. Köpfe für den Ziegel-Interessenverband waren damit nicht gemeint.
Quelle:Süddeutsche Zeitung (Das Streiflicht)
Letzteres war ein gewaltiger Irrtum, jedenfalls in bautechnischer Hinsicht. Woraus immer die ersten Häuser bestanden haben mochten, aus Lehm, aus Blättern, aus geflochtenen Zweigen, aus getrocknetem Kuhmist, aus Fellen, aus den Schädeln der Sippe von nebenan: Die eigentliche Steinzeit begann erst mit der Fortentwicklung des gemein- wie auch eigennützigen Wohnungsbaus. Denken wir nur an die Pyramiden. Was für ein Rausch an geschichteten Steinen! Ein kalt kalkulierter Rausch freilich und im Wortsinn auch kein echter Beitrag zum Wohnungsbau, sondern eher ein Holzweg – doch wir greifen vor mit diesem kleinen Scherz. Allem Anschein nach hatte der Mensch das Urbedürfnis, sich nach Verlassen der Höhlen weiterhin mit deren steinernem Ambiente zu umgeben, nur eben in verfeinerter Form, also ohne Bären als Mitbewohner und ohne dass Wasser aus den Wänden sickerte. Er hat dafür bezahlen müssen, beispielsweise mit hellhörigen Wänden, und wenn er aus einer atavistischen Laune heraus ein Lagerfeuer anbrennt, bekommt er eine Abmahnung.
Die Holzbauweise war über all dem nie untergegangen. Viele geben dem warmen Baustoff Holz ohnedies den Vorzug vor dem Stein, und ein Holzhaushersteller kleidete diesen Rang in den Slogan „Die ,Steinzeit‘ ist vorbei“. Das führte zu einem Streit mit dem Interessenverband der bayerischen Ziegelindustrie, der den Werbespruch als herabsetzend für die Steinbauweise einschätzte. Der Bundesgerichtshof Karlsruhe konnte von einer Diskriminierung nichts erkennen und verwies zudem auf den „durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher“, der den Sprachwitz des Slogans zu würdigen wisse. Danke, BGH! Wir Verbraucher erinnern uns nun auch eines Slogans der Betonindustrie, wonach es drauf ankomme, was man draus macht. Köpfe für den Ziegel-Interessenverband waren damit nicht gemeint.
Quelle:Süddeutsche Zeitung (Das Streiflicht)