Das heiße Spiel der Milliardärinnen (EuramS)Maria-Elisabeth Schaeffler und Madeleine Schickedanz riskieren ausgerechnet inmitten der weltweiten Krise ihr Vermögen.
von Stephan Bauer
Was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hat, das gibt sie so schnell nicht auf. Was geschieht, wenn Maria-Elisabeth Schaeffler, Inhaberin des fränkischen Wälzlagerimperiums, erfährt, dass die EU-Kartellbehörden die Genehmigung ihres Prestigeprojekts mit der Aufforderung zu aufwendigen Detailangaben erschweren? Sie lässt stapelweise Unterlagen für die Freigabe der Übernahme von Continental einreichen. Die Schaeffler zieht ihr Ding durch. Diesen Ruf hat sich die Milliardärin hart erarbeitet. Etwa mit der feindlichen Übernahme des Konkurrenten FAG Kugelfischer im Jahr 2001.
Jetzt soll der Conti-Coup komplettiert werden. Entsprechend selbstbewusst geht die Wälzlagerkönigin mit den Gerüchten um Probleme bei der zwölf Milliarden Euro schweren Finanzierung um. "Die Finanzierung steht. Die Syndizierung ist eine Sache der Banken", ließ Schaeffler jüngst Spekulationen um ein Scheitern der Übernahme des Hannoveraner DAX-Konzerns kommentieren.
Was schert es die Witwe des Firmengründers Georg Schaeffler, Gebieterin über 66 000 Mitarbeiter im Maschinenbauimperium, wenn in der Welt eine Finanzkrise tobt? Sache der Banken. Die Schaeffler macht ihr Ding. Koste es, was es wolle. Es kostet eine Menge. 75 Euro pro Anteilsschein hat die Milliardärin den Conti-Aktionären geboten. Eine Weile lang schien das ein eher günstiger Preis. Immerhin forderte Continental mindestens 80 Euro. Doch dann trübte sich die konjunkturelle Perspektive schlagartig ein. Die Finanzkrise tat ihr Übriges. Und so nahmen mehr als 90 Prozent der Conti-Eigner die Offerte an.
Das schmerzt. Denn die Aktie wird in diesen Tagen um die 40 Euro gehandelt. Rechnet man die Anteile heraus, die Schaeffler vor dem offiziellen Angebot bereits über Banken eingesammelt hatte, so ergibt sich ein Wertverlust von gut drei Milliarden Euro aus dem Deal, der als so etwas wie die Neuerfindung der Übernahmeattacke in Deutschland gilt. Und womöglich muss Schaeffler Kursverluste zumindest zum Teil realisieren. Denn die Franken haben sich für fünf Jahre verpflichtet, maximal knapp 50 Prozent der Anteile zu halten. Schaeffler spielt mitten in der Finanzkrise das Spiel ihres Lebens.
Auch Madeleine Schickedanz kämpft mit allem, was sie hat. Die Erbin des Versandhausgründers Gustav Schickedanz setzt ihr Vermögen ein, um das Vermächtnis der Fürther Familie zu retten. Einst war Quelle das größte Versandhaus Europas. Doch inzwischen steckt das Unternehmen im kriselnden Reise- und Handelskonstrukt Arcandor, der ehemaligen KarstadtQuelle. Und mitsamt dem Konzern, dessen sperriger Kunstname für beflügelte Geschäfte stehen sollte, ist Quelle in großer Not.
Die Milliardärin Schickedanz steht mittendrin im Sturm. Soeben hat sie knapp 20 Prozent ihrer Anteile an die Düsseldorfer Privatbank Sal. Oppenheim verkauft. Die Aktien dienten wohl als Sicherheit für einen Kredit, mit dem Schickedanz einst Karstadt-Aktien kaufte. Doch die Sicherheit schmolz mit dem Aktienkurs dahin. Die engagierte Fränkin musste verkaufen. Es war kein guter Zeitpunkt. Zu Kursen zwischen sieben und neun Euro hatte die Quelle-Erbin im Frühjahr 2005 ihr Anteilspaket am Einzelhandelskonzern aufgestockt. Der Kurs hat sich seitdem geviertelt.
Die Finanzkrise verschärft die Not bei Arcandor. Die Bilanz der vergangenen zwölf Monate ist für die Investorin verheerend: Innerhalb eines Jahres schrumpfte der Wert ihres Aktienpakets um über 2,5 Milliarden Euro. Dabei wollte sie das Schicksal in eigene Hände nehmen, als sie vor gut drei Jahren zur Unterstützung des trudelnden Handelskonzerns schritt und im großen Stil Aktien auf Pump einsammelte.
Keine Frage: Die harten Zeiten setzen den beiden Herrscherinnen deutscher Familienunternehmen schwer zu. Viel steht in diesen Tagen auf dem Spiel: Schaeffler riskiert ihr Renommee als clevere Taktikerin und erfolgreiche Geschäftsfrau, Schickedanz ihren guten Ruf als beherzte Streiterin für das Familienerbe. Beide stehen womöglich vor einem Wendepunkt in ihrem Leben. Das ist nicht die einzige Parallele. Der Krieg trieb Maria-Elisabeth, geborene Kurssa, als Kind aus Prag nach Wien. Schickedanz wurde in einem Nürnberger Luftschutzbunker geboren. Beide studierten ein paar Semester Betriebswirtschaft, sogar an derselben Universität, in Nürnberg-Erlangen. Beide brachen ihr Studium ohne Abschluss ab. Und beide nahmen erst spät in ihrem Leben eine aktive Rolle in den Unternehmen ein, denen sie ihren Wohlstand verdanken.
Der Tod ihres 27 Jahre älteren Mannes 1996 beförderte die kulturell interessierte Maria-Elisabeth Schaeffler aus den Salons der gehobenen Gesellschaft an die Spitze des fränkischen Weltkonzerns. Madeleine Schickedanz widmete sich jahrelang vor allem ihrer Stiftung für krebskranke Kinder. Ihre eigene Tochter hatte die lebensbedrohliche Krankheit überwunden. Erst als es im Frühjahr 2004 mit KarstadtQuelle dramatisch bergab ging, griff die Milliardärin ein. Sie setzte den damaligen Karstadt-Chef Wolfgang Urban ab und gewann den befreundeten Manager Thomas Middelhoff für den Posten des Aufsichtsratschefs. Der schaffte dann auch zunächst die Wende. Doch inzwischen haben sich die Vorzeichen wieder zum Schlechten gewandt. Das Erbe der Madeleine Schickedanz hängt am seidenen Faden.
Schaefflers brisanter Deal allerdings, geschlossen noch zu Zeiten, in denen die Aussichten für die Branche bei Weitem positiver waren, könnte womöglich scheitern. Mancher Beobachter schließt nicht aus, dass die Finanzierung danebengeht. Schaeffler aber stünde auch dann den Conti-Aktionären gegenüber in der Pflicht. Es steht beileibe nicht nur der gute Ruf der Maria-Elisabeth Schaeffler auf dem Spiel.