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07.10.2007 09:00:00
Lohnen Immobilien überhaupt noch? (EuramS)
Aktien sind im Sinkflug, Finanzierer stehen wegen der Kreditkrise im Feuer: Die Immobilien-Branche ist derzeit nicht gerade Anlegers Liebling. Wo Betongold bröckelt, und wo es noch ein Investment wert ist
von Jörg Billina und Klaus Schachinger
Lee Polisanos Handschrift ist schon in vielen Städten deutlich zu erkennen. Der Stararchitekt aus den USA entwarf unter anderem das World Trade Center in Amsterdam, das Chicagoer Athenaeum und das Benrather Karee in Düsseldorf. Nun drückt Polisano auch noch London seinen nachhaltigen Stempel auf. Mitten im Finanzdistrikt der Acht-Millionen-Einwohner zählenden Metropole entsteht der 60 Stockwerke umfassende Bishopsgate Tower.
2010 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Das an einen offenen Füllfederhalter erinnernde Gebäude wird dann 300 Meter nach oben schießen und alle anderen Hochhäuser in der City überragen. Die Londoner haben für ihr neues Skyline-Highlight, das auf einen Wert von rund einer Milliarde Pfund geschätzt wird, bereits einen Namen gefunden: Helter Skelter – das ist der Titel eines alten Beatles-Songs und heißt so viel wie Hals über Kopf. Polisano nennt den Turm lieber "the Pinnacle", was man mit Spitze oder Zinne übersetzen kann.
Egal welcher Name sich letztendlich durchsetzen wird – für die Anleger des Uni Immo Deutschland hat sich der Bishopsgate Tower schon vor seiner Fertigstellung gerechnet. Der von Union Investment Real Estate aufgelegte Offen Immobilienfonds besaß ursprünglich die Grundstücke, auf denen der Turm nun errichtet wird. Dem Management gelang es auch, den viel umworbenen Polisano als Architekten zu gewinnen sowie die strenge Londoner Stadtplanungskommission von dem ehrgeizigen Bauvorhaben zu überzeugen. "Die gesamte Finanzierung des Bishopsgate Tower überstieg jedoch unsere Möglichkeiten", erklärt Fondsmanager Reinhard Kutscher. "Wir haben daher das Projekt an Arab Investments mit Gewinn ver-kauft. Der Erlös schlägt sich nun positiv in der Fondsrendite nieder." Der neue Besitzer wird keine Probleme haben, für die 90 000 Quadratmeter umfassende Bürofläche finanzkräftige Mieter zu finden. Selbst wenn sie, von heutigen Preisen ausgehend, bis zu 60 britische Pfund pro Quadratmeter hinblättern müssen. "Der Bishopsgate Tower wird zum neuen Wahrzeichen Londons", sagt Kutscher. "Eine Firma, die den Pinnacle als Adresse angeben kann, gewinnt an Prestige."
Doch das ist nicht der einzige Grund, warum es Unternehmen in die künftige Immobilien-Ikone an der Themse drängt. Es lockt auch die Aussicht Geld zu sparen lockt. Denn Polisano ist ein Architekt, der sich dem Umweltschutz verschrieben hat. "Angesichts einer steigenden Weltbevölkerung und abnehmender Ressourcen steht die Architektur in einer besonderen Verantwortung", sagt Polisano.
Tatsächlich sind herkömmlich konstruierte Gebäude für fast 40 Prozent der gesamten C02- Emissionen verantwortlich. Die von Polisano konzipierten Bürotürme nutzen dagegen das Tageslicht optimal aus, verwenden regenerative Energieträger und setzen umweltschonende Heiz- und Kühlsysteme ein. All das senkt die Nebenkosten erheblich. "Die Nachfrage von Unternehmen nach energieeffzienten Gebäuden dürfte daher in den kommenden Jahren anziehen", sagt Sonja Knorr von der Frankfurter Ratingagentur Scope. Damit gewinnt das Thema Nachhaltigkeit auch für die Investoren zunehmend an Bedeutung. "Künftig werden die Wertentwicklungen energiesparender Immobilien über denen herkömmlicher Gebäude liegen", glaubt Kutscher.
Grund genug für den Fondsmanager, nicht nur neue Projekte so umweltfreundlich wie möglich zu planen. Auch die Immobilien, die schon länger im Portfolio sind, erfahren einen Nachhaltigkeits- Schliff. So wird ab 2009 das Central Plaza in Hamburg, auch als Unilever-Haus bekannt, mit hohem finanziellem Aufwand saniert, um ein Höchstmaß an Energieeinsparung zu gewährleisten.
Die "grüne Offensive" ist jedoch nicht die einzige Strategie, mit der Kutscher, aber auch andere Manager die Attraktivität ihrer Fonds bei Mietern und Anlegern zu steigern versuchen. "Immer mehr Fonds erhöhen ihren Europa-Anteil. Und sie sehen auch in den Schwellenländern Chance", sagt Immobilienexpertin Knorr. Der Blick auf die Zahlen zeigt, wie rege die Offenen Immofonds inzwischen agieren: So lag nach Angaben des Bundesverbandes Investment und Asset Management der Auslandsanteil der Portfolios im Jahr 2002 noch bei 42 Prozent. Inzwischen ist er auf 64 Prozent geklettert. Die Quote außereuropäischer Länder stieg im gleichen Zeitraum von drei auf über sieben Prozent.
Die Manager des Grundbesitz Global von der Deutschen Bank-Tochter Rreef Management, setzt vor allem auf Asien. Der Fonds der früheren DB Real Estate hat allein in diesem Jahr in der koreanischen Hauptstadt Seoul für 98 Millionen Euro das Daewoo Securities Building und für rund 113 Millionen Euro das Tong Yang Building erworben. In Japan akquirierte der Fonds das Einkaufszentrum Qiz Mal Ryuugasakoi für 50 Millionen Euro. Mittlerweile liegt der Asien- Anteilbei 17 Prozent. Er dürfte angesichts eines Wirtschaftswachstums von bis zu zehn Prozent in den kommenden Jahren weiter steigen.
Als Zunkunftsmarkt wird auch die Türkei gehandelt. Die bei den Wahlen im Juli bestätigte Regierung von Ministerpräsident Tayyip Erdogan will die Einkommen in den nächsten fünf Jahren nahezu verdoppeln. Der aufkommenden Konsumfreude der Türken dürfte dies nach Ansicht der Offenen Immobilienfonds einen weiteren Schub verleihen. Sie investieren daher vor allem in Shopping-Center. So hat sich etwa der Hausinvest global von der Commerz Grundbesitz Gesellschaft mit rund 80 Millionen Euro am Bornova Center in Izmir beteiligt. Der Auslandsdrang der Immofonds hat neben der Aussicht auf höhere Renditen einen weiteren positiven Aspekt. "Die Anleger sparen Geld", sagt Knorr. "Erträge aus ausländischen Objekten werden am jeweiligen Standort versteuert und sind damit in Deutschland abgabenfrei. An der bisherigen Stärke der Offenen Immofonds dürfte die zunehmende Auslandsorientierung aber nichts ändern. "Die guten Fonds werden weiterhin Renditen in Höhe von fünf bis sechs Prozent erzielen und das bei geringen Schwankungen", sagt Knorr.
Ein Kontrastprogramm bei der Rendite haben 2007 Investments in Immobilien-Aktien geboten. Obwohl sich die Papiere während der vergangenen zehn Jahre besser entwickelt haben als andere Aktieninvestments in Europa ist ein Ende der gegenwärtigen Korrekturphase nicht in Sicht. Der europäische EPRA-Index, der die Kurse der wichtigsten europäischen Immobilienunternehmen abbildet, hat gegenüber dem breiten Aktienindex MSCI im laufenden Jahr mehr als 20 Prozent eingebüßt. Und das ausgerechnet in dem Jahr, das Experten im Februar zum Jahr der deutschen Immobilie ausriefen. "Der Markt ist weiterhin von Unsicherheit geprägt", sagt Wolfgang Fuchs, Leiter des Deutschland-Immobiliengeschäfts im Investmentbanking der UBS Bank. Anleger, die auf deutschen Immobilien-Aktien gesetzt haben, sitzen nun auf hohen Verlusten. "Werte wie Gagfah und Patrizia wurden mit einem hohen Aufschlag auf den Wert ihres Immobilienportolios (NAV) an der Börse platziert und haben entsprechend überdurchschnittlich stark verloren. Auf Seite der IPO-Kandidaten hat die niedrige Bewertungen der Immobilienaktien viele Unternehmen dazu bewogen, ihren Börsengang auf 2008 zu verschieben", sagt ein Banker.
Und das obwohl der Börsenwert der meisten europäischen Unternehmen deutlich unter dem Wert ihrer Immobilienportfolien (net asset value, NAV) liegt. Dieser Wert, der einmal jährlich von externen Gutachtern bestimmt wird, ist das wichtigste Vergleichskriterium für Immo-Aktien untereinander und entspricht dem Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) bei Aktien aus anderen Branchen.
Aber: "Es gibt ausreichend Investoren, die am deutschen Markt interessiert sind und ausreichend Kandidaten, die 2008 an die Börse wollen", meint Fuchs. "Die Perspektiven für ein starkes IPO-Jahr mit steuerbefreiten Immobiliengesellschaften (Reits) sind gut"
Für Unsicherheit sorgt weiter die Vertrauenskrise im Kreditmarkt. Auch wenn zwischen dem Markt für faule Kredite amerikanischer Häuslebauer mit geringer Bonität und Gewerbe- und Wohnimmobilien in Europa kein direkter Zusammenhang besteht. Fakt ist, dass sich durch die Krise der Preis für Fremdfinanzierungen deutlich gestiegen ist. Schlecht für die Unternehmen, die mit einem hohen Anteil an Fremkapital arbeiten.
"Der Markt setzt den Preis für das Risiko immer noch zu niedrig an", erklärt JPMorgan-Anmalyst Meijer. Er glaubt, dass das stärkste Kauf-Argument für Immo-Aktien als defensives Investment stark an Glanz verloren hat: die Rendite der Unternehmen. Der Konjunkturboom habe die Gewerbeimmobilien an den meisten Standorten so stark verteuert, dass die Renditen vor allem bei Projekten die mit einem hohen Kreditanteil finanziert sind, inzwischen niedriger sind als die jeweiligen Finanzierungskosten.
Und sollte das Wirtschaftswachstum in Europa, wie nach den jüngsten Prognosen zu erwarten, spürbar langsamer werden, so Meijer, seien Immo-Aktien stärker betroffen als Wertpapiere von Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe. Die profitieren immerhin vom globalen Wachstum. Zweistellige Kursgewinne sind mit europäischen Immo-Aktien deshalb nur mit äußerst konservativen Werten zu erreichen. Die Favoriten müssen demnach drei Kriterien erfüllen: Erstens hohe Dividenrendite, zweitens hohe und stabiler Finanzzuflüsse durch eine hohe Vermietungsquote an guten Standorten und lange Laufzeiten der Leasingverträge. Drittens sollte eine ausreichende Absicherung gegen steigende Finanzierungskosten existieren. Neben großen britischen Unternehmen wie Land Securities ist mit Alstria nur ein deutsches Unternehmen unter den JPMorgan-Favoriten. Deutsche Konzerne wie Gagfah oder Patrizia sind nach Meijers Kriterien zu teuer. Oder sie müssen wie IVG wesentlich höhere Kosten befürchten.
Meijers Top-Empfehlung ist der frisch fusionierte französisch-niederländische Unibail-Rodamco Konzern, Europas größter Betreiber von Einkaufspassagen. Unibail-Rodamco ist in den besten europäischen Märkten stark aufgestellt. In Frankreich und den Niederlanden, wo die Ladenmieten am stärksten steigen sollen, hat der Konzern 47 sowie 22 Prozent seines Portfolios.
Alstria macht die Bilanzierung zum Favoriten. Das Unternehmen will sich noch 2007 in einen Reit wandeln. Deutsche Reits müssen Projekte per Reit-Gesetz immer konservativ, mit mindestens 55 Prozent Eigenkapital, finanzieren.
Zudem hat Alstria Top-Mieter in den besten Lagen. Die Hälfte des Immobilienportfolios ist in Hamburg. Dort ist Alstria mit 42 Prozent der Wohneinheiten größter Vermieter der HafenCity, das Prestige-Projekt der Hansestadt und Europas größtes Städtebauprojekt. Mit Mietsteigerungen von acht bis zehn Prozent in 2007 gehört Hamburg zu den besten Standorten für Gewerbeimmobilien in Deutschland.
Osteuropa als Zusatzchance bietet die CA Immobillien Anlagen, die auch in den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten und in Russland präsent ist. In den Wachstumsmärkten Osteuropas kommt es vor allem darauf an, das hohe Risiko im Griff zu haben: "Russland ist ein dynamischer Markt, allerdings mit allen Ecken und Kanten", sagt CA Immo-Chef Bruno Ettenauer und spielt damit auf das politische Risiko für westliche Investoren an. Für Ettenauer sind daher in Russland, genauso wie in allen osteuropäischen Märkten, deshalb lokale Partner mit einem guten Netzwerk unverzichtbar.
Wie weit der russische Markt aber schon entwickelt ist, zeigenMeldungen russischer Immo- Konzerne aus der vergangenen Woche. Darin kündigten sie ein Listing in Moskau und London an. Sie folgen damit dem Beipiel anderer russischer Immo-Konzerne wie Sistema Hals , die bisher erfolgreicher waren als die britischen Immo-Riesen. CA-Immo-Chef Ettenauer bestätigt die Entwicklung: "Im russischen Markt wird die Nachfrage stark von inländischen Investoren getragen. Das politische Risiko ist für diese Gruppe nicht so relevant." Beste Voraussetzungen also, dass die neuen russischen Immofirmen mit ihrem Börsendebut bei Anlegern ebenso für Aufsehen sorgen wie Lee Polisano mit seinem Bishopsgate unter den Architekturfans.
Weitere Informationen finden Sie unter www.euroamsonntag.de