Venezuela sagt Dollar "Adios"

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sir charles:

Venezuela sagt Dollar "Adios"

 
14.02.02 10:13

Venezuela sagt Dollar "Adios"



CARACAS (afp). Nach Argentinien hat auch Venezuela am Mittwoch seine Landeswährung vom Dollar abgekoppelt. Mit der Freigabe des Bolivar würden die venezolanischen Exporte wieder wettbewerbsfähig, versprach Präsident Hugo Chavez in einer Fernseh- und Radioansprache. Die Maßnahme sei wegen der schwachen Ölpreise auf dem Weltmarkt notwendig geworden.


Der Präsident sagte, das Landesgeld sei nach Expertenschätzungen um 40 Prozent überbewertet gewesen. Es wurde damit gerechnet, daß durch die Freigabe der Wert des Bolvar sinkt. Am Mittwoch nach Handelsbeginn hielt sich die Währung mit einem Minus von 0,9 Prozent zum Dollar ziemlich stabil.




Guido:

Na dann können die Südamerikaner ihre Währungen

 
14.02.02 10:17
an den EURO koppeln. Das wird auch keine starke Währung
erzengel:

Guido - lol o.T.

 
14.02.02 10:19
sir charles:

Is eh wurscht, weil 2030 ühren wir eh den

 
14.02.02 10:20
EURODOLLAR ein. Die Bennenung der kleinen Geldstücke in Cent war der
erste Schritt, damit sich die Amis dann nicht so schwer tun "ggggg"
erzengel:

SC - Volltreffer, sehe ich genauso; 1 Weltwährung o.T.

 
14.02.02 10:21
Schnorrer:

und dann ein US-unterstützter Putsch. Kotz. o.T.

 
26.04.02 21:50
Schnorrer:

Von der Schweinebucht zum Schweine-Bush

 
28.04.02 15:46
Bushs Schweinebucht

Mathias Bröckers   28.04.2002
The WTC Conspiracy XLIII

Einer der Schwachpunkte vieler Verschwörungstheorien liegt in ihrer Überschätzung der Kausalität. Mangels konkreter Beweise werden aus Motiven und Indizien lineare Ursache-Wirkungs-Ketten gestrickt, deren kausale Logik so bestechend ist, dass sie über die fehlenden Beweise leicht hinwegtäuschen. Von ihrer theologischen Vorgängerin, der Dämonologie, haben viele politische Verschwörungstheorien auch die Tendenz zur Mono-Kausalität geerbt, der Rückführung allen Übels auf einen ultra-bösen Drahtzieher. Psychologisch sind solche Dämonisierungen leicht als Projektion innerer Schatten und Ängste zu deuten und je stärker diese ihr paranoisches Unwesen treiben, desto allmächtiger und bedrohlicher müssen die projizierten Übeltäter ausfallen. Insofern geht's in vielen Fällen einfach nicht unter einer veritablen Weltverschwörung zur Übernahme der planetaren Kontrolle.






Tatsächlich tun uns aber auch Verschwörungen in den seltensten Fällen den Gefallen, so gradlinig, mechanisch und kausal abzulaufen, wie sie auf dem Reißbrett der Theoretiker aussehen. Das hat Comic- Zeichner  Gerhard Seyfried jetzt auf seinem  Wimmel-Diagramm der Weltverschwörung sehr schön deutlich gemacht. Auch wenn die Komplexität realer Verschwörungen nicht ganz so chaotisch ist wie auf diesem anarchischen Schaltplan - so linear wie sie die Theoretiker gerne hätten, sind sie auch nicht. Außerdem scheint auch für nahezu allmächtige Superverschwörer nach wie vor "Murphys Law" - Was schief gehen kann, geht auch schief - zu gelten, wie wir an George W.'s "Schweinebucht", dem gescheiteren Putsch in Venezuela, gerade sehen konnten.

Sind  CIA und Co. nicht einmal mehr in der Lage, den Präsidenten einer kleinen Bananen-Öl-Republik zu stürzen? Wozu verballern diese Dienste eigentlich ihre gigantischen Etats? Wozu bilden sie an der "School of Americas" (die führenden venezuelanischen Putsch-Offiziere hatten alle dort ein "Praktikum" absolviert) für teures Geld "Hurensöhne" à la Noriega aus? Wozu füttern sie die konzertierte Medienmacht mit ihren Falschmeldungen und Fakes - die "Dow Jones"-Nachrichtenagentur des "Wall Street Journals" meldete in der Nacht nach dem Putsch neun Mal, dass Präsident Chavez das Land verlassen habe? Wozu stellt die Bush-Administration mit  Otto Reich einen überführten Iran-Contra-Verschwörer und rechtsradikalen Putschexperten als Venezuela-Beauftragten ein, der alles einfädeln und arrangieren soll und am Tag zuvor noch mit dem vorgesehen Interims-Diktator letzte Details abspricht ... und dann so ein operettenhaftes Debakel? Hat eine solche Gurkentruppe von Geheimdienst nicht ihr Maximum-SNAFU (Situation Normal All Fucked Up) erreicht?

Die Aktivitäten der USA gegen die großen "Verbrechen" des (im Unterschied zu Bush jun.) mit demokratischer Mehrheit gewählten Präsidenten Chavez - Fidel Castro mit preiswertem Öl zu beliefern und einen nach 60 Jahren auslaufenden Fördervertrag mit großen Ölkonzernen einfach nicht mehr zu verlängern - haben unbestechliche Medienbeobachter schon seit Monaten dazu geführt, einen unmittelbar bevorstehenden Putsch vorherzusagen (  Frieden durch Freihandel).  Greg Palast - sein neues Buch "Best democracy money can buy" habe ich gerade beendet, sehr empfehlenswert! - warnte im Zusammenhang mit der Argentinienkrise (  Die World Trade Conspiracy): "Venezuela is next!" Das  Neue Deutschland notierte im Februar: "Ein Putsch liegt in der Luft", John Pilger fragte am 11. März im "New Statesman":  Venezuela - the next Chile? und unabhängige Online-Dienste wie  www.narconews.com und  www.vheadlines.com berichteten nahezu täglich über die sich anbahnende Strafaktion von Onkel Sam.

Vor einigen Wochen schon reisten Spezialisten der Abteilung "Psychologische Operationen" in Caracas an, um die lokalen Medienmonopole auf die "Berichterstattung" vorzubereiten. An der Heimatfront wurden von ABC, CNN, "New York Times" und "Washington Post" abwärts das Medientrommelfeuer gegen den "populären Diktator" und "Linkspopulisten" gestartet ... das übliche Programm eben. Doch dieses Mal hatten die amerikanischen Ölfreunde ihre Rechnung ohne das Internet und die unabhängigen Radios gemacht, die die Gleichschaltung der Mainstreammedien unterliefen und die Bevölkerung auf die Straße brachte. Al Giordano, Chefredakteur von narconews.com, beschreibt in einem spannenden Report diese  Drei Tage, die die Medien schockten und die den  Counter-Coup möglich machten.

Ich bin zwar nach wie vor überzeugt, dass die US-Geheimdienste über ein Vorauswissen der Anschläge vom 11. 9. verfügten und halte es auch nicht für ausgeschlossen, dass sie eine ganz oder teilweise unterwanderte Al-Qaida und ihren (Ex-)Agenten Bin Ladin als Werkzeug benutzten, doch nach dem Venezuela-Flop von Bushs außenpolitischer Klempnertruppe gilt es auch in Sachen CIA und 9-11 Murphys Law ins Kalkül zu ziehen - und die bösen Buben von der "Achse des Guten" in ihrer Kontrollmacht und Kompetenz nicht zu überschätzen. In Venezuela waren sie dumm genug, ihrer eigenen Propaganda - über den unbeliebten Präsidenten - zu glauben, und die unabhängigen Medien und ihren Schneeballeffekt völlig zu unterschätzen. In gewisser Weise könnte das Hoffnung auch für eine Aufklärung der WTC-Anschläge machen, denn auch hier würde der informationelle Counter-Coup - wenn überhaupt - aus dem Internet zu erwarten sein.

Unterdessen geht unsere reale Agentenstory um Navy Lt. Vreeland (  Let one happen, stop the rest) und seine merkwürdige Vorauswarnung auf erfreuliche Art weiter. Der gute Mann (bzw. jemand, der sich als Lt.Mike Vreeland ausgibt) hat jetzt eine eigene  Website eröffnet und beantwortet Fragen. Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll, doch wenn Vreeland echt ist - einer der Poster fand heraus, dass schon sein Urgroßvater 1909 Chief Officer des Navy Geheimdienstes war, die Familientradition stimmt also -, dann steht Präsident Bush und den Seinen ihr wirkliches Schweinbucht-Debakel vielleicht noch bevor ...


Schnorrer:

Hier der Link zu Lt. Vreeland:

 
28.04.02 16:11

pub61.ezboard.com/bltvreelanddotcom

Carupano:

soviel zu dem "populären Diktator Chavez"

 
28.04.02 16:17
Man sollte nicht immer blind alles ins Board kopieren,was die Presse so hergibt.
"El National" eine sehr angesehene und liberale Tageszeitung in Caracas schreibt heute zu " 3 Jahren mit Präsident Chavez":

El jueves 10 de enero cumplió apenas un año de gobierno, pero ya tiene tres en el poder. La cuenta presidencial obedece a la sentencia del TSJ que resolvió –políticamente- un recurso de interpretación según el cual el período constitucional debe contarse desde el 10 de enero de cada año
Consulte el balance de los tres años de Chávez realizado por El Nacional:

Dividió a los aliados y unificó a los adversarios

Hugo Chávez ha roto reiteradamente una regla política de oro: divide a tus opositores y unifica a tus aliados. En los últimos tres años, ha hecho justamente lo contrario

La política exterior estuvo bajo la sombra de la confrontación

Aunque en su campaña electoral, el mandatario prometió buenas relaciones con Washington, las tesis de la nueva diplomacia han chocado en múltiples oportunidades con el principal socio comercial de Venezuela

Fedecámaras espera definiciones

El presidente del organismo empresarial advierte que el balance de los 3 años de gestión de Chávez no es de éxito. Al contrario, se han acentuado el desempleo y la pérdida del patrimonio de las empresas nacionales

El deporte nacional busca una salida

Luego de tres años de estira y encoge la actividad deportiva en el país ofrece la imagen del paciente estacionario, que ni avanza ni retrocede, sin destacar con un resultado contundente que explique la fama que pregona la dirigencia. Hay visiones encontradas que revelan el complejo ángulo de la materia

Política hacia los medios marcada por el intervencionismo

La vieja concepción marxista esgrimida por el Gobierno —las empresas de comunicación actúan al servicio de las clases dominantes— es inútil para comprender el complejo papel que juegan hoy en la sociedad periódicos, radios y plantas de televisión. Desde enero de 1999, las cadenas presidenciales han simbolizado una relación que, como con otros sectores del país, ha estado marcada por una interminable beligerancia

Gruß
     Carupano
ecki:

Carupano: Blind reinkopieren?

 
28.04.02 16:22
Ich nehme an, die meisten können mit deinem posting nichts anfangen. Ist das ein kochrezept, ein politisches Pamphlet, eine wirtschaftliche Abhandlung?

Grüße
ecki
Schnorrer:

Der Artikel ist ein Haufen Müll v. Unterstellungen

 
28.04.02 16:35
es geht darum, daß Chavez am Ende festegestellt hat, daß er den Ausverkauf des Landes betreibt und er das stoppen wollte. Ein Fall für die CIA, of course.

Carupano:

@ecki

 
28.04.02 16:41
ich werde das bestimmt nicht ins deutsche übersetzen,es ist eine Zustandsbeschreibung wie Venezuela nach 3 jahren mit Präsident Chavez dasteht.
Sicher ist allemal,daß ein Großteil der venezolanischen Bevökerung,einen"Rücktritt" von Chavez begrüßen würde.Nämlich der Teil,der seit 3Jahren mit leeren Versprechungen abgespeist wird und keine Möglichkeit hat an der flurierenden Verteilung der Öldollars teizunehmen,da dieses nur einem kleinen ausgewählten Personenkreis vorbehalten ist.Sehr viele Einwohner Venezuelas wären froh,wenn die USA sich wirtschaftlich wieder mehr engagieren würden.Aber ihr Präsident zeigt sich ja lieber mit seinen Freunden Saddam und Fidel Castro.Als vor 3 Jahren,kurz nach der Wahl,Venezuela von katastropahlen Regenfluten überschüttet wurde,waren die USA das erste Land,welches Landungsboote und Großraumhelikopter schickte und so zehntausende von Bewohnern vor dem Tod rettete.Und das ist keine Propaganda,ich habe es selbst miterlebt.

gruß
    carupano
ecki:

Mit zusammenfassung auf Deutsch liest es sich

 
28.04.02 16:45
besser. Danke.
hjw2:

Venezuela - Wie die Eliten sich selber bestreiken

 
26.12.02 02:41
Wer die letzten Tage und Wochen in der kommerziellen massenmedialen Informationsflut das Thema "Venezuela" noch halbwegs vor seinem geistigen Auge hat, wird denken, dass es da irgendwie um einen Aufstand des unterdrueckten Volkes gegen eine korrupte Regierung (Generalstreik und so - hoert sich ja immer erstmal links und deswegen gut an...) geht. Wie manipulativ und verfaelscht diese offizielle Version ist, zeigt (u.a.) anbeistehender Artikel. Das Bild eines "zweiten Chile" draengt sich da unweigerlich auf.

xxx


Venezuela - Wie die Eliten sich selber bestreiken

Dario Azzelini

Medien produzieren virtuellen Notstand. Doch die Situation stablisiert sich dank einer beispiellosen Mobilisierung der Armen, die "ihre Regierung" verteidigt.

Waehrend die venezolanischen Medien, die mehrheitlich von der rechten Opposition kontrolliert werden, ein Bild eines sich naehernden Kollapses des Landes zeichnen, normalisiert sich die Versorgungs- und Produktionssituation zunehmend. Die Fernsehanstalten schrecken bei ihren Manipulationen vor nichts zurueck. Ein Video, dass die privaten TV-Anstalten als Beweis fuer die Verantwortung der Regierung fuer die drei Toten eines Schusswaffenanschlags am Samstag zeigten, erwies sich als Faelschung. Die Aufzeichnung sollte den Schuetzen mit hohen Vertretern des Regierungsbuendnisses zeigen. Der betreffende Schuetze reiste jedoch erst nach dem Aufnahmezeitpunkt nach Venezuela ein.

Derweil liess der zweifache venezolanische Praesident Carlos Andres Perez, der fuer die Niederschlagung der Armutsrevolte 1989 mit tausenden von Toten verantwortlich war und im Hintergrund die Faeden der Putschisten zieht, aus dem Exil wissen, es sei "keine friedliche Loesung mehr moeglich

(...) es wird einen militaerischen Ausgang als einzig moeglichen geben".

Tatsaechlich setzt die Opposition mittlerweile alles auf eine derartige Zuspitzung der Situation, dass die sogenannte "demokratische Charta" der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Kraft tritt, gemaess derer eine militaerische Intervention zur "Wiederherstellung der Demokratie" gutgeheissen werden kann. Der Praesident der OAS, der ehemalige kolumbianische Praesident Cásar Gaviria, der sich als vermeintlicher Vermittler zwischen Regierung und Opposition seit Ende November in Venezuela aufhaelt, hat sich am Montag offen auf die Seite der Putschisten geschlagen und in einer von privaten TV-Anstalten ausgesendeten Rede die Polizei zum Einschreiten gegen die bolivarianischen Demonstranten aufgefordert.

In diesem Kontext kuendigten die Abgeordneten der Opposition auch an nicht mehr an den Sitzungen der Nationalversammlung teilzunehmen. Angesichts der medialen Inszenierung eines Notstandes, bis hin zu offenen Aufrufen putschistischer Militaers zur Gewalt gegen Chavez und seine Anhaenger ueber die oppositionellen TV-Sender, fuehren Anhaenger der bolivarianischen Revolution seit Montag Kundgebungen vor allen Oppositionsmedien durch und fordern diese auf "die Wahrheit zu erzaehlen". Von Chavez hingegen wollen sie, dass er diesen Sendern Lizenzen entzieht. Laut der privaten TV-Sender sollen Chavisten auch einen Sender der Opposition verwuestet haben, fraglich ist nur, warum es davon keinerlei Fernsehaufnahmen gibt, sondern nur von den bereits verwuesteten Anlagen.

Die Opposition fuehrte hingegen eine Kundgebung vor der staatlichen Fernsehanstalt VTV durch, aus der heraus mehrere Schuesse auf das Gebaeude abgegeben wurden. Anschliessend versammelten sich Tausende von Anhaengern der Revolution beim Sender, um ihn zu schuetzen Aktiv am Streik beteiligen sich vor allem transnationale Konzerne und Ketten wie McDonalds und Wendys, sowie einige Banken. Die Milchabfuellanlage der italienischen Parmalat wurde von Arbeitern und Chavisten besetzt und wieder in Betrieb genommen, nachdem sich die Betriebsleitung geweigert hatte, angelieferte Milch aufzukaufen und die Arbeit deshalb eingestellt worden ist. Ebenso erging es in den vergangenen Tagen zahlreichen anderen Fabriken, darunter auch der Abfuellerei von Pepsi Cola.

Der Streik konzentriert sich ohnehin nahezu vollstaendig auf die Hauptstadt. Er ist eindeutig vom ersten Tag an eklatant fehlgeschlagen. Flughaefen, Haefen, kleine und mittlere Betriebe sowie Geschaefte haben - bis auf einige grosse Einkaufszentren und Laeden in reichen Stadtteilen - regulaer geoeffnet. Die oberen Klassen bestreiken sich also nur selbst. Auch der Nahverkehr und die Ueberlandbusse arbeiteten reibungslos. Die U-Bahn in Caracas funktioniert weiterhin regulaer. Francisco Torrealba, Vorsitzender der Metroarbeiter-Gewerkschaft von Caracas (Sitramenca) sagte, es habe nur zwei kurzzeitige Unterbrechungen bei zwei Linien aufgrund von Sabotageakten gegeben.

Sichergestellt ist auch die Lebensmittelversorgung - ganz im Gegensatz zu den Meldungen der Presse, die durch Meldungen ueber Versorgungsengpaesse versucht, Panikstimmung zu erzeugen. Selbst der Grossmarkt von Caracas funktioniert und hat sich nie dem Streik angeschlossen. Die Universitaeten in den verschiedenen Provinzstaedten Venezuelas funktionieren normal. In der Universitaet von Caracas (UCV), wo in den vergangenen Tagen immer wieder linke Studenten und Professoren von oppositionellen Organisationen bedroht wurden, beschloss der Universitaetsrat, weiterhin normal zu oeffnen. Es gelang, die oppositionellen Provokateure vom Universitaetsgelaende zu werfen. Der Orinoco, die wichtigste Wasserstrasse des Landes, ist ohne Probleme navigierbar, da die Wasserpolizei und dortigen Marineeinheiten loyal zur Verfassung stehen.

In verschiedenen Regionen und Staedten versuchen oppositionelle Buergermeister und Gouverneure mit bisher wenig Erfolg, Geschaefte und Unternehmen zum Streik zu zwingen. Sie setzen Polizeieinheiten gegen die

regierungstreue Bevoelkerung ein. Die Blockade innerhalb der Erdoelgesellschaft PDVSA ist ebenfalls kein Arbeiterausstand, sondern eine Arbeitsverweigerung der Unternehmenseliten, die das Unternehmen durch ihre enormen Gehaelter und die masslose Korruption zum unproduktivsten Erdoelunternehmen der Welt gemacht haben. Im Ausstand befinden sich die Unternehmensleitung, einige Kapitaene der Oeltanker, einige Ingenieure und Teile des oberen Verwaltungsapparats; da diese Kraefte auch aktiv die computergesteuerten Anlagen sabotieren, sind die Folgen teilweise betraechtlich.

Die Treibstoffversorgung im Land ist sicher gestellt. Waehrend die transnationalen Erdoelkonzerne Mobil Oil, Shell und BP ihr Tankstellennetz geschlossen haben, funktionieren alle Tankstellen der staatlichen PDV. In Caracas, wo sich das Zentrum der oppositionellen Proteste befindet, werden die Tankstellen von der Nationalgarde bewacht, waehrend sie ausserhalb der Hauptstadt ohnehin in Betrieb sind.

Seit die von tausenden von Menschen unterstuetzte Armee am Wochenende die Kontrolle ueber die Erdoelraffininerien und Exportzentren uebernommen hat, normalisiert sich die Situation auch dort wieder. Dies entgegen den Pressemeldungen, die einen Kollaps in Kuerze vorhersagen. Gesucht wird aber vor allem hochqualifiziertes Personal, das fuer die Saboteure einspringen kann. Die Raffinerie in Yagua zum Beispiel wird., wie viele andere, von 6.000 Menschen geschuetzt, waehrend die Tanklaster der PDVSA fuer die Benzinversorgung im Land abgefuellt werden und ausfahren. Gewisse Subunternehmen, die mit der gleichen Aufgabe betraut sind, haben ihren Fahrern verboten, zur Arbeit zu gehen. Sie stellen ihre Tanklaster nicht zur Verfuegung. Bei Zuwiderhandlung droht Entlassung. Die Gewerkschaft der Tanklasterfahrer kuendigte an, die Versorgung der Hauptstadt sei zu 100 Prozent sichergestellt, da 120 Fahrer regulaer ihren Dienst leisten wuerden.

Die Vereinigung der Seeleute der kolumbianischen Handelsmarine und Fischereiflotte Unimpescol bot mittlerweile der Regierung Chavez ihre Unterstuetzung an, um die sich verweigernden Kapitaene und Offiziere der Tanker und Handelsschiffe zu ersetzen. Bisher haben auch schon drei Kapitaene aus dem Ausland ihren Dienst auf venezolanischen Tankern angetreten. Bis auf die Kapitaene der Oeltanker streikt allerdings niemand auf den Schiffen, in einigen Faellen "meuterte" die Besatzung sogar gegen den eigenen, die Arbeit verweigernden Kapitaen.

Indes nehmen terroristische Aktionen der vermeintlich demokratischen Opposition stetig zu. Anwohner meldeten, dass oppositionelle Miltaers von der Plaza Altamira auf ein vorbeifahrendes Auto geschossen haetten. Oppositionelle haben einen Milchtransporter verbrannt. Andere wurden angehalten und die Milch abgelassen. Auf das Auto des Ministers fuer Land und Landwirtschaft wurde mehrmals geschossen, die Karosserie an der Stelle, an der er normalerweise sitzt, durchsiebt. Doch er hatte den Wagen wenige Minuten vorher verlassen. Ebenso wurden auf sein Buero im Ministerium mehrere Salven abgegeben. Dabei wurden zwei Personen verletzt. Im Nationalen Institut fuer Fluss- und Kanalschifffahrt brach - wahrscheinlich durch Brandstiftung - ein Feuer aus. Als am Dienstag morgen Unbekannte das Feuer auf den Personaleingang des Erziehungsministerium eroeffneten, kam ein Angehoeriger der Nationalgarde ums Leben, der sich in einem Auto davor befand.

Die Plaza Altamira, auf der sich seit Wochen die am Putsch beteiligten Militaers, unterstuetzt von einigen Hundert Anhaengern, sammeln, war am Montag Abend leer. Die Galionsfiguren der Ultrarechten, vom Gewerkschafter Carlos Ortega bis zu den putschistischen Generaelen, haben seit einigen Tagen keine oeffentlichen Auftritte mehr gehabt. Es wird bereits spekuliert, sie wuerden versuchen, das Land zu verlassen. Allein das Geruecht fuehrte dazu, dass sich hunderte Anhaenger der "bolivarianischen Revolution" zum Flughafen von Caracas begaben, um dies zu verhindern.

Nach einer Woche taetlichen Angriffen und Einschuechterungen gegen Anhaenger der Revolution in den besser gestellten Stadtvierteln, scheint sich das Blatt so weit gewendet zu haben, dass es heute auch in buergerlichen Staedten zu Kundgebungen fuer die Regierung kommt. Die Reaktion der Bevoelkerung ist diesmal wesentlicher staerker und organisierter, als sie es noch beim vergangenen Putsch im April gewesen war. Zugleich hat die Kampagne der Opposition stets offenere rechtsradikale und rassistische Auspraegungen.

Die Armen, die am Dienstag nach tagelangen bewaffneten Angriffen der Opposition auf ihre Wohngebiete, wieder begannen, zu Zehntausenden von den Slums auf den Haengen rund um Caracas in die Hauptstadt zu kommen, um "ihre Regierung" zu verteidigen, sind diesmal zu allem entschlossen. "Wir wollten sehen, wie weit sie gehen", so ein Demonstrant, "aber wenn sie Chavez stuerzen, entfesseln sie einen Buergerkrieg". Praesident Hugo Chavez hat zur allgemeinen Mobilisierung der Bevoelkerung gegen den erneuten Putschversuch aufgerufen. Im ganzen Land sind Millionen von Menschen unterwegs, demonstrieren ihre Unterstuetzung fuer die Regierung, besetzen Fabriken, schuetzen Institutionen und versuchen eine Eskalation zu verhindern.

Dennoch ist keine Entspannung angesagt, denn es ist unklar welchen Trumpf die Opposition noch aus dem Aermel zieht. Sie haben alles auf eine Karte gesetzt und scheinen verloren zu haben. Das kann auch zu extremen Verzweiflungstaten fuehren.

Direkte Solidaritaet mit Chiapas Eglistr. 25 Postfach 8616 8036 Zuerich, SUIZA Tel/Fax: **41 1 400 45 69 ------- soli@chiapas.ch ------- ---- www.chiapas.ch ----

19.12.2002

hjw2:

Streikende Venezulaner kritisieren Benzin-Angebot

 
26.12.02 10:02

Streikende Venezulaner kritisieren Benzin-Angebot Brasiliens

Zuletzt aktualisiert: 26 Dezember 2002 04:53 CET  

Caracas (Reuters) - Die Opposition in Venezuela hat ein Angebot Brasiliens zur Lieferung von Benzin als Versuch bezeichnet, sich in den seit mehr als vier Wochen anhaltenden Generalstreik einzumischen.
"Offensichtlich wäre das aus unserer Sicht ein unfreundlicher Akt", sagte ein Sprecher der Opposition am Mittwoch im örtlichen Fernsehen. Der designierte Präsident Brasiliens, Luiz Inacio Lula da Silva hatte am Vortag angeboten, über Treibstofflieferungen zu sprechen. Die Streikenden in Venezuela wollen Präsident Hugo Chavez zum Rücktritt zwingen. Der Streik hat die Förderung in dem fünftgrößten Öl- Produktionsland der Welt auf fünf Prozent ihrer normalen Menge gedrückt.

"Damit würde Brasilien von der Neutralität abweichen, die es in diesem Konflikt eigentlich zeigen sollte", sagte der Oppositionelle. Ein Sprecher Lulas hatte am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, eine Benzin-Lieferung würde hilfreich für die Stabilität in Venezuela sein. "Mangel ist nicht gut für die politische Stabilität in Venezuela." Lula tritt am 1. Januar sein Amt an. Chavez hatte seine Wahl begrüßt und ihn als einen Mitstreiter für soziale Gerechtigkeit gelobt. Die Wirtschaft Brasiliens hatte zurückhalten auf seine Wahl reagiert.

Öl macht 80 Prozent der Exporte Venezuelas und 50 Prozent der Staatseinkünfte aus. Das Land ist auch der viertgrößte Öl-Lieferant der USA. Chavez' Gegner, darunter viele Geschäftsleute, machen den Präsidenten für die Rezession in Venezuela verantwortlich und werfen ihm vor, ein kommunistisches Wirtschaftssystem nach kubanischem Vorbild einführen zu wollen. Chavez war 1998 gewählt worden und hatte im April einen Putschversuch überstanden. Er hat mehrfach betont, dass die Verfassung erst im August 2003 eine Volksabstimmung über sein Mandat zulasse.






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www.reuters.de  
hjw2:

up o. T.

 
04.01.03 10:06
hjw2:

Chavez erster Gast bei Lula

 
05.01.03 11:45
Brasiliens Präsident sichert dem Nachbarland Venezuela »vollste Unterstützung« zu
 
Der erste Gast, den Luis Inácio »Lula« da Silva, der neue Präsident Brasiliens, am Donnerstag empfangen hat, war der venezolanische Präsident Hugo Chávez. Und der ließ ihn auch noch fast eine Stunde warten. Er habe sich bis in die frühen Morgenstunden mit dem kubanischen Staatschef Fidel Castro unterhalten, entschuldigte sich Chávez, als er 50 Minuten zu spät zum Frühstück mit »Lula« eintraf. Castro und Chávez waren beide zum Amtsantritt nach Brasilien gereist, der Venezolaner trotz der innenpolitischen Krise seines Landes. »Lula« markierte schon in seiner Antrittsrede vor dem brasilianischen Kongreß, daß den diplomatischen Bemühungen für eine friedliche Lösung der venezolanischen Krise in seiner Regierung oberste Priorität eingeräumt würde. Ein Staatsstreich im Nachbarland wäre das letzte, was »Lula« im Augenblick gelegen käme, schließlich begann auch die Putschwelle in den 70er Jahren in Lateinamerika mit einem Staatsstreich gegen einen gewählten linken Präsidenten, Salvador Allende in Chile.

Schon vor seinem offiziellen Amtsantritt hatte »Lula« einen seiner wichtigsten Berater, Marco Aurelio García, nach Caracas geschickt. García verkündete dort, »Lula« werde Venezuela auch über die bereits gelieferte Menge Erdöl weiter unterstützen. Am vergangenen Samstag traf ein brasilianischer Tanker mit 525000 Barrel Kraftstoff von der brasilianischen Petrobras in Venezuela ein.

Chávez bat den brasilianischen Präsidenten auch um technische Unterstützung. Unter anderem sollen brasilianische Schiffe den Weitertransport von venezolanischem Benzin übernehmen, das im Augenblick aufgrund des Streiks vor den Virgin Islands liegt. Chávez gab an, daß die Erdölproduktion, die vor dem »Generalstreik« täglich 3,5 Millionen betrug, auf 200000 Barrel gefallen sei. In den vergangenen Wochen sei die Produktion aber wieder aufgenommen worden und wieder auf zwei Millionen Barrel gestiegen. Mit Hilfe von Brasilien, Trinidad, Rußland und der Dominkanischen Republik hofft Chávez die momentane Krise zu überwinden. Die jetzige Zusammenarbeit zwischen der brasilianischen und venezolanischen Erdölgesellschaften sollen nach den Vorstellungen Chávez’ in eine längerfristige Kooperation münden: Er schlug »Lula« die Schaffung von »Petroamérica« vor, einer Fusion beider Unternehmen. Chávez erklärte nach seiner Unterredung mit »Lula«, daß dieser die vollständige Unterstützung Brasiliens für Venezuela zum Ausdruck gebracht habe, er umgekehrt dasselbe von venezolanischer Seite für Brasilien.

Im guten Verhältnis der beiden Nachbarn mögen ultrakonservative Kreise in den USA ihre vor den Wahlen in Brasilien geäußerte Prophezeiung einer lateinamerikanischen »Achse des Bösen« erfüllt sehen. Schließlich waren auch der kubanische Staatschef Fidel Castro und der designierte linke Präsident Ecuadors, Lucio Gutiérrez, zum Amtsantritt in Brasilia. Bei einem Besuch in Buenos Aires scherzte »Lulas« Berater García vor kurzem, die Achse existiere, aber man dürfe auch Osama bin Laden nicht vergessen.
hjw2:

Kanada rief am Montag einige Diplomaten zurück.

 
07.01.03 07:11
Caracas (Reuters) - Gegner des venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez haben sich am Montag auch außerhalb der Hauptstadt Caracas Straßenschlachten mit dessen Anhängern geliefert.

In der Stadt Barquisimeto im Westen des Landes stießen die Demonstranten mit Chavez-Befürwortern zusammen. Dabei setzten sie Schleudern ein und bewarfen einander mit einem Hagel aus Steinen. Berichte über Verletzte lagen zunächst vor.

In Caracas blockierten die Demonstranten eine Hauptstraße im Südwesten der Millionenstadt. "Wir werden auf den Straßen bleiben ... Wir werden diese Regierung mit unseren Stimmen schlagen", sagte ein Anführer der Chavez-Gegner während der Demonstration.

Die vor allem von der Mittel- und Oberschicht des Landes getragenen Proteste zielen auf einen Rücktritt des von den ärmeren Venezolanern ins Amt gewählten Chavez. Die Demonstrationen halten seit fünf Wochen an und haben die Ölindustrie des Landes weitgehend gelähmt, die die Hälfte der Staatseinnahmen beisteuert. Venezuela ist der fünftgrößte Ölproduzent der Welt. Die Krise in dem Land hat die Ölpreise weltweit in die Höhe getrieben.

Auch die privaten Banken drohten am Montag damit, ihre Unterstützung des Protestes zu verstärken und noch in dieser Woche in einen zweitägigen Ausstand zu treten. Die Institute sind seit Beginn der Proteste bereits nur noch stundenweise geöffnet.

Zahlreiche Länder haben vor Reisen in das Land gewarnt und ihre Bürger aufgefordert, Venezuela zu verlassen, darunter Angaben des Auswärtigen Amtes zufolge zum Wochenende auch Deutschland. Kanada rief am Montag einige Diplomaten zurück.
hjw2:

droht bürgerkrieg?

 
07.03.04 14:08
Dario Azzellini, Caracas
 
Die virtuellen Straßenkämpfe der Rechten
 
Vorgehen der Opposition in Venezuela zielt auf Bürgerkrieg ab (Teil I)
 
Die Zuschauer der vier großen venezolanischen Privatfernsehsender bekommen dieser Tage den Eindruck vermittelt, es fände ein Volksaufstand gegen die Regierung Chávez statt. Allen voran befindet sich Globovision in Dauerliveschaltung. Der lokale Partner für das US-amerikanische Mediennetzwerk CNN erweckt den Eindruck von Straßenkämpfen im gesamten Land. Selbst Bilder von zwei brennenden Müllsäcken oder schlicht herumliegenden Steinen werden mit dramatischer Musik unterlegt, während aggressive Oppositionspolitiker von der »Diktatur« reden und zu Gewaltaktionen aufrufen. Reporter des Senders stehen an einer völlig ruhigen Auffahrt zur Stadtautobahn und erklären im auffordernden Ton: »Hier gehen die Proteste gegen zwölf Uhr los, wir bleiben jetzt hier, bis die Blockaden wieder losgehen«. Auf Venevision, einem weiteren Sprachrohr der rechten Putschisten, werden am unteren Bildschirmrand laufend Botschaften vermeintlicher TV-Zuschauer eingeblendet: »Auf die Straße!, Gegen die Diktatur, Blockieren mit jedem Mittel, Schande!, Niemand darf zu Hause bleiben!«. Dazu erklärt eine hysterische Anruferin: »Die Menschen müssen aufwachen, das Regime läßt im ganzen Land auf offener Straße Menschen füsilieren«.

Die Realität auf der Straße ist eine andere. Regierungskräfte haben niemanden erschossen. Zahlreiche Oppositionsvertreter wurden bei Ausschreitungen in den vergangenen Tagen hingegen verhaftet. Als Carlos Melo, Vorsitzender von »Bandera Roja« (Rote Fahne, BR) von der Nationalgarde kontrolliert wurde, hatte er zwei FN-FAL-Sturmgewehre in seinem Fahrzeug. BR ist eine ehemals maoistische Guerilla, die sich in den bewaffneten Stoßtrupp der Opposition gewandelt hat und Teil der »demokratischen Opposition« ist.

So wie beim Putsch am 11. April 2002 spielen die Massenmedien unter Kontrolle reaktionärer Unternehmer wieder eine zentrale Rolle in der Destabilisierungsstrategie der Opposition. Die virtuelle Realität der Rechten, die im wesentlichen aus den Kreisen besteht, die das Land zuvor 40 Jahre lang ausgeplündert haben, findet starken Widerhall in den internationalen Medien und Presseagenturen. Hier redet niemand davon, daß es die alten Elite war, die die Mehrheit der Bevölkerung jahrzehntelang in Armut gehalten und mit Repression überzogen hat. In Deutschland wurde zwar der preisgekrönte Dokumentarfilm »Chávez, ein Staatsstreich von innen« auf Arte und im ZDF gezeigt, doch Konsequenzen aus der Darstellung des von den Medien inszenierten Putsches hat kaum ein Journalist gezogen. Die gleichen Politiker, die am Putsch beteiligt waren, werden heute wieder widerspruchslos als »demokratische Opposition« bezeichnet. Die gleichen Sender, die den Putsch einst mit organisierten und medial begleiteten, stellen auch heute wieder die Hauptinformationsquelle der internationalen Presse dar.

Im Zusammenspiel mit den verschiedenen Sektoren der Opposition, die außer dem Sturz Chávez’ keinerlei politisches Programm hat, richten sich auch dieser Tage die Medien und die US-Regierung regelrecht nach einem Drehbuch der Destabilisierung. So drohen oppositionelle Politiker über die privaten TV-Stationen mit »Zuständen wie in Haiti«. William Lara, Abgeordneter der Nationalversammlung, erhob in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen die US-Regierung. Das Vorgehen der Opposition, so Lara, entspreche en detail den Vorgaben aus dem berüchtigten »Handbuch für die psychologische Kriegsführung« der US-Armee.

Dario Azzellini, Caracas
 
Demokratiephrasen
 

Vorgehen der Opposition in Venezuela zielt auf Bürgerkrieg ab

(Teil II und Schluß)

 
Nach dem Putschversuch vom April 2002, der Sabotage der Erdölproduktion und der Aussperrung der Beschäftigten durch große nationale und transnationale Unternehmen im Dezember 2002 und Januar 2003 steuert die Opposition in Venezuela abermals auf einen strategischen Höhepunkt ihrer Aktivitäten zu. Angesichts des Scheiterns der beiden vorherigen Ansätze, Präsident Hugo Chávez aus dem Amt zu treiben, ließ sich die Opposition im Mai 2003 darauf ein, den verfassungsgemäß vorgesehenen Weg eines Referendums gegen Chávez zu gehen. Damit kann nach der Hälfte der Amtsperiode über den Verbleib auf dem Posten abgestimmt werden. Um ein Volksbegehren einzuberufen, müssen 20 Prozent der Wahlberechtigten, etwa 2,45 Millionen Personen, dafür unterschreiben. Das genaue Vorgehen legte allerdings der Nationale Wahlrat (CNE) fest, der wiederum neu ernannt werden mußte. Während die Opposition einerseits lauthals das Referendum forderte, behinderte sie zugleich die Ernennung des neuen CNE in der Nationalversammlung. Als der Oberste Gerichtshof, der mehrheitlich oppositionell besetzt ist, angesichts der Blockadesituation die Ernennung übernahm, klatschten die Chávez-Gegner Beifall. Als jedoch deutlich wurde, daß der CNE dennoch keine politischen Entscheidungen zugunsten der Opposition treffen würde, begann diese eine Verleumdungskampagne gegen den Wahlrat.

Anfang Dezember letzten Jahres wurden schließlich die Unterschriften gesammelt. Mit der Abgabe derselben beim CNE intensivierte die Opposition ihren Feldzug gegen den Wahlrat. Scheinbar im Bewußtsein, die notwendige Anzahl nicht erreicht zu haben. Letztlich behauptete die Opposition, 3,4 Millionen Unterschriften übergeben zu haben – tatsächlich waren es nur knapp 3,1 Millionen. Es häuften sich Anzeigen und Berichte, die auf ein massives Fälschungsmanöver hindeuteten. Und während die Regierung von Anfang an betonte, jedwede Entscheidung des CNE anzuerkennen, blieb eine solche Erklärung seitens der Opposition bis heute aus. Ihre Vertreter machten klar, sie würden nur eine Entscheidung zu ihren Gunsten anerkennen.

Die Entscheidung des CNE sollte ursprünglich schon Anfang oder spätestens Mitte Februar fallen, doch die Prüfung der Unterschriften verzögerte sich. Schließlich teilte der CNE seine Entscheidung am Dienstag mit: Etwa 370 000 Unterschriften wurden wegen offensichtlicher Fälschungen für ungültig erklärt, fast 900 000 sollen öffentlich überprüft werden. Die Strategie der Opposition ist nun, diese Entscheidung als »Willkür einer Diktatur« auszulegen. Auf den Straßen soll hingegen ein Bild weitgehender Instabilität und Unregierbarkeit präsentiert werden, um so den internationalen Druck auf Venezuela zu erhöhen. Die führenden Kräfte der Opposition hoffen dadurch, einen erneuten Militärputsch oder eine US-Intervention hervorzurufen. So demonstrierten Oppositiongruppen auch vor der US-Botschaft in Caracas mit Schildern wie »1. Hussein; 2. Aristide; 3. Chávez«.

Vor allem die Option einer US-Militärintervention ist jedoch unrealistisch. Bei aller Polemik und Propaganda dürfte sich auch Washington über die immense Unterstützung in der Bevölkerung für die tiefgreifenden politischen und sozialen Transformationen in Venezuela unter Chávez bewußt sein. Doch daß die US-Regierung eine bedeutende Rolle im Drehbuch der Destabilisierung Venezuelas einnimmt, ist nicht zu übersehen. Jenseits der direkten Verwicklung in den Putsch vom April 2002 finanziert Washington über das National Endowment for Democracy (NED) verschiedene Oppositionsorganisationen, darunter auch das Privatunternehmen Sumate, das im Zusammenspiel mit der Wirtschaft Arbeiter und Angestellte verschiedener Unternehmen unter Druck setzte, um gegen Chávez zu unterschreiben. Weitere Finanziers der Destabilisierung sind in der EU zu finden, so z. B. in der spanischen Regierung oder in der deutschen christdemokratischen Konrad-Adenauer-Stiftung, die die neu gegründete Partei »Primero Justicia« (PJ) unterstützt. PJ war am Putsch beteiligt, PJ-Vertreter »verhafteten« Minister der Chávez-Regierung und zuletzt taten sie sich in der Koordinierung des Angriffes und der Zerstörung eines Gebäudes der »Bewegung V. Republik« (MVR) der Chávez-Partei hervor, das während einer »friedlichen« Demonstration der Opposition Ende Februar in Brand gesetzt wurde.

Zugleich agieren kleine oppositionelle Gruppen in verschiedenen Teilen der Hauptstadt, vor allem in den wohlhabenden Bezirken El Hatillo, Barutas und Chacao, mit massiver Gewalt und errichten Straßenblockaden. Die Nationalgarde und die Militärpolizei, die versuchen, die Demonstrationen aufzulösen, werden mit Steinen, Molotowcocktails und Schußwaffen angegriffen. An den Aktionen beteiligen sich zwar nur wenige hundert Personen, dennoch sind sie kaum aufzuhalten, denn die Polizei der Hauptstadt Caracas (die einem Oberbürgermeister untersteht, der sich als Chávez-Anhänger wählen ließ und anschließend zur Opposition überlief) und der drei genannten Bezirke schreitet nicht ein. Sie hält sich entweder zurück, unterstützt die Gewalttäter oder ist sogar an den Ausschreitungen beteiligt. Mehrere Polizeibeamte wurden in flagranti von der Nationalgarde festgenommen.

Die Polizei des größten Bezirkes der Hauptstadt, El Libertador, der von Chávez-Anhängern regiert wird und mit zwei Millionen mehr Einwohner umfaßt als alle anderen zusammen, hat allerdings keine Befugnis, in anderen Stadtteilen zu agieren. Und Nationalgarde und Militärpolizei können, so lange der Notstand nicht ausgerufen wird, nur die Hauptstraßen und Stadtautobahnen freihalten. Um für eine entsprechend aggressive Stimmung bei den Blockadeaktionen zu sorgen, verteilt das oppositionelle Privatunternehmen Polar, der größte Bierproduzent Venezuelas, kostenlos Bier an die Demonstranten.
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argentinien

 
12.03.04 06:06
Wolfgang Pomrehn
 
Schuldenpoker
 
Argentinien bedient seine IWF-Verbindlichkeiten und hofft auf Teilabschreibung seiner Staatsanleihen
 
Der Konflikt zwischen Argentiniens Regierung und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ist zunächst einmal ein bißchen entschärft. 3,075 Milliarden US-Dollar wurden am Dienstag abend mitteleuropäischer Zeit dem IWF überwiesen. Obwohl diese Summe ein empfindliches Loch in die ohnehin nur schmal gefüllte Devisenkasse reißt, ist man in Buenos Aires erleichtert. Das Gerangel um die Schulden des Landes kann in die nächste Runde gehen.

Präsident Nestor Kirchner läßt seit Monaten keine Gelegenheit aus, den privaten Gläubigern des hochverschuldeten Landes klar zu machen, daß sie einen großen Teil ihrer Forderungen abschreiben können. Er hatte zudem gedroht, Argentinien würde auch die anstehenden Zahlungen an den IWF nicht leisten, wenn seine Bedingungen in punkto Forderungsverzicht nicht erfüllt würden.

Aber Argentinien braucht auch frischen Kredit: Für Umschuldungsprogramme, für den Staatshaushalt, für die alltäglichen Handelsbeziehungen, die – davon kann Kuba ein Lied singen – sehr mühselig sind, wenn sie in Devisen abgewickelt werden müssen, weil es nicht einmal kurzfristige Handelskredite gibt. Erste Adresse ist für ein Land wie Argentinien der IWF, der mit seinen Krediten das internationale Finanzsystem stabilisieren soll, das bei Zahlungsunfähigkeit eines Staates Schaden nehmen würde. Deshalb bedient Argentinien auch bisher seine IWF-Schulden wie auch die anderer internationaler Finanzinstitutionen, während die privaten ausländischen Gläubiger seit dem großen Zusammenbruch im Dezember 2001 nicht einmal Zinsen zu sehen bekommen.

Am 22. März soll nun in Washington vom IWF-Vorstand über eine weitere Kredit-Tranche für das lateinamerikanische Land entschieden werden. So nennt man die Teilsumme eines im Prinzip bereits bewilligten Kredits. Die Freigabe ist allerdings an die Bedingung geknüpft, daß der Vorstand die wirtschaftliche Entwicklung, den »Reformeifer« der Regierung und die Verhandlungen über Umschuldungsprogramme positiv bewertet. Ein entsprechender Bericht einer IWF-Kommission wird gerade erstellt. Die argentinische Regierung hatte eine Kreditzusage gefordert, bevor sie die 3,074 Milliarden US-Dollar überweisen wollte.

Bis zur letzten Minute hatte Präsident Kirchner daher am Dienstag mit der derzeitigen IWF-Chefin gepokert. Anne O. Krueger, bisher stellvertretende IWF-Direktorin, führt in Washington derzeit die Geschäfte, nachdem ihr Chef Horst Köhler kurzfristig zurückgetreten war, um in Deutschland für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Am Ende versprach Krueger, dem Vorstand, in dem die USA und die EU-Staaten über die Mehrheit der Stimmen verfügen, die Annahme des Kommissionsberichts zu empfehlen. Argentinien sagte im Gegenzug zu, mit allen Konsortien privater Gläubiger zu verhandeln. Bis zum Juli soll nach Möglichkeit ein Umschuldungsabkommen mir diesen erreicht werden. Folgt der IWF-Vorstand Kruegers Empfehlung, dann bekommt Argentinien am 23. März 3,1 Milliarden US-Dollar ausgezahlt – fast genau jenen Betrag, der jetzt überwiesen wurde. Damit könnte Argentinien seine mageren Devisenreserven von nur etwa zwölf Milliarden US-Dollar schnell wieder auffüllen.

Kern des Streits mit dem IWF ist die Behandlung der ausländischen Gläubiger. Argentinien hat Dank seiner Militärdiktaturen und einem Jahrzehnt neoliberalen Crash-Kurses unter Präsident Carlos Menem eine enorme Schuldenlast von etwa 190 Milliarden US-Dollar angehäuft. Nach unterschiedlichen Quellen sind davon 88 bis 100 Milliarden Staatsanleihen, die in US-Dollar (47 Prozent), Euros (48 Prozent) und Yen (drei Prozent) gezeichnet wurden. Keiner der Inhaber dieser hochverzinslichen Papiere hat seit Dezember 2003 Zinsen bekommen, geschweige denn, daß fällige Anleihen ausbezahlt worden wären. Die Regierung fordert von den Anlegern, auf 75 Prozent des Nennwertes zu verzichten, der Rest würde mit langen Fristen und zu Zinsen zurückgezahlt, die an das Wirtschaftswachstum gekoppelt sind. Gläubigergruppen klagen, daß der Verlust sich auf bis zu 90 Prozent belaufen könnte. Kirchners Regierung verweist im Gegenzug darauf, daß sich so mancher von ihnen seine Papiere aufgrund der seit langem schwelenden argentinischen Krise günstig auf dem grauen Finanzmarkt gekauft hat.

Die Auseinandersetzung um diese Frage wird in den nächsten Monaten voraussichtlich in die entscheidende Runde gehen. Kirchner hat wiederholt angekündigt, daß er keine Bedingungen akzeptieren wird, die Argentiniens beginnende wirtschaftliche Erholung gefährden könnten. Im letzten Jahr hatte man vor allem aufgrund stark gestiegener Agrarexporte nach China 16 Milliarden US-Dollar Handelsbilanzüberschuß. Die Wirtschaft wuchs um sieben Prozent, für dieses Jahr werden fünf bis sieben Prozent erwartet.

Ob das Land am Rio de la Plata diesen Erfolgskurs fortsetzen kann, wird von den Regierungen der reichen Länder abhängen, die im IWF-Vorstand das Sagen haben Bisher hat sich interessanterweise ausgerechnet die Bush-Administration vergleichsweise wohlwollend gegenüber Kirchner verhalten, während Unbill eher aus Europa droht. Schweden und einige andere skandinavische Länder haben angedeutet, daß sie sich am 22. März wahrscheinlich enthalten werden. Ein bißchen Druck der hiesigen Globalisierungskritiker könnte da Argentinien durchaus helfen.
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kolumbien

 
13.03.04 11:42

FORWARD OPERATING LOCATIONS

Verdecktes Vorspiel einer Invasion in Kolumbien

Eine Möglichkeit, die von den USA gern in Anspruch genommen wird, um sich permanent Zutritt zu einer Region zu verschaffen, sind Abkommen über lokale Militärbasen im Ausland, verbunden mit der Einrichtung sogenannter vorgelagerter Operationsstützpunkte, der Forward Operating Locations. Diese FOLs garantieren im Konfliktfall strategische Flexibilität und Schlagkraft. In Lateinamerika wurden sie von den USA offiziell zur Drogenbekämpfung aufgebaut - doch kommen diese Basen auch für andere Missionen in Frage.

Esmeraldas ist eine Kleinstadt an der Küste des nördlichen Ecuador unweit der Grenze zu Kolumbien. Smaragdgrün - daher der Name - leuchtet die Landschaft mit ihrer dichten tropischen Vegetation und uralten Bäumen, um die sich Lianen schlingen. Vorzugsweise Afro-Ecuadorianer leben hier. Sie fristen ihr Dasein als Fischer oder Arbeiter in der staatlichen Raffinerie von Esmeraldas, dem größten Erdölproduzenten des Landes. Auf einen ersten Blick dämmert die Stadt friedlich und gelassen vor sich hin, würden nicht unablässig Hubschrauber über ihren Dächern kreisen.


"Mit der Ruhe ist es vorbei, nicht nur wegen der Helikopter", sagt Ilonka Díaz, Ingenieurin in der Raffinerie. Die junge, schwarze Frau erinnert sich an seltsame Vorgänge vor einigen Jahren. "Nordamerikanische Truppen landeten hier, um gemeinnützige Arbeit zu verrichten, vor allem Schulen zu bauen, wie es hieß." Doch bald zog das "Hilfskorps" weiter in Richtung Urwald, eine Wildnis, die nicht ihresgleichen findet an der ecuadorianischen Küste. Die Soldaten führten viel schweres Gerät im Tross und einem Konvoi von Lastwagen. "Soviel Aufwand nur wegen ein paar Schulen? Es wäre doch billiger gewesen, den Ecuadorianern Geld zu geben, damit die ihre Schulen selbst bauen", meint Díaz. "Ich glaube, sie suchten einfach nach einer günstigen Gelegenheit, um dieses Gebiet in Ruhe zu erkunden."

Was sich in der Region von Esmeraldas tatsächlich abspielt, hat wenig mit humanitärem Beistand und viel mit Planungen der US-Armee zu tun, eigene Präsenz im Norden Ecuadors und in Tuchfühlung mit Kolumbien aufzubauen. Auf den Basen werden US-Soldaten stationiert, die unter dem Befehl des Southern Commands stehen, das seit jeher die Operationen der Nordamerikaner in Südamerika führt. Eine Klausel im entsprechenden Stützpunkt-Vertrag besagt allerdings: "Für jegliche Vorkommnisse in diesen Stützpunkten kann das Southern Command nicht verantwortlich gemacht werden."

Seit geraumer Zeit ist diese Art von Militarisierung Ecuadors unverkennbar: an der ecuadorianisch-kolumbianischen Grenze stehen inzwischen mindestens 10.000 Soldaten. Offizieller Auftrag: Ein mögliches Einsickern der Guerrilla aus Kolumbien verhindern, wo seit 40 Jahren ein typischer low-intensity conflict schwelt, bei dem die USA der kolumbianischen Armee Rückendeckung gegen die Guerrilla geben. Dank des Plans Colombia gingen seit 1999 rund 2,7 Milliarden Dollar an die Regierung in Bogotá. Hinzu kamen Equipment zum Schutz von Ölpipelines und für den Betrieb von Radarstationen sowie logistische Hilfe. Noch unter Bill Clinton abgeschlossen, sollte der Plan Colombia einer erfolgreichen Bekämpfung des Coca-Anbaus und damit der Kokain-Produktion Vorschub leisten.

Dies war nie ein Plan zur Vernichtung von Drogenkulturen, sondern eine Strategie, um die soziale Basis der Guerrilla zu zerstören, sagen die Kritiker. Ein Ansatz, um das gesamte Amazonasbecken zu beherrschen, die wichtigste Rohstoffreserve der USA in Südamerika mit Süßwasser, Bodenschätzen, Biomasse - und sehr viel Erdöl.

Manta, Comalapa, die Karibikinseln Aruba und Curaçao

Am äußersten Westzipfel Ecuadors, wo der Kontinent weit in den Pazifik hineinragt, liegt das Städtchen Manta wie eine strategische Oase, die sich zur Kontrolle des Seegebietes förmlich anzubieten scheint. Früher war der Ort bekannt für seinen Thunfisch, jetzt für die strengen Sicherheitsvorkehrungen, mit denen die Militärbasis abgeschirmt wird. Bürgermeister Jorge Zambrano Cedeño ist sichtlich empört, die Amerikaner könnten hier tun und lassen, was sie wollten, ohne irgendwen in ihre Pläne einzuweihen. Er sei über nichts informiert, sondern stets mit vollendeten Tatsachen konfrontiert worden, als der Stützpunkt gebaut wurde. Die Regierungen in Washington und Quito hätten schon gewusst, weshalb sie die Verträge unter Ausschluss der Öffentlichkeit unterzeichneten.

Der kleine Militärflughafen von Manta war vor drei Jahren mit US-Geldern in Höhe von 80 Millionen Dollar umgebaut und modernisiert worden, er besitzt nun eine der längsten und sichersten Landebahnen Südamerikas. Manta ist insofern ein typisches Beispiel für eine Forward Operating Location (FOL) - einen Flughafen, der sich wie eine Militärbasis nutzen lässt, aber nicht so genannt wird.

Nach Ende des Kalten Krieges führte ein Teil des strategischen Wandels, den die US-Armee durchlief, unter anderem zum Konzept der "Expeditions-Luftwaffe" - das bedeutet, man verlässt sich nicht mehr auf große Außenposten mit Zehntausenden Soldaten, die in der Nähe eines potenziellen Feindes disloziert sind, sondern hält dieses Potenzial so lange wie möglich in den USA vor. Dazu sind freilich diverse Abkommen erforderlich, um sich Zugang zu den Territorien von Gastländern zu verschaffen, die an potenzielle Krisengebiete grenzen, und in möglichst vielen Regionen der Erde innerhalb von 24 Stunden handeln zu können - die Möglichkeit dazu bieten Forward Operating Locations. Bezogen auf Lateinamerika sind diese Stützpunkte der neuen Generation neben Manta in Ecuador auch Comalapa in El Salvador und Basen auf den niederländischen Karibikinseln Aruba und Curaçao, die eine hoch flexible, technisch versierte Militärpräsenz im regionalen Umfeld des Amazonasbeckens erlauben, das - angesichts der Lage in Kolumbien - allenthalben als Schauplatz des nächsten großen Konfliktes vermutet wird.

Fünf AWACS-Maschinen oder "so viel, wie man braucht

Es sind jedoch keineswegs nur US-Soldaten in Manta stationiert. Die Logistik etwa erledigt das Privatunternehmen DynCorp, ausgestattet mit 13,4 Millionen Dollar pro Jahr aus dem US-Militärhaushalt für die Aufgaben in einer Forward Operating Location. Eine Menge Geld dafür, dass die DynCorp-Crew offiziell nur kocht, die Feuerwehr stellt und Mechaniker-Arbeiten verrichtet. Für diese an sich vollkommen harmlosen Aktivitäten genießen die Mitarbeiter in strafrechtlicher Hinsicht Immunität gegenüber ecuadorianischen Gerichten.

Nach dem zwischen den USA und Ecuador geschlossenen Vertrag können bis zu 400 Mann - Militärs oder Zivilisten - eine Woche lang in Manta stationiert werden, ohne dass die lokalen Behörden informiert werden müssen. Erst wenn jemand länger bleibt, muss der Name durchgegeben werden. Wer als Soldat auf dem Stützpunkt Dienst tut, braucht ohnehin kein Visum, sondern wird direkt aus den USA eingeflogen - die einzige Autorisierung, die dafür benötigt wird, erteilt das Southern Command. Sämtliche Truppenbewegungen unterliegen damit keinerlei Aufsicht durch irgendwelche ecuadorianische Behörden.

Darüber ärgert sich René Vargas Pazzos. Der pensionierte General ist 70 Jahre alt, groß und aufrecht, auf einem Auge blind. An der holzgetäfelten Wand in seinem Büro hängt ein Gemälde, das ihn als jungen Mann in Uniform zeigt, damals noch mit zwei Augen. Unwillkürlich fragt man sich, unter welchen Umständen - in welchem Krieg möglicherweise - er sein Auge verlor. General Vargas Pazzos war einmal Oberbefehlshaber der Streitkräfte Ecuadors.

Im Nationalkongress von Quito habe es nie eine Abstimmung über den Manta-Vertrag gegeben, erzählt er, ein klarer Verstoß gegen die Verfassung des Landes. Außerdem sei der Vertragstext an vielen Stellen sehr vage formuliert - absichtlich vage, könnte man unterstellen. Bei der Nutzungsdauer des Stützpunktes sei von zehn Jahren die Rede - Zusatz: "oder länger". Weiterhin steht im Vertrag: Es dürfen fünf AWACS-Flugzeuge oder "so viel, wie man braucht" in Manta oder "der Umgebung" stationiert werden.

"Meines Erachtens wird der Tag kommen, an dem die USA direkt in Kolumbien intervenieren", glaubt Vargas Pazzos. Es sei völlig klar, dass die kolumbianischen Streitkräfte nicht in der Lage seien, die Guerrilla zu besiegen. "Ich glaube, die Amerikaner auch nicht. Sie werden in ein neues Vietnam geraten, ein südamerikanisches Vietnam."

Und dann präsentiert der General noch eine aufschlussreiche Information: Die neue Landepiste in Manta habe eine besondere Betonschicht erhalten, sie könne die Wucht auffangen, mit der ultraschwere Flugzeuge landen. Mit großen Transportmaschinen könnten innerhalb von Stunden 30.000 bewaffnete Soldaten in Manta eingeflogen werden. "Jetzt braucht man so etwas nicht, sollte sich aber der Konflikt in Kolumbien auf die gesamte Region ausweiten und die Vereinigten Staaten direkt in Kolumbien eingreifen, wird es ernst - ich denke, es ist bald soweit."

In Manta hat die US-Armee Hochtechnologie jeder Art platziert, darunter AWACS-Aufklärer mit einem Radarsystem, das eine Reichweite von 320 Kilometern hat, Flugzeit: acht Stunden, ohne zu tanken. Hercules-Transporter, P3-Orion-Maschinen, Flugzeit: elf Stunden, ohne zu tanken. Was die AWACS-Systeme an Erkenntnissen liefern, geht direkt zum Southern Command im US-Bundesstaat Georgia.

Manta wird inzwischen "das Auge und Ohr des Plans Colombia" genannt, von hier aus starten regelmäßig P3-Orion-Flugzeuge, die mit Torpedos oder Minen ausgestattet werden können, zu Langstrecken-Patrouillen. Eine P3-Orion kann gleichzeitig Kontakt mit vier Satelliten halten und Bodentruppen Informationen in Echtzeit über die taktische Kampflage geben - Maschinen dieses Typs wurden auch 1999 im NATO-Krieg gegen Jugoslawien eingesetzt.

Warum kommt dieses gigantische Tankflugzeug hierher?

Das Büro des Lokalreporters Edgar Ríos befindet sich im einzigen Hochhaus von Manta. Auf seinem Schreibtisch liegt neben Computer und Papieren ein Fernglas, mit dessen Hilfe Ríos die Starts und Landungen auf der Militärbasis beobachten kann. Da gäbe es Maschinen, die in keinem Flugbericht des Towers auftauchen, deren Landung ihm jedoch befreundete Militärs bestätigt hätten: Etwa das riesige Tankflugzeug KC-135, das nur nachts käme. KC-135 Maschinen dienen dazu, Kampfflugzeuge in der Luft aufzutanken, doch warum fliegen sie Manta an? Die Orion-Maschinen folgen bei ihren Erkundungen einem Dreieckskurs zunächst bis zur FOL in Curaçao und dann weiter nach El Salvador. Sie können - in Manta aufgetankt - mühelos die nächste FOL erreichen. "Warum kommt dieses gigantische Tankflugzeug also hierher?", fragt Edgar Ríos. "Diese Maschinen können auch als Transporter dienen. Wir haben daher den Verdacht, dass heimlich Waffen eineflogen werden."

So lückenlos, wie die US-Amerikaner heute die gesamte Amazonasregion überwachen können, war das seinerzeit nicht einmal von der Howard-Militärbasis in Panama möglich. Und all das nur, weil man im Drogenkrieg steht? Nach dem 11. September 2001 sind die kolumbianischen Guerrilleros als "Narco-Terroristen" klassifiziert worden, das heißt, die Drogen- und Aufstandsbekämpfung wurden damit in einen Topf geworfen. Gelder, vorgesehen für die Anti-Drogen-Kampagne, können nun auch für die "Schlacht gegen den Terror" eingesetzt werden.

Sollten die USA tatsächlich irgendwann in Kolumbien intervenieren, steht ihnen ein langer und harter Guerrilla-Krieg bevor. Damit der nicht verloren geht, wird schon jetzt das strategische Umfeld sondiert und gesichert, denn es könnte nicht nur ein Krieg gegen die Guerrilla, sondern auch ein neuer Krieg ums Öl sein - diesmal am Amazonas

Sheila Mysorekar

 

DERDAX:

Wer soll das denn alles lesen;-) o. T.

 
13.03.04 11:49
Rheumax:

Überall auf der Welt, wo Öl vorkommt,

 
13.03.04 12:12
werden offenbar Terroristen vermutet, die von den USA natürlich bekämpft werden müssen.
Wie diese Regierungen in Venezuela und anderswo, die sich nicht an die Spielregel
halten, welche lautet:
Vor den Interessen von God`s Own Country haben (nicht nur) Bananenrepubliken gefälligst zu kuschen..

hjw2:

Dreiländereck Argentinien-Brasilien- Paraguay

 
14.03.04 09:51

Ein Paradies für Gotteskrieger

Im Dreiländereck Argentinien-Brasilien- Paraguay sorgen libanesische und syrische Händler dafür, dass Hisbollah und Hamas das Geld nicht ausgeht

von Cornelia Mayrbäurl

Kenwood -  Willkommen in Paraguay", "JVC - Willkommen in Ciudad del Este" grüßen Werbeplakate die Einreisenden, die im stockend stinkenden Autoverkehr per Motorradtaxi oder zu Fuß Brasilien verlassen und über die "Freundschaftsbrücke" den Río Paraná überquert haben. Die Schilder versprechen Shopping-Begeisterten nicht zu viel: Im gut 150 000 Einwohner zählenden Ciudad del Este, dessen Zentrum ein einziger Basar ist, rollt hauptsächlich der Dollar und nicht die Landeswährung.

Schienbeinschützer, Bettwäsche und natürlich jede Menge Raubkopien von CDs und Computerspielen - in den Bretterbuden längs der Straßen von Ciudad del Este gibt es nichts, was es nicht gibt. Etwas gehobenere Geschäfte wie "Onkel Jussef" sind mit Foto- und Videokameras voll gestopft, und im Nobelladen "Mona Lisa" werden Schweizer Luxusuhren verkauft. 60 Prozent der Zolleinnahmen Paraguays kommen aus Ciudad del Este - dabei geben die Behörden zu, dass nur 30 Prozent der eingehobenen Zölle auch in der Staatskasse landen.

In der Einkaufsgalerie "Page", gleich neben dem "Shopping Vendôme", schleppen Männer, unter ihnen auch Asiaten, ständig Kartons mit neuer Ware herbei. Das Restaurant "Monte Libanés" ist geschlossen, aber nebenan verkauft ein Händler Wasserpfeifen und arabische Lebensmittel. Hier hatte der mutmaßliche Hisbollah-Financier Ahmet Barakat seinen Laden, bevor er im Oktober 2001 vor der Polizei nach Brasilien floh, dann aber an Paraguay ausgeliefert wurde.

Dass Ciudad del Este ein Paradies für Schmuggler und Terroristen ist, behaupten die US-Behörden sowie Paraguays Polizei gleichermaßen. Das Dreiländereck Argentinien-Brasilien-Paraguay befand sich schon vor dem Attentat auf das World Trade Center im Visier der Anti-Terror-Ermittler. Dort und im brasilianischen Foz do Iguaçú leben etwa 30 000 Araber, die meisten davon sind syrische oder libanesische Händler. Als die Behörden nach dem Attentat auf das World Trade Center genauer hinsahen, stießen sie auf verdächtige Finanztransaktionen.

"Es gibt Personen, die terroristische Gruppen finanzieren", erklärt der Chef von Paraguays Anti-Terror-Einheit Carlos Altenburger. So hätten maskierte Polizisten beim Sturm des Elektronikladens von Ahmed Barakat drei Wochen nach dem 11. September auch ein Dankschreiben von Hisbollah-Führer Scheich Hassan Nasrallah für die Übersendung großer Geldbeträge gefunden. "Es liegen uns auch Bestätigungen für Zahlungen an Al Mukawama (den militärischen Arm der Hisbollah) vor", so Altenburger. "Barakat besaß zudem Videos mit antiisraelischer Propaganda."

Von allen Ermittlungen gegen Geschäftsleute in Ciudad del Este ist im Fall Barakat am meisten zu Tage gekommen. Eine paraguayische Zeitung schrieb bald nach der Razzia, es seien 14 Millionen Dollar, die der Libanese der Hisbollah habe zukommen lassen. Der "Forward", eine jüdische Zeitung aus New York, zitierte Altenburger gar mit der Summe von 50 Millionen Dollar. Wie viele Millionen es genau sind, will Altenburger nicht sagen. Barakat scheint jedenfalls ein großer Fisch zu sein. Nach Angaben der Geheimdienste Argentiniens und Brasiliens haben führende Hisbollah-Mitglieder Barakat besucht; in der Region sei er der unbestrittene Chef der Gruppe. US-Medien spekulierten gar über Hisbollah-Trainingslager rund um Ciudad del Este.

Ein Paradies für Gotteskrieger (2)

Ein Besuch bei der örtlichen Polizei bestätigt den Eindruck, dass das Leben in Ciudad del Este trotz des regen Handels nicht wirklich hektisch abläuft. Vor dem nur einstöckigen, in einem Park gelegenen Polizeigebäude stehen von Taiwan gespendete Pick-ups sowie einige Beamte mit Mate-Teebechern in der Hand. Pressechef Augusto Lima, der dem allgemeinen Trend folgend eine Cartier-Brille trägt, sitzt in einem sonst recht leeren Zimmer vor einem Küchentisch mit mehreren Papierstapeln. Für hereinkommende Warencontainer werde Geld ins Ausland überwiesen, erklärt er, "und wohin das genau geht, ist schwer zu kontrollieren". Jedenfalls gebe es eine gute Zusammenarbeit mit den US-Behörden wie etwa regelmäßigen Informationsaustausch zwischen den Geheimdiensten.

Auch der syrische Honorarkonsul Michael Mezquin, ein Parfümimporteur, spricht von engen Bindungen an die USA. Zunächst erklärt er nur vage, es gebe "jemanden auf der Welt, der Paraguay fernsteuert", dann stellt er klar: "Die Politiker fragen doch vor jedem Auftritt in der US-Botschaft nach, was sie sagen sollen." Die von der Polizei als Beweis zitierten Dankschreiben des Hisbollah-Chefs an Barakat seien gar nicht persönlich an diesen gerichtet. "Das ist ein Massenbrief, ein Dank für Spenden Barakats zur Versorgung von Waisen."

Laut Joseph Cofer Black hingegen, dem Anti-Terror-Koordinator im Washingtoner Außenministerium, erhalten sowohl die Hisbollah als auch die palästinensische Hamas aus dem Dreiländereck große Beträge - und zwar nicht für arme Waisenkinder, sondern zur Finanzierung von Anschlägen und zum Kauf von Waffen. Ein Sprecher der US-Botschaft in Asunción lobt einerseits die Kooperation, fügt aber hinzu: "Im Kampf gegen den Terror müssten alle Beteiligten noch mehr tun."

Die Ende Februar vorgelegte offizielle Anklage gegen Ahmed Barakat dürfte diesen Wunsch der Amerikaner noch verstärken. Denn die Staatsanwälte beschuldigen ihn lediglich der Steuerhinterziehung, für die er maximal zehn Jahre ins Gefängnis kommen kann. Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein, habe man dem libanesischen Geschäftsmann nicht nachweisen können. "Die Beweise reichen bisher leider nicht aus", bedauert der Anti-Terror-Ermittler Altenburger. "Aber die Ermittlungen gegen Barakat laufen weiter."

Ob da jemand von den paraguayischen Behörden daran interessiert ist, den Strippenzieher nicht gar zu scharf anzufassen? Mitarbeiter der US-Botschaft in Asunción wollten auf diese Frage keine Antwort geben.

Artikel erschienen am 14. März 2004

wams


 

hjw2:

Uruguays Regierung ignoriert tödliche Armut.

 
04.04.04 08:47
Pablo Long/Roberto Roa, npl
 
Am Hunger »erstickt«
 
Uruguays Regierung ignoriert tödliche Armut. Jedes fünfte Kind lebensgefährlich unterernährt
 
Talía Souza starb, als sie sechs Monate alt war. Das Mädchen lebte in Artigas, nahe der Grenze zu Brasilien, rund 600 Kilometer nördlich der uruguayischen Hauptstadt Montevideo. Talías Mutter sagte, sie koche für ihre älteren Kinder Kürbisgemüse. Das Baby bekam den Sud. Die Brühe hatte kaum Nährwert, aber sie war das einzige Nahrungsmittel im Haus. Milch gab es keine. »Als Talía schließlich ins Krankenhaus kam, war sie nur noch Haut und Knochen«, erinnert sich die Mutter. Sie wog nur 300 Gramm, zwischen 600 und 1 000 Gramm hätten es sein müssen. »Um das Drama des Hungertods zu vertuschen, wurde als offizielle Todesursache Erstickung angegeben«, berichtet die Ärztin Elena Curbelo später. Die Hälfte aller minderjährigen Patienten in den Krankenhäusern des südamerikanischen Landes weisen inzwischen Symptome von Unterernährung auf. Nach einer Statistik aus dem Jahr 2002 leidet jedes fünfte Kind sogar an lebensgefährdender Unterernährung. Sieben Jahre zuvor waren diese Zahlen noch bedeutend kleiner. Ein unveröffentlichter Bericht vom Juni spricht von 19 Prozent akuter und 31 Prozent chronischer Unterernährung unter den Kindern in Uruguay. In den zwei Monaten vor Erstellung des Berichts waren zehn Kinder am Hunger gestorben – in einem Land, das Nahrungsmittel exportiert und vor nicht allzu langer Zeit als reichstes Land Südamerikas galt.

»Armut und Unterernährung gehen Hand in Hand. Die betroffenen Kinder bekommen nicht genug Nahrung für ihr Wachstum, sie können sich oft nicht richtig konzentrieren, und viele verlassen die Schule, um Geld zu verdienen. Die oft körperlich anstrengende Arbeit schwächt sie dann noch mehr«, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Mónica Britz von der staatlichen Universität der Republik den Teufelskreis. Die offizielle Arbeitslosigkeit ist inzwischen auf 20 Prozent gestiegen, genauso viele Uruguayer leben unter der Armutsgrenze.

Bemerkenswert ist, daß sich diese Katastrophe schon lange nicht mehr nur in den abgelegenen Provinzen abspielt. Im ganzen Land kommen inzwischen Fälle schwerer Unterernährung vor. Eine Studie der Ärzteschaft führt aus, daß es »alltäglich ist, in Krankenhäusern einjährige Kinder anzutreffen, die sich nicht hinsetzen oder ihren Kopf hochhalten können«. Auch an den Schulen macht sich bemerkbar, daß immer mehr Familien sich nicht mehr allein über Wasser halten können. Über die Hälfte der Schulkinder bekommt täglich ein Essen bereitgestellt, 1995 mußten nur 21 Prozent diese Sozialleistung in Anspruch nehmen.

»Jeden Tag kommt es vor, daß Kindern schwindlig wird oder daß sie ohnmächtig werden«, berichtet Schuldirektor Víctor González aus der Kleinstadt Treinta y Tres, knapp 300 Kilometer östlich von Montevideo. »Hier herrscht der Hunger«, bemerkt González knapp. »Manchmal geben wir ihnen vor Unterrichtsbeginn Bonbons, damit sie wenigstens irgend etwas zu sich nehmen«, meint González resigniert. Ähnliche Geschichten sind im ganzen Land zu hören. Hervorgehoben wird dabei, daß die Kinder am Montag besonders geschwächt seien. Während der Wochenenden bekommen sie noch nicht einmal die Schulspeisungen. Einzelne Lokalregierungen haben die Schulen inzwischen angewiesen, auch am Wochenende und in den Ferien Essen auszugeben.

Das Drama von Hunger und Unterernährung war in Uruguay lange ein unbekanntes Phänomen. Angesichts einer geringen Bevölkerungszahl, gemäßigtem Klima und einer stabilen Wirtschaft herrschte bis vor wenigen Jahren ein relativer Wohlstand. Doch der ökonomische Zusammenbruch in Argentinien und eine hausgemachte Bankenkrise rissen Uruguay in den Strudel der Rezession. Als Antwort fällt der konservativen Regierung unter Jorge Batlle nichts anderes als ein rigider Streichkurs und neoliberale Wachstumsrezepte ein, Mittel, die in Argentinien, Paraguay und Brasilien mittlerweile zum Entstehen von breiten sozialen Bewegungen und zur Wahl eher linksorientierter Regierungen geführt haben. Auch in Uruguay wird dieses Jahr noch gewählt. Allen Prognosen zufolge wird das Mitte-Links-Bündnis Frente Amplio, das bereits in der Kommune Montevideo regiert, den nächsten Präsidenten stellen.
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hjw2:

Gewagtes Spiel

 
05.06.04 19:46

Harald Neuber
 
Gewagtes Spiel
 
Regierung Chávez erklärt sich zu Volksabstimmung bereit
 
Die Regierung von Venezuela hat am Donnerstag ihr Einverständnis mit einem Abberufungsreferendum gegen Präsident Hugo Chávez Frías im August erklärt. Damit legt das linke Regierungsbündnis »Bewegung Fünfte Republik« überraschend einen Monate währenden Streit mit der Opposition bei. Seitdem rechte Parteien und Organisationen Ende vergangenen Jahres Unterschriften für das Referendum gesammelt hatten, hielten sich vehement Betrugs- und Fälschungsvorwürfe gegen die Organisatoren. Reihenweise waren Namen aus Telefonbüchern kopiert worden, bei der Überprüfung fanden sich sogar die Daten von Verstorbenen in den Listen. Diese Unregelmäßigkeiten sind auch nach erneuter Prüfung durch den Nationalen Wahlrat nicht vollends ausgeräumt. Dessen ungeachtet eröffnete Chávez am Donnerstag den »wahren Kampf um das Referendum«.

Damit beendete der Reformpolitiker eine immer unübersichtlichere Debatte zwischen Regierung, Opposition und ausländischen Akteuren. Mit dem Urnengang im August hoffen Spitzenpolitiker der »Fünften Republik«, eine neue Legitimation der Regierung zu erreichen. Diese Rechnung könnte, formell betrachtet, aufgehen. Seit seiner Wahl vor fünf Jahren hat Hugo Chávez sich sieben Wahlprozessen gestellt – und siebenmal gewonnen. Auch kann auf die steigenden Umfragewerte für den Linkspolitiker verwiesen werden, die derzeit zwischen 40 und 51 Prozent schwanken.

Trotzdem pokert die Regierung hoch. Wenn die Opposition die Betrugsvorwürfe zwar nicht entkräften konnte, im Konflikt mit der Regierung aber trotzdem siegte – weshalb sollte sie im August unterliegen? Tatsächlich hatten Regierungsgegner es mittels ihrer Kontakte in den Behörden verhindern können, daß dem Nationalen Wahlrat die Namen von gut 50 000 Verstorbenen zur Verfügung gestellt werden, um sie mit denen auf der Liste zu vergleichen. Als die vermeintlichen Unterzeichner aufgefordert waren, ihre Unterschriften zu verifizieren, stellte die Polizei bei Stichproben landesweit Tausende gefälschter Ausweise sicher. Der »Sieg« der Opposition erscheint so in einem anderen Licht, zumal gut 74 000 Venezolanerinnen und Venezolaner den mißbräuchlichen Eintrag ihrer Unterschriften bestätigt haben.

In der Tat stellt dieser Kampf gegen das Diktat der venezolanischen Oberschicht einen wichtigen Schritt der »Bolivarianischen Revolution« dar. Die Regierung Chávez sollte dabei aber nicht nur auf die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien vertrauen. Auf dieser Basis hat unweit von Venezuela 1973 schon eine Revolution an den Wahlurnen begonnen – um im Blut zu enden.
       
             

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wir sterben lieber arm und ungebildet ruft das volk...

und wie immer wäscht die agency die hände in unschuld...


   
hjw2:

von der dollarisierung

 
19.06.04 11:39
VON DER "DOLLARISIERUNG" ZUR "KOLUMBIANISIERUNG"

Ecuador unter dem Präsidenten Lucio Gutiérrez, der einmal als Kandidat der Linken und der Indios ins Amt kam

Viele Hoffnungen richteten sich bei seinem Amtsantritt im Januar 2003 auf den neuen ecuadorianischen Präsidenten Lucio Gutiérrez. Als Oberst der Streitkräfte war er einer der Anführer jener Volkserhebung im Januar 2000 gewesen, die den unfähigen Präsidenten Mahuad zum Abgang gezwungen hatte. Die Regierung Gutiérrez wurde zunächst unterstützt von der Bewegung der Indígenas, den Gewerkschaften und linken Parteien. Doch alle Hoffnungen schwanden noch im ersten Amtsjahr.

Unsere Ideologie basiert auf der Solidarität und der Form des Miteinanders, die unsere Indígenas seit Jahrhunderten vorgelebt haben. Sie beflügelt uns, die ungerechten Strukturen in unserem Land zu ändern. Unsere ideologische Konzeption ist von der Tendenz her nationalistisch, progressiv, humanistisch, rechtsbezogen, revolutionär. Weil wir nicht wollen, dass unsere strategisch bedeutsamen Industrien verkauft werden. Wir wollen nicht unsere Währungssouveränität verlieren. Wir wollen nicht, dass unsere staatliche Souveränität durch den US-Stützpunkt in Manta gefährdet wird. Wir sind gegen die große Korruption innerhalb der Regierung."

So beschrieb Lucio Gutiérrez im Mai 2000, vorübergehend inhaftiert wegen der Revolte drei Monate zuvor, seine politischen Motive, die ihn an die Seite der Indigenas gebracht hatte und ihres Dachverbandes, des Consejo de Nacionalidades Indígenas del Ecuador (CONAIE), der zu dieser Zeit eine authentische Massenbewegung führte. Der ehemalige Oberst der ecuadorianischen Streitkräfte sollte sein Programm in den folgenden Jahren noch oft wiederholen, bis er am 15. Januar 2003 in den Präsidentenpalast einziehen konnte. Danach schien er vorzugsweise ein Ziel zu haben - möglichst alle Versprechen zu brechen. Schon während der Verhandlungen über die künftige Regierung mit der Indígena-Partei Pachakutik und dem linken Movimiento Popular Democrático (MPD) hatte der Präsident neoliberal orientiertes Personal für das Finanz- und Wirtschaftsministerium durchgesetzt. Allein Pachakutik bekam mit dem Außen- und dem Agrarministerium noch zwei Ressorts von politischem Gewicht. Gutiérrez arrangierte sich auch mit dem Gewerkschaftsbund CEOSL (Central Ecuatoriana de Organizaciónes Sindicales Libres) und schuf für dessen langjährigen Vorsitzenden José Chavez sogar ein neues Amt als Präsidentenberater.

Erdölland als Armenhaus

Dann allerdings erwies sich Gutiérrez als willig, die herkömmlichen, zuvor rhetorisch verfemten Rezepte anzuwenden - er flexibilisierte die Arbeitszeiten, fror die Löhne im öffentlichen Dienst ein und steigerte die Preise für Elektrizität sowie Transport. Die soziale Lage verfiel so dramatisch, dass Ende 2003 der familiäre Durchschnittsverdienst von 253 Dollar unter der offiziellen Armutsgrenze von 378 Dollar im Monat blieb. Die Erwerbslosigkeit erreichte mit 11,7 Prozent den höchsten Stand seit 1990, während die Unterbeschäftigung bei über 50 Prozent lag - vier Fünftel der Ecuadorianer lebten im Mai 2004 unterhalb der Armutsgrenze.

Als die langlebige Finanzkrise den Andenstaat Ende der neunziger Jahre an den Rand des ökonomischen Kollaps trieb, sollte die "Dollarisierung" für Rettung sorgen. Im Jahr 2000 wurde der Sucre durch den Dollar ersetzt. Lucio Gutiérrez verkauft diese Zäsur inzwischen als Erfolg; immerhin sei das Land noch zahlungsfähig - allerdings nur deshalb, wäre zu ergänzen, weil den Zins- und Tilgungszahlungen für 17 Milliarden Dollar Auslandsschulden Vorrang gegenüber sozialen Investitionen eingeräumt wird. Ein Großteil der Ecuadorianer überlebt, da mehr als zehn Prozent der Bevölkerung ins Ausland geflüchtet sind und Gelder an ihre Familien schicken - ein Transfer, der sich im Vorjahr auf beachtliche 1,6 Milliarden Dollar belief.

Nach wie vor ist Erdöl das wichtigste Exportgut und sichert ein Drittel der Staatseinnahmen. Einen jäheren Fall des Ölpreises auf dem internationalen Markt dürfte das Land kaum verkraften, schließlich verzehrt der Schuldendienst 40 Prozent der Staatsausgaben, so dass der Landwirtschaft, von der fast die Hälfte der Bevölkerung abhängt, lediglich zwei Prozent aller Haushaltsmittel zugute kommen.

Mit der Dollarisierung wurden traditionelle Exportgüter unverkäuflich - besonders Textilien, Fleisch- und Milchprodukte. Dass heute im Straßenbild der Hauptstadt Quito Handys und neue Autos zu sehen sind, hat weniger mit einem Aufschwung als dem totalen Misstrauen gegenüber den Banken zu tun. Wer mehr verdient als das Lebensnotwendige, investiert in Konsumgüter. Bei wem es weniger ist, der macht Schulden - in Quito trifft das auf 58 Prozent der Bevölkerung zu. Deren Gläubiger sind nur noch zu 30 Prozent private Kreditinstitute - die Mehrheit verlässt sich lieber auf die Kredite von Supermärkten oder informellen Geldverleihern.

Außenpolitisch geriert sich Gutiérrez unverkennbar als Gefolgsmann der USA. Über die US-Militärbasis in Manta wird längst nicht mehr debattiert, statt dessen mit einem weiteren Stützpunkt auf den Galapagos-Inseln kalkuliert. Dass Ecuador dadurch immer mehr in den kolumbianischen Bürgerkrieg verstrickt wird, dessen Regionalisierung die Vereinigten Staaten offenkundig vorantreiben, um sich ein Interventionsrecht für den ganzen Subkontinent zu verschaffen, gilt in Quito als hinnehmbarer Kollateralschaden. Der US-amerikanische wie der kolumbianische Geheimdienst operieren inzwischen ungehindert in Ecuador, wie das im Januar die Festnahme des ranghohen kolumbianischen Guerillaführers Simon Trinidad in Quito offenbarte.

Unter diesen Umständen ist das Experiment der Indios, Regierungsverantwortung mitzutragen, vorerst gescheitert. Pachakutik, MPD wie auch die Gewerkschaften traten schon nach 200 Tagen des Mitregierens desillusioniert den Rückzug an. Gutiérrez setzt seitdem auf die rechten Parteien und nimmt in Kauf, dass sich die inneren Fronten verhärten. Spätestens seit dem Anschlag auf Leonidas Iza am 1. Februar 2004 grassiert die Furcht, der "schmutzige Krieg" gegen Oppositionelle, wie er in Kolumbien wuchert, könnte auch Ecuador heimsuchen. Leonidas Iza ist Vorsitzender der CONAIE und hatte einst den Wahlsieg von Gutiérrez´ als "historisches Zeichen und als Tag der Hoffnung" gefeiert. Inzwischen steht er wie alle Indígena-Organisationen in hitziger Opposition zur Regierung.

Der CONAIE ist bis heute das Rückgrat von Pachakutik und kommt nicht umhin, ein eher zwiespältiges Resümee der Regierungsteilhabe zu ziehen. Man habe es zum ersten Mal in der Geschichte Ecuadors erlebt, dass Indígenas Ministerien übernehmen konnten, meint Leonidas Iza, aber so wertvoll diese Erfahrung auch sei, man gehe letzten Endes geschwächt aus dieser Periode hervor.

"Pachakutik verfügte über kein abgestimmtes Regierungsprogramm", analysiert Luis Macas, in der Regierung Gutiérrez 200 Tage Agrarminister für Pachakutik. "Jetzt birgt die Krise unserer Partei das Risiko, aus der politischen Landschaft zu verschwinden, sollten wir uns zu keiner Strategie durchringen, die darauf antwortet, wie ein wirklich plurinationaler Staat erreicht werden kann." Es gebe die aus der Kolonialzeit übernommenen "zwei Logiken zwischen dem Indio und dem Anderen", die eine belastbare Einheit zwischen sozialer und Indígena-Bewegung blockierten.

Der Bananen-König wartet

Mitte Februar hatte die CONAIE zu einer erneuten Mobilisierung aufgerufen, die manche schon als Anfang vom Ende des Patrons Gutiérrez deuten wollten, doch die Zahl der Teilnehmer war gering. "Selbst wenn er gestürzt wird, was kommt danach?" fragt die Menschenrechtlerin Elsie Monge. "Es fehlt an politischen Visionen und an klaren Alternativen." Pedro de la Cruz von der sozialistisch orientierten Federación Nacional der Organizaciónes Campesinas, Indígenas y Negras (FENOCIN) ist realistisch. "Die Ecuadorianer sind müde und enttäuscht, so dass die Rechte bei den nächsten Wahlen auf ein wachsendes Potenzial rechnen darf. Viele werden sagen: die Linke hat ihre Chance gehabt - und vertan, jetzt wählen wir lieber die anderen."

Der Gutiérrez bei der Präsidentschaftswahl 2003 unterlegene Bananen-König Gustavo Noboa, die "Eiserne Faust mit dem weißen Handschuh", wie er in seiner Heimatstadt Guayaquil genannt wird, wartet geduldig auf seine Chance. Lucio Gutiérrez entwickelt sich derweil zu einem selbstherrlichen Präsidenten, den eine kleine Gruppe, bestehend aus Familienangehörigen und ehemaligen Militärs, hofiert. Sein jüngerer Bruder Gilmar löste ihn Ende Februar als Vorsitzender seiner Partei, der Patriotischen Gesellschaft, ab. Schwager Napoleon Villa wird für das Aufkommen paramilitärischer Gruppen in Ecuador verantwortlich gemacht. Gutiérrez reagiert indes gereizt auf niedrige Umfragewerte und mediale Kritik. "Das Land will positive Nachrichten, will Optimismus. Alle unsere Anstrengungen werden nutzlos sein ohne die Hilfe der Medien. Deshalb Schluss mit den Skandalberichten."

Der Menschenrechtsaktivist Alexis Ponce warnt vor einer "Kolumbianisierung" Ecuadors: "Unser Staat ist schlimmer als der kolumbianische. Dort gibt es zumindest eine Guerilla, die als Gegenkraft wirkt. Hier gibt es nichts dergleichen. Früher zielte der innere Terror auf lokale Führer der Volksbewegungen, um die Reaktionen im In- und Ausland auszutesten. Heute sind die führenden Köpfe der Opposition bedroht. Und der Staat verschärft gezielt die Situation. Mir wurden kürzlich Geheimdienstdokumente zugespielt, die sehr detailliert meine Person, meine Arbeit und meine Familie beleuchten."



Schlüsseldaten Ecuadors                              2002       2003  

Bruttoinlandsprodukt                                + 2,5      + 2,4
   
                                                   
(Veränderung zum Vorjahr in Prozent)                
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (in US-Dollar)          1.594   1.623  

Inflationsrate (Jahresdurchschnitt in Prozent)          9,4    10,5


Arbeitslosenquote (Jahresdurchschnitt in Prozent)      10,0    11,7

Auslandsverschuldung des Bruttoinlandsprodukts         64,9    70,3

in Prozent
 


DarkKnight:

@hjw: schlimm, aber gut

 
19.06.04 15:05


Keine Vergebung ohne Blutvergießen.



Das Große spiegelt sich im Kleinen, das ist das Prinzip des Kabbalismus.

Es sind noch nicht ausreichend viele gestorben für eine Veränderung.

Ein paar Milliarden werden es wohl werden.


Ich hoffe, ich bin dabei, beim Exitus.
hjw2:

Kinderarbeit weit verbreitet

 
25.06.04 01:54
Andreas Behn                                                             25.06.2004
 
Straffreie Morde
 
Menschenrechtler in Guatemala: Gewaltexzesse gegen Frauen und Jugendliche. Kinderarbeit weit verbreitet
 
Gewaltverbrechen und Menschenrechtsverletzungen in Guatemala haben erschreckende Ausmaße erreicht. Dem jüngsten Bericht des staatlichen Menschenrechtsbeauftragten in dem mittelamerikanischen Land zufolge nehmen insbesondere die Morde an Frauen und an Minderjährigen ständig zu. Im Jahr 2003 wurden demnach 568 Mädchen und Jungen brutal ermordet. 383 junge Frauen wurden im vergangenen Jahr Opfer von Morden. Die Presseagentur CERIGUA errechnete, daß im Durchschnitt der letzten vier Jahre monatlich 14 Frauen, offenbar ohne Anlaß oder eindeutiges Motiv, ermordet wurden. Der guatemaltekische Ombudsmann spricht von einem »Femizid«. Menschenrechtler kritisieren, daß weder Justiz noch Polizei oder sonstige Sicherheitskräfte gewillt scheinen, den Gewaltorgien Einhalt zu gebieten. Vielmehr, so wird vermutet, seien Teile der Staatsdiener zumindest mittelbar in kriminelle Handlungen verstrickt. Erschreckend sei auch, wie wenig solche Themen in der Öffentlichkeit angesprochen würden.

Das Ausmaß der Gewalt in Guatemala sei durchaus mit dem in der blutigen Zeit des Bürgerkrieges in den 80er Jahren vergleichbar, kommentiert die Journalistin und Politikexpertin Ileana Alamilla. »Damals wurden Tausende Menschen Opfer einer Repression, die sich gegen all jene richtete, die mit abweichenden Meinungen sympathisierten.« Alamilla zufolge sind die heutigen Gewaltexzesse auch eine Spätfolge der damaligen Zustände. Um so dramatischer sei es, wenn »die Behörden heute solche Barbarei mit dem Vorwurf rechtfertigen, die Frauen oder Jugendlichen seien Mitglieder von Banden, illegalen Gruppen oder gingen der Prostitution nach«, so die engagierte Journalistin in einen internationalen Erklärung.

Frauen- und Kinderrechtler sprechen mittlerweile von einem Zusammenbruch des sozialen Gefüges in der guatemaltekischen Gesellschaft. Angesichts der Gewaltakte gerate die Situation außer Kontrolle, zumal fast alle Täter straffrei herumlaufen können. Kritisiert werden auch einige Medien, die mit Veröffentlichungen von brutalen Bildern zur allgemeinen Abstumpfung beitragen.

Alarmierend ist in diesem Zusammenhang, daß Guatemala im Vergleich zu den zentralamerikanischen Nachbarländern mit 23,4 Prozent den höchsten Kinderarbeits-Index aufweist. Den neuesten Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge gehen 1,2 Millionen Minderjährige in Guatemala einer Lohnarbeit nach. Dies ist ein Zeichen für extrem hohe Armut, aber auch für das Desinteresse der Behörden, zumal die Arbeitsbedingungen in Industrie wie in der Landwirtschaft manchmal unerträglich seien, so der ILO-Bericht.

Nicht nur beim Thema Kinderarbeit, auch wegen der zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft steht der neue Präsident Oscar Berger in der Kritik. Dessen Regierung plant, entlassene Soldaten in die nationale Zivilpolizei zu integrieren. Da oftmals Polizisten, aber vor allem Militärs in Straftaten verwickelt seien, würde dieser Plan die öffentliche Sicherheit noch weiter gefährden.
 
hjw2:

genmanipuliert

 
04.07.04 02:17
IM GESPRäCH
Die Molekularbiologin Lilian Joensen über den Soja-Anbau in Argentinien und gentechnologisches Saatgut, das weder Schädlinge verhindert noch den Hunger in den Ländern der Dritten Welt lindert

Lilian G. Joensen ist Molekularbiologin und arbeitet für die "Grupo de Reflexión Rural", die das "Network for Latin America Free of GMOs" (Red por una Latino America Libre de Transgénicos) koordiniert. Sie war im April 2004 mit der Entwicklungshilfeorganisation "Brot für die Welt" auf einer Informations-Tour durch Deutschland.

FREITAG: Das weltgrößte Unternehmen für gentechnisch verändertes Saatgut, der US-amerikanische Konzern Monsanto, hat Ende des vergangenen Jahres angekündigt, auf dem argentinischen Markt kein gentechnisch verändertes Soja mehr zu verkaufen. Warum?
LILIAN JOENSEN: Monsanto forderte in Argentinien bisher keine Lizenzgebühren für sein gentechnisch verändertes Saatgut. Die argentinischen Bauern hatten Teile ihrer Soja-Ernten wieder ausgesät, getauscht und gehandelt, wie sie es immer getan haben. Das war von Monsanto bisher auch akzeptiert worden, obwohl die ungleiche Behandlung die nordamerikanischen Bauern sehr geärgert hat. Jetzt hat der Konzern angekündigt, kein gentechnisch verändertes Soja mehr zu verkaufen, bis Lizenzgebühren bezahlt werden.

Warum hat Monsanto überhaupt auf Lizenzgebühren verzichtete?

Wir bewerten es als Strategie, mit der unser Markt mit dem gentechnisch veränderten Saatgut überschwemmt werden sollte. Man kann das Gleiche in anderen Ländern beobachten. In Brasilien, das erst im letzten Jahr und zunächst auch nur befristet den Anbau des gentechnisch veränderten Sojas legalisierte, hat Monsanto den "bolsa-blanca-Markt", den Markt der weißen Säcke - als Zeichen von nicht-zertifiziertem Saatgut - in den Neunzigern toleriert, wenn nicht sogar unterstützt. Gleiches in Paraguay, wo der Anbau gentechnisch veränderter Sorten bis heute verboten ist.

Zur Situation in Argentinien muss man allerdings wissen, dass Monsanto nur 15 Prozent des in Argentinien verwendeten Roundup Ready (RR)-Soja-Saatgutes verkauft hat. Sein Hauptgeschäft macht der Konzern in unserem Land mit dem Verkauf des zugehörigen Herbizids, dem Glyphosat oder Roundup, wie es auch genannt wird. Die Regierung hat inzwischen angekündigt, bis zu 34 Millionen US-Dollar an Lizenzgebühren für Monsanto und andere Saatgutunternehmen zu sammeln.

Es gibt also noch andere Firmen, die auch in Zukunft das RR-Soja-Saatgut verkaufen werden?
Genau, es sind hauptsächlich drei Firmen, die sich diesen Markt in Argentinien teilen: das niederländische Unternehmen Nidera und die beiden argentinischen Firmen Asociados Don Mario und Relmo, die beiden letzteren haben ihrerseits die Rechte an der Roundup-Technologie von Monsanto gekauft. Monsanto hat nun angekündigt, sich in Argentinien auf den Verkauf von gentechnisch verändertem Mais, ebenfalls als Roundup Ready-Version, zu konzentrieren. Dieser trägt sowohl das neue Gen für die Herbizid-Resistenz als auch ein anderes, das das Getreide gegen Insekten resistent macht. Auch Sorghum und Sonnenblumen sollen als gentechnisch veränderte Sorten angeboten und angebaut werden. Bei allen dreien ist der Nachbau - die Verwendung der Ernte als Saatgut durch die Bauern - nicht möglich, weil sie als Hybrid-Sorten angebaut werden und das Saatgut immer neu aus den Eltern-Sorten gezüchtet werden muss.

Welche Strategie vermuten Sie hinter diesem Schritt von Monsanto?
Wir haben in unser Gruppe schon oft versucht, die Zukunft der Soja-Monokultur abzuschätzen und vermuten, dass Monsanto das sinkende Schiff verläßt, bevor der Soja-Anbau in unserem Land von einem wirklich schlimmen Rostpilz betroffen sein wird oder es zum Kollaps der landwirtschaftlich sehr intensiv genutzten Böden kommt. Eine andere Frage, die wir uns stellen, ist, ob es sich um eine Erpressungs-Strategie der Regierung unter Präsident Nestor Kirchner handelt, um das Recht unserer Bauern, Saatgut zurückzuhalten, einzuschränken.

Sie sprachen von einem neuen Rostpilz, wie sieht es mit anderen Schädlingen auf den Soja-Feldern aus? Die Reduzierung der eingesetzten Spritzmittel ist ja immer ein zentrales Argument für den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen gewesen ...
Mittlerweile haben wir 14 verschiedene Unkräuter, die gegen das Roundup resistent geworden sind, der Verbrauch des Herbizids ist seit dem ersten Anbau 1997 um das Fünffache gestiegen. An Argentinien zeigt sich, dass das Argument des angeblich zurückgehenden Einsatzes von Spritzmitteln nicht haltbar ist. Es werden auch andere Herbizide eingesetzt, das 2,4-D oder das Atrazin (siehe Kasten). Und zu guter Letzt: Gegen das Roundup-resistente Soja, das außerhalb der eigentlichen Saison wächst, wird das hochgiftige Paraquat eingesetzt. Außerdem kommen die Probleme mit einem neuen Pilz hinzu.

Wie war die Situation, bevor in Argentinien in großem Maßstab Soja angebaut wurde?
Es gab ein extensives Agrar-System, in dem sich eine Bewirtschaftung mit Tieren und der Anbau von Pflanzen abwechselten. Die Böden konnten sich regenerieren. Diese Art der Landwirtschaft verzichtet vollständig auf synthetischen Dünger, und der Einsatz von Pestiziden ist minimal. Zu Beginn der achtziger Jahre stiegen die Preise für Ölsaaten und Getreide auf dem Weltmarkt. Damit begann der Niedergang der abwechselnden Bewirtschaftung mittels Viehhaltung und Pflanzenbau. Gleichzeitig wurde die "no-till"-Landwirtschaft, bei der auf das Pflügen des Bodens verzichtet wird, als umweltfreundliche Anbauart propagiert, da sie weniger Erosion mit sich bringt. Jetzt haben wir auf Millionen und Abermillionen Hektar das gleiche Anbau-System, eine Monokultur, die uns neue Probleme gebracht hat: neue Schädlinge, resistente Unkräuter.

Warum bauen die Bauern das gentechnisch verändete Soja überhaupt an?
Es sind nicht Landwirte im europäischen Sinne, die für den Weltmarkt anbauen, sondern große Unternehmen, die das Land der verarmten Landbevölkerung pachten. In Argentinien sind dies oft Firmen aus Spanien oder den USA. Sie besitzen nicht das Land, sie besitzen die Infrastruktur für Handel und Vertrieb, sie bringen das gentechnisch veränderte Saatgut und die Chemikalien, Spritz- und Düngemittel mit - und sie besitzen die Maschinen. Diese werden von Region zu Region verbracht, da bei uns durch die Größe des Landes die Jahreszeiten nicht im ganzen Land synchron ablaufen.

Argentinien ist bei uns traditionell bekannt für seine Exporte von Rindfleisch, das sich auch in Europa großer Beliebtheit erfreut.
Die argentinische Landwirtschaft hat sich in dieser Hinsicht sehr verändert. Tatsächlich exportieren wir jetzt in erster Linie Soja, Soja und nochmals Soja. Das Soja wird in Mühlen gepresst, das Öl geht in die Produktion von Lebensmitteln, das Sojaschrot wird als Tierfutter genutzt - auf dem asiatischen, aber auch auf dem europäischen Markt. Die Rinderbestände sind bei uns stark zurückgegangen. Und: Wir sind nicht mehr in der Lage, unsere eigene Bevölkerung zu ernähren. Mittlerweile sind viele Produkte sehr teuer, und die letzten Statistiken besagen, dass 54 Prozent unserer Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben. 54 Prozent! In den siebziger und achtziger Jahren waren es nur fünf beziehungweise 13 Prozent. Argentinien produzierte genug Lebensmittel von hoher Qualität für die eigene Bevölkerung und konnte zusätzlich die achtfache Menge des eigenen Bedarfs exportieren. Nun gibt es in unserem Land Hunger. Wir können nicht sagen, dass das gentechnisch veränderte Soja dafür verantwortlich ist. Was wir aber sagen können, ist, dass es uns nicht davor bewahrt hat und es bei uns Hunger früher nicht gegeben hat.

Und die treibende Kraft dahinter ...
... ist der hohe Weltmarktpreis für das Soja. Dieser macht es lukrativ, auf Soja zu setzen, ohne den Blick auf den Bedarf im eigenen Land zu richten. Die Soja-Firmen versuchen, immer mehr Land für die Produktion zu bekommen, und sie schrecken auch nicht vor dem Einsatz von Gewalt zurück: In allen Regionen des Landes kann man in den Zeitungen lesen, dass Menschen von dem Land vertrieben werden, das ihnen zusteht.

Wie ist der Besitz des Landes geregelt?
Es gibt bei uns ein Gesetz, das besagt, dass wer seit 20 Jahren an einem Ort gelebt hat und dies nachweisen kann, sich als Besitzer des Landes registrieren lassen kann. Die Evidenz dieses Anspruchs wird häufig durch Gewalt zerstört. Die Soja-Firmen engagieren paramilitärische Gruppen, die Häuser abbrennen oder niederreißen, Vieh stehlen oder ähnliches.

Und die Regierung ...
Die Regierung schickt dann eine Kommission für Menschenrechte, die das alles fein säuberlich dokumentiert, so geschehen in der Provinz Santiago del Estero. Die Menschen dort leben weit entfernt von ihren Nachbarn, und es ist nicht leicht, sich gegenseitig zu unterstützen, auch wenn man sich mittlerweile besser organisiert, es passiert in der Regel zu schnell.

Welchen Weg könnte Argentinien einschlagen?
Argentinien sollte beginnen, für einen lokalen Markt zu produzieren, bevor es an den Export denkt. Es sollte zurückkehren zu einer Produktion diverser Produkte pflanzlicher und tierischer Art. Gleichzeitig wäre es sinnvoll, die Rotation wieder einzuführen. Argentinien sollte die Lebensmittel produzieren, die von argentinischen Menschen gegessen werden und erst dann mögliche Überschüsse exportieren.

Kein leicht zu erreichendes Ziel ...
Das Problem einer solchen Strategie liegt in der großen Abhängigkeit unseres Landes von den transnationalen Konzernen und deren "goodwill". Diese haben nur ihren Profit im Blick. Die Landwirtschaft ist privatisiert, und es gibt keinen einfachen Weg aus dieser Abhängigkeit. Keine Regierung unternimmt ernsthafte Schritte gegen die Transnationals. Sie haben Angst vor den Konsequenzen, und es ist zu erwarten, dass die großen Konzerne in höchst unangenehmer Weise reagieren werden.

Sie waren kürzlich mit der deutschen Organisation "Brot für die Welt" auf einer Info-Tour durch Deutschland. Was war die Motivation für diese Kooperation?
So wie ich es verstehe, zeigen wir der deutschen Öffentlichkeit eine Perspektive auf das Gentechnik-Thema aus der Perspektive der Länder der Dritten Welt. Gerade jetzt, wo an der "Idee" gearbeitet wird, dass die gentechnisch veränderten Produkte in den Dritte-Welt-Ländern angebaut und in den Industrie-Staaten verbraucht werden. In diesem Zusammenhang ist auch der Sieg der Industrie zu sehen, dass Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden, nach dem europäischen Recht nicht gekennzeichnet werden müssen. Dieser Sieg bedeutet eine tragische Niederlage für die Landbevölkerung in den Dritte-Welt-Ländern.



Das Gespräch führte Christof Potthof Christof Potthof ist Mitarbeiter des Genethischen Informationsdienstes (GID).
hjw2:

gensoja

 
07.07.04 01:01
Andrés Gaudin/Roberto Roa, Buenos Aires

Monokulturelle Sojarepublik?

Exzessiver Anbau von Gensoja in MERCOSUR-Staaten. Ökologen warnen vor unabsehbaren Risiken

Dieses Jahr wird der Gemeinsame Südamerikanischen Markt MERCOSUR zum weltweit größten Sojaproduzenten weltweit aufsteigen. Mit einer Anbaufläche von über 37 Millionen Hektar bedienen dann Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay sowie Bolivien 51,1 Prozent des Sojamarktes; und damit werden sie zu einem Hauptlieferanten auch für die Tierfutterproduktion, für die die Nutzpflanze in erster Linie genutzt wird.

Die Aussicht auf eine Rekordernte 2005, die unter anderem aufgrund genveränderter Sojasamen erreicht wird, wird von den Regierungen dieser südamerikanischen Länder gern hervorgehoben. Damit würden die Exporte einen enormen Sprung machen und Extraeinnahmen von Devisen in Höhe von 22 Milliarden US-Dollar bescheren. »Es gibt weder einen Grund zu feiern, noch stolze Reden zu halten«, hält die argentinische Nichtregierungsorganisation »Reflexión Rural« den Wirtschaftspolitikern vor. »Multinationale Institutionen und Unternehmen haben uns ein Modell aufgedrängt, mit dem Devisen erwirtschaftet werden sollen, um die Auslandsschulden zu bedienen. Wir sind der Monokultur ausgeliefert und werden zur ›Sojarepublik‹ degradiert«, so die Umweltschützer.

Der Hauptgrund für den Einsatz von Gensoja, das vom US-Konzern Monsanto, der Schweizer Syngenta oder Nidera aus die Niederlanden angeboten wird, ist ihre Immunität gegen die wichtigsten Pestizide und Unkrautvernichter, die wiederum von Chemieriesen wie Bayer, Adventis oder Dow hergestellt werden. Damit wird der großflächige Sojaanbau resistenter und kostengünstiger. Ein weiterer Grund für hohe Gewinne mit Soja ist derzeit die enorme Nachfrage zu einem stabilen Preis – momentan rund 250 US-Dollar je Tonne – als Folge der großen Nachfrage aus China sowie der Diskreditierung von Tiermehl im Zuge der BSE-Krise.

Doch warnen die Kritiker davor, auf den Sojaexportboom zu setzen, und sagen ihren Ländern neue Probleme voraus: Die Monokultur und der exzessive Gebrauch von Chemikalien werde den Boden schon nach kurzer Zeit unfruchtbar machen, so der argentinische Agronom Jorge Rulli. Nicht zu vergessen die bislang nicht erforschten Aus- und Nebenwirkungen der genveränderten Samen auf das Gleichgewicht der Natur. Katastrophal seien auch die Folgen für den Arbeitsmarkt. Da der Anbau von Gensoja kaum Arbeitskräfte benötigt, würde die Arbeitslosigkeit ebenso zunehmen wie die Landkonzentration in den betreffenden Gegenden. So gaben in der vergangenen Dekade nach Angaben der Agrarföderation Argentiniens (FAA) 160 000 Kleinbetriebe in der Landwirtschaft auf. »Sie werden von Großgrundbesitz in Händen von Aktiengesellschaften aufgekauft und bescheren uns ein Land ohne Bewohner«, kommentiert die FAA die Tendenz in der Agrarwirtschaft.

Auf besonderen Unmut stieß die jüngste Werbekampagne, mit der die Gensoja-Lobby für ihr Anliegen wirbt. Die Plakate zeigen eine Landkarte Südamerikas, das in weiten Teilen von einem grünen Fleck verdeckt ist. Dieser wird »Vereinigte Soja-Republik« betitelt und sogar noch von einer Flagge geschmückt, die einen Sojasproß auf einem grünen Feld zeigt. »Dieses Plakat spiegelt einen Machtkampf wider, der im Zentrum der Globalisierungsdebatte liegt: Der Verlust von Einfluß der Nationalstaaten an die multinationalen Unternehmen«, schreibt der Analyst Gerardo Evia von der uruguayischen Institution »Wirtschaft, Gleichheit und Ökologie« (Economía, Equidad y Ecología).

»In unseren Ländern wird eine Landkonzentration vorangetrieben, die zu einer Entvölkerung führen wird«, ergänzt der Ökonom Adolfo Boy. Jeder aufgegebene Hektar herkömmlicher Landwirtschaft bedeute den Verlust von 60 Arbeitsplätzen. In Argentinien, wo 13,6 Millionen Hektar mit Soja angebaut werden, arbeitet nur ein Mensch pro Hektar, so Boy. In allen fünf Ländern häufen sich bereits die Klagen über Folgeschäden durch den Chemieeinsatz. Beispielsweise in Paraguay nehmen Augen- und Hautkrankheiten zu, mehrfach wurde der Tod von Kindern mit den Pestiziden in Zusammenhang gebracht. In Uruguay macht vor allem die Verseuchung von Flüssen und des Grundwassers Sorgen.

hjw2:

Endspurt zum Referendum

 
14.08.04 18:16

Endspurt zum Referendum

Chávez in Führung. Zweifel linker Basisorganisationen an elektronischem Wahlverfahren

Dario Azzellini   Das riesige Plakat füllt die gesamte Hauswand. Darauf zu sehen ist im Bildausschnitt der Torso einer jungen Frau, die sich gerade die Hose aufknöpft. »¡Si, claro!«, Ja, natürlich! steht daneben in großen Buchstaben zu lesen. Was wie die Werbung eines Sexshops anmutet, ist der Versuch der venezolanischen Opposition, der Bevölkerung ein »Ja« zum Rücktritt des Präsidenten Hugo Chávez im Referendum am Sonntag abzuringen. Das »Nein zur Vergangenheit, Nein zur Repression!« der Chávez-Anhänger wirkt ob seiner inhaltlichen Aussage überzeugender.

So weisen auch die letzten acht Umfragen, darunter zwei von US-Instituten und diverse von Instituten, die der Opposition nahestehen, Chávez als eindeutigen Sieger aus. Das Unternehmen North American Opinion Research sieht Chávez sogar mit 63 Prozent der Stimmen vorn. Die Opposition liegt hingegen in allen Umfragen unter 40 Prozent. Und obwohl der Anteil derer, die gegen den Rücktritt des Präsidenten stimmen wollen, in den letzten Wochen angestiegen ist, geben sich Oppositionssprecher überzeugt, das Referendum zu gewinnen. Sie setzen auf den Effekt der »heimlichen Stimme«: Viele Wähler würden an den Urnen doch gegen Chávez stimmen, auch wenn sie sich vorher nicht getraut hätten, dies zuzugeben. Diese These wurde selbst von dem oppositionellen venezolanischen Meinungsforschungsinstitut Datanalisis verworfen.

Sollte Chávez das Referendum wider Erwarten verlieren, müßten innerhalb von 30 Tagen Neuwahlen ausgeschrieben werden. Der Wahlsieger würde allerdings nur die aktuelle Legislaturperiode bis Januar 2007 zu Ende führen. Chávez hat bereits angekündigt, für diesen Fall erneut kandidieren zu wollen.

Samuel Moncada, der Sprecher des »Comando Maisanta«, die von Chávez ins Leben gerufene Koordinationsgruppe für die Kampagne gegen seine Abwahl, erklärte gegenüber der mexikanischen Tageszeitung La Jornada, mittlerweile »dankbar« für das Referendum zu sein. Es ermögliche den Chávez-Anhängern, die breite Unterstützung für die Regierung zu verdeutlichen. »Unser Ziel ist es, mit einem riesigen Vorsprung zu gewinnen«, so Moncada, Dekan der Geschichtsfakultät der Zentraluniversität Venezuelas. Ein »knapper Sieg« sei daher »fast so schlecht wie eine Niederlage«.

Bis auf kleinere Provokationen der Opposition geht es bisher fast verdächtig ruhig zu. Allerdings bestehen massive Sorgen, ein Wahlbetrug könne bevorstehen. Zwar wiederholt der Nationale Wahlrat, das elektronische Wahlverfahren habe in Tests einwandfrei funktioniert und lasse keine Möglichkeit eines Wahlbetrugs zu. Doch ist es genau dieses Wahlverfahren, das die linken Basisorganisationen beunruhigt.

Abgestimmt wird an Bildschirmen des Konsortiums SBC. Das US-venezolanische Unternehmen Smartmatic stellt die Hard- und Software. Die nationale, von transnationalen Unternehmen kontrollierte, Telefongesellschaft Cantv übernimmt die Sendung der Daten an den Wahlrat. Die Möglichkeiten des Betrugs sind also zahlreich – auch wenn zusätzlich ein Papierausdruck der Stimme erfolgen soll, um im Streitfall eine manuelle Zählung nachzuholen. Zusätzliche Aufregung verursachte die Nachricht, daß viele der nach den Sabotageaktionen Ende 2002 entlassenen Mitarbeiter des staatlichen Erdölunternehmens PdVSA von Cantv eingestellt wurden. So forderte das Comando Maisanta am Mittwoch vom Wahlrat elf Mitarbeiter von Cantv auszutauschen, weil sie als Aktivisten der Opposition bekannt seien.

Präsident Chávez erklärte zu möglichen Betrugsmanövern der Telefongesellschaft bereits Anfang August, er halte ein Dekret für eine Intervention von Polizei und Armee in den Cantv-Räumen bereit, falls das Unternehmen den Verlauf des Referendums zu beeinflussen versuchen sollte. Große Teile der Basis trauen der Ruhe dennoch nicht. Schon Tage vor dem Referendum fanden in Venezuela Demonstrationen gegen Cantv und einen möglichen Betrug am Sonntag statt.

* Siehe auch Interview mit Maria Bencomo

 

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Ist Hugo Chávez nur durch Betrug zu schlagen?

jW sprach mit Maria Bencomo, Jugendvertreterin der »Bewegung für die Volksmacht«, einer bolivarianischen Basisorganisation in Venezuela

Interview: Werner Pirker   F: Am Sonntag findet in Venezuela das von der rechten Opposition durchgesetzte Referendum über die Absetzung von Präsident Hugo Chávez statt. War es richtig, die Fortführung des antiimperialistischen Prozesses zur Wahl zu stellen?

Die Absichten jener, die das Referendum gewollt haben, zielen ohne Zweifel auf einen Bruch mit der antiimperialistischen Orientierung. Schon der Prozeß der Durchsetzung dieser Abstimmung beruhte auf betrügerischen Machenschaften. Die zentrale Wahlkommission hat vor wenigen Tagen festgestellt, daß eine Person gleich fünfzigmal für das Referendum unterschrieben hat. Daß sich das Regierungslager auf die Volksbefragung eingelassen hat, ergab sich aus dem Wirken eines Bündnisses von politischen Parteien, die die Regierung Chávez unterstützen, aber eine Position des ständigen Zurückweichens einnehmen. Diese Kräfte haben sich mit der Opposition auf das Referendum geeinigt, um Zusammenstöße zu vermeiden. Obwohl diese Abstimmung von der Zahl der Unterschriften her nicht verfassungskonform ist.

F: Wie lautet Ihre Wahlprognose?

Präsident Hugo Chávez müßte die Abstimmung unter normalen Umständen klar für sich entscheiden. Damit wäre aber keineswegs gesagt, daß die Opposition das Wahlergebnis anerkennt und von ihrem Konfrontationskurs abweicht. Nicht auszuschließen ist aber auch, daß die Gegner der bolivarianischen Revolution mit Hilfe von Wahlbetrug gewinnen. Denn sie kontrollieren weitgehend den auf elektronischer Basis stattfindenden Prozeß der Stimmauszählung.

F: Normalerweise hat doch eher die Regierung als die Opposition die Möglichkeit zum Wahlbertrug. Warum soll das in Venezuela anders sein?

Die Opposition hat deshalb große Möglichkeiten zur Manipulation des Wahlergebnisses, weil die Stimmenauszählung über ein von der nationalen Telefongesellschaft beherrschtes System erfolgt. Der Hauptaktionär dieser Gesellschaft steht im Lager der Reaktion, die Regierungsanteile sind in der Minderheit. Möglich ist auch, und das wäre nicht das erste Mal in Venezuela, daß das System abstürzt oder durch einen Stromausfall lahmgelegt wird, was der Opposition zur behauptung dienen könnte, die Regierung habe das Referendum zum Scheitern gebracht.

F: Welche Szenarien sind denkbar – im Falle eines Sieges oder einer Niederlage?

Sollten wir gewinnen, wird es ein riesiges Volksfest geben. Das alleine würde aber nicht dazu führen, daß der Prozeß der bolivarianischen Revolution vertieft wird. Andererseits könnte ein Sieg aber auch zu einer Mobilisierung des Volkes führen. Dann könnte es gelingen, die reformistischen Kräfte innerhalb der Regierung zurückzudrängen und die derzeit von moderaten Parteien besetzten Räume zurückzuerobern. Gewinnt die Opposition infolge von Manipulationen, würde das dennoch nicht bedeuten, daß sich das Volk seine Errungenschaften wieder so ohne weiteres nehmen ließe. Dann wäre ein Bürgerkrieg durchaus möglich.

F: Was bedeutet reformistisch und was revolutionär in Venezuela?

Auch unter den reformistischen Kräften in der bolivarianischen Regierung gibt es solche, die für eine Weiterführung des revolutionären Prozesses eintreten. Sie wollen dies aber mit ausschließlich gewaltfreien Mitteln tun. Und dann gibt es gewöhnliche Reformisten, die keinen Schritt über das Erreichte hinausgehen wollen. Viele von ihnen haben sich einfach an die Macht angehängt. Dabei handelt es sich um gewisse Parteien, aber auch um Regierungsmitglieder. Sie klammern sich an ihre Posten und Privilegien und wehren sich deshalb gegen eine Vertiefung der Revolution, die vor allem auch eine radikale Umgestaltung des institutionellen Staatsapparates bedeuten würde. Zum Beispiel der Minister für Inneres und Justiz. Er wünscht sich eine bolivarianische Regierung ohne Chávez. Während des Staatsstreiches vom April 2002 hatte er, der damals eine hohe militärische Funktion innehatte, schon erklärt, daß Chavez zurückgetreten sei, die Regierung aber weiter bestehen bleibe. Solche Regierungsvertreter gefährden den revolutionären Prozeß. Es gibt zwar Druck von unten, diese Leute zu ersetzen. Doch sie finden Rückendeckung in Teilen der Streitkräfte.

F: Von Parteien, auch von denen, die das Regierungslager bilden, scheinen Sie grundsätzlich keine gute Meinung zu haben. Wie lassen sich diese Formationen charakterisieren?

Im Zentrum steht die um Chávez gebildete »Bewegung für die 5. Republik«, kurz: MVR. Sie hat ihre Wurzeln in der Erhebung der Militärs gegen die Oligarchie. Sie ist sehr heterogen und mit mehr oder weniger radikalen bolivarianischen Zirkeln vernetzt. Dann gibt es die Kommunistische Partei, die sehr moderat ist und wie in Chile unter Allende auf Veränderungen im institutionellen Rahmen setzt. Dann gibt es die Formationen »Podemos« (Wir können) und die »Bewegung Vaterland für alle«. Sie hat sich aus der »Bewegung für Sozialismus« abgespalten, die sich auf die Seite der Opposition geschlagen hat. Überhaupt ist die Rolle der historischen Linken äußerst ambivalent. Der eine Teil verkörpert die stagnativen Tendenzen im Revolutionsprozeß, der andere stellt die aggressivste Pressure Group der Konterrevolution. Die frühere maoistische Guerillabewegung Bandiera Roja ist während des Umsturzversuches im April 2002 als paramilitärische Formation der oligarchischen Reaktion aufgetreten.

F: Was verstehen Sie unter einer Vertiefung des revolutionären Prozesses?

Dazu gehört primär eine Politik der Nationalisierung, vor allem der Banken. Zweitens muß die Bürokratie in der Erdölindustrie von reaktionären Teilen befreit werden. Der dritte Bereich fällt unter den Begriff »Volksmacht«, das heißt, die direkte Teilnahme des Volkes an der Macht, ohne die Vermittlung durch politische Parteien, die gegenwärtig die Grundlage des Reformismus bilden. In unserer Verfassung gibt es das Gesetz für lokale Planungsstäbe. Es ist bisher noch nicht umgesetzt worden. Selbst die Form seiner Umsetzung ist noch völlig offen. Ein wesentliches Element der Vertiefung der Revolution ist der Kampf gegen die Korruption und gegen die Bürokratie. Als Erbe des alten Regimes gibt es immer noch einen starken bürokratischen Staatsapparat, der nicht nur verändert, sondern zerstört werden müßte. Um die Revolution zu vertiefen, muß das politische Bewußtsein der Volksmassen gehoben werden. Unsere Volksbewegung ist zwar mitunter sehr euphorisch, in ihren Zielsetzungen aber zumeist sehr kurzfristig.

F: Eine Revolution ohne revolutionäre Partei?

Natürlich wird sich im revolutionären Prozeß eine Avantgarde herausbilden.

*** Das Aktionsbündnis für Venezuela lädt in Berlin zur Venceremos-Soli-Party ein: Sonnabend, 14. August, 19 Uhr: Blauer Salon im ehemaligen ND-Gebäude am Franz-Mehring-Platz.

Am Sonntag vor der Botschaft Venezuelas in Berlin: Mahnwache von 10 - 14 und 19 - 20 Uhr, Schillstr., Berlin-Tiergarten

 

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Was wäre, wenn ...

... die Reaktion gewinnt? Vorsicht vor James Carter und den »Menschenrechts«interventionisten. Das Referendum in Venezuela

James Petras   Am 15. August 2004 werden die wahlberechtigte Venezolanerinnen und Venezolaner über ein Referendum von außerordentlicher weltpolitischer Bedeutung entscheiden. Es geht um nicht weniger als um die Zukunft der Weltenergiewirtschaft, das Verhältnis der USA zu Lateinamerika, insbesondere zu Kuba, und um das politische und soziale Schicksal von Millionen Armen in den venezolanischen Städten und auf dem Lande. Wenn Präsident Hugo Chávez abgewählt wird und die Rechte an die Macht kommt, wird sie die staatliche Öl- und Gasgesellschaft privatisieren und an die Multis der USA verkaufen, aus der OPEC austreten, die Produktion des venezolanischen Öls und den Export in die USA erhöhen, was im Ergebnis zu einer Verringerung der venezolanischen Staatseinnahmen um mehr als die Hälfte führen wird.

Die politischen Konfliktlinien

Innenpolitisch bedeutete dies die Beendigung des Gesundheitsprogramms für die Bevölkerungsschichten in den städtischen Armenvierteln, der Alphabetisierungskampagne sowie des öffentlichen Wohnungsbaus für die Armen. Die Landreform würde aufgehoben und ihre rund 500000 Nutznießer (100000 Familien) von Grund und Boden vertrieben. Dies alles wird nur durchzusetzen sein, indem es zu blutiger staatlicher Unterdrückung, zu Festnahmen und extralegalen Hinrichtungen, zu schwerer Repression gegen die Wohnviertel der Chávez-Anhänger, die Gewerkschaften und die sozialen Bewegungen kommt. Das scheinbar so »demokratische« Referendum wird, falls die Opposition gewinnt, extrem autoritäre, kolonialistische und sozial repressive Folgen zeitigen.

Regionalpolitisch würde eine Abwahl von Chávez dazu führen, daß die USA und Europa die Ölreserven Lateinamerikas noch fester in den Griff bekommen; nach Chávez würde die Entstaatlichung der Erdölindustrie nach dem Muster der Privatisierungen von Petrobras in Brasilien unter Präsident Inácio Lula da Silva und in Ecuador unter Präsident Lucio Gutierrez vonstatten gehen. In Argentinien, Bolivien und Peru würde die Ölindustrie weiter in ausländischem Privatbesitz bleiben. Die Kontrolle über Venezuelas Öl würde den USA noch größeren Einfluß auf dem Weltölmarkt bescheren und sie weniger abhängig vom Mittleren Osten machen. Nicht minder wichtig für die USA würde es sein, mit einem postchavistischen Venezuela den schärfsten Gegner des Freihandelsvertrages (ALCA) auszuschalten und damit dem Ziel näherzukommen, die Handels- und Investitionsbedingungen in der Hemisphäre direkt zu kontrollieren. Für die kubanische Wirtschaft würde die Übernahme des venezolanischen Öls durch die USA ernste strategische Konsequenzen haben, die Ölexporte würden wahrscheinlich abrupt beendet und die Beziehungen abgebrochen werden. Die direkte neokoloniale Beherrschung des Irak und Venezuelas, von zwei der wichtigsten Erdöllieferländer, würde die globale Macht der USA ungemein erhöhen.

Das »Referendum« in Venezuela bedeutet die Konfrontation scharfer Widersprüche, und zwar zwischen USA und OPEC, zwischen US-Imperialismus und patriotischen Kräften in Lateinamerika, zwischen Neoliberalismus und unabhängiger nationalstaatlicher Politik, zwischen autoritären, von den USA unterstützten Herrschaftseliten und sozialen Interessen der einheimischen städtischen Lohnabhängigen, Arbeitslosen, kleinen Geschäftsleute, landlosen Landarbeitern und Kleinbauern. Diese historischen Konfliktlinien laufen in dem Referendum wie in einem Brennpunkt zusammen.

Die Ereignisse im Vorfeld des Referendums sprechen eine deutliche Sprache, was die krasse Einmischung der USA, die Gewaltbereitschaft der Eliten mit ihrer Strategie des Herrschens oder Zerstörens und die hemmungslose totalitäre Propaganda der privaten Massenmedien angeht. Die Opposition hat einen gewalttätigen Militärputsch unterstützt (der im April 2002 niedergerungen wurde) und einen beinahe vernichtenden Wirtschaftsboykott organisiert (der ebenfalls mit einer Niederlage endete). Sie hat, um Gewalt zu verbreiten, mit Hilfe aktiver venezolanischer Offiziere ein kolumbianisches Militärkontingent aus über 130 militärischen und paramilitärischen Kämpfern zusammengestellt – was dank des venezolanischen Geheimdienstes vereitelt wurde. Bedrohlich war ferner, daß während der Unterschriftenkampagne für das Referendum massenhaft gefälschte Ausweispapiere hergestellt und verteilt wurden; es wurden Unterschriften von Zehntausenden verstorbenen, nicht wahlberechtigten oder unter Druck gesetzten Personen gefälscht; Tausende Unterschriften stammten von einer einzigen Hand. Es grassierten Korruption und Betrug, aber die offiziellen internationalen Beobachter drängten die Regierung Chávez, dies hinzunehmen und mit dem Referendum fortzufahren. Unter denen, die ihre Stimme erhoben, waren auch, was die Sache noch bedrohlicher machte, der umtriebige James Carter sowie Jose Miguel Vivanco von Human Rights Watch.

Die Gesichter imperialer Macht

In diesen beiden Gesichtern imperialer Macht spiegeln sich unter anderem die eiserne Faust der militärischen Intervention ebenso wie das »Weichspülen« von Wahlbetrug und die Politik der diplomatischen Einschüchterung und demokratischen Erpressung. James Carter ist der durch Graham Green berühmt gewordene »stille Amerikaner«, der Wahlbetrug legitimiert, gefälschte Wahlen absegnet, mörderischen Gewaltherrschern ein Gütesiegel verleiht, Wahlen forciert, bei denen die Opposition durch staatliche Institutionen und halböffentliche Stiftungen der USA finanziert wird, und bei denen die bestehende fortschrittliche Regierung durch Störungen der Wirtschaft unter Druck gesetzt wird.

Hinter einer simplen, humanen Fassade verfolgt Carter eine Strategie, die darin besteht, progressive Regimes zu Fall zu bringen. Carter und das »Team« seines Centers erkunden die Schwachpunkte der demokratischen Kräfte, die von ihren Gegnern mit Rückendeckung der USA bekämpft werden und somit für Carters Appelle empfänglich sind, »pragmatisch« und »realistisch« zu sein, sprich gefälschte Wahlergebnisse und grobe Wahleinmischung der USA hinzunehmen. Carter ist ein Meister in der Vermischung demokratischer Rhetorik und der Manipulation von Demokraten. Die internationalen Massenmedien widmen sich bereitwillig seinen inszenierten Reisen in Konfliktländer und seiner seltsamen Menschenrechtskarriere und geben Carter so den Anschein demokratischer Glaubwürdigkeit. Tatsächlich dienten seine politischen Interventionen dem Ziel, Diktatoren zu unterstützen, gefälschte Wahlen zu legitimieren und populäre demokratische Kandidaten zu drängen, vor den von den USA unterstützten Gegnern zu kapitulieren.

In Venezuela posiert Carter heute abermals als »neutraler Moderator«, während er mit der Opposition gegen Chávez zusammenarbeitete, um zunächst das Referendum zu legitimieren und dann Bedingungen für seinen günstigen Ausgang zu schaffen. Nicht ein Wort verlor Carter über die massive Finanzierung der Opposition durch die USA, eine schreiende Verletzung jeden demokratischen Wahlprozesses, Aktivitäten, die in seinem eigenen Land, den USA, strafbar wären.

Er fordert augenzwinkernd eine »faire Berichterstattung« von Massenmedien, die geradezu hysterisch auf Chávez reagieren und über die Opposition nur positiv berichten. Als Gegenleistung erlangte er von Chávez die Zusage, keine gesetzlich vorgeschriebenen Sendungen auf staatlichen Kanälen durchzusetzen. Carter weigert sich anzuerkennen, daß in diesem Wahlkampf keine gleichen Bedingungen herrschen; hingegen verteidigt er unter dem Deckmantel der »freien Presse« das Recht der Medienoligarchen, giftige Lügen zu verbreiten, und spricht der Wählerschaft das Recht ab, beide Seiten zu hören.

Carter ignoriert den einschüchternden Effekt von Militärmanövern der USA in der Karibik, die kriegerischen Erklärungen des stellvertretenden US-Außenministers für Lateinamerika, Noriega, gegen Chávez sowie die hyperaktive Unterstützung der Anti-Chávez-Kräfte durch den US-Botschafter Charles Shapiro. Vor allem sieht Carter hinweg über die Verschwörungen, betrügerischen Praktiken und paramilitärischen Aktivitäten im Vorfeld des Referendums. Indem er sich darauf konzentriert, die Einhaltung der Wahlbestimmungen durch die Regierung durchzusetzen, und den in höchstem Grade präjudizierenden Kontext der Wahlen ausblendet, erfüllt Carter seine Rolle als »Schrittmacher« entweder für einen Wahlsieg der Opposition oder im Falle ihrer Niederlage für einen Staatsstreich nach den Wahlen.

Gestohlene Wahlen

Im Jahre 1993 habe ich ein mehrstündiges Gespräch mit dem bekanntesten demokratischen Politiker der Dominikanischen Republik, Juan Bosch, geführt. Er erzählte mir, daß nach den Präsidentschaftswahlen von 1990, die er rechtmäßig gewann, sein rechter, USA-höriger Gegner, Juan Balaguer, einen massiven Diebstahl beging, der von Wahlbeobachtern bezeugt wurde. Carter leitete die Beobachtungsmission. Bosch präsentierte Carter Dokumente, Beweismaterial, Zeugenaussagen und Fotos, die bewiesen, daß Balaguer-Anhänger Wahlzettel im Fluß versenkt hatten. Carter nahm die Fälschung und den Betrug als Tatsachen zur Kenntnis, doch drängte er Bosch, das Wahlergebnis zu akzeptieren, »um einen Bürgerkrieg zu vermeiden«. Bosch beschuldigte Carter der Vertuschung, um in Balanguer einen Klienten der USA zu gewinnen. Bosch führte einen Protestmarsch von 500000 Demonstranten an. Carter beglaubigte Balaguer als aus »freien Wahlen« hervorgegangen und reiste ab. Balaguer setzte die Politik der Repressionen, Plünderungen und Privatisierungen elementarer Dienstleistungen fort.

Nikaragua 1979

Im Juni 1978 richtete US-Präsident Carter ein privates Schreiben an den nikaraguanischen Diktator Anastasio Somoza; darin lobte er diesen wegen seiner »Menschenrechtsinitiativen«, während er ihn öffentlich in gleicher Sache kritisierte. Carter hatte die »Menschenrechte« zum Angelpunkt seiner interventionistischen Propaganda gemacht. (Morris Morley, Washington, Somoza and the Sandinistas, 1994, S. 115–116) Seine doppelzüngige Politik fiel in die blutigste Periode der Herrschaft von Somoza, als dieser Städte bombardierte, die mit der Revolution sympathisierten. Carters rhetorische Bekenntnisse zu den Menschenrechten galten nur der Öffentlichkeit, seine privaten Versicherungen gegenüber Somoza ermunterten den Diktator, seine Politik der verbrannten Erde fortzusetzen.

Im Juni 1993 berichtete mir der panamaische Außenminister aus der Amtszeit des verstorbenen Präsidenten Omar Torrijos von Carters kürzestem Regionaltreffen. Es fand im Mai 1979 statt, weniger als zwei Monate vor dem Sturz von Somoza. Carter berief ein Treffen der Außenminister verschiedener Länder ein, die der Somoza-Diktatur ablehnend gegenüberstanden. Carter erschien und legte den Vorschlag auf den Tisch, eine »interamerikanische Friedenstruppe«, eine Streitmacht aus Truppen der USA und lateinamerikanischen Ländern, zu bilden, um in Nikaragua einzumarschieren, um »den Konflikt zu beenden« und eine Koalition diverser Kräfte zu unterstützen. Damit sollte nach Aussage des bei dem Treffen anwesenden früheren Außenminister von Panama erreicht werden, einen Sieg der Sandinisten zu verhindern, die Nationalgarde von Somoza zu erhalten und Somoza durch eine USA-freundliche konservative zivile Junta zu ersetzen. Carters Vorschlag wurde einstimmig als eine ungerechtfertigte Intervention der USA zurückgewiesen. Pikiert brach Carter das Treffen ab. Dieser Versuch, eine von der Bevölkerung unterstützte Revolution im Keim zu ersticken, um den Somoza-Staat und die US-Vorherrschaft zu erhalten, entlarvte Carters Anspruch, ein Präsident der »Menschenrechte« zu sein, als eindeutige Lüge. Die von ihm übernommene Praxis, die »Menschenrechte« für den Einsatz imperialer Macht zu mißbrauchen, wurde unter den Regierungen von Reagan, Clinton und Bush Vater und Sohn zum Standardverfahren.

Opposition der Staatsstreiche

Mit seiner glühenden Unterstützung für die zu Gewalt neigende Opposition hat sich Carter häufig in die venezolanische Politik eingemischt und sich dabei als ein neutraler Vermittler dargestellt. Bei jedem Schritt auf diesem Wege ging es Carter um die Legitimierung einer Opposition der Staatsstreiche, des Aufruhrs, der paramilitärischen Terroristen und der für die Wirtschaft verheerenden Aussperrungen durch die Bosse. Carter überredete Präsident Chávez, sich mit den Vertretern der Elite und Hintermännern des gewaltsamen Staatsstreichs, die seine gewählte Regierung für kurze Zeit gestürzt hatten, zu »versöhnen«. Er setzte den gewählten Präsidenten unter Druck, mit der Opposition zu verhandeln und »die Macht zu teilen«, ungeachtet dessen, daß Chávez sechs nationale Wahlen gewonnen hatte. Carter weigerte sich, die Wahlsiege und Mandate von Chávez anzuerkennen. Statt dessen unterstützte er die Forderung der Opposition nach Neuwahlen und förderte das »Referendum«. Carter beglaubigte die von der Opposition verkündeten Referendumsergebnisse, obgleich es grobe Wahlverstöße gab. Er übte auf den Nationalen Wahlausschuß Druck aus, um die Überprüfung der Stimmen zu beschleunigen, wodurch er drängte, mit dem Referendum fortzufahren. Carter hat niemals den Wahlbetrug in Hunderttausenden Fällen und die gefälschten Ausweispapiere als gravierende Fakten anerkannt (wie er sich auch im Falle des gestohlenen Wahlsieges von Juan Bosch verweigert hatte). Carter agierte in Venezuela als der »stille Amerikaner«, der hohe Ideale beschwört und dabei mit schmutzigen Tricks arbeitet. Die historische Bilanz ist hinreichend klar. Es kann nicht darauf vertraut werden, daß Carter als »neutraler Beobachter« agiert. Er war und ist auch heute ein Parteigänger von imperialen Interessen der USA und nicht einfach ein »Beobachter«, sondern ein aktiver wie hinterhältiger Partner von Klienten der USA. Wo immer es darum geht, fortschrittliche Volksbewegungen und Regierungen zu bekämpfen, ist Carter weiterhin bereit, eine politische Opposition, ein Regime, einen Herrscher oder »Koordinator« zu verteidigen und zu fördern.

Carter ist kein Demokrat! Das Carter Institute wird dabei sein, um Betrug und Täuschung zu legitimieren, d. h. die Fragen und das Referendum infrage zu stellen, wenn Chávez gewinnt. Insbesondere dürfte Carter den Umstand ausnutzen, daß einige politische Opportunisten, die Chávez umgeben, geneigt sind, Konzessionen zu machen, um aus der Anwesenheit dieses Abgesandten des Empire »demokratische Legitimität« zu schöpfen. Carter ist ein Bindeglied in der umfassenderen Strategie der von den USA unterstützen Staatsstreiche und Aussperrungen, paramilitärischen Gewaltanwendung und militärischen Bedrohung von seiten Kolumbiens.

Nachbemerkung

Der imperiale Staat der USA mobilisiert seine organisatorischen Ressourcen, um Chávez zu besiegen. Zusätzlich zu Carter betätigen sich Human Rights Watch (HRW), die National Endowment for Democracy sowie eine kleine Armee von einheimischen und internationalen NGO im Rahmen der von den USA orchestrierten Anti-Chávez-Kampagne. HRW-Direktor José Miguel Vivanco gehört zu den lautstärksten Interventionisten: Kurz nachdem Präsident Chávez der Entscheidung des Nationalen Wahlausschusses beipflichtete, das Referendum abzuhalten, trat Vivanco mit einem »Bericht« hervor, in dem er erklärte, daß Venezuela »unter einer Verfassungskrise leidet, die seine ohnehin fragilen Institutionen berühren könnte.« Er beschuldigte die Chávez-Regierung der »Säuberung des Gerichtswesens« und rief zu einer »Intervention der (von den USA dominierten) Organisation Amerikanischer Staaten« auf. Um die Regierung Chávez zu zwingen, seiner Stellungnahme zu entsprechen, forderte Vivanco die Weltbank und den IWF auf, direkte Hilfe zur »Modernisierung« des Rechtswesens auszusetzen. In den letzten drei Jahre hat HRW dem US-Außenministeriums darin nachgeeifert, die demokratische Legitimation von Chávez zu bestreiten, und zwar ungeachtet dessen, daß sich der venezolanische Präsident in sechs freien Wahlen als Kandidat gestellt (und gewonnen) hat und zu dem Referendum bereit ist, das mit zweifelhaften Unterschriften erzwungenen wurde.

Human Rights Watch ließ den massiven Wählerbetrug der Opposition völlig außer acht und machte sich zum Echo der Opposition. Unter den HRW-Funktionären wimmelt es von früheren Regierungsangestellten der USA, darunter als jüngste Erwerbung Marc Garlasco, ein ehemaliger Beamter des Pentagon-Geheimdienstes (Defense Intelligence Ageny), als führender Analyst für Militärfragen.

* James Petras, ehemaliger Professor für Soziologie an der Binghamton Universität, New York, ist Berater der Landlosen und Arbeitslosen in Brasilien und Argentinien und Mitautor des Buches »Globalization Unmasked« (Zed). Zu erreichen ist er unter: jpetras@binghamton.edu

(Aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff)

 

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hjw2:

venezuela am sonntag wahl

 
15.08.04 00:23

Endspurt zum Referendum

Chávez in Führung. Zweifel linker Basisorganisationen an elektronischem Wahlverfahren

Dario Azzellini
 
Das riesige Plakat füllt die gesamte Hauswand. Darauf zu sehen ist im Bildausschnitt der Torso einer jungen Frau, die sich gerade die Hose aufknöpft. »¡Si, claro!«, Ja, natürlich! steht daneben in großen Buchstaben zu lesen. Was wie die Werbung eines Sexshops anmutet, ist der Versuch der venezolanischen Opposition, der Bevölkerung ein »Ja« zum Rücktritt des Präsidenten Hugo Chávez im Referendum am Sonntag abzuringen. Das »Nein zur Vergangenheit, Nein zur Repression!« der Chávez-Anhänger wirkt ob seiner inhaltlichen Aussage überzeugender.

So weisen auch die letzten acht Umfragen, darunter zwei von US-Instituten und diverse von Instituten, die der Opposition nahestehen, Chávez als eindeutigen Sieger aus. Das Unternehmen North American Opinion Research sieht Chávez sogar mit 63 Prozent der Stimmen vorn. Die Opposition liegt hingegen in allen Umfragen unter 40 Prozent. Und obwohl der Anteil derer, die gegen den Rücktritt des Präsidenten stimmen wollen, in den letzten Wochen angestiegen ist, geben sich Oppositionssprecher überzeugt, das Referendum zu gewinnen. Sie setzen auf den Effekt der »heimlichen Stimme«: Viele Wähler würden an den Urnen doch gegen Chávez stimmen, auch wenn sie sich vorher nicht getraut hätten, dies zuzugeben. Diese These wurde selbst von dem oppositionellen venezolanischen Meinungsforschungsinstitut Datanalisis verworfen.

Sollte Chávez das Referendum wider Erwarten verlieren, müßten innerhalb von 30 Tagen Neuwahlen ausgeschrieben werden. Der Wahlsieger würde allerdings nur die aktuelle Legislaturperiode bis Januar 2007 zu Ende führen. Chávez hat bereits angekündigt, für diesen Fall erneut kandidieren zu wollen.

Samuel Moncada, der Sprecher des »Comando Maisanta«, die von Chávez ins Leben gerufene Koordinationsgruppe für die Kampagne gegen seine Abwahl, erklärte gegenüber der mexikanischen Tageszeitung La Jornada, mittlerweile »dankbar« für das Referendum zu sein. Es ermögliche den Chávez-Anhängern, die breite Unterstützung für die Regierung zu verdeutlichen. »Unser Ziel ist es, mit einem riesigen Vorsprung zu gewinnen«, so Moncada, Dekan der Geschichtsfakultät der Zentraluniversität Venezuelas. Ein »knapper Sieg« sei daher »fast so schlecht wie eine Niederlage«.

Bis auf kleinere Provokationen der Opposition geht es bisher fast verdächtig ruhig zu. Allerdings bestehen massive Sorgen, ein Wahlbetrug könne bevorstehen. Zwar wiederholt der Nationale Wahlrat, das elektronische Wahlverfahren habe in Tests einwandfrei funktioniert und lasse keine Möglichkeit eines Wahlbetrugs zu. Doch ist es genau dieses Wahlverfahren, das die linken Basisorganisationen beunruhigt.

Abgestimmt wird an Bildschirmen des Konsortiums SBC. Das US-venezolanische Unternehmen Smartmatic stellt die Hard- und Software. Die nationale, von transnationalen Unternehmen kontrollierte, Telefongesellschaft Cantv übernimmt die Sendung der Daten an den Wahlrat. Die Möglichkeiten des Betrugs sind also zahlreich – auch wenn zusätzlich ein Papierausdruck der Stimme erfolgen soll, um im Streitfall eine manuelle Zählung nachzuholen. Zusätzliche Aufregung verursachte die Nachricht, daß viele der nach den Sabotageaktionen Ende 2002 entlassenen Mitarbeiter des staatlichen Erdölunternehmens PdVSA von Cantv eingestellt wurden. So forderte das Comando Maisanta am Mittwoch vom Wahlrat elf Mitarbeiter von Cantv auszutauschen, weil sie als Aktivisten der Opposition bekannt seien.

Präsident Chávez erklärte zu möglichen Betrugsmanövern der Telefongesellschaft bereits Anfang August, er halte ein Dekret für eine Intervention von Polizei und Armee in den Cantv-Räumen bereit, falls das Unternehmen den Verlauf des Referendums zu beeinflussen versuchen sollte. Große Teile der Basis trauen der Ruhe dennoch nicht. Schon Tage vor dem Referendum fanden in Venezuela Demonstrationen gegen Cantv und einen möglichen Betrug am Sonntag statt.

* Siehe auch Interview mit Maria Bencomo

 

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Ist Hugo Chávez nur durch Betrug zu schlagen?

jW sprach mit Maria Bencomo, Jugendvertreterin der »Bewegung für die Volksmacht«, einer bolivarianischen Basisorganisation in Venezuela

Interview: Werner Pirker
 
F: Am Sonntag findet in Venezuela das von der rechten Opposition durchgesetzte Referendum über die Absetzung von Präsident Hugo Chávez statt. War es richtig, die Fortführung des antiimperialistischen Prozesses zur Wahl zu stellen?

Die Absichten jener, die das Referendum gewollt haben, zielen ohne Zweifel auf einen Bruch mit der antiimperialistischen Orientierung. Schon der Prozeß der Durchsetzung dieser Abstimmung beruhte auf betrügerischen Machenschaften. Die zentrale Wahlkommission hat vor wenigen Tagen festgestellt, daß eine Person gleich fünfzigmal für das Referendum unterschrieben hat. Daß sich das Regierungslager auf die Volksbefragung eingelassen hat, ergab sich aus dem Wirken eines Bündnisses von politischen Parteien, die die Regierung Chávez unterstützen, aber eine Position des ständigen Zurückweichens einnehmen. Diese Kräfte haben sich mit der Opposition auf das Referendum geeinigt, um Zusammenstöße zu vermeiden. Obwohl diese Abstimmung von der Zahl der Unterschriften her nicht verfassungskonform ist.

F: Wie lautet Ihre Wahlprognose?

Präsident Hugo Chávez müßte die Abstimmung unter normalen Umständen klar für sich entscheiden. Damit wäre aber keineswegs gesagt, daß die Opposition das Wahlergebnis anerkennt und von ihrem Konfrontationskurs abweicht. Nicht auszuschließen ist aber auch, daß die Gegner der bolivarianischen Revolution mit Hilfe von Wahlbetrug gewinnen. Denn sie kontrollieren weitgehend den auf elektronischer Basis stattfindenden Prozeß der Stimmauszählung.

F: Normalerweise hat doch eher die Regierung als die Opposition die Möglichkeit zum Wahlbertrug. Warum soll das in Venezuela anders sein?

Die Opposition hat deshalb große Möglichkeiten zur Manipulation des Wahlergebnisses, weil die Stimmenauszählung über ein von der nationalen Telefongesellschaft beherrschtes System erfolgt. Der Hauptaktionär dieser Gesellschaft steht im Lager der Reaktion, die Regierungsanteile sind in der Minderheit. Möglich ist auch, und das wäre nicht das erste Mal in Venezuela, daß das System abstürzt oder durch einen Stromausfall lahmgelegt wird, was der Opposition zur behauptung dienen könnte, die Regierung habe das Referendum zum Scheitern gebracht.

F: Welche Szenarien sind denkbar – im Falle eines Sieges oder einer Niederlage?

Sollten wir gewinnen, wird es ein riesiges Volksfest geben. Das alleine würde aber nicht dazu führen, daß der Prozeß der bolivarianischen Revolution vertieft wird. Andererseits könnte ein Sieg aber auch zu einer Mobilisierung des Volkes führen. Dann könnte es gelingen, die reformistischen Kräfte innerhalb der Regierung zurückzudrängen und die derzeit von moderaten Parteien besetzten Räume zurückzuerobern. Gewinnt die Opposition infolge von Manipulationen, würde das dennoch nicht bedeuten, daß sich das Volk seine Errungenschaften wieder so ohne weiteres nehmen ließe. Dann wäre ein Bürgerkrieg durchaus möglich.

F: Was bedeutet reformistisch und was revolutionär in Venezuela?

Auch unter den reformistischen Kräften in der bolivarianischen Regierung gibt es solche, die für eine Weiterführung des revolutionären Prozesses eintreten. Sie wollen dies aber mit ausschließlich gewaltfreien Mitteln tun. Und dann gibt es gewöhnliche Reformisten, die keinen Schritt über das Erreichte hinausgehen wollen. Viele von ihnen haben sich einfach an die Macht angehängt. Dabei handelt es sich um gewisse Parteien, aber auch um Regierungsmitglieder. Sie klammern sich an ihre Posten und Privilegien und wehren sich deshalb gegen eine Vertiefung der Revolution, die vor allem auch eine radikale Umgestaltung des institutionellen Staatsapparates bedeuten würde. Zum Beispiel der Minister für Inneres und Justiz. Er wünscht sich eine bolivarianische Regierung ohne Chávez. Während des Staatsstreiches vom April 2002 hatte er, der damals eine hohe militärische Funktion innehatte, schon erklärt, daß Chavez zurückgetreten sei, die Regierung aber weiter bestehen bleibe. Solche Regierungsvertreter gefährden den revolutionären Prozeß. Es gibt zwar Druck von unten, diese Leute zu ersetzen. Doch sie finden Rückendeckung in Teilen der Streitkräfte.

F: Von Parteien, auch von denen, die das Regierungslager bilden, scheinen Sie grundsätzlich keine gute Meinung zu haben. Wie lassen sich diese Formationen charakterisieren?

Im Zentrum steht die um Chávez gebildete »Bewegung für die 5. Republik«, kurz: MVR. Sie hat ihre Wurzeln in der Erhebung der Militärs gegen die Oligarchie. Sie ist sehr heterogen und mit mehr oder weniger radikalen bolivarianischen Zirkeln vernetzt. Dann gibt es die Kommunistische Partei, die sehr moderat ist und wie in Chile unter Allende auf Veränderungen im institutionellen Rahmen setzt. Dann gibt es die Formationen »Podemos« (Wir können) und die »Bewegung Vaterland für alle«. Sie hat sich aus der »Bewegung für Sozialismus« abgespalten, die sich auf die Seite der Opposition geschlagen hat. Überhaupt ist die Rolle der historischen Linken äußerst ambivalent. Der eine Teil verkörpert die stagnativen Tendenzen im Revolutionsprozeß, der andere stellt die aggressivste Pressure Group der Konterrevolution. Die frühere maoistische Guerillabewegung Bandiera Roja ist während des Umsturzversuches im April 2002 als paramilitärische Formation der oligarchischen Reaktion aufgetreten.

F: Was verstehen Sie unter einer Vertiefung des revolutionären Prozesses?

Dazu gehört primär eine Politik der Nationalisierung, vor allem der Banken. Zweitens muß die Bürokratie in der Erdölindustrie von reaktionären Teilen befreit werden. Der dritte Bereich fällt unter den Begriff »Volksmacht«, das heißt, die direkte Teilnahme des Volkes an der Macht, ohne die Vermittlung durch politische Parteien, die gegenwärtig die Grundlage des Reformismus bilden. In unserer Verfassung gibt es das Gesetz für lokale Planungsstäbe. Es ist bisher noch nicht umgesetzt worden. Selbst die Form seiner Umsetzung ist noch völlig offen. Ein wesentliches Element der Vertiefung der Revolution ist der Kampf gegen die Korruption und gegen die Bürokratie. Als Erbe des alten Regimes gibt es immer noch einen starken bürokratischen Staatsapparat, der nicht nur verändert, sondern zerstört werden müßte. Um die Revolution zu vertiefen, muß das politische Bewußtsein der Volksmassen gehoben werden. Unsere Volksbewegung ist zwar mitunter sehr euphorisch, in ihren Zielsetzungen aber zumeist sehr kurzfristig.

F: Eine Revolution ohne revolutionäre Partei?

Natürlich wird sich im revolutionären Prozeß eine Avantgarde herausbilden.

*** Das Aktionsbündnis für Venezuela lädt in Berlin zur Venceremos-Soli-Party ein: Sonnabend, 14. August, 19 Uhr: Blauer Salon im ehemaligen ND-Gebäude am Franz-Mehring-Platz.

Am Sonntag vor der Botschaft Venezuelas in Berlin: Mahnwache von 10 - 14 und 19 - 20 Uhr, Schillstr., Berlin-Tiergarten

 

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Adresse: http://www.jungewelt.de/2004/08-14/014.php

 

Was wäre, wenn ...

... die Reaktion gewinnt? Vorsicht vor James Carter und den »Menschenrechts«interventionisten. Das Referendum in Venezuela

James Petras
 
Am 15. August 2004 werden die wahlberechtigte Venezolanerinnen und Venezolaner über ein Referendum von außerordentlicher weltpolitischer Bedeutung entscheiden. Es geht um nicht weniger als um die Zukunft der Weltenergiewirtschaft, das Verhältnis der USA zu Lateinamerika, insbesondere zu Kuba, und um das politische und soziale Schicksal von Millionen Armen in den venezolanischen Städten und auf dem Lande. Wenn Präsident Hugo Chávez abgewählt wird und die Rechte an die Macht kommt, wird sie die staatliche Öl- und Gasgesellschaft privatisieren und an die Multis der USA verkaufen, aus der OPEC austreten, die Produktion des venezolanischen Öls und den Export in die USA erhöhen, was im Ergebnis zu einer Verringerung der venezolanischen Staatseinnahmen um mehr als die Hälfte führen wird.

Die politischen Konfliktlinien

Innenpolitisch bedeutete dies die Beendigung des Gesundheitsprogramms für die Bevölkerungsschichten in den städtischen Armenvierteln, der Alphabetisierungskampagne sowie des öffentlichen Wohnungsbaus für die Armen. Die Landreform würde aufgehoben und ihre rund 500000 Nutznießer (100000 Familien) von Grund und Boden vertrieben. Dies alles wird nur durchzusetzen sein, indem es zu blutiger staatlicher Unterdrückung, zu Festnahmen und extralegalen Hinrichtungen, zu schwerer Repression gegen die Wohnviertel der Chávez-Anhänger, die Gewerkschaften und die sozialen Bewegungen kommt. Das scheinbar so »demokratische« Referendum wird, falls die Opposition gewinnt, extrem autoritäre, kolonialistische und sozial repressive Folgen zeitigen.

Regionalpolitisch würde eine Abwahl von Chávez dazu führen, daß die USA und Europa die Ölreserven Lateinamerikas noch fester in den Griff bekommen; nach Chávez würde die Entstaatlichung der Erdölindustrie nach dem Muster der Privatisierungen von Petrobras in Brasilien unter Präsident Inácio Lula da Silva und in Ecuador unter Präsident Lucio Gutierrez vonstatten gehen. In Argentinien, Bolivien und Peru würde die Ölindustrie weiter in ausländischem Privatbesitz bleiben. Die Kontrolle über Venezuelas Öl würde den USA noch größeren Einfluß auf dem Weltölmarkt bescheren und sie weniger abhängig vom Mittleren Osten machen. Nicht minder wichtig für die USA würde es sein, mit einem postchavistischen Venezuela den schärfsten Gegner des Freihandelsvertrages (ALCA) auszuschalten und damit dem Ziel näherzukommen, die Handels- und Investitionsbedingungen in der Hemisphäre direkt zu kontrollieren. Für die kubanische Wirtschaft würde die Übernahme des venezolanischen Öls durch die USA ernste strategische Konsequenzen haben, die Ölexporte würden wahrscheinlich abrupt beendet und die Beziehungen abgebrochen werden. Die direkte neokoloniale Beherrschung des Irak und Venezuelas, von zwei der wichtigsten Erdöllieferländer, würde die globale Macht der USA ungemein erhöhen.

Das »Referendum« in Venezuela bedeutet die Konfrontation scharfer Widersprüche, und zwar zwischen USA und OPEC, zwischen US-Imperialismus und patriotischen Kräften in Lateinamerika, zwischen Neoliberalismus und unabhängiger nationalstaatlicher Politik, zwischen autoritären, von den USA unterstützten Herrschaftseliten und sozialen Interessen der einheimischen städtischen Lohnabhängigen, Arbeitslosen, kleinen Geschäftsleute, landlosen Landarbeitern und Kleinbauern. Diese historischen Konfliktlinien laufen in dem Referendum wie in einem Brennpunkt zusammen.

Die Ereignisse im Vorfeld des Referendums sprechen eine deutliche Sprache, was die krasse Einmischung der USA, die Gewaltbereitschaft der Eliten mit ihrer Strategie des Herrschens oder Zerstörens und die hemmungslose totalitäre Propaganda der privaten Massenmedien angeht. Die Opposition hat einen gewalttätigen Militärputsch unterstützt (der im April 2002 niedergerungen wurde) und einen beinahe vernichtenden Wirtschaftsboykott organisiert (der ebenfalls mit einer Niederlage endete). Sie hat, um Gewalt zu verbreiten, mit Hilfe aktiver venezolanischer Offiziere ein kolumbianisches Militärkontingent aus über 130 militärischen und paramilitärischen Kämpfern zusammengestellt – was dank des venezolanischen Geheimdienstes vereitelt wurde. Bedrohlich war ferner, daß während der Unterschriftenkampagne für das Referendum massenhaft gefälschte Ausweispapiere hergestellt und verteilt wurden; es wurden Unterschriften von Zehntausenden verstorbenen, nicht wahlberechtigten oder unter Druck gesetzten Personen gefälscht; Tausende Unterschriften stammten von einer einzigen Hand. Es grassierten Korruption und Betrug, aber die offiziellen internationalen Beobachter drängten die Regierung Chávez, dies hinzunehmen und mit dem Referendum fortzufahren. Unter denen, die ihre Stimme erhoben, waren auch, was die Sache noch bedrohlicher machte, der umtriebige James Carter sowie Jose Miguel Vivanco von Human Rights Watch.

Die Gesichter imperialer Macht

In diesen beiden Gesichtern imperialer Macht spiegeln sich unter anderem die eiserne Faust der militärischen Intervention ebenso wie das »Weichspülen« von Wahlbetrug und die Politik der diplomatischen Einschüchterung und demokratischen Erpressung. James Carter ist der durch Graham Green berühmt gewordene »stille Amerikaner«, der Wahlbetrug legitimiert, gefälschte Wahlen absegnet, mörderischen Gewaltherrschern ein Gütesiegel verleiht, Wahlen forciert, bei denen die Opposition durch staatliche Institutionen und halböffentliche Stiftungen der USA finanziert wird, und bei denen die bestehende fortschrittliche Regierung durch Störungen der Wirtschaft unter Druck gesetzt wird.

Hinter einer simplen, humanen Fassade verfolgt Carter eine Strategie, die darin besteht, progressive Regimes zu Fall zu bringen. Carter und das »Team« seines Centers erkunden die Schwachpunkte der demokratischen Kräfte, die von ihren Gegnern mit Rückendeckung der USA bekämpft werden und somit für Carters Appelle empfänglich sind, »pragmatisch« und »realistisch« zu sein, sprich gefälschte Wahlergebnisse und grobe Wahleinmischung der USA hinzunehmen. Carter ist ein Meister in der Vermischung demokratischer Rhetorik und der Manipulation von Demokraten. Die internationalen Massenmedien widmen sich bereitwillig seinen inszenierten Reisen in Konfliktländer und seiner seltsamen Menschenrechtskarriere und geben Carter so den Anschein demokratischer Glaubwürdigkeit. Tatsächlich dienten seine politischen Interventionen dem Ziel, Diktatoren zu unterstützen, gefälschte Wahlen zu legitimieren und populäre demokratische Kandidaten zu drängen, vor den von den USA unterstützten Gegnern zu kapitulieren.

In Venezuela posiert Carter heute abermals als »neutraler Moderator«, während er mit der Opposition gegen Chávez zusammenarbeitete, um zunächst das Referendum zu legitimieren und dann Bedingungen für seinen günstigen Ausgang zu schaffen. Nicht ein Wort verlor Carter über die massive Finanzierung der Opposition durch die USA, eine schreiende Verletzung jeden demokratischen Wahlprozesses, Aktivitäten, die in seinem eigenen Land, den USA, strafbar wären.

Er fordert augenzwinkernd eine »faire Berichterstattung« von Massenmedien, die geradezu hysterisch auf Chávez reagieren und über die Opposition nur positiv berichten. Als Gegenleistung erlangte er von Chávez die Zusage, keine gesetzlich vorgeschriebenen Sendungen auf staatlichen Kanälen durchzusetzen. Carter weigert sich anzuerkennen, daß in diesem Wahlkampf keine gleichen Bedingungen herrschen; hingegen verteidigt er unter dem Deckmantel der »freien Presse« das Recht der Medienoligarchen, giftige Lügen zu verbreiten, und spricht der Wählerschaft das Recht ab, beide Seiten zu hören.

Carter ignoriert den einschüchternden Effekt von Militärmanövern der USA in der Karibik, die kriegerischen Erklärungen des stellvertretenden US-Außenministers für Lateinamerika, Noriega, gegen Chávez sowie die hyperaktive Unterstützung der Anti-Chávez-Kräfte durch den US-Botschafter Charles Shapiro. Vor allem sieht Carter hinweg über die Verschwörungen, betrügerischen Praktiken und paramilitärischen Aktivitäten im Vorfeld des Referendums. Indem er sich darauf konzentriert, die Einhaltung der Wahlbestimmungen durch die Regierung durchzusetzen, und den in höchstem Grade präjudizierenden Kontext der Wahlen ausblendet, erfüllt Carter seine Rolle als »Schrittmacher« entweder für einen Wahlsieg der Opposition oder im Falle ihrer Niederlage für einen Staatsstreich nach den Wahlen.

Gestohlene Wahlen

Im Jahre 1993 habe ich ein mehrstündiges Gespräch mit dem bekanntesten demokratischen Politiker der Dominikanischen Republik, Juan Bosch, geführt. Er erzählte mir, daß nach den Präsidentschaftswahlen von 1990, die er rechtmäßig gewann, sein rechter, USA-höriger Gegner, Juan Balaguer, einen massiven Diebstahl beging, der von Wahlbeobachtern bezeugt wurde. Carter leitete die Beobachtungsmission. Bosch präsentierte Carter Dokumente, Beweismaterial, Zeugenaussagen und Fotos, die bewiesen, daß Balaguer-Anhänger Wahlzettel im Fluß versenkt hatten. Carter nahm die Fälschung und den Betrug als Tatsachen zur Kenntnis, doch drängte er Bosch, das Wahlergebnis zu akzeptieren, »um einen Bürgerkrieg zu vermeiden«. Bosch beschuldigte Carter der Vertuschung, um in Balanguer einen Klienten der USA zu gewinnen. Bosch führte einen Protestmarsch von 500000 Demonstranten an. Carter beglaubigte Balaguer als aus »freien Wahlen« hervorgegangen und reiste ab. Balaguer setzte die Politik der Repressionen, Plünderungen und Privatisierungen elementarer Dienstleistungen fort.

Nikaragua 1979

Im Juni 1978 richtete US-Präsident Carter ein privates Schreiben an den nikaraguanischen Diktator Anastasio Somoza; darin lobte er diesen wegen seiner »Menschenrechtsinitiativen«, während er ihn öffentlich in gleicher Sache kritisierte. Carter hatte die »Menschenrechte« zum Angelpunkt seiner interventionistischen Propaganda gemacht. (Morris Morley, Washington, Somoza and the Sandinistas, 1994, S. 115–116) Seine doppelzüngige Politik fiel in die blutigste Periode der Herrschaft von Somoza, als dieser Städte bombardierte, die mit der Revolution sympathisierten. Carters rhetorische Bekenntnisse zu den Menschenrechten galten nur der Öffentlichkeit, seine privaten Versicherungen gegenüber Somoza ermunterten den Diktator, seine Politik der verbrannten Erde fortzusetzen.

Im Juni 1993 berichtete mir der panamaische Außenminister aus der Amtszeit des verstorbenen Präsidenten Omar Torrijos von Carters kürzestem Regionaltreffen. Es fand im Mai 1979 statt, weniger als zwei Monate vor dem Sturz von Somoza. Carter berief ein Treffen der Außenminister verschiedener Länder ein, die der Somoza-Diktatur ablehnend gegenüberstanden. Carter erschien und legte den Vorschlag auf den Tisch, eine »interamerikanische Friedenstruppe«, eine Streitmacht aus Truppen der USA und lateinamerikanischen Ländern, zu bilden, um in Nikaragua einzumarschieren, um »den Konflikt zu beenden« und eine Koalition diverser Kräfte zu unterstützen. Damit sollte nach Aussage des bei dem Treffen anwesenden früheren Außenminister von Panama erreicht werden, einen Sieg der Sandinisten zu verhindern, die Nationalgarde von Somoza zu erhalten und Somoza durch eine USA-freundliche konservative zivile Junta zu ersetzen. Carters Vorschlag wurde einstimmig als eine ungerechtfertigte Intervention der USA zurückgewiesen. Pikiert brach Carter das Treffen ab. Dieser Versuch, eine von der Bevölkerung unterstützte Revolution im Keim zu ersticken, um den Somoza-Staat und die US-Vorherrschaft zu erhalten, entlarvte Carters Anspruch, ein Präsident der »Menschenrechte« zu sein, als eindeutige Lüge. Die von ihm übernommene Praxis, die »Menschenrechte« für den Einsatz imperialer Macht zu mißbrauchen, wurde unter den Regierungen von Reagan, Clinton und Bush Vater und Sohn zum Standardverfahren.

Opposition der Staatsstreiche

Mit seiner glühenden Unterstützung für die zu Gewalt neigende Opposition hat sich Carter häufig in die venezolanische Politik eingemischt und sich dabei als ein neutraler Vermittler dargestellt. Bei jedem Schritt auf diesem Wege ging es Carter um die Legitimierung einer Opposition der Staatsstreiche, des Aufruhrs, der paramilitärischen Terroristen und der für die Wirtschaft verheerenden Aussperrungen durch die Bosse. Carter überredete Präsident Chávez, sich mit den Vertretern der Elite und Hintermännern des gewaltsamen Staatsstreichs, die seine gewählte Regierung für kurze Zeit gestürzt hatten, zu »versöhnen«. Er setzte den gewählten Präsidenten unter Druck, mit der Opposition zu verhandeln und »die Macht zu teilen«, ungeachtet dessen, daß Chávez sechs nationale Wahlen gewonnen hatte. Carter weigerte sich, die Wahlsiege und Mandate von Chávez anzuerkennen. Statt dessen unterstützte er die Forderung der Opposition nach Neuwahlen und förderte das »Referendum«. Carter beglaubigte die von der Opposition verkündeten Referendumsergebnisse, obgleich es grobe Wahlverstöße gab. Er übte auf den Nationalen Wahlausschuß Druck aus, um die Überprüfung der Stimmen zu beschleunigen, wodurch er drängte, mit dem Referendum fortzufahren. Carter hat niemals den Wahlbetrug in Hunderttausenden Fällen und die gefälschten Ausweispapiere als gravierende Fakten anerkannt (wie er sich auch im Falle des gestohlenen Wahlsieges von Juan Bosch verweigert hatte). Carter agierte in Venezuela als der »stille Amerikaner«, der hohe Ideale beschwört und dabei mit schmutzigen Tricks arbeitet. Die historische Bilanz ist hinreichend klar. Es kann nicht darauf vertraut werden, daß Carter als »neutraler Beobachter« agiert. Er war und ist auch heute ein Parteigänger von imperialen Interessen der USA und nicht einfach ein »Beobachter«, sondern ein aktiver wie hinterhältiger Partner von Klienten der USA. Wo immer es darum geht, fortschrittliche Volksbewegungen und Regierungen zu bekämpfen, ist Carter weiterhin bereit, eine politische Opposition, ein Regime, einen Herrscher oder »Koordinator« zu verteidigen und zu fördern.

Carter ist kein Demokrat! Das Carter Institute wird dabei sein, um Betrug und Täuschung zu legitimieren, d. h. die Fragen und das Referendum infrage zu stellen, wenn Chávez gewinnt. Insbesondere dürfte Carter den Umstand ausnutzen, daß einige politische Opportunisten, die Chávez umgeben, geneigt sind, Konzessionen zu machen, um aus der Anwesenheit dieses Abgesandten des Empire »demokratische Legitimität« zu schöpfen. Carter ist ein Bindeglied in der umfassenderen Strategie der von den USA unterstützen Staatsstreiche und Aussperrungen, paramilitärischen Gewaltanwendung und militärischen Bedrohung von seiten Kolumbiens.

Nachbemerkung

Der imperiale Staat der USA mobilisiert seine organisatorischen Ressourcen, um Chávez zu besiegen. Zusätzlich zu Carter betätigen sich Human Rights Watch (HRW), die National Endowment for Democracy sowie eine kleine Armee von einheimischen und internationalen NGO im Rahmen der von den USA orchestrierten Anti-Chávez-Kampagne. HRW-Direktor José Miguel Vivanco gehört zu den lautstärksten Interventionisten: Kurz nachdem Präsident Chávez der Entscheidung des Nationalen Wahlausschusses beipflichtete, das Referendum abzuhalten, trat Vivanco mit einem »Bericht« hervor, in dem er erklärte, daß Venezuela »unter einer Verfassungskrise leidet, die seine ohnehin fragilen Institutionen berühren könnte.« Er beschuldigte die Chávez-Regierung der »Säuberung des Gerichtswesens« und rief zu einer »Intervention der (von den USA dominierten) Organisation Amerikanischer Staaten« auf. Um die Regierung Chávez zu zwingen, seiner Stellungnahme zu entsprechen, forderte Vivanco die Weltbank und den IWF auf, direkte Hilfe zur »Modernisierung« des Rechtswesens auszusetzen. In den letzten drei Jahre hat HRW dem US-Außenministeriums darin nachgeeifert, die demokratische Legitimation von Chávez zu bestreiten, und zwar ungeachtet dessen, daß sich der venezolanische Präsident in sechs freien Wahlen als Kandidat gestellt (und gewonnen) hat und zu dem Referendum bereit ist, das mit zweifelhaften Unterschriften erzwungenen wurde.

Human Rights Watch ließ den massiven Wählerbetrug der Opposition völlig außer acht und machte sich zum Echo der Opposition. Unter den HRW-Funktionären wimmelt es von früheren Regierungsangestellten der USA, darunter als jüngste Erwerbung Marc Garlasco, ein ehemaliger Beamter des Pentagon-Geheimdienstes (Defense Intelligence Ageny), als führender Analyst für Militärfragen.

* James Petras, ehemaliger Professor für Soziologie an der Binghamton Universität, New York, ist Berater der Landlosen und Arbeitslosen in Brasilien und Argentinien und Mitautor des Buches »Globalization Unmasked« (Zed). Zu erreichen ist er unter: jpetras@binghamton.edu

(Aus dem Englischen: Klaus von Raussendorff)

 

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hjw2:

CIA-Treffen in Santiago de Chile

 
15.08.04 02:08

 

sorry wegen dem doppelposting, hatte ne fehlermeldung und nen schlechtes controlling..

habe irgendwo gelesen, dass die  deutsche konrad-adenauer-stiftung,

die rebellion gegen chavez unterstützt.

leider finde ich die quelle nicht mehr...

http://www.kas.de/international/3_webseite.html

http://suche.kas.de/cgi-bin/...md.x=17&cmd.y=18&cmd=Search%21

gruss

hjw

 

 

Plan für neuen Putsch

US-Geheimdienst will Venezuelas Präsidenten Chávez »neutralisieren«. CIA-Treffen in Santiago de Chile

Harald Neuber
 
Am Sonntag werden gut 14 Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner über die Fortsetzung der Amtszeit von Präsident Hugo Chávez abstimmen. Rechtsgerichtete Gruppen hatten dieses Referendum mit massiver außenpolitischer Rückendeckung aus den USA erzwungen. Doch scheinen die Hoffnungen der alten Eliten vergebens, Chávez vor dem regulären Ende seiner Amtszeit Anfang 2007 abzuwählen. Seriösen Umfragen zufolge kann der US-kritische Politiker mit einem sicheren Sieg rechnen. Davon scheint nun auch der US-Geheimdienst CIA auszugehen. Wie die spanische Tageszeitung El Mundo am Montag berichtete, hatte der CIA-Untersekretär für Lateinamerika, William Spencer, in der vergangenen Woche ein Treffen verschiedener CIA-Residenten in Santiago de Chile organisiert, um über »die Situation in Venezuela« zu beraten. An der Zusammenkunft hätten neben Spencer auch die CIA-Länderchefs aus Kolumbien, Ecuador, Brasilien und Peru teilgenommen. Ziel der Unterredung sei es gewesen, »eine Ausweitung der bolivarianischen Revolution« von Hugo Chávez in die umliegenden Länder zu verhindern. In der Tat ist es ein Hauptanliegen der amtierenden venezolanischen Regierung, die nationale Souveränität der lateinamerikanischen Staaten zu stärken und den US-Einfluß in der Region einzudämmen.

Verständlich, daß der venezolanische Präsident mit dieser Attitüde bei CIA-Funktionär Spencer auf wenig Sympathie stößt. Der habe, so berichtet El Mundo, im Falle eines Sieges von Chávez auf einen »Aktionsplan« der CIA gedrängt, dessen Ziel es sei, den venezolanischen Staatschef »zu neutralisieren«. Nach Ansicht des CIA-Mannes plane Chávez einen Export der bolivarianischen Revolution in weitere Staaten Südamerikas. So sollten zunächst der bolivianische Präsident Carlos Mesa, und dann der kolumbianische Staatschef Alvaro Uribe Vélez gestürzt werden. Spencer wartete in Santiago schließlich mit einer Theorie auf, die von verschiedenen US-Regierungen schon während des Kalten Krieges benutzt wurde, um zahlreiche blutige Militärinterventionen in Lateinamerika zu rechtfertigen: Bei einem Übergreifen der bolivarianischen Revolution auf andere Länder der Region drohe den USA ein Dominoeffekt, der ein Land nach dem anderen der Vorherrschaft Washingtons entzieht. Nicht ohne Grund fand das CIA-Treffen ausgerechnet in Chile statt, das der US-Regierung als »letzte Bastion« einer Washington-freundlichen Politik in Südamerika gilt.

Nach Angaben der spanischen Tageszeitung hätten bei der Zusammenkunft in der chilenischen Hauptstadt auch mögliche Szenarien eines Putsches am kommenden Wochenende auf der Tagesordnung gestanden. Eine Option sei die Ermordung von Hugo Chávez gewesen. Nach dem Tod des Präsidenten könnten der Ausnahmezustand ausgerufen, das Parlament aufgelöst und Demonstrationen unterdrückt werden.

Nicht ganz so deutlich äußern sich wenige Tage vor dem Urnengang in Venezuela führende Politiker der rechten Opposition. So kündigte der Wortführer eines Bündnisses mit dem Namen »Demokratische Koordination« (CD) an, die »Ergebnisse« des Referendums schon am Sonntag bekanntzugeben. Nach Ansicht von Enrique Mendoza, CD-Chef und Gouverneur des Bundesstaates Miranda, stehe einem Sieg der Opposition ohnehin nichts im Wege. »Wir werden Mittel und Wege finden, den Menschen diese Ergebnisse bekanntzugeben«, sagte Mendoza am Wochenende bei einer Kundgebung gegen die Regierung. So planten oppositionelle Fernsehsender, ab 14 Uhr stündlich die »Ergebnisse« des Referendums auszustrahlen. Hochrangige Regierungsmitglieder befürchten nun, daß die Opposition auf diese Weise versucht, die Stimmung gegen einen Sieg von Chávez zu schüren, um dann das für Montag erwartete amtliche Endergebnis schlichtweg ignorieren zu können. Nach einem ähnlichen Muster waren rechte Oppositionsgruppen schon bei der Sammlung von Unterschriften für das Referendum vorgegangen. Der Präsident des Nationalen Wahlrates, Francisco Carrasquero, kündigte daher »Sanktionen gegen die Personen oder politischen Gruppen« an, die vermeintliche Ergebnisse veröffentlichen. Dies sei einzig dem Wahlrat vorbehalten.

Angesichts der Umsturzpläne aus dem In- und Ausland werden in den kommenden Tagen zahlreiche internationale Beobachter nach Caracas reisen. Allein die Europäische Kommission entsendet ungeachtet der andauernden Putschdrohungen keine eigenen Beobachter. Der italienische EU-Abgeordnete Vittorio Agnoletto bezeichnete diese politische Passivität im jW-Interview als »gravierend«. Als in Venezuela im April 2002 die Rechte mit Unterstützung der USA einen Putschversuch unternahm, habe die EU den Putschisten »sofort eine mögliche Anerkennung ihrer Regierung signalisiert«, so Agnoletto, der einer Delegation von EU-Parlamentariern der Fraktion Vereinigten Linken angehören wird. Die Abgeordneten aus sechs EU-Staaten haben bereits im Vorfeld ihre »Unterstützung der Demokratie in Venezuela sowie der politischen und sozialen Transformationen der Regierung von Präsident Hugo Chávez« erklärt.

* Siehe auch Interview mit Vittorio Agnoletto

 

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Linke EU-Delegation in Venezuela: Betrug bei Referendum befürchtet?

jW sprach mit dem italienischen EU-Parlamentarier Vittorio Agnoletto

Interview: Dario Azzellini
 
* Vittorio Agnoletto ist Arzt und ehemaliger Sprecher des Sozialforums in Genua. Er wurde als unabhängiger Kandidat auf der Liste der italienischen Partei Rifondazione Comunista (Kommunistische Neugründung) in das EU-Parlament gewählt. Er ist Mitglied einer Venezuela-Delegation, die von der Fraktion der Vereinigten Linken im EU-Parlament organisiert wird.

F: Sie werden vom 12. bis 17. August als Mitglied einer Delegation von Europaabgeordneten in Venezuela das Referendum über die Fortsetzung der Amtszeit von Präsident Hugo Chávez beobachten. Warum wollen Sie vor Ort sein?

Wir wollen die Durchführung beobachten, also schauen, ob alles ordnungsgemäß abläuft. Wir werden untersuchen, wie sich die Opposition verhält und darüber berichten. Außerdem freue ich mich darauf, das Venezuela von Hugo Chávez aus nächster Nähe kennenzulernen. Venezuela befindet sich auf einem beachtenswerten Weg, auf der Suche nach Souveränität und Kontrolle über die eigenen Ressourcen. Dieser politische Kurs bringt das Land zwangsläufig in Konflikt mit den Interessen transnationaler Konzerne. Vor allem durch den Umgang mit seinen Erdölvorräten stellt sich Venezuela direkt gegen mächtige US-amerikanische Konzerne. Aber auch vielen anderen Wirtschaftsinteressen steht Chávez im Weg.

F: Woher stammen die Teilnehmer der Delegation?

Die Delegierten sind im wesentlichen Mitglieder der Fraktion der Vereinigten Linken im Europaparlament. Sie stammen aus Deutschland, Italien, Griechenland, Belgien und Portugal. Das sind Abgeordnete, die für eine Politik an der Seite der sozialen Bewegungen stehen und Teil der weltweiten globalisierungskritischen Bewegung sind. Daher auch das Interesse an Venezuela und dessen von der einer breiten Basis getragenen, demokratisch gewählten Regierung. Uns haben sich auch Abgeordnete aus grünen und sozialdemokratischen Parteien angeschlossen, die darum gebeten haben, mitreisen zu können.

F: Sollte es nicht auch eine offizielle Delegation des EU-Parlaments geben?

Ja, aber leider wird es die nicht geben. Ich habe in der Kommission für internationale Politik des EU-Parlaments auf der letzten Sitzung am 29. Juli eine entsprechende Anfrage gestellt. Aber mir wurde mitgeteilt, eine solche Delegation sei nicht vorgesehen. Das halte ich für sehr gravierend. Denn als in Venezuela im April 2002 die Rechte mit Unterstützung der USA einen Putschversuch unternahm, hatte der damalige spanische Ministerpräsident José Maria Aznar, als turnusmäßiger Vorsitzender der EU, den Putschisten sofort eine mögliche Anerkennung ihrer Regierung signalisiert.

F: Halten Sie Venezuela für ein Vorbild für europäische Bewegungen oder gar für die Entwicklung der Staaten in Europa?

Zunächst muß ich sagen, daß wir vor dem Hintergrund der europäischen Geschichte und Erfahrungen natürlich zurückhaltend reagieren, wenn in einem Land ein Militär Staatschef ist. Das ist auch nicht falsch. Aber zugleich ist der Prozeß der sich in Venezuela abspielt, eine mögliche Antwort auf die Art Globalisierung, die auch wir bekämpfen. Die Suche nach einer Alternative zum Neoliberalismus ist vielleicht die entscheidende Aufgabe für uns alle.

F: Was ist besonders bemerkenswert an der venezoelanischen Gesellschaft?

Wir wollen uns das Netzwerk aus Basisorganisationen anschauen, das Chávez und den Transformationsprozeß unterstützt. Außerdem sind die vielen neuen demokratischen Elemente hoch-interessant. Es ist mir beispielsweise kein europäisches Land bekannt, in dem der Präsident nach der Hälfte der Amtszeit abgewählt werden kann, wie in Venezuela.

F: Was bedeutet die Entwicklung Venezuelas für Lateinamerika?

Der Versuch, einer kleinen Oligarchie die Kontrolle über die Ressourcen zu entreißen, ist für jedes Land interessant. Auch im Kontext der politischen Situation in Südamerika. Kolumbien steht beispielsweise im Moment vor einer mehr oder weniger direkten US-Intervention. Venezuela zeigt, daß wirkliche Souveränität für einen lateinamerikanischen Staat nur möglich ist, wenn er auch seine Ressourcen vor dem direkten Zugriff multinationaler Konzerne schützt.

 

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cumana:

Chavez

 
15.08.04 11:38
Der Krieg um dieses Thema spaltet diese Nation in zwei Teile und hört in der Familie nicht auf. Als Zugereister Deutscher werde ich öfters nach meiner Meinung gefragt.
Wer nur die Turisten-Insel kennt ist schlecht beraten,meine Angst ist nur die Erinnerung an Chile oder Nicaragua wo jeder Versuch in die Hose ging. Die meiste Angst der Venezulaner besteht in der engen Umarmung mit Casto.
hjw2:

@ cumana, sie sollten eher angst vor

 
17.08.04 00:42
bush`s umarmung haben...

So kann Venezuela den Ölpreis beeinflussen ...

von Michael Vaupel

Der Ölpreis bleibt DAS Thema Nummer 1 an den Börsen. Auch ich beschäftige mich heute mit diesem Thema – aber nicht auf die Art und Weise, wie Sie das in jeder Tageszeitung nachlesen können. Ich möchte heute auf das Thema "Venezuela" eingehen. Denn merkwürdigerweise steht dieser Ölproduzent immer etwas im Hintergrund – dabei ist dieses Land der fünftgrößte Erdölexporteur der Welt, rund 15 % der amerikanischen Erdölimporte kommen aus Venezuela. Und dennoch liest man über dieses Land meist nur dann etwas, wenn ein wichtiger Termin wie z.B. das gestrige Referendum über den Staatspräsidenten Hugo Chavez stattfindet.

Dabei sind die politischen Hintergründe Venezuelas höchst interessant – und wirtschaftlich höchst relevant (Erdöl).

Also: Ziemlich sicher ist, dass US-Präsident Bush lieber heute als morgen Hugo Chavez, den gewählten Präsidenten Venezuelas, loswerden würde. Vielleicht spielt es da eine Rolle, dass Venezuela die Steuern, die ausländische Erdölkonzerne für ihre Erdölförderungen in Venezuela zahlen müssen, von rund 16 % auf 30 % erhöht hat (für Neuerschließungen). Ein "Affront" gegen die mächtigen Erdölkonzerne. Meldungen darüber muss man aber lange suchen.

Mein Kollege Greg Palast (ein sehr guter investigativer Journalist, der u.a. für BBC und den britischen Guardian Beiträge liefert) hat höchst interessante Fakten herausgefunden:

Das US-Justizministerium hat im Rahmen des "Kriegs gegen den Terror" 67 Millionen Dollar an eine Firma mit Namen Choicepoint gezahlt, ohne Ausschreibung. Dafür, dass diese Gesellschaft Informationslisten mit Daten zu jedem Einwohner bestimmter Länder liefert. Dabei handelte es sich aber nicht um Länder wie Saudi Arabien, Libanon oder Ägypten (wo die Attentäter des 11. September 2001 herkamen), sondern um Venezuela, Brasilien, Nicaragua, Mexiko and Argentinien.

Zufälligerweise sind das alles Länder, deren oberste Politiker sich gegenüber den USA nicht sehr willfährig verhalten (z.B. in Brasilien Lula Ignacio da Silva, in Argentinien Kirchner, in Mexiko Andres Lopez Obrador und in Venezuela Chavez).

Ob diese 67 Millionen Dollar wirklich gut für den "Krieg gegen den Terror" investiert sind?

Diese Firma Choicepoint ist übrigens keine Unbekannte. Sie hatte bei der letzten US-Präsidentenwahl dem Gouverneur von Florida, Jeb Bush (Bruder von George W.) geholfen, kriminelle Wähler von den Wahllisten zu streichen. Merkwürdigerweise waren dabei verhältnismäßig viele Demokraten von den Listen gestrichen worden ... und George W. Bush gewann die Wahl in Florida knapp (Sie erinnern sich).

Diese neuen Listen mit Informationen über die Einwohner der betreffenden Länder sind für die Oppositionellen in diesen Ländern von hohem Wert (wenn sie z.B. wissen, welche Bürger Parteimitglieder der regierenden Parteien sind).

Und jetzt teilt Greg Palast mit, dass sein Team eine Zahlung von 53.000 Dollar der US-Regierung an die Opposition in Venezuela geortet hat, und diese Opposition nimmt für sich in Anspruch, Computerlisten der registrierten Wähler zu haben (Quelle: www.gregpalast.com) Wie haben sie die wohl erhalten?

Für mich ist klar, dass die Bush-Administration ein Interesse an einem Sturz von Hugo Chavez hat. Da Chavez aber insbesondere die Unterstützung der Armen hat, wird dies nicht so leicht sein. Von der Legitimität dieses Vorhabens ganz zu schweigen. Chavez ist in Venezuela nicht ohne Grund populär: Die durch die erhöhte Besteuerung der Erdölkonzerne erhaltenen Mittel hat er zur Verbesserung der Lage der Armen und der Infrastruktur eingesetzt, die Mindestlöhne hat er um 20 % erhöht und die Bruchbuden in den Slums durch gemauerte Bungalows ersetzen lassen.

Auf jeden Fall ist Venezuela wegen dem Druck auf Chavez ein weiterer potenzieller Unruheherd, was die weltweite Ölproduktion angeht. Werden wir deshalb bald einen Ölpreis von 50 Dollar je Barrel sehen?

Ich weiß es nicht. Derzeit sieht es durchaus so aus. Aber andererseits ist eine technische Korrektur des Ölpreises längst überfällig. Ein Engagement beim Öl ist mir deshalb derzeit sowohl auf der Long- als auch auf der Short-Seite eindeutig zu riskant!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche,

Michael Vaupel

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