Aus der FTD vom 29.8.2002
Konjunktur bremst Schröder
Von S. Dullien, P. Ehrlich, C. Hulverscheidt und A. Notz, Berlin
Die dritte Verschlechterung des Geschäftsklimas in Folge hat die wirtschaftliche Lage in Deutschland wieder in den Mittelpunkt des Bundestagswahlkampfs gerückt. Der vielbeachtete Index des Ifo-Instituts fiel im August um 1,1 auf 88,8 Punkte.
Nach den Regeln des Instituts signalisiert ein dreimaliger Rückgang eine Abkühlung der Wirtschaft. "Wir sind klar vom Aufwärtstrend abgekommen", sagte Ifo-Volkswirt Gernot Nerb. Mit dem aktuellen Ifo-Index wird es wahrscheinlicher, dass das Wachstum in Deutschland auch in den nächsten Monaten eher schwach ausfallen wird. Hoffnungen der rot-grünen Bundesregierung, vor der Wahl mit einem bald bevorstehenden Aufschwung werben zu können, wurden gedämpft.
Die Regierung rechnet zudem mit schlechten Nachrichten vom Arbeitsmarkt. Am nächsten Donnerstag werden letztmals vor der Wahl Arbeitslosenzahlen veröffentlicht. Die nicht eingehaltenen Versprechen von Kanzler Gerhard Schröder für den Arbeitsmarkt sind die wichtigste Wahlkampfmunition von Unions-Kandidat Edmund Stoiber.
Späth: Steuererhöhungen vermeiden
Der von Stoiber als Wirtschaftsminister vorgesehene CDU-Politiker Lothar Späth sagte der FTD: "Es wird immer deutlicher, dass der erhoffte Aufschwung so nicht eintrifft." Darum müsse alles vermieden werden, was - wie Steuererhöhungen - depressiv auf die Bürger wirken könne. "Wir müssen alles dafür tun, den Stimmungsumschwung zu schaffen."
In der Regierung wurde indes auf die weltwirtschaftlichen Ursachen der schwachen Konjunktur verwiesen. Das Finanzministerium bleibt in seinem jüngsten Monatsbericht zuversichtlich, dass sich die Wachstumsaussichten verbessern.
Unter Volkswirten gilt der Ifo-Index allgemein als guter Frühindikator für die Industrieproduktion und das Wirtschaftswachstum. Bereits in den vergangenen Wochen hatten eine Reihe von Konjunkturdaten darauf hingedeutet, dass Deutschlands Wirtschaft auch in der zweiten Jahreshälfte nur langsam wachsen wird.
Aktienkurse gedrückt
Zusammen mit kräftigen Kursverlusten der Technologiewerte drückte der Ifo-Index auch die Aktienkurse. Der Deutsche Aktienindex (Dax) schloss am Mittwoch unterhalb der Marke von 3700 Punkten. Diese Schwelle gilt unter Börsianern als Gradmesser dafür, ob der Dax seine jüngste Erholung fortsetzen kann.
Wegen möglicherweise verzerrender Effekte der Flutkatastrophe warnten Volkswirte aber auch davor, den Ifo-Index überzubewerten. "Ich sehe derzeit keine großen Wachstumsimpulse, aber auch keinen Rückfall in die Rezession", sagte Stefan Bielmeier von der Deutschen Bank. Gustav Horn, Konjunkturchef am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), rechnet mit einem schwachem Wachstum. Weitere Quartale mit schrumpfender Wirtschaft seien nicht in Sicht.
Nach Ansicht der Ökonomen stellt die jüngste Konjunkturentwicklung die Politik vor große Herausforderungen. "Egal welche Regierung nach dem 22. September das Land regiert, es besteht großer Handlungsbedarf", sagte Horn. Vor allem müsse entschieden werden, ob der bisherige Sparkurs fortgesetzt werden solle. "Um bis 2004 noch einen nahezu ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, brauchen wir große neue Sparpakete." Ein solcher Kurs aber würde laut Horn den Aufschwung massiv gefährden. Für Ifo-Chef Hans-Werner Sinn ist die Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform der falsche Weg. "Eine Kombination aus Verschuldung und Ausgabenkürzung wäre der beste Weg", sagte er.
DIW warnt
Stoiber bekräftigte seinen Willen, auf die nächste Stufe der Ökosteuer zu verzichten. Späth sagte, es bringe nichts, jetzt über harte Schnitte zu reden. In seinem Wochenbericht warnte das DIW jedoch, auf Grund der schwachen Konjunkturentwicklung könnte das deutsche Staatsdefizit in diesem Jahr das im EU-Stabilitätspakt festgelegte Limit von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen.
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